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Getrenntleben der Ehegatten


Getrenntleben der Ehegatten

Das Getrenntleben der Ehegatten ist ein zentraler Begriff im deutschen Familienrecht. Er beschreibt einen rechtlichen Zustand, der sowohl für die Trennungsphase vor der Scheidung als auch für zahlreiche unterhalts- und vermögensrechtliche Fragestellungen von erheblicher Bedeutung ist. Der nachfolgende Beitrag erläutert die gesetzlichen Voraussetzungen, die wesentlichen rechtlichen Folgen sowie praxisrelevante Besonderheiten des Begriffs „Getrenntleben“.


Begriff und Voraussetzungen des Getrenntlebens

Definition des Getrenntlebens

Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert das Getrenntleben in § 1567 BGB wie folgt: Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und mindestens ein Ehegatte diese ablehnt. Das Getrenntleben ist nicht zwingend mit körperlicher Trennung verbunden, sondern kann auch innerhalb der gemeinsamen Wohnung erfolgen, sofern eine vollständige Trennung von Tisch und Bett vorliegt.

Tatbestandsmerkmale

  1. Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft: Die eheliche Lebensgemeinschaft wird tatsächlich und auf Dauer aufgehoben. Dies bedeutet, dass sämtliche wesentlichen Elemente des ehelichen Zusammenlebens – namentlich gemeinsame Haushaltsführung, Versorgung und Pflege, gemeinsamer Lebensplan – nicht mehr bestehen.
  1. Ablehnende Haltung mindestens eines Ehegatten: Die Aufhebung muss von zumindest einem Ehepartner gewollt sein, d.h. das gemeinsame Ehe- und Familienleben wird von einem oder beiden Ehegatten bewusst nicht mehr fortgeführt.
  1. Objektive und subjektive Trennung: Es muss sowohl eine nach außen erkennbare Trennung (z.B. eigenes Zimmer, keine gemeinsamen Mahlzeiten, keine gemeinsamen Unternehmungen) als auch eine innere Abwendung vom Ehepartner vorliegen.

Getrenntleben in der gemeinsamen Wohnung

Eine räumliche Trennung ist keine zwingende Voraussetzung. Die Trennung kann auch innerhalb derselben Wohnung erfolgen, wenn die wirtschaftlichen oder sozialen Gegebenheiten eine Auszugsoption nicht ermöglichen. Entscheidend hierbei ist die klare Abgrenzung zweier Lebensbereiche („Trennung von Tisch und Bett“):

  • Keine gemeinsame Haushaltsführung
  • Eigene Zubereitung/Verbrauch von Mahlzeiten
  • Getrennte private Lebensgestaltung

Dauer und Nachweis des Getrenntlebens

Beginn und Ablauf des Getrenntlebens

Das Getrenntleben beginnt faktisch mit der vollständigen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und der eindeutigen Erklärung gegenüber dem Partner, dass eine Wiederherstellung des gemeinsamen Zusammenlebens nicht mehr gewollt ist. Ein besonderer Formalismus ist nicht vorgeschrieben.

Beweislast und Nachweismöglichkeiten

Kommt es zu Streitigkeiten über das Vorliegen oder den Beginn des Getrenntlebens (etwa im Scheidungsverfahren), muss dessen Vorliegen durch Tatsachen belegt werden. Hierzu zählen:

  • Zeugenaussagen (z.B. von Freunden, Verwandten, Nachbarn)
  • Schriftliche Mitteilungen (etwa schriftliche Trennungserklärung)
  • Verhaltensnachweise (z.B. getrennter Haushalt, getrennte Konten)

Rechtliche Folgen des Getrenntlebens

Trennungsunterhalt

Mit Beginn des Getrenntlebens entsteht der Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB. Der bedürftige Ehegatte kann bis zur Rechtskraft der Scheidung angemessenen Unterhalt verlangen, sofern die Voraussetzungen – Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten – vorliegen. Das Bestehen des Anspruchs ist dabei unabhängig vom späteren Scheidungsverfahren.

Nutzung der Ehewohnung und Hausrat

Das Gesetz sieht insbesondere Regelungen zur Nutzung der Ehewohnung und Verteilung des Hausrats während des Getrenntlebens vor (§§ 1361b, 1361a BGB):

  • Ehewohnung: Jeder Ehegatte kann verlangen, dass ihm die Wohnung (vorübergehend) allein oder gemeinsam zur Nutzung überlassen wird, insbesondere wenn eine unbillige Härte vermieden werden soll.
  • Hausrat: Der während der Ehe angeschaffte Hausrat ist angemessen zwischen den Ehegatten zu teilen oder zur Nutzung zuzuweisen.

elterliche Sorge und Umgangsrecht

Das Getrenntleben berührt grundsätzlich nicht das gemeinsame Sorgerecht. Die Kinder verbleiben regelmäßig bei einem Elternteil, während der andere Elternteil ein umfassendes Umgangsrecht behält, soweit keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen.

Versorgungsausgleich, Güterrecht und weitere Scheidungsfolgen

Die Begründung des Getrenntlebens ist die Voraussetzung für das spätere Einreichen einer Scheidung (§ 1565 BGB „gescheitert“). Erst wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben, kann der Scheidungsantrag gestellt werden („Trennungsjahr“).

Das Getrenntleben begründet zudem Stichtage für verschiedene vermögensrechtliche Fragen, wie etwa den Güterstand oder den Versorgungsausgleich. So werden etwa Zugewinnausgleich und Aufteilung der während der Ehe erworbenen Altersvorsorgeansprüche regelmäßig mit Ablauf des Trennungsjahres berechnet.


Sonderfragen und Dauer des Getrenntlebens

Trennungsjahr und Versöhnungsversuche

Das sogenannte Trennungsjahr (§§ 1565, 1566 BGB) ist essenziell für die Einleitung des Scheidungsverfahrens. Kurzzeitige Versöhnungsversuche, die nicht länger als drei Monate andauern, unterbrechen das Trennungsjahr in der Regel nicht, sofern sie zum ursprünglichen (fortgesetzten) Getrenntleben zurückkehren.

Dauerhaftes Getrenntleben und Härtefallscheidung

Leben beide Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. Eine vorzeitige Scheidung ist ausnahmsweise bei Vorliegen unzumutbarer Härte auch vor Ablauf des Trennungsjahres möglich („Härtefallscheidung“).


Bedeutung in der Praxis und internationale Bezüge

Das Getrenntleben ist ein rechtlicher Grundpfeiler der Trennungs- und Scheidungsfolgen in Deutschland. Vergleichbare Regelungen bestehen auch in anderen europäischen Rechtssystemen, denen regelmäßig ähnliche Anforderungen an das Ende der ehelichen Gemeinschaft zugrunde liegen.


Zusammenfassung

Das Getrenntleben der Ehegatten ist ein gesetzlich klar definiertes, rechtlich abschätzbares Stadium der Ehe, das wesentliche Auswirkungen auf Unterhaltsfragen, Ehewohnung, Vermögensverhältnisse und das Scheidungsverfahren hat. In strittigen Fällen kommt dem Nachweis der tatsächlichen Trennung entscheidende Bedeutung zu. Eine präzise Prüfung der individuellen Lebenssituation ist für die eindeutige Einordnung in den Status des Getrenntlebens maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für das Getrenntleben der Ehegatten vorliegen?

Für das Getrenntleben im rechtlichen Sinn ist erforderlich, dass zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und mindestens einer der Ehegatten diese „trennende Willensentscheidung“ erkennbar nach außen manifestiert hat (§ 1567 BGB). Entscheidend ist dabei nicht zwingend das räumliche Getrenntsein – auch innerhalb der gemeinsamen Wohnung (sogenannte „Trennung von Tisch und Bett“) kann rechtlich das Getrenntleben vorliegen, sofern keine gemeinsamen Aktivitäten mehr erfolgen, jeder seinen eigenen Haushalt führt und insbesondere keine wesensmäßigen Merkmalen einer ehelichen Lebensgemeinschaft (z.B. gemeinsames Wirtschaften, Betreuung, Unterstützung oder intime Beziehung) mehr bestehen. Die Trennung muss umfassend sein; punktuelle Ausnahmen (wie gemeinsame Mahlzeiten aus praktischen Gründen) heben das Getrenntleben nicht automatisch auf. Es muss sich also stets um eine deutliche Trennung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen handeln.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Getrenntleben für Unterhaltsansprüche?

Das Getrenntleben der Ehegatten ist die zentrale Voraussetzung für den Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB. Ab Beginn des Getrenntlebens kann der weniger leistungsfähige Ehegatte vom wirtschaftlich stärkeren Ehepartner angemessenen Unterhalt verlangen, wenn er nicht in der Lage ist, seinen angemessenen Lebensbedarf selbst zu decken. Dabei orientiert sich der Unterhalt an den ehelichen Lebensverhältnissen und umfasst Bedarf nach Konsum, Wohnen, Krankenversicherung und Altersvorsorge. Umfang und Dauer dieser Verpflichtungen enden grundsätzlich mit Rechtskraft der Scheidung, sofern kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht.

Wie wird das Getrenntleben nachgewiesen und welche Beweismittel werden anerkannt?

Im Streitfall müssen Ehegatten das Getrenntleben durch geeignete Beweismittel nachweisen. Hierfür kommen verschiedene Nachweise in Betracht, beispielsweise durch Meldebescheinigungen verschiedener Wohnsitze, Schriftwechsel zur Trennungserklärung, Zeugenaussagen von Freunden, Nachbarn oder Familienmitgliedern über das Zusammenleben oder auch durch Nachweise getrennter Konten und Haushaltsführungen. Im Falle des Getrenntlebens innerhalb einer gemeinsamen Wohnung ist es besonders wichtig, detailliert darzulegen, wie eine Trennung von Tisch und Bett praktisch umgesetzt wird. Auch ein förmliches Trennungsschreiben, das dem anderen zugeht, kann als Beweismittel dienen.

Welche Auswirkungen hat das Getrenntleben auf das elterliche Sorgerecht?

Das Getrenntleben der Ehegatten hat grundsätzlich zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf das gemeinsame Sorgerecht für gemeinsame minderjährige Kinder. Beide Elternteile bleiben auch nach der Trennung gemeinsam sorgeberechtigt (§ 1626 BGB). Lediglich in Ausnahmefällen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist oder erhebliche Kommunikations- bzw. Kooperationsprobleme bestehen, kann auf Antrag eines Elternteils das Familiengericht das Sorgerecht auf einen Elternteil allein übertragen (§ 1671 BGB). Die tatsächliche Ausgestaltung des Umgangsrechts (Umgangszeiten, Aufenthaltsbestimmungsrecht) wird unter Berücksichtigung des Kindeswohls geregelt.

Welche Bedeutung hat das Getrenntleben im Scheidungsverfahren?

Das Getrenntleben stellt eine zentrale Scheidungsvoraussetzung dar. Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB gilt eine Ehe als gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und auch nicht erwartet werden kann, dass sie wiederhergestellt wird. Das Gesetz sieht vor, dass vor Einreichung des Scheidungsantrags mindestens ein einjähriges Getrenntleben absolviert werden muss (sogenanntes Trennungsjahr), wobei die Frist nachweislich ab Beginn des Getrenntlebens läuft. Erst nach Ablauf dieses Jahres kann der Scheidungsausspruch regelmäßig erfolgen. Bei Durchführung einer einvernehmlichen Scheidung wird auf das Getrenntleben und dessen Nachweis besonderer Wert gelegt.

Welche rechtlichen Regelungen betreffen das gemeinsame Vermögen während des Getrenntlebens?

Während des Getrenntlebens bleibt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung erhalten. Allerdings besteht für die Ehegatten nach § 1365 BGB während des Getrenntlebens die Pflicht zur wirtschaftlichen Auskunft und zur vorsichtigen Verwaltung des Vermögens. Über Vermögensgegenstände, die im Wesentlichen das gesamte Vermögen betreffen, kann ein Ehegatte weiterhin nicht ohne die Zustimmung des anderen verfügen. Erst mit Einreichung des Scheidungsantrags wird der Stichtag zur Berechnung des Zugewinns festgelegt, sodass während des Getrenntlebens weiterhin Vermögenszuwächse berücksichtigt werden.

Wie wirkt sich das Getrenntleben auf Steuerklassen und steuerliche Behandlung aus?

Spätestens im Jahr nach Beginn des Getrenntlebens verlieren Ehegatten das Recht, die steuerlichen Vorteile des Ehegattensplittings durch Zusammenveranlagung zu nutzen (§ 26 Abs. 1 EStG). Für das Jahr der Trennung können Ehegatten grundsätzlich noch zusammenveranlagt werden, sofern sie im Laufe des Kalenderjahres noch nicht dauerhaft getrennt gelebt haben; ab dem darauf folgenden Jahr wird die Einzelveranlagung verpflichtend. Darüber hinaus kann die Steuerklasse nach der Trennung angepasst werden, z.B. von III/V auf I/II (bei Kindern), was zu veränderten Lohnsteuerabzügen führt. Die Änderungspflicht ist dem Finanzamt mitzuteilen, meist bereits mit dem Trennungsjahr.