Gesundheitsbezogene Angaben in Lebensmitteln: Begriff, Systematik und rechtlicher Rahmen
Gesundheitsbezogene Angaben sind Aussagen, die einen Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel (oder seinen Bestandteilen) und der Gesundheit herstellen. Sie können ausdrücklich formuliert sein oder sich durch Bilder, Symbole, Markennamen oder die Aufmachung ergeben. Erfasst werden dabei sowohl Aussagen zur Unterstützung normaler Körperfunktionen als auch Hinweise auf Risiken im Zusammenhang mit Krankheiten. Die Regeln gelten einheitlich für die Kennzeichnung, Aufmachung und alle Formen der Werbung, einschließlich digitaler Kommunikation.
Abgrenzung: Gesundheitsbezogene Angaben, Nährwertangaben und Krankheitsbezug
Gesundheitsbezogene Angaben versus nährwertbezogene Angaben
Nährwertbezogene Angaben beschreiben den Gehalt an Nährstoffen oder Energie, etwa „zuckerfrei“, „reich an Ballaststoffen“ oder „proteinreich“. Gesundheitsbezogene Angaben gehen darüber hinaus, indem sie eine Wirkung auf Funktionen des Körpers behaupten oder nahelegen, zum Beispiel „trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“. Beide Kategorien unterliegen eigenen rechtlichen Voraussetzungen und Positivlisten; sie dürfen nur verwendet werden, wenn die einschlägigen Bedingungen erfüllt sind.
Abgrenzung zum Krankheitsbezug
Aussagen, die eine Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten versprechen, sind Lebensmitteln grundsätzlich nicht erlaubt. Zulässig ist lediglich eine eng umrissene Kategorie von Aussagen zur Verringerung eines Krankheitsrisikos, sofern sie ausdrücklich genehmigt wurden. Wird ein Lebensmittel durch seine Präsentation so dargestellt, als habe es arzneiliche Eigenschaften, kann es als Arzneimittel eingeordnet werden; in diesem Bereich gelten völlig andere Vorgaben.
Arten gesundheitsbezogener Angaben
Funktionsbezogene Angaben
Diese Aussagen beziehen sich auf die Aufrechterhaltung oder Unterstützung normaler Körperfunktionen, etwa Stoffwechsel, Immunsystem, Knochen, Nerven oder kognitive Funktionen. Sie sind nur zulässig, wenn sie auf EU-Ebene genehmigt sind und die im Genehmigungseintrag genannten Bedingungen (z. B. Mindestmengen, Zielgruppe) eingehalten werden.
Angaben zur Verringerung eines Krankheitsrisikos
Diese Aussagen betonen die Reduktion eines Risikofaktors für die Entstehung einer Krankheit. Sie unterliegen besonders strengen Anforderungen und müssen stets von Hinweisen begleitet werden, die den Aussagegehalt einordnen (etwa, dass mehrere Risikofaktoren existieren und die Veränderung eines Faktors nicht zwangsläufig einen Nutzen bewirkt).
Angaben zur Entwicklung und Gesundheit von Kindern
Aussagen, die sich gezielt auf Kinder beziehen, sind nur bei vorheriger Einzelfallgenehmigung zulässig. Die Bedingungen der Verwendung (einschließlich Dosierung und mögliche Warnhinweise) werden in der Genehmigung festgelegt.
Zulassung und wissenschaftliche Bewertung
Gesundheitsbezogene Angaben durchlaufen auf EU-Ebene ein Genehmigungsverfahren mit unabhängiger wissenschaftlicher Bewertung. Grundlage ist die Gesamtbetrachtung der vorliegenden Daten aus geeigneten Humanstudien unter Berücksichtigung von Qualität, Reproduzierbarkeit, Dosis-Wirkungs-Beziehungen, Bioverfügbarkeit und Plausibilität. Bei positiver Bewertung wird die Angabe in eine unionsweit gültige Liste aufgenommen, die die zulässige Wortlautvariante und die Bedingungen der Verwendung festlegt. Für neu entwickelte wissenschaftliche Nachweise kann zeitlich begrenzter Schutz bestimmter Studiendaten vorgesehen sein.
Bedingungen für die Verwendung: Form, Inhalt und Begleitinformationen
- Wortlaut und Sinngehalt: Zulässige Angaben müssen inhaltlich dem genehmigten Sinn entsprechen. Eine sinngemäße Umformulierung ist nur erlaubt, wenn sie für Verbraucherinnen und Verbraucher dieselbe Bedeutung hat und nicht zu einer Aufwertung oder Ausweitung führt.
- Verständlichkeit: Angaben müssen klar, korrekt und für die durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Person nachvollziehbar sein.
- Begleitpflichten: Je nach Angabe sind Hinweise erforderlich, etwa zur Bedeutung einer abwechslungsreichen Ernährung und eines gesunden Lebensstils, zur Menge und zum Verzehrmuster, die zur Erzielung der Wirkung notwendig sind, zur Zielgruppe sowie zu Warnhinweisen für bestimmte Personengruppen.
- Transparenz und Nichttäuschung: Unzulässig sind Aussagen, die Angst erzeugen (z. B. Gesundheitsschäden bei Nichtverzehr suggerieren), übertriebene Versprechen enthalten, auf die Empfehlung einzelner Gesundheitsberufe Bezug nehmen oder eine bestimmte Abnehmgeschwindigkeit versprechen.
- Marken und Symbole: Marken- und Produktnamen, Slogans oder Bildzeichen können als gesundheitsbezogene Angabe gelten, wenn sie eine entsprechende Aussage implizieren. Dann gelten die gleichen Anforderungen. Ältere Kennzeichnungen können Übergangsregelungen unterliegen.
- Keine Umgehung durch Disclaimer: Zusätze wie „kann“ oder „könnte“ oder allgemein gehaltene Disclaimer ersetzen keine fehlende Genehmigung und heben Verbote nicht auf.
Besondere Produktgruppen und Konstellationen
Nahrungsergänzungsmittel
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel und unterliegen denselben Grundsätzen. Gesundheitsbezogene Angaben sind nur zulässig, wenn sie genehmigt und alle Bedingungen erfüllt sind, einschließlich Hinweise zu empfohlener täglicher Verzehrsmenge und Zielgruppe.
Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder
Für diese Produkte bestehen sektorspezifische, besonders strenge Vorgaben. Bestimmte gesundheitsbezogene Angaben sind untersagt oder nur in eng begrenzten Fällen zulässig.
Pflanzliche Stoffe („Botanicals“)
Für pflanzliche Inhaltsstoffe existiert ein Übergangsrahmen: Manche Aussagen werden in Erwartung einer abschließenden Bewertung vorläufig nach nationaler Praxis geduldet. Eine endgültige Vereinheitlichung auf EU-Ebene ist vorgesehen; bis dahin gilt erhöhte Zurückhaltung und die Pflicht zur belegbaren Richtigkeit.
Alkoholische Getränke
Für Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol sind gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich unzulässig. Nährwertbezogene Aussagen sind nur in eng begrenzten Fällen erlaubt.
Werbung, Präsentation und digitale Kommunikation
Die Regelungen gelten medienübergreifend. Erfasst sind Verpackungen, Etiketten, stationäre Werbung, Onlineshops, soziale Medien, Influencer-Kommunikation, Newsletter und Suchmaschinenanzeigen. Auch redaktionell gestaltete Inhalte können als Werbung gewertet werden, wenn ein kommerzieller Zweck vorliegt. Nationale Werberäte und behördliche Stellen überwachen die Einhaltung.
Überwachung, Nachweispflichten und Sanktionen
Die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit liegt beim Lebensmittelunternehmer, dessen Name oder Firma auf dem Produkt erscheint. Es besteht die Pflicht, die Richtigkeit von Angaben belegen zu können und die Einhaltung der Verwendungsbedingungen sicherzustellen. Marktüberwachungsbehörden prüfen Produkte stichprobenartig und anlassbezogen. Bei Verstößen sind Maßnahmen möglich, darunter Untersagung bestimmter Aussagen, Anpassung der Kennzeichnung, Rücknahme aus dem Verkehr, Veröffentlichungen behördlicher Warnungen sowie Geldbußen. Bei grenzüberschreitenden Fällen erfolgt eine behördliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten.
Verhältnis zu weiteren Verbraucher- und Informationsvorgaben
Neben den speziellen Regeln für gesundheitsbezogene Angaben gelten allgemeine Grundsätze zur Lauterkeit der Werbung und zur Vermeidung irreführender Geschäftspraktiken. Vorgaben zur Lebensmittelinformation, Allergenen, Mengenkennzeichnung sowie zur Sicherheit von Lebensmitteln bleiben unberührt. Freiwillige Kennzeichnungssysteme zur Nährwertorientierung (z. B. grafische Frontkennzeichnungen) sind keine gesundheitsbezogenen Angaben im engeren Sinn, können aber rechtlich mit diesen interagieren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was gilt rechtlich als gesundheitsbezogene Angabe?
Als gesundheitsbezogene Angabe gilt jede Aussage, die einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines Lebensmittels oder eines seiner Bestandteile und der Gesundheit herstellt oder nahelegt. Dazu zählen auch implizite Aussagen, Bilder, Symbole oder Markennamen, wenn sie beim Publikum denselben Eindruck erwecken.
Dürfen Lebensmittel mit Vorbeugung oder Heilung von Krankheiten werben?
Nein. Aussagen, die Prävention, Behandlung oder Heilung von Krankheiten versprechen, sind für Lebensmittel grundsätzlich untersagt. Zulässig sind lediglich ausdrücklich genehmigte Angaben zur Verringerung eines Krankheitsrisikos, die besonderen Begleitpflichten unterliegen.
Wie werden gesundheitsbezogene Angaben zugelassen?
Die Zulassung erfolgt auf EU-Ebene nach unabhängiger wissenschaftlicher Bewertung. Bei positiver Entscheidung wird die Angabe in eine unionsweit gültige Liste aufgenommen, die Wortlaut und Verwendungsbedingungen festlegt. Erst dann darf die Angabe unter Einhaltung dieser Bedingungen verwendet werden.
Darf eine genehmigte Angabe frei umformuliert werden?
Der Sinngehalt muss erhalten bleiben. Zulässig ist nur eine sinngleiche, für Verbraucherinnen und Verbraucher gleich verständliche Formulierung, die den Aussagegehalt weder verstärkt noch erweitert. Im Zweifel ist der genehmigte Wortlaut maßgeblich.
Gelten die Regeln auch für Influencer-Posts und Online-Shops?
Ja. Die Vorgaben erfassen alle Medien und Formate, einschließlich sozialer Medien, Bezahl- und Native-Advertising, Newsletter und Produktdarstellungen im Internet. Für kommerzielle Kommunikation gelten dieselben Anforderungen wie für klassische Werbung und Etikettierung.
Was ist bei Angaben zu pflanzlichen Inhaltsstoffen („Botanicals“) zu beachten?
Für viele pflanzliche Angaben besteht eine vorläufige Übergangspraxis, bis abschließende EU-Entscheidungen vorliegen. Auch in diesem Rahmen müssen Aussagen zutreffend, belegbar und nicht irreführend sein; zusätzliche nationale Besonderheiten sind möglich.
Sind gesundheitsbezogene Angaben auf alkoholischen Getränken erlaubt?
Für Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol sind gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich untersagt. Bestimmte nährwertbezogene Aussagen sind nur in engen Grenzen zulässig.
Welche Konsequenzen drohen bei unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben?
Behörden können die Verwendung untersagen, die Korrektur der Aufmachung verlangen, Produkte vom Markt nehmen lassen und Bußgelder verhängen. In grenzüberschreitenden Fällen erfolgt eine koordinierte Durchsetzung zwischen den Mitgliedstaaten.