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Gleitende Arbeitszeit


Begriff und Definition der Gleitenden Arbeitszeit

Die gleitende Arbeitszeit (auch „Gleitzeit“ genannt) bezeichnet ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem Arbeitnehmer innerhalb eines festgelegten Rahmens Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit eigenständig bestimmen können. Im Unterschied zur klassischen festen Arbeitszeit erlaubt die gleitende Arbeitszeit dem Beschäftigten, Arbeitsbeginn, Pausen und Feierabend an die individuellen Bedürfnisse anzupassen, solange die vertraglich vereinbarte Gesamtarbeitszeit sowie etwaige Kernzeiten eingehalten werden.

Gleitende Arbeitszeitmodelle kommen sowohl im öffentlichen Dienst als auch in privaten Unternehmen zur Anwendung und sind Gegenstand umfangreicher arbeitsrechtlicher Regelungen.

Rechtliche Grundlagen der Gleitenden Arbeitszeit

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die arbeitszeitrechtlichen Regelungen zur gleitenden Arbeitszeit ergeben sich in Deutschland vor allem aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dieses Gesetz legt die Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung fest. Die Einführung von Gleitzeitmodellen erfolgt regelmäßig durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge, wobei stets die Vorgaben des ArbZG zu beachten sind.

Regelungsinhalt im Arbeitsrecht

Kernelemente von Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zur gleitenden Arbeitszeit sind in der Regel:

  • Definition des Gleitzeitrahmens (zeitlicher Spielraum, innerhalb dessen gearbeitet werden darf)
  • Festlegung von Kernarbeitszeiten, in denen die Anwesenheit zwingend erforderlich ist
  • Regelungen zu Arbeitszeiterfassung und Zeitsalden (Guthaben und Minusstunden)
  • Vorgaben zum Ausgleich von Über- oder Unterschreitungen der Sollarbeitszeit (z.B. durch Freizeitausgleich oder Verfallregelungen)
  • Verfahren bei Krankheit, Urlaub und sonstigen Arbeitsverhinderungen

Mitbestimmung und Gestaltungsspielraum

Die Einführung und Ausgestaltung gleitender Arbeitszeit unterliegt in mitbestimmungspflichtigen Betrieben dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Auch im öffentlichen Dienst haben Personalvertretungen gemäß den jeweiligen Personalvertretungsgesetzen ein umfassendes Mitbestimmungsrecht.

Gleitzeitrahmen, Kernzeit und Funktionszeit

Gleitzeitrahmen

Als Gleitzeitrahmen wird die Spanne an Arbeitszeiten bezeichnet, innerhalb derer Arbeitnehmer ihren Arbeitsbeginn und ihr Arbeitsende flexibel wählen können. Der typische Gleitzeitrahmen kann beispielsweise von 06:00 bis 20:00 Uhr reichen.

Kernzeit

Die Kernzeit definiert jene Stunden innerhalb des Gleitzeitrahmens, während derer Anwesenheitspflicht besteht (z. B. 09:00 bis 15:00 Uhr). Außerkernzeitlich kann individuell mit der Arbeit begonnen oder diese beendet werden.

Funktionszeit

In bestimmten Bereichen wird ergänzend eine Funktionszeit vereinbart. Diese regelt, zu welchen Zeiten die betriebliche Funktionsfähigkeit im Unternehmen durch anwesende Mitarbeitende gewährleistet sein muss, unabhängig von individueller Arbeitszeitgestaltung.

Arbeitszeiterfassung und Zeitsaldenmanagement

Wesentlich für die Rechtssicherheit gleitender Arbeitszeitmodelle ist die exakte Arbeitszeiterfassung. Arbeitnehmer sind verpflichtet, Beginn, Ende und Pausen ihrer täglichen Arbeitszeit zu dokumentieren, etwa durch Zeiterfassungssysteme, elektronische Stempelkarten oder andere Methoden.

Für jede Abrechnungsperiode wird ein Zeitsaldo gebildet: Arbeitszeit, die über oder unter der vereinbarten Sollarbeitszeit liegt, wird auf ein Arbeitszeitkonto verbucht. Die Regelungen zur Verrechnung oder zum Verfall von Guthaben/Minusstunden richten sich nach betrieblichen, tariflichen oder vertraglichen Vorgaben.

Übertrag und Verfall von Zeitsalden

Häufig existieren Höchstgrenzen für die Übertragung von Stunden in die nächste Abrechnungsperiode. Überschreitungen können verfallen oder werden zugunsten von Freizeitausgleich oder Auszahlungen geregelt.

Rechtliche Grenzen und Schutzvorschriften

Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten

Nach dem Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten; bis zu zehn Stunden sind möglich, sofern innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Mindestens elf Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen sind verbindlich einzuhalten; diese Vorgaben gelten auch bei Nutzung der Gleitzeit.

Pausenregelungen

Auch bei individueller Arbeitszeitgestaltung müssen gesetzlich vorgeschriebene Pausen (mindestens 30 Minuten bei mehr als sechs bis zu neun Stunden Arbeit) eingehalten und dokumentiert werden.

Jugendarbeitsschutz und Mutterschutz

Für minderjährige Beschäftigte und werdende Mütter gelten zusätzliche Schutzvorschriften nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG), die bei der Anwendung von Gleitzeit zu berücksichtigen sind (z. B. Beschäftigungsverbote zu bestimmten Zeiten).

Auswirkungen auf Entgelt und Urlaub

Entgeltfragen

Das Arbeitsentgelt richtet sich bei gleitender Arbeitszeit grundsätzlich nach der im Arbeitsvertrag oder nach Tarifvertrag vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Überstunden, die durch Gleitzeit entstehen, sind nur dann zuschlagspflichtig, wenn sie vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet oder genehmigt wurden.

Urlaub und Krankheitsfall

Während des Urlaubs sowie bei nachgewiesener Krankheit wird in der Regel die vertraglich vereinbarte Sollarbeitszeit als erbracht gewertet. Besondere Regelungen können sich aus betrieblichen Vereinbarungen ergeben.

Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Die Nutzung von Arbeitszeitkonten im Zusammenhang mit Gleitzeit kann steuerrechtliche Auswirkungen haben. Arbeitszeitkonten sind insbesondere relevant für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht bei langfristiger Zeitguthabenansammlung.

Eine ordnungsgemäße Führung und Transparenz der Arbeitszeiterfassung ist zudem essenziell für die Nachweisführung bei Prüfungen durch Sozialversicherungsträger und Finanzamt.

Unterschiede zur Vertrauensarbeitszeit

Gleitende Arbeitszeit unterscheidet sich grundlegend von der Vertrauensarbeitszeit, bei der lediglich das Arbeitsergebnis überprüft wird und keine detaillierte Erfassung der Arbeitszeiten erfolgt. Während bei Gleitzeit die Arbeitszeitdokumentation verpflichtend ist, entfällt sie bei der Vertrauensarbeitszeit regelmäßig.

Abschluss und Zusammenfassung

Die gleitende Arbeitszeit stellt ein modernes Arbeitszeitmodell dar, das den Bedürfnissen von Unternehmen und Beschäftigten nach Flexibilität und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben entgegenkommt. Gleichzeitig ist sie mit einer Vielzahl arbeitszeitrechtlicher, tariflicher und betrieblicher Rahmenbedingungen verbunden, deren Einhaltung Voraussetzung für eine rechtssichere Umsetzung ist. Wesentliche Aspekte sind Arbeitszeiterfassung, Zeitsaldenmanagement, Sicherstellung der gesetzlichen Schutzbestimmungen sowie die Berücksichtigung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretung.

Unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen kann das Gleitzeitmodell einen erheblichen Beitrag zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden sowie zu einer effizienten und modernen Arbeitsorganisation leisten.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit bei gleitender Arbeitszeit rechtlich sichergestellt?

Bei der Einführung und Anwendung von gleitender Arbeitszeit bleibt der Arbeitgeber nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) verpflichtet, die vorgeschriebenen Höchstarbeitszeiten einzuhalten. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Auch wenn die Lage der Arbeitszeit flexibel ist, darf die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten (§ 3 ArbZG), mit der Möglichkeit, sie auf bis zu zehn Stunden auszudehnen, sofern innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Die Gesamtheit der geleisteten Stunden muss regelmäßig dokumentiert werden. Arbeitgeber sind darüber hinaus verpflichtet, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter aufzuzeichnen (§ 16 Abs. 2 ArbZG), insbesondere, wenn die Arbeitszeit acht Stunden überschreitet. Bei Verstößen drohen Bußgelder nach § 22 ArbZG. Die Einführung eines Zeiterfassungssystems ist also unerlässlich, um das Einhalten der Grenzen rechtssicher zu überwachen. Überstunden sowie deren Ausgleich oder Vergütung müssen zudem arbeitsvertraglich, tariflich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt sein.

Wer ist rechtlich für die Kontrolle der Arbeitszeit im Rahmen gleitender Arbeitszeit verantwortlich?

Die Verantwortung zur Kontrolle der Arbeitszeiten liegt primär beim Arbeitgeber. Nach der aktuellen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und den gesetzlichen Vorgaben aus dem Arbeitszeitgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen und zu überwachen. Dies gilt auch für gleitende Arbeitszeitmodelle, wo die eigenverantwortliche Einteilung durch den Arbeitnehmer erfolgt, aber letztlich der Arbeitgeber sicherstellen muss, dass die gesetzlichen Vorgaben beachtet werden. Ein mangelhaftes Zeiterfassungssystem kann zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen. Zudem ist der Betriebsrat im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG bei der Ausgestaltung der Arbeitszeitkontrollen zu beteiligen.

Wie werden Pausen und Ruhezeiten im Rahmen gleitender Arbeitszeit gesetzlich geregelt?

Pausen- und Ruhezeiten unterliegen strikt den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Arbeitnehmer haben bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden Anspruch auf eine Pause von mindestens 30 Minuten, bei mehr als neun Stunden auf mindestens 45 Minuten (§ 4 ArbZG). Die Pausen können in Zeitabschnitte von je mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Sie dürfen nicht am Stück am Arbeitsende genommen und auch nicht mit der Gleitzeit verrechnet werden. Zudem ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen vorgeschrieben (§ 5 ArbZG). Beide Vorgaben sind dispositiv nicht abdingbar und müssen auch bei flexibler Arbeitszeit strikt eingehalten werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Einhaltung der Pausen und Ruhezeiten zu kontrollieren und zu dokumentieren.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei der Einführung gleitender Arbeitszeit?

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere bei der Einführung und Ausgestaltung gleitender Arbeitszeit, ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Dies betrifft insbesondere Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit inklusive Pausen und Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie Regelungen zu Kern- und Rahmenarbeitszeiten. Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist die Einführung und Änderung eines Gleitzeitmodells unzulässig. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Der Betriebsrat überwacht zudem die Einhaltung der gesetzlichen, tarifvertraglichen und vereinbarten Regelungen zur gleitenden Arbeitszeit im Betrieb.

Dürfen Gleitzeitguthaben und Minusstunden einfach nachträglich gestrichen oder verrechnet werden?

Die rechtliche Behandlung von Gleitzeitguthaben und Minusstunden richtet sich nach den jeweils gültigen Vereinbarungen, die entweder in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag geregelt sind. Einseitiges Streichen von Gleitzeitguthaben durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig, wenn keine entsprechende Rechtsgrundlage besteht. In der Praxis werden sogenannte Arbeitszeitkonten geführt, auf denen Plus- oder Minusstunden festgehalten werden. Minusstunden dürfen grundsätzlich nur angerechnet werden, wenn sie auf Wunsch des Arbeitnehmers entstanden sind oder die Möglichkeit zur Ableistung fehlender Stunden tatsächlich bestand. Ist dies nicht der Fall – zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber keine Arbeit bereitgestellt hat -, liegt kein Verschulden des Arbeitnehmers vor, sodass eine Verrechnung unzulässig ist. Gleitzeitsalden sind Teil des Vergütungsanspruchs und können bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen werden. Entsprechende Regeln sollten eindeutig in der Betriebsvereinbarung festgelegt werden.

Welche Besonderheiten gelten bei Gleitzeit im öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L)?

Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst gelten hinsichtlich der gleitenden Arbeitszeit besondere tarifvertragliche Vorschriften gemäß dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Diese Tarife regeln den Umfang der täglichen Arbeitszeit, Gleitzeitrahmen, Kernarbeitszeiten sowie die Führung von Arbeitszeitkonten detailliert. Die Zeiterfassung ist hier besonders strikt, und Regelungen zur Mitnahme oder zum Verfall von Gleitzeitguthaben sowie zum Umgang mit Minusstunden sind verbindlich festgelegt. Abweichungen sind meist nur im Rahmen entsprechender Dienstvereinbarungen möglich und nur dann, wenn sie im Einklang mit dem Landes- oder Bundespersonalvertretungsgesetz stehen. Die tariflichen Bestimmungen sind zwingend und können nicht zuungunsten des Arbeitnehmers geändert werden.