Begriff und rechtliche Einordnung des Girogeschäfts
Das Girogeschäft stellt einen zentralen Bestandteil des modernen Bankwesens dar und ist im deutschen Recht als ein typischer Bankenvertrag ausgestaltet. Es handelt sich hierbei um die laufende, dem bargeldlosen Zahlungsverkehr dienende Verwaltung von Guthaben und Forderungen auf Girokonten sowie die Durchführung von Überweisungen und anderen Zahlungsanweisungen. Die gesetzliche Grundlage ergibt sich aus einer Vielzahl von Regelungen, insbesondere aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Handelsgesetzbuch (HGB) sowie spezialgesetzlichen Normen des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) und des Kreditwesengesetzes (KWG).
Definition und Wesen des Girogeschäfts
Das Girogeschäft ist das auf Dauerschuldverhältnis angelegte Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Bank (Giroinstitut) und Kontoinhaber, durch das Ein- und Auszahlungen bargeldlos durchgeführt und Guthaben auf Girokonten verwaltet werden. Die rechtliche Hauptfunktion des Girogeschäfts besteht darin, die Durchführung des Geldverkehrs durch Buchung von Soll- und Habenposten auf dem Konto zu ermöglichen und das jeweilige Ergebnis in der Form eines Saldos auszuweisen.
Die kontoführende Bank verpflichtet sich dabei, im Rahmen der Kontovereinbarung alle Ein- und Auszahlungen zu verbuchen, Überweisungsaufträge auszuführen und über den jeweiligen Saldo des Girokontos zu informieren. Die Verfügungsberechtigung des Kontoinhabers über das Guthaben stellt eine elementare Funktion dar.
Vertragliche Grundlagen
Kontovertrag
Der rechtliche Rahmen des Girogeschäfts wird in der Regel durch den Abschluss eines Girokontovertrags geschaffen. Hierbei handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 675, 611 ff. BGB, welcher auf unbefristete Zeit geschlossen wird und sowohl dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz als auch dem allgemeinen Schuldrecht des BGB unterliegt.
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Typischerweise werden Giroverträge unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (AGB-Banken) abgeschlossen. Diese enthalten detaillierte Regelungen zu Kontoführung, Haftung, Zahlungsverkehr und Ermächtigungen.
Gesetzliche Regelungen
Besondere Bedeutung kommt den §§ 675c bis 676c BGB (Zahlungsdienstevertrag) zu. Dort werden Rahmenbedingungen für Zahlungsdienste, Rechte und Pflichten der Vertragspartner, insbesondere zu Autorisierung, Ausführungsfristen, Rückbuchungen und Haftungsvorschriften, normiert.
Rechtsnatur und Stellung im Bankrecht
Das Girogeschäft ist kein eigenständiger Vertragstyp, sondern eine Bündelung verschiedener, aufeinander bezogener schuldrechtlicher Beziehungen, die im Rahmen des Kontovertrags zusammengefasst werden. Je nach Konstellation treten folgende Vertragstypen in den Vordergrund:
- Einlagenvertrag: Bei Guthaben, die der Bank als Darlehen bereitgestellt werden (§ 488 BGB).
- Auftragsverhältnis: Bei der Ausführung von Überweisungen, Lastschriften und Schecks (§§ 675 ff. BGB).
- Treuhandverhältnis: In einzelnen Konstellationen, etwa wenn Gelder für bestimmte Zwecke verwaltet werden.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Kontoinhaber
Der Kontoinhaber hat das Recht auf Durchführung von Zahlungsaufträgen (Überweisungen, Lastschriften, Daueraufträge) und kann jederzeit über den Saldo verfügen, soweit das Konto gedeckt ist oder ein Dispositionskredit eingeräumt wurde.
Bank
Die Bank hat die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verbuchung aller Zahlungsvorgänge sowie zur Ausstellung von Kontoauszügen, die als Rechnungsabschluss rechtlich bedeutsam sind. Sie ist zudem verpflichtet, Zahlungsvorgänge innerhalb gesetzlich vorgeschriebener Fristen abzuwickeln.
Haftung
Für fehlerhafte Buchungen oder verspätete Ausführungen von Zahlungsaufträgen gelten die speziellen Haftungsregelungen des Zahlungsdiensterechts (§§ 675u bis 676c BGB). Im Fall unautorisierter Zahlungen haftet grundsätzlich die Bank, es sei denn, den Kontoinhaber trifft ein Mitverschulden z. B. durch grob fahrlässigen Umgang mit Zugangsdaten.
Beendigung des Girogeschäfts
Das Girogeschäft endet mit der Beendigung des Girokontovertrags. Gemäß den AGB kann der Vertrag grundsätzlich jederzeit von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden, wobei gesetzliche und vertragliche Fristen zu beachten sind. Die Kontoschließung erfordert umfassende Schlussabrechnungen und Berücksichtigung offener Buchungen.
Spezielle Rechtsfragen im Girogeschäft
Saldofeststellung und Anerkenntnis
Die im Rahmen der Kontoführung erstellten Kontoauszüge dienen regelmäßig der Saldofeststellung. Der Rechnungsabschluss gilt dann als Saldoanerkenntnis, sofern der Kontoinhaber diesem nicht binnen einer angemessenen Frist widerspricht. Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit dem neuen Saldo begründen jedoch nicht automatisch ein Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB, sondern lediglich ein deklaratorisches Anerkenntnis.
Pfändung und Insolvenz des Kontoinhabers
Bei Pfändungen des Girokontos durch Gläubiger gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 828 ff. ZPO). Besonderheiten ergeben sich, wenn der Kontoinhaber insolvent wird; dann unterliegt das Guthaben auf dem Girokonto dem Zugriff des Insolvenzverwalters. Schutz bietet das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) gemäß § 850k ZPO, das bestimmte Freibeträge zur Existenzsicherung schützt.
Geldwäscheprävention und Legitimationsprüfung
Das Girogeschäft wird von geldwäscherechtlichen Vorgaben flankiert. Nach dem Geldwäschegesetz (GwG) sind Banken verpflichtet, die Identität des Kontoinhabers festzustellen und bei verdächtigen Transaktionen Meldung an die Behörden zu machen. Dies betrifft insbesondere neue Geschäftskonten und privates Zahlungsverkehrskonto.
Internationales Recht und europäische Vorgaben
Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zahlungsdienste spielen die EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) und deren Umsetzung in deutsches Recht eine bedeutende Rolle. Die Richtlinie verbessert vor allem den Verbraucherschutz, die Ausführungsfristen, den Datenschutz und die Sicherheit im europäischen Zahlungsverkehr. Ergänzend sind die SEPA-Regelungen (Single Euro Payments Area) relevant, die eine Vereinheitlichung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs innerhalb des Euro-Währungsgebiets gewährleisten.
Geldtransfers und Auslandsüberweisungen
Für Auslandsüberweisungen sind neben den nationalen Vorschriften insbesondere internationale Abkommen, EU-Verordnungen und die AGB der jeweiligen Institute maßgeblich. Die besonderen Anforderungen an Identitätsprüfung, Ausführungsdauer und Gebühren werden hier regelmäßig durch europäische Vorgaben geregelt.
Zusammenfassung
Das Girogeschäft ist rechtlich durch zahlreiche Normkomplexe im nationalen und europäischen Recht ausgestaltet. Es erfasst sämtliche laufenden Zahlungen und Buchungen auf Girokonten sowie die Abwicklung von Überweisungen, Lastschriften und Scheckzahlungen. Besonderes Augenmerk liegt auf den gesetzlichen Vorgaben bzgl. Kontovertrag, Zahlungsdiensterichtlinie, Geldwäscheprävention, Insolvenzrecht und Verbraucherschutz. Das umfassend geregelte Girogeschäft ist ein wesentliches Element des modernen Zahlungswesens und integraler Bestandteil des täglichen Wirtschaftslebens.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Abschluss eines Girovertrages erfüllt sein?
Für den Abschluss eines Girovertrages, der die Grundlage für das Girogeschäft zwischen Bank und Kunde bildet, ist ein wirksamer Vertragsschluss nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Voraussetzung. Das bedeutet, dass die Bank und der Kunde sich über die wesentlichen Vertragsbedingungen (insbesondere die Einrichtung eines Kontos, die Authentifizierung des Kontoinhabers, die Geschäftsbedingungen sowie ggf. Kontoführungsgebühren und Zinssätze) einig werden müssen. Der Kontoeröffnungsvertrag ist grundsätzlich formfrei, kann also auch mündlich oder konkludent geschlossen werden, wobei Banken aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig eine schriftliche Form verlangen. Minderjährige oder beschränkt Geschäftsfähige bedürfen dabei gemäß § 107 BGB der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, sofern keine eigenen Mittel zur freien Verfügung stehen. Weiterhin prüfen Kreditinstitute insbesondere die Identität des Kunden nach den Vorgaben des Geldwäschegesetzes (GwG), was per Ausweisvorlage oder anderen zulässigen Identifikationsverfahren erfolgt. Ferner ist zu beachten, dass der Girovertrag auch besonderen Informations- und Dokumentationspflichten unterliegt, sowohl nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 675d ff. BGB) als auch nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG).
Welche Pflichten treffen die Bank im Rahmen des Girogeschäfts?
Die Bank ist im Rahmen des Girovertrages verpflichtet, für den Kunden ein Konto zu führen und alle Gutschriften und Belastungen ordnungsgemäß zu verbuchen. Sie muss die Kontoauszüge bereitstellen, Überweisungs- und Lastschriftaufträge nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ausführen (§§ 675f ff. BGB), und die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gewährleisten. Außerdem obliegen der Bank besondere Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung von Aufträgen auf Fälschung oder Missbrauch und sie ist verpflichtet, dem Bankkunden die Möglichkeit zu geben, jederzeit Informationen über den Kontostand einzusehen (§ 675v BGB). Die Bank haftet im Fall fehlerhafter Ausführungen grundsätzlich für den entstandenen Schaden, es sei denn, der Fehler beruht auf einem Verhalten des Kunden oder auf höherer Gewalt (§ 676h BGB).
In welchem Umfang haftet der Kunde bei missbräuchlichen Kontobewegungen?
Der Kunde haftet im Rahmen des Girokontos nach Maßgabe der §§ 675u bis 675y BGB bei missbräuchlichen Kontobewegungen grundsätzlich nur eingeschränkt. Bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen haftet der Kunde nur, sofern er vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten (z. B. sichere Verwahrung der Zugangsdaten oder PIN) verstoßen hat. In der Regel ist die Haftung des Kunden auf einen Betrag von 50 Euro begrenzt, wenn es zu einer unautorisierten Nutzung der Zahlungskarte kommt (§ 675v Abs. 2 BGB). Überschreitet der Kunde jedoch die Grenze der groben Fahrlässigkeit – etwa durch die Weitergabe der PIN -, kann er unbeschränkt haften. Sobald der Kunde einen Diebstahl oder Missbrauch meldet, ist jede weitere Haftung in der Regel ausgeschlossen (§ 675v Abs. 4 BGB).
Muss eine Bank jedem Antragsteller ein Girokonto zur Verfügung stellen?
Rechtlich besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, Banken können also frei entscheiden, mit wem sie einen Girovertrag abschließen. Allerdings hat der Gesetzgeber im Zahlungskontengesetz (ZKG) das sogenannte Basiskonto eingeführt, das jedem Verbraucher mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in der EU den Zugang zu einem Girokonto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen zusichert (§ 31 ZKG). Lehnen Banken die Eröffnung eines Basiskontos ab, muss dies auf gesetzlich abschließend geregelte Ablehnungsgründe gestützt werden (z. B. Strafbarkeit des Kunden, fehlende Identifizierungsmöglichkeit, bereits bestehendes Konto). Gegen eine Ablehnung besteht ein Beschwerde- und Gerichtsverfahren nach §§ 48 ff. ZKG.
Welche Rechte hat der Kunde im Falle einer fehlerhaften Kontobelastung?
Im Falle einer unberechtigten oder fehlerhaften Kontobelastung durch die Bank stehen dem Kunden umfassende Rechte zu. Zunächst kann er gemäß § 675x BGB die Korrektur der Fehlbuchung verlangen, sofern er die Bank innerhalb von 13 Monaten nach dem Belastungsdatum über die fehlerhafte Buchung informiert. Die Bank ist dann verpflichtet, den Betrag unverzüglich zu erstatten und das Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die falsche Abbuchung befände. Das gilt allerdings nur, wenn der Zahlungsvorgang nicht autorisiert war oder die fehlerhafte Ausführung nicht auf eine Pflichtverletzung des Kunden zurückzuführen ist. Weitergehende Schadensersatzansprüche nach § 675y BGB bleiben hiervon unberührt.
Welche Kündigungsfristen gelten bei Girokonten?
Die Kündigungsmöglichkeiten für Girokonten richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben und den vertraglichen Absprachen zwischen Bank und Kunde. Nach § 675h BGB kann der Kunde das Girokonto grundsätzlich jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern nichts anderes vertraglich vereinbart wurde. Banken dürfen ihrerseits ordentlich meist nur mit einer Frist von zwei Monaten kündigen, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt (z. B. schwerwiegende Vertragsverstöße, Verdacht auf Geldwäsche). Die Kündigung muss in Textform erfolgen und dem Kunden rechtzeitig zugehen.
Unterliegt das Girogeschäft der Aufsicht durch die BaFin?
Das Girogeschäft wird als Bankgeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 KWG) von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reguliert und beaufsichtigt. Kreditinstitute benötigen zur Führung von Girokonten eine entsprechende Erlaubnis gemäß § 32 KWG und unterliegen fortlaufenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich Eigenkapitalausstattung, Liquiditätsvorgaben und der Einhaltung der geldwäscherechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus kontrolliert die BaFin die Einhaltung verbraucherschützender Vorschriften, insbesondere im Bereich Zahlungsdienste nach dem ZAG und der PSD2-Richtlinie.
Welche besonderen Informationspflichten treffen die Bank beim Girogeschäft?
Banken sind verpflichtet, den Kunden vor und während der Geschäftsbeziehung umfassend über die wesentlichen Merkmale der angebotenen Zahlungsdienste aufzuklären. Diese Informationspflichten umfassen insbesondere die Mitteilung von Entgelten, Ausführungszeiten, Kommunikationswegen, Beschwerdemöglichkeiten sowie die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Bank und Kunde (§ 675d BGB). Die Informationen müssen in leicht verständlicher Form übermittelt werden und dem Kunden dauerhaft zur Verfügung stehen. Bei Änderungen der Bedingungen ist die Bank verpflichtet, diese rechtzeitig im Voraus mitzuteilen, und der Kunde hat ein Widerspruchs- bzw. Kündigungsrecht. Verstöße gegen diese Pflichten können zivilrechtliche sowie aufsichtsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.