Legal Lexikon

Geschädigter

Begriff und Einordnung des Geschädigten

Als Geschädigter gilt eine natürliche Person oder ein Unternehmen, das durch ein Verhalten oder ein Ereignis einen rechtlich anerkannten Nachteil erleidet. Dieser Nachteil kann sich auf den Körper, eine Sache, das Vermögen oder auf immaterielle Rechtsgüter wie Ehre oder Privatheit beziehen. Maßgeblich ist, dass der Nachteil rechtlich zugeordnet und ausgeglichen werden kann.

Der Begriff ist vom alltagssprachlichen „Opfer“ zu unterscheiden. „Geschädigter“ beschreibt in erster Linie die Rolle im Hinblick auf Ersatz- oder Ausgleichsansprüche, während „Opfer“ häufig die personale Betroffenheit, vor allem bei Straftaten, bezeichnet. Ebenso ist „Verletzter“ ein situationsbezogener Begriff (etwa im Strafverfahren), der nicht zwingend alle Formen des Schadens abdeckt. „Anspruchsteller“ wiederum ist die prozessuale Rolle einer Person, die einen Anspruch geltend macht; sie kann, muss aber nicht Geschädigte sein (etwa bei abgetretenen Ansprüchen).

Rechtsposition des Geschädigten

Zivilrechtliche Ansprüche und Grundsätze

Im Zivilrecht steht die Kompensation im Vordergrund. Geschädigte können je nach Konstellation Naturalrestitution (Wiederherstellung des früheren Zustandes) oder Geldersatz beanspruchen. Typische Positionen sind Reparatur- und Wiederbeschaffungskosten, Nutzungsausfall, Heilbehandlungs- und Pflegekosten, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, Unterhaltsschaden, Lizenz- oder fiktive Lizenzgebühren bei Rechtsverletzungen, Rechtsverfolgungskosten sowie immaterielle Ausgleichsleistungen bei Beeinträchtigungen von Körper, Gesundheit, Freiheit, Selbstbestimmung oder Persönlichkeit.

Voraussetzungen für Ersatzansprüche sind regelmäßig ein Schaden, dessen Zurechnung zur Handlung oder Unterlassung einer anderen Person (Kausalität), die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung sowie ein Verschulden oder eine besondere Zurechnungsgrundlage. Die Darlegungs- und Beweislast liegt im Grundsatz beim Geschädigten. Dabei spielen Mitverantwortung (Mitverschulden), die Pflicht zur Schadensminderung und die Anrechnung erlangter Vorteile eine Rolle. Bei mehreren Verursachern kann gesamtschuldnerische Haftung bestehen, mit anschließendem internen Ausgleich zwischen den Schädigern.

Haftung kann auch für das Verhalten Dritter entstehen, etwa bei Verrichtungsgehilfen, Betriebsrisiken, Halterverantwortung, der Sicherung von Gefahrenquellen, Produkten oder Gebäuden. In besonderen Konstellationen kommt eine verschuldensunabhängige Haftung in Betracht.

Rolle des Geschädigten im Strafverfahren

Im Strafverfahren verfolgt der Staat die Ahndung eines Unrechts. Der Geschädigte nimmt hier eine eigenständige Stellung ein. Er kann als Zeuge vernommen werden und hat je nach Delikt Zugang zu besonderen Beteiligungsformen wie der Nebenklage. Zivilrechtliche Ansprüche lassen sich in bestimmten Fällen im Strafverfahren mitverfolgen (Adhäsionsverfahren). Zu den typischen Rechten zählen Informationsrechte, die Möglichkeit zur Akteneinsicht unter bestimmten Voraussetzungen, Anwesenheitsrechte in der Hauptverhandlung sowie Schutzmaßnahmen, etwa zum Schutz der Privatsphäre oder zur Vermeidung von Sekundärviktimisierung. Formen der Wiedergutmachung und Ausgleichsprozesse zwischen Täter und Betroffenem können ebenfalls berücksichtigt werden.

Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit

Werden Schäden durch staatliches Handeln oder Unterlassen verursacht, kommen Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche in Betracht. Diese betreffen etwa rechtswidrige Eingriffe, rechtmäßige Eingriffe mit Ausgleichspflicht oder Sonderopfer bei hoheitlichen Maßnahmen. Entscheidend sind die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und privatrechtlichem Handeln, die Zurechenbarkeit zum Träger öffentlicher Gewalt und die Ausgestaltung des Ausgleichsmechanismus.

Versicherungsrechtliche Bezüge

In vielen Konstellationen sind Haftpflichtversicherer beteiligt. Der Geschädigte kann seine Ansprüche gegenüber dem Schädiger geltend machen; in bestimmten Fallgruppen ist auch eine unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers möglich. Bestehen eigene Versicherungen (etwa Kasko- oder Personenversicherungen), treten diese häufig vorläufig ein und nehmen später Regress beim Verantwortlichen. Zahlungen von Sozialleistungsträgern können ebenfalls auf den zivilrechtlichen Ausgleich durchschlagen, etwa durch Übergang von Ansprüchen.

Durchsetzung und Verfahren

Außergerichtliche Geltendmachung

Der Ausgleich beginnt nicht selten mit einer außergerichtlichen Anspruchsanmeldung, der Darstellung des Geschehens und der Schadenspositionen sowie gegebenenfalls Verhandlungen über Art und Umfang der Leistung. Möglichkeiten der Einigung reichen von Teilzahlungen bis zu umfassenden Abgeltungsvereinbarungen. Zeitliche Grenzen spielen eine zentrale Rolle: Ansprüche unterliegen Fristen, deren Ablauf zur Undurchsetzbarkeit führen kann.

Gerichtliche Durchsetzung

Bleibt eine Einigung aus, stehen verschiedene Wege offen: Mahn- und Klageverfahren, einstweilige Sicherung, Beweisverfahren und Verfahren mit sachverständiger Begleitung. Bei komplexen oder massenhaften Schäden können kollektive Instrumente der Anspruchsbündelung in Betracht kommen. Prozessuale Fragen wie Gerichtsstand, Zuständigkeit, Streitwert und Kostenverteilung prägen die Position des Geschädigten. Drittbeteiligung (Streitverkündung) dient dem Absichern späterer Ausgleichsansprüche zwischen Verursachern oder Versicherern.

Beweis und Schadensbemessung

Die Schadenshöhe wird auf Grundlage von Urkunden, Zeugen, Fotos, digitalen Belegen, Gutachten und Erfahrungswerten festgestellt. Wo exakte Nachweise nicht möglich sind, kann eine gerichtliche Schätzung auf gesicherter Tatsachengrundlage erfolgen. Bei immateriellen Beeinträchtigungen orientiert sich die Bemessung an Schwere, Dauer, Folgen und Bedeutung des beeinträchtigten Rechtsgutes. Zentral sind Nachvollziehbarkeit, Plausibilität und Stringenz der Darstellung.

Abgrenzungen und Sonderkonstellationen

Indirekt Geschädigte und Drittbetroffenheit

Neben unmittelbar Betroffenen können auch mittelbar Geschädigte in Betracht kommen. Dazu zählen Hinterbliebene und Angehörige, deren eigene Rechtsgüter betroffen sind, sowie Dritte mit eigenständigen Vermögensnachteilen. Nicht jeder wirtschaftliche Reflexschaden ist ersatzfähig; maßgeblich ist die rechtliche Zuordnung des Risikos und der Schutzbereich der verletzten Norm oder Pflicht.

Kollektive, Umwelt und Daten

Bei Umwelt- und Massenschäden, Datenschutzverstößen oder standardisierten Produkten können viele Personen gleichzeitig betroffen sein. Rechtsordnungen halten hierfür Instrumente bereit, die die Bündelung von Feststellungs- oder Abhilfeansprüchen ermöglichen. Besonderheiten betreffen die Kausalitätsfeststellung, die einheitliche Schadensbemessung und die Verteilung von Vergleichssummen.

Internationaler Bezug

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellen sich Fragen des anwendbaren Rechts, der internationalen Zuständigkeit und der Anerkennung sowie Vollstreckung von Entscheidungen. Digitale Sachverhalte mit verstreuten Handlungs- und Erfolgsorten verstärken diese Thematik. Für Geschädigte ist die Bestimmung des geeigneten Forums und der maßgeblichen Rechtsordnung prägend für Reichweite und Art des möglichen Ausgleichs.

Grenzen und Pflichten des Geschädigten

Mitwirkung und Aufklärung

Zur ordnungsgemäßen Abwicklung gehören Mitwirkungspflichten: die wahrheitsgemäße Schilderung, das Bereitstellen relevanter Informationen, die Duldung sachgerechter Prüfungen sowie die Herausgabe oder Abtretung übergegangener Ansprüche an leistende Dritte. Verletzungen dieser Pflichten können den Ausgleich mindern.

Vermeidung von Überkompensation

Schadenersatz dient dem Ausgleich, nicht der Bereicherung. Leistungen Dritter, ersparte Aufwendungen oder verbleibende Vorteile werden angerechnet, soweit sie schadenskausal sind und eine Doppelkompensation vermeiden. Gleichzeitig bleibt der Grundsatz der vollständigen Kompensation leitend, sofern keine besonderen Begrenzungen eingreifen.

Persönlichkeits- und Datenschutz

In Verfahren ist der Ausgleich zwischen Aufklärungsinteresse und Schutz sensibler Daten zu wahren. Das gilt besonders bei Gesundheitsdaten, intimen Lebenssachverhalten oder digitaler Privatsphäre. Schutzmaßnahmen, Anonymisierung und abgestufte Einsichtsrechte dienen der Wahrung dieses Gleichgewichts.

Begriffliche Zusammenfassung

Der Geschädigte ist die durch ein zurechenbares Ereignis in rechtlich relevanter Weise nachteilig betroffene Person oder Organisation. Seine Stellung variiert je nach Kontext: Im Zivilrecht steht die Kompensation im Mittelpunkt, im Strafverfahren ergänzen Beteiligungs- und Schutzrechte den staatlichen Strafanspruch, und im öffentlichen Recht bestehen besondere Ausgleichsmechanismen. Tragende Leitlinien sind Zurechnung, Vollständigkeit des Ausgleichs, Vermeidung von Doppelkompensation und faire Verfahrensgestaltung.

Häufig gestellte Fragen

Wer gilt als Geschädigter?

Geschädigt ist, wessen rechtlich geschützte Interessen durch ein Verhalten oder Ereignis beeinträchtigt wurden und wem der daraus entstandene Nachteil rechtlich zugeordnet werden kann. Das betrifft natürliche Personen und Unternehmen gleichermaßen.

Worin liegt der Unterschied zwischen Geschädigter und Opfer?

„Geschädigter“ beschreibt die Rolle im Hinblick auf Ausgleichs- und Ersatzansprüche. „Opfer“ betont die persönliche Betroffenheit, insbesondere bei Straftaten. Eine Person kann zugleich Geschädigter und Opfer sein, muss es aber nicht.

Welche Schäden sind grundsätzlich ersatzfähig?

Grundsätzlich kommen Sach- und Vermögensschäden, Personenschäden mit Folgekosten sowie immaterielle Beeinträchtigungen in Betracht. Voraussetzung ist jeweils, dass der Schaden zurechenbar verursacht wurde und rechtlich anerkannt ist.

Kann ein Unternehmen Geschädigter sein?

Ja. Unternehmen können etwa durch Vertragsstörungen, Wettbewerbsverstöße, Produktfehler, Eingriffe in Betriebsgeheimnisse oder IT-Übergriffe betroffen sein und entsprechend Ersatz- oder Unterlassungsansprüche innehaben.

Welche Stellung hat der Geschädigte im Strafverfahren?

Der Geschädigte kann Zeuge sein und in bestimmten Fällen besondere Beteiligungsrechte wahrnehmen, etwa Anschluss an das Verfahren oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen innerhalb des Strafprozesses. Zudem bestehen Informations- und Schutzrechte.

Wer trägt die Beweislast?

Im Regelfall hat der Geschädigte Schaden, Kausalität und Zurechenbarkeit darzulegen und zu beweisen. Erleichterungen oder Umkehrungen sind nur ausnahmsweise vorgesehen.

Wie wirken sich Leistungen Dritter auf den Anspruch aus?

Leistungen Dritter, etwa von Versicherern oder Sozialträgern, können den Anspruch mindern oder auf den Dritten übergehen. Ziel ist der vollständige, aber nicht doppelte Ausgleich.

Gibt es Fristen für die Geltendmachung?

Ja. Ansprüche unterliegen zeitlichen Grenzen. Nach Fristablauf ist die Durchsetzung regelmäßig ausgeschlossen. Beginn, Dauer und Hemmungsgründe richten sich nach der jeweiligen Anspruchsart und den Umständen des Einzelfalls.