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General Agreement on Tariffs and Trade


General Agreement on Tariffs and Trade (GATT)

Das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der den internationalen Warenhandel regelt und die Liberalisierung des Welthandels durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen zum Ziel hat. Das Übereinkommen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Teil des Bretton-Woods-Systems entwickelt und bildet die historische Grundlage für die heutige Welthandelsorganisation (WTO). Der rechtliche Charakter des GATT sowie seine Wirkungsweise sind äußerst komplex und beeinflussen das internationale Wirtschaftsrecht bis heute wesentlich.

Historische Entwicklung und Geltungsbereich

Entstehung und Hintergrund

Das GATT wurde im Oktober 1947 in Genf von 23 Ländern ausgehandelt und trat am 1. Januar 1948 vorläufig in Kraft. Ursprünglich war das GATT als Teil einer Internationalen Handelsorganisation (ITO) geplant, deren Gründung jedoch scheiterte. Deshalb nahm das GATT über Jahrzehnte eine faktische Funktion als zentrales Regelwerk für den internationalen Warenhandel ein.

Vertragsparteien und Anwendungsbereich

Die Zahl der Mitglieder nahm kontinuierlich zu; mit der Gründung der WTO 1995 umfassten die vertraglichen Regeln des GATT etwa 128 Staaten. Das GATT regelt primär den Handel mit Sachgütern („goods“). Dienstleistungen und geistiges Eigentum wurden erst später durch separate Abkommen (GATS, TRIPS) im Rahmen der WTO erfasst.

Rechtliche Struktur und Regelungsmechanismen

Aufbau des Übereinkommens

Das GATT besteht aus mehreren Teilen:

  • Präambel
  • Teil I: Zentrale Grundsätze wie Meistbegünstigungsprinzip und Inländerbehandlung
  • Teil II: Verpflichtungen zum Zollabbau, Beseitigung quantitativer Handelsbeschränkungen
  • Teil III: Sonderbestimmungen für besondere Situationen und Ausnahmen
  • Teil IV: Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer

Darüber hinaus wurde das GATT im Laufe der Jahre durch sogenannte „Protokolle“, „Abkommen“ und „Ergänzungen“ sowie zahlreiche Ausnahmeregelungen („waivers“) fortentwickelt.

Zentrale Rechtsprinzipien

Meistbegünstigungsprinzip (Art. I GATT)

Nach dem Meistbegünstigungsprinzip muss jeder Vertragsstaat einem anderen Vertragspartner gewährte Handelsvorteile automatisch allen anderen Vertragsstaaten einräumen. Dieses Prinzip gewährleistet Diskriminierungsfreiheit im Welthandel.

Inländerbehandlung (Art. III GATT)

Die Inländerbehandlung verpflichtet die Vertragsstaaten, eingeführte Waren nicht schlechter zu behandeln als inländische Produkte. Dadurch wird eine Benachteiligung ausländischer Waren nach dem Grenzübertritt verhindert.

Zollabbau und Tarifbindung (Art. II GATT)

Staaten verpflichten sich, Zölle auf einem vertraglich festgelegten Höchstniveau (sogenannte „bound tariffs“) zu halten oder schrittweise abzubauen. Dies führt zur Berechenbarkeit der Handelsbedingungen.

Weitere zentrale Regelungen

Verbot quantitativer Beschränkungen (Art. XI GATT)

Das GATT untersagt mengenmäßige Beschränkungen des Handels (beispielsweise Importquoten), mit wenigen Ausnahmen, um möglichst freien Warenverkehr zu gewährleisten.

Ausnahmen vom GATT-Grundsatz

Das Übereinkommen sieht zahlreiche Ausnahmetatbestände vor (u. a. Art. XX GATT: allgemeine Ausnahmen, etwa zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Gesundheit oder der natürlichen Ressourcen). Daneben bestehen Sicherheitsausnahmen (Art. XXI GATT) sowie Regelungen für Handelsabkommen regionaler Wirtschaftsintegration (Art. XXIV GATT).

Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer

Teil IV und verschiedene Sonderbeschlüsse (wie das Enabling Clause von 1979) ermöglichen entwicklungsabhängige Sonderregelungen, um Bedürfnisse der Entwicklungsländer zu berücksichtigen.

Institutionelle und prozedurale Aspekte

Streitbeilegung unter dem GATT

Das GATT etablierte bereits ab den 1950er Jahren Verfahren zur Streitbeilegung zwischen Vertragsstaaten. Die ursprünglichen Mechanismen sahen Konsultationen, Panel-Verfahren und Beschlüsse der GATT-Vertragsparteien vor. Ab den 1980er Jahren wurde dieses System sukzessive verbessert und schließlich durch den wesentlich verbindlicheren Streitbeilegungsmechanismus der WTO abgelöst.

Überwachung der Einhaltung

Die Vertragsparteien trafen sich regelmäßig zur Überwachung und Weiterentwicklung der Handelsregeln (GATT-Vertragsparteien-Konferenzen; sog. Sessions). Hier konnten auch neue Verpflichtungen beschlossen oder Modifikationen eingeführt werden.

GATT und das Recht der Welthandelsorganisation (WTO)

Mit der Gründung der WTO im Jahre 1995 ist das GATT in modifizierter Fassung als „GATT 1994″ Bestandteil des rechtlichen Kernsystems der Organisation geworden. Das „GATT 1994″ baut auf dem ursprünglichen GATT-Text von 1947 auf, ergänzt um Protokolle, Anmerkungen und weitere Abkommen. Es dient nunmehr als grundlegendes Übereinkommen für den Warenhandel im Rahmen der WTO. Arbeiten Panel und Appellate Body der WTO bei Streitigkeiten, so stützen sie sich vorrangig auf die Regelungen des GATT.

Bedeutung und Wirkung im internationalen Wirtschaftsrecht

Das GATT hat wesentlich zur Liberalisierung und Berechenbarkeit des Welthandels beigetragen. Es begründet Rechtsverbindlichkeiten auf internationaler Ebene, die von den Vertragspartnern einzuhalten sind. Seine Prinzipien – insbesondere Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot und zollpolitische Planungssicherheit – sind bis heute prägend für das Regelwerk des internationalen Handelssystems.

Literatur und Hinweise

Für weiterführende Informationen sind rechtswissenschaftliche Handbücher zum internationalen Wirtschaftsrecht, insbesondere zur Entwicklung des Welthandelsrechts, zu empfehlen. Die Texte des GATT sowie weiterführende Protokolle sind auf der Website der WTO abrufbar.


Hinweis: Dieser Artikel gibt eine umfassende rechtliche Darstellung des GATT und seiner Funktionen und ist für die Nutzung in einem Rechtslexikon konzipiert.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtliche Bedeutung hat das GATT im internationalen Wirtschaftsrecht?

Das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) stellt einen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag dar, der ursprünglich 1947 mit dem Ziel abgeschlossen wurde, Handelshemmnisse wie Zölle und Importbeschränkungen zwischen den Vertragsstaaten zu reduzieren und ein geregeltes internationales Handelssystem zu schaffen. Rechtlich betrachtet bildet das GATT einen zentralen Baustein des internationalen Wirtschaftsrechts, insbesondere seit der Integration in das Vertragswerk der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995. Das GATT-Vertragswerk ist für die Vertragsparteien rechtlich verbindlich und begründet spezifische Rechte und Pflichten, die im Streitfall auch im Rahmen des WTO-Streitbeilegungssystems einklagbar sind. Es regelt unter anderem das Meistbegünstigungsprinzip, das Inländerprinzip und die Bedingungen zulässiger Handelsbeschränkungen, wobei Verstöße nach detaillierten Prozeduren verhandelt und sanktioniert werden können. Die Bindungswirkung ist dabei formal gesehen „soft law“, wird jedoch durch die Anerkennung im innerstaatlichen Recht vieler Mitglieder und die Implementation durch internationale Institutionen faktisch verstärkt.

Welche Ausnahmen von der GATT-Verpflichtung zur Zollsenkung existieren?

Das GATT sieht in mehreren Artikeln spezielle Ausnahmetatbestände vor, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung und zur Zollsenkung abzuweichen. Zu den wichtigsten gehören Ausnahmen aus sicherheitspolitischen Gründen (Art. XXI GATT), zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und Gesundheit (Art. XX GATT) sowie zum Schutz nationaler Industrien im Falle einer ernsthaften Schädigung durch Importzunahmen (Art. XIX GATT, die sogenannte „Safeguard-Klausel“). Weitere Ausnahmen beziehen sich auf die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen (Art. XXIV GATT) sowie Maßnahmen zum Schutz von Zahlungsbilanzinteressen (Art. XII und XVIII B GATT). Jede Ausnahme ist detailliert geregelt und setzt eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit sowie das Durchlaufen spezieller Konsultationsmechanismen im Rahmen der GATT/WTO-Verfahren voraus.

Wie erfolgt die Streitschlichtung bei Meinungsverschiedenheiten über GATT-Bestimmungen?

Das GATT sieht ein mittlerweile unter dem Dach der WTO institutionalisiertes Streitbeilegungsverfahren vor, das in den sogenannten Dispute Settlement Understanding (DSU) der WTO eingebettet ist. Mitgliedstaaten können bei einer vermuteten Verletzung von GATT-Bestimmungen ein formelles Verfahren einleiten, das zunächst Konsultationen (good offices) und dann die Einrichtung eines Panels zur Feststellung eines etwaigen Verstoßes vorsieht. Dessen Bericht kann von den Parteien akzeptiert oder im Appellationsverfahren weiterverfolgt werden. Bei festgestellten Verstößen wird dem beklagten Staat regelmäßig eine angemessene Frist zur Anpassung eingeräumt, andernfalls sind Ausgleichsmaßnahmen zulässig. Das Verfahren ist völkerrechtlich verbindlich und gilt im internationalen Handelsrecht als mustergültig effizient und effektiv.

Wie verhalten sich GATT-Regelungen zu regionalen Handelsabkommen?

Obwohl das GATT das Prinzip der Meistbegünstigung (Art. I GATT) – also die Gleichbehandlung aller Vertragspartner – vorschreibt, erkennen seine Bestimmungen ausdrücklich die Möglichkeit regionaler Handelszusammenschlüsse wie Freihandelszonen und Zollunionen an (Art. XXIV GATT). Solche Abkommen dürfen jedoch andere GATT-Mitglieder nicht benachteiligen und müssen bestimmte Kriterien wie den wesentlichen Abbau der Zölle zwischen den beteiligten Ländern und die Nichtanhebung von Handelsbarrieren zu Drittstaaten erfüllen. Das sogenannte „Enabling Clause“ (Beschluss von 1979) sieht darüber hinaus weitere Ausnahmen für Handelspräferenzen zwischen Entwicklungsländern vor. Die Kompatibilität regionaler Abkommen mit GATT-Bestimmungen wird regelmäßig im Rahmen von Prüfverfahren durch das WTO Committee on Regional Trade Agreements kontrolliert.

Welche rechtlichen Mechanismen bestehen zur Durchsetzung von GATT-Bestimmungen auf nationaler Ebene?

Die Durchsetzung von GATT-Verpflichtungen erfolgt zunächst zwischenstaatlich; das Abkommen wirkt also primär zwischen den Vertragsstaaten. Dennoch implementieren viele Mitgliedsländer GATT-Normen durch nationale Gesetzgebung, wodurch der GATT-Status teils auch vor nationalen Gerichten justiziabel wird. Im Falle eines Widerspruchs zwischen innerstaatlichem Recht und GATT-Pflichten sind die Staaten völkerrechtlich verpflichtet, GATT-konforme Lösungen herbeizuführen, was häufig durch Anpassung nationalen Rechts erfolgt. Die Kontrolle der Einhaltung erfolgt jedoch vorrangig über das WTO-Streitbeilegungsverfahren. Unionsrechtlich, etwa in der Europäischen Union, wird das GATT durchgehend in sekundärrechtliche Umsetzungsvorschriften integriert.

Wie wird die Vereinbarkeit von handelspolitischen Schutzmaßnahmen (z.B. Antidumpingzölle) mit dem GATT-Recht beurteilt?

Handelspolitische Schutzmaßnahmen wie Antidumpingzölle oder Ausgleichszölle sind unter dem GATT nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Das Abkommen verweist auf ergänzende Übereinkommen der WTO (insbesondere das Antidumping Agreement und das Subsidies and Countervailing Measures Agreement), die die materiellen und prozeduralen Anforderungen an solche Maßnahmen präzisieren. Zentral ist dabei der Nachweis eines Dumpingschadens und das Durchlaufen transparenter Untersuchungsverfahren. Das GATT selbst sieht in Art. VI explizit die Möglichkeit solcher Schutzmaßnahmen vor, wenn diese den Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt dienen und den übrigen GATT-Prinzipien, insbesondere der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit, Rechnung tragen. Die Anwendung wird regelmäßig im WTO-Rahmen überprüft und ist Gegenstand zahlreicher Streitverfahren.