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Geo-Engineering

Begriff und Definition von Geo-Engineering

Geo-Engineering bezeichnet systematische Eingriffe in das Erdsystem mit dem Ziel, den Klimawandel abzumildern, zu verlangsamen oder dessen Auswirkungen zu begrenzen. Hierzu zählen insbesondere großtechnische Maßnahmen in der Atmosphäre, den Meeren oder an Land, die darauf abzielen, die globale Durchschnittstemperatur oder andere Umweltparameter zu beeinflussen. Bekannte Methoden sind unter anderem das Solar Radiation Management (SRM) sowie das Carbon Dioxide Removal (CDR).
Geo-Engineering unterscheidet sich damit grundsätzlich von konventionellen Klimaschutzmaßnahmen wie Energieeffizienz oder Emissionsreduktion und steht an der Schnittstelle von Umweltwissenschaften, Technologie, Ethik und Recht.

Rechtliche Grundlagen des Geo-Engineering

Internationales Recht

Übereinkommen über biologische Vielfalt

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt aus dem Jahr 1992 beinhaltet Regelungen zum vorsorglichen Umgang mit neuen Technologien, einschließlich Geo-Engineering. Im Nagoya-Protokoll von 2010 wurde ein faktisches Moratorium für Geo-Engineering-Projekte verabschiedet, bis eine angemessene wissenschaftliche Grundlage und ein international einvernehmlicher Ordnungsrahmen existieren. Die Entscheidungen im Rahmen dieses Übereinkommens sind zwar völkerrechtlich nicht verbindlich, geben aber ein starkes Signal für regulative Zurückhaltung.

Londoner Übereinkommen und Protokoll

Das Londoner Übereinkommen von 1972 sowie sein Protokoll von 1996 regeln das Verbot und die Kontrolle der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen. Im Hinblick auf Geo-Engineering ist vor allem das Verbot großtechnischer Ozeandüngungsprojekte (sog. Ocean Fertilization) zu erwähnen. Hier wurde 2013 ein Zusatzprotokoll verabschiedet, das Geo-Engineering-Aktivitäten im marinen Bereich strenger kontrolliert und deren Zulassung nur zu Forschungszwecken unter strengen Auflagen erlaubt.

Klimarahmenkonvention und Pariser Abkommen

Die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und das Pariser Abkommen enthalten keine spezifischen Regelungen zum Geo-Engineering. Allerdings fallen Geo-Engineering-Maßnahmen, die Treibhausgase binden oder Emissionen absorbieren, potenziell in die Berichterstattung gemäß der national festgelegten Beiträge.

Europäisches Recht

Umweltrechtliche Regelungen

Im Rahmen der Europäischen Union bestehen bislang keine spezifischen Regelungen zum Geo-Engineering. Bestehende Richtlinien – etwa über Umweltverträglichkeitsprüfung, Chemikalienregulierung (REACH-Verordnung), das Wasserrecht oder das Meeresumweltrecht – können jedoch je nach Art der Maßnahme greifen. Darüber hinaus könnten geplante Maßnahmen unter die Aarhus-Konvention fallen, welche die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Umweltinformationen sicherstellt.

Grundrechte und Vorsorgeprinzip

Der Einsatz von Geo-Engineering-Maßnahmen berührt Grundrechte, insbesondere den Schutz der Umwelt, das Recht auf Gesundheit und das Eigentumsrecht nach der EU-Grundrechtecharta. Maßgeblich ist auch das europäische Vorsorgeprinzip: Bevor großskalige Eingriffe zugelassen werden, sind umfassende Risikoprüfung und Nachweis der Sicherheit erforderlich.

Nationales Recht (Beispiel Deutschland)

Umwelthaftungsrecht

In Deutschland sind Geo-Engineering-Maßnahmen grundsätzlich nach dem Umweltrechtsregime zu beurteilen. Das Umwelthaftungsgesetz sieht eine Gefährdungshaftung für Umweltschäden vor, die aus großtechnischen Experimenten erwachsen können. Zur Anwendung kommen können auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz.

Genehmigungsverfahren

Abhängig von der Art der geplanten Geo-Engineering-Maßnahme können Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, Bundesnaturschutzgesetz, Wasserhaushaltsgesetz oder anderen Fachgesetzen erforderlich sein. Wesentlich sind zudem Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Beteiligung betroffener Öffentlichkeit sowie die Berücksichtigung internationaler Verpflichtungen.

Haftungs- und Verantwortlichkeitsfragen

Verursacherprinzip und Haftung

Das klassische umweltrechtliche Verursacherprinzip verlangt vom Verantwortlichen einer schädlichen Umwelteinwirkung, für die entstandenen Schäden aufzukommen und Gefährdungen zu vermeiden. Im Kontext des Geo-Engineering stellt sich die komplexe Frage, wer für grenzüberschreitende oder globale Auswirkungen haftet, insbesondere wenn Schäden grenzüberschreitend oder in anderen Staaten bzw. Weltregionen auftreten.

Staatliche Überwachung und Kontrolle

Die Durchführung von Geo-Engineering-Projekten unterliegt behördlicher Kontrolle. Staatliche Stellen sind verpflichtet, Maßnahmen zu überwachen, deren Einhaltung zu überprüfen und bei Verstößen Sanktionen zu verhängen. Die internationale Zusammenarbeit ist hierbei entscheidend, da viele Geo-Engineering-Maßnahmen das globale Klima betreffen und somit der einheitlichen Rechtsdurchsetzung bedürfen.

Ethik, Öffentlichkeit und Beteiligungsrechte

Öffentlichkeitsbeteiligung

Maßnahmen im Bereich Geo-Engineering sind regelmäßig großräumig und potentiell folgenschwer. Aus diesem Grund ist eine umfassende Information und Beteiligung der Öffentlichkeit geboten. EU-weit und national bestehen hierzu Beteiligungsrechte, die beispielsweise über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Aarhus-Konvention seiner Umsetzung finden.

Ethische und gesellschaftliche Aspekte

Geo-Engineering wirft – neben rechtlichen Fragen – auch ethische Grundsatzfragen auf, etwa zur Akzeptanz großskaliger Eingriffe, zur globalen Gerechtigkeit und zum intergenerationellen Interessenausgleich. Die Integration von ethischen Leitlinien in regulatorische Steuerungen erfolgt dabei oft ergänzend zum rechtlichen Regulierungsrahmen.

Herausforderungen und Perspektiven der Regulierung

Mangelnde internationale Koordination

Die weltweiten völkerrechtlichen und nationalen Regelungen greifen bisher nur fragmentarisch. Ein umfassender, einheitlicher Rechtsrahmen, der Geo-Engineering auf globaler Ebene koordiniert und regelt, existiert derzeit nicht. Die Entwicklung solcher Instrumente gilt als große Herausforderung der internationalen Politik.

Zukünftige Entwicklung und Regelungsbedarf

Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung des Geo-Engineering im politischen und wissenschaftlichen Diskurs steigt der Bedarf nach klaren Rechtsgrundlagen, Haftungssystemen, Transparenzvorgaben, Risikoabschätzung und Partizipationsmöglichkeiten weiter. Die künftige Rechtsetzung muss dabei dem schnellen wissenschaftlichen Fortschritt und der besonderen Tragweite solcher Maßnahmen Rechnung tragen.

Zusammenfassung

Geo-Engineering beschreibt umfangreiche, technikbasierte Eingriffe in globale Umweltprozesse und ist rechtlich hochkomplex. Die Regulierung erfolgt bislang durch eine Vielzahl internationaler, europäischer und nationaler Normen, die sich aus allgemeinem Umwelt-, Haftungs- und Verwaltungsrecht ergeben. Ein kohärenter, verbindlicher internationaler Rechtsrahmen befindet sich jedoch noch im Entwicklungsstadium. Aufgrund des potentiellen Risikopotentials und der grenzüberschreitenden Auswirkungen sind Partizipation, Vorsorge und Haftung zentrale Schlagworte der aktuellen und zukünftigen rechtlichen Betrachtung von Geo-Engineering.


Schlagworte: Geo-Engineering, Recht, Umweltrecht, Internationale Abkommen, Haftung, Vorsorgeprinzip, Regulierung, Öffentlichkeitsbeteiligung, Risiken, Klima, Umweltverträglichkeit.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Genehmigung von Geo-Engineering-Maßnahmen auf internationaler Ebene zuständig?

Völkerrechtlich gibt es bislang keine zentrale supranationale Behörde, die allgemeingültige Genehmigungen für Geo-Engineering-Projekte erteilt. Stattdessen sind verschiedene völkerrechtliche Abkommen und Organisationen involviert, wobei die Zuständigkeiten sich nach Art und Ort der geplanten Maßnahme richten. Wichtige Verträge sind insbesondere das Übereinkommen über die biologische Vielfalt sowie das Londoner Übereinkommen zum Verbot der Meeresverschmutzung mit seinen Protokollen sowie regionale Abkommen. Projekten mit internationaler Relevanz – etwa bei grenzüberschreitenden Effekten oder außerhalb nationaler Jurisdiktionen (hohe See) – können von internationalen Organisationen wie der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation oder themenspezifischen Ausschüssen bewertet werden. Dennoch ist die praktizierte Regel meistens diejenige Zuständigkeit des Staates im jeweiligen Hoheitsgebiet oder in dessen ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ). Internationale Koordination ist bislang nur in Ausnahmefällen verpflichtend; dies führt zu einer Fragmentierung der Zuständigkeiten sowie völkerrechtlichen Grauzonen.

Welche nationalen Gesetze finden auf Geo-Engineering Maßnahmen Anwendung?

Geo-Engineering wird in den Staaten in der Regel nicht durch spezielle Gesetze geregelt; vielmehr finden bestehende umwelt-, wasser- oder luftrechtliche Bestimmungen Anwendung. Je nach Maßnahmentyp kommen unterschiedliche Rechtsgebiete zum Einsatz – etwa Immissionsschutzrecht oder Wasserhaushaltsrecht (in Deutschland), Naturschutzrecht oder luftverkehrsrechtliche Vorschriften. Maßnahmen in der Atmosphäre werden teilweise durch Luftfahrt- oder Wetterkontrollgesetze (sofern vorhanden) berührt; für Meeresprojekte gelten insbesondere Gesetze zum Küstenschutz sowie Fischerei- oder Meeresumweltschutzrecht. Für großskalige oder besonders eingriffsintensive Projekte würden im Regelfall umfangreiche Genehmigungs- sowie Beteiligungsverfahren wie etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben sein. In vielen Staaten besteht jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit: Geo-Engineering wird als neues Phänomen oft nicht explizit adressiert.

Sind Geo-Engineering-Maßnahmen anmelde- oder genehmigungspflichtig?

Die Pflicht zur Anmeldung oder Genehmigung hängt von Art, Umfang sowie Standort der Maßnahme ab. In nahezu allen Ländern unterliegen Tätigkeiten mit erheblichen Auswirkungen auf Umwelt oder Klima einer Genehmigungspflicht – häufig gekoppelt mit einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Internationale Projekte wie Ozeandüngung oder Aerosolinjektion können zusätzliche Meldepflichten gegenüber internationalen Stellen wie etwa internationalen Organisationen oder Einrichtungen im Rahmen internationaler Abkommen nach sich ziehen. Entscheidend ist zudem die Unterscheidung zwischen Forschungsvorhaben einerseits sowie Anwendungsprojekten andererseits: Reine Laborversuche oder überschaubare Feldversuche können geringeren Anforderungen unterliegen; dennoch empfiehlt sich stets eine Abstimmung mit zuständigen Behörden.

Welche Haftungsregelungen gelten, wenn durch Geo-Engineering-Maßnahmen Schäden entstehen?

Da Geo-Engineering potenziell weitreichende transnationale Auswirkungen haben kann greifen zahlreiche nationale wie internationale Haftungssysteme: Nach internationalem Recht ist grundsätzlich der Verursacherstaat verantwortlich für Schäden durch Aktivitäten auf seinem Territorium an anderen Staaten bzw. an internationalen Gemeinschaftsgütern (Verursacherprinzip). Zu beachten sind dabei Grundsätze des internationalen Umweltrechts sowie Mechanismen des allgemeinen Zivilrechts wie Delikthaftung oder Gefährdungshaftung – jeweils mit besonderen Herausforderungen bei Beweisführung zum Kausalzusammenhang. Auf nationaler Ebene greifen zusätzlich Sonderregelungen wie etwa Umweltschadensgesetzgebung oder Wasserhaushaltsrecht (in Deutschland). Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist jedoch gerade bei internationalen Fällen oft kompliziert sowie rechtlich anspruchsvoll.

Inwiefern müssen Geo-Engineering-Projekte die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften berücksichtigen?

Soweit Maßnahmen des Geo-Engineerings Gebiete betreffen in denen indigene oder lokale Gemeinschaften leben beziehungsweise traditionelle Rechte geltend machen gilt besonderer Schutz durch völkerrechtliche wie nationale Minderheitenrechte: Dazu zählen insbesondere internationale Übereinkommen über Rechte indigener Völker sowie nationale Beteiligungsgesetze bei raumordnungs- bzw. umweltrechtlichen Großverfahren – diese gewähren besondere Schutzpositionen wie Anhörungs-, Widerspruchs- oder Klagerechte sowie Entschädigungsansprüche im Falle nicht wirksamer Partizipation bzw. Eingriffen ohne Konsultation („Free Prior and Informed Consent”).

In welchem Verhältnis stehen Geo-Engineering-Praktiken zu Klimaschutzabkommen wie dem Pariser Abkommen?

Klimaschutzabkommen fördern primär Emissionsminderung sowie Anpassung an den Klimawandel; explizite Regelungen zum Thema Geo-Engineering fehlen jedoch bislang weitgehend. Nach geltendem Recht ist die Nutzung von Geo-Engineering nicht grundsätzlich verboten – alle Maßnahmen müssen jedoch Transparenz-, Umweltschutz- sowie Beteiligungsvorgaben erfüllen; Risiken sind sorgfältig abzuwägen („Vorsorgeprinzip”). Ob einzelne Projekte als nationale Beiträge im Sinne internationaler Klimaschutzabkommen anerkannt werden bleibt umstritten – dies wird vor allem aus ethisch-rechtlicher Sicht kritisch diskutiert.

Unterliegen Forschungsprojekte zum Geo-Engineering eigenen rechtlichen Anforderungen?

Zwar unterscheiden sich Forschungsprojekte rechtlich grundsätzlich von großmaßstäblichen Anwendungsprojekten; sie sind jedoch keineswegs regellos: Auch experimentelle Maßnahmen können genehmigungspflichtig sein – insbesondere wenn reale Eingriffe in Atmosphäre Böden oder Gewässer erfolgen sollen bzw. grenzüberschreitende Wirkungen möglich sind. Forschungsvorhaben müssen regelmäßig einer ethischen wie rechtlichen Prüfung unterzogen werden (Notwendigkeit Alternativlosigkeit Vorsorgeprinzipien); besondere Vorgaben gelten hinsichtlich Transparenz Veröffentlichung Monitoring sowie Rückbauoptionen.