Gemeinschaftswaren
Begriff und rechtliche Grundlagen
Gemeinschaftswaren sind nach europäischem Zollrecht solche Waren, die ihren Ursprung in der Europäischen Union (EU) oder ihren Vorgängerorganisationen haben oder dort in den freien Verkehr übergeführt wurden. Sie nehmen innerhalb des Europäischen Binnenmarktes eine zentrale Rolle ein, da sie grundlegende Voraussetzungen für die Zollfreiheit und den freien Warenverkehr bilden.
Die maßgebliche Definition findet sich aktuell in Artikel 5 Nr. 23 und Artikel 153 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 (Unionszollkodex – UZK). Danach sind Gemeinschaftswaren jene beweglichen Sachen,
- die ihren Ursprung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und aus diesen ausgeführt wurden oder,
- solche, die aus Drittländern importiert, aber nach ordnungsgemäßer Zollabfertigung in das Zollgebiet der Union eingeführt und in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurden.
In älteren nationalen Regelungen wurde der Begriff „Gemeinschaftswaren“ im Rahmen der EWG- und EG-Zeit vor Einführung des Begriffs „Unionswaren“ verwendet, der durch den UZK ersetzt wurde. Im allgemeinen Sprachgebrauch innerhalb des europäischen Rechtssystems werden beide Begriffe jedoch bis heute verwendet.
Abgrenzung: Gemeinschaftswaren und Drittlandswaren
Gemeinschaftswaren
Gemeinschaftswaren (heute: Unionswaren) können im Zollgebiet der EU grundsätzlich ohne weitere zollrechtliche Beschränkungen oder Kontrollen bewegt werden. Sie unterliegen nicht den Beschränkungen, die für Waren mit Drittlandsstatus (Nicht-Unionswaren) gelten. Die Einstufung als Gemeinschaftswaren setzt voraus, dass sie entweder ihren Ursprung in einem Mitgliedstaat besitzen oder ordnungsgemäß zum freien Verkehr zugelassen wurden.
Drittlandswaren
Demgegenüber stehen Drittlandswaren (Nicht-Unionswaren nach UZK-Begriff), die entweder aus einem Drittstaat stammen oder nach vorübergehender Ausfuhr noch nicht wieder in den zollrechtlichen freien Verkehr übergeführt wurden. Drittlandswaren unterliegen innerhalb der EU zollrechtlichen Formalitäten, insbesondere Überwachung, Verbringungsverboten oder besonderen Abgaben.
Entstehung und Status von Gemeinschaftswaren
Ursprung in der Union
Waren gelten als Gemeinschaftswaren, wenn sie vollständig in einem Mitgliedstaat erzeugt, gewonnen oder hergestellt wurden. Dazu zählen beispielsweise landwirtschaftliche Produkte, Industrieprodukte oder auf dem Gebiet der EU gefangene Fische.
Überführung zum freien Verkehr
Waren aus Drittländern erhalten den Status als Gemeinschaftswaren, wenn sie nach vollständiger Entrichtung der Einfuhrabgaben und Erfüllung der etwaigen handelspolitischen Maßnahmen rechtmäßig in den freien Verkehr der Union übergeführt werden. Nach diesem Vorgang stehen sie Produkten mit Ursprung in der EU gleich.
Nachweis des Status
Der Nachweis, ob es sich um Gemeinschaftswaren handelt, spielt insbesondere beim innergemeinschaftlichen Warenverkehr, in Zollverfahren sowie beim Rückwarenverkehr (Wiedereinfuhr von Waren) eine maßgebliche Rolle. Der Nachweis erfolgt durch zollamtlich beglaubigte Papiere wie das Versandverfahren T2, das T2L-Dokument oder elektronische Äquivalente wie das Informationssystem NCTS.
Zollrechtliche Bedeutung von Gemeinschaftswaren
Zollrechtlicher Warenverkehr
Gemeinschaftswaren können zwischen allen Mitgliedsstaaten der EU ohne weitere Zollformalitäten verbracht werden, sofern sie sich im sogenannten zollrechtlich freien Verkehr befinden. Anders verhält es sich mit Drittlandswaren, denen bestimmte zollrechtliche Maßnahmen wie Kontrolle, Einschränkung oder Abgabenerhebung auferlegt werden.
Wirtschaftliche Effekte
Durch die Einstufung als Gemeinschaftswaren entfällt die zollrechtliche Kontrolle innerhalb des Unionsgebiets. Dies ermöglicht einen freien Warenverkehr, trägt zur Förderung des Binnenmarktes bei und erleichtert grenzüberschreitende Lieferketten innerhalb der Union erheblich.
Ausnahmen und Sonderfälle
Sonderregelungen gelten zum Beispiel für Sonderwirtschaftszonen, Freihäfen oder in Ausnahmefällen für Güter, die lediglich durch das Zollgebiet der EU durchgefahren werden (Transit). In diesen Fällen erhalten die Waren ihren Gemeinschaftscharakter erst nach vollständiger Erfüllung der zollrechtlichen Voraussetzungen im jeweiligen Mitgliedstaat.
Gemeinschaftswaren in der Praxis
Innergemeinschaftlicher Handel
Im Rahmen des innergemeinschaftlichen Handels ermöglicht die Eigenschaft als Gemeinschaftswaren eine Abwicklung der Warenverkehre ohne gesonderte Ein- oder Ausfuhrzollabfertigung. Das administrative Verfahren wird dadurch signifikant vereinfacht, und es entsteht ein einheitlicher Warenmarkt innerhalb der EU.
Verlust und Wiedererlangung des Gemeinschaftscharakters
Waren verlieren in bestimmten Konstellationen ihren Gemeinschaftscharakter, beispielsweise bei Ausfuhr aus dem Zollgebiet der EU. Erneut muss der Status als Gemeinschaftswaren durch Einfuhr und Überführung in den freien Verkehr nachgewiesen werden, um die daraus folgenden Rechte in Anspruch nehmen zu können.
Rechtsquellen und Entwicklung des Begriffs
Rechtsgrundlagen
Die maßgeblichen Vorschriften zu Gemeinschaftswaren finden sich heute im Unionszollkodex (UZK) sowie in dessen Durchführungsbestimmungen und ergänzenden Rechtsakten der Union. Historische Regelungen sind im alten Zollkodex (EWG-Verordnung Nr. 2913/92) dokumentiert, der bis zur Einführung des UZK 2016 galt.
Terminologische Entwicklung
Der Begriff „Gemeinschaftswaren“ wurde seit Inkrafttreten des UZK durch die Bezeichnung „Unionswaren“ abgelöst, weiterhin aber in zahlreichen Rechtsdokumenten und in älteren nationalen Gesetzen referenziert. Die rechtlichen Auswirkungen und die Bedeutung für den Warenverkehr bleiben jedoch identisch.
Bedeutung und Fazit
Der Begriff Gemeinschaftswaren nimmt im europäischen Zollrecht eine herausragende Rolle ein. Die rechtliche Einstufung von Gütern als Gemeinschaftswaren ist entscheidend für die Inanspruchnahme der mit dem Binnenmarkt verbundenen zollrechtlichen Privilegien. Sie ermöglicht einen reibungslosen, abgabenfreien und effizienten Warenverkehr im gesamten Zollgebiet der EU und sorgt damit für die Umsetzung des Europäischen Binnenmarkts in der Praxis.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Unionszollkodex (UZK)
- Durchführungsbestimmungen zum UZK
- Nationale Zollvorschriften der Mitgliedstaaten
- Europäische Kommission: Informationsportal zum Zollrecht
(Hinweis: Dieser Beitrag behandelt die rechtlichen Aspekte des Begriffs „Gemeinschaftswaren“ unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsvorschriften sowie der aktuellen terminologischen Entwicklung auf Unionsebene. Änderungen durch künftige Gesetzgebung sind möglich.)
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die rechtliche Behandlung von Gemeinschaftswaren bei der Einfuhr aus einem Drittland in die Europäische Union?
Beim Import von Waren aus einem Drittstaat in das Zollgebiet der Europäischen Union ist zu unterscheiden, ob es sich um Gemeinschaftswaren oder Nichtgemeinschaftswaren handelt. Gemeinschaftswaren sind Produkte, die entweder vollständig innerhalb der EU hergestellt wurden oder bereits ordnungsgemäß in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurden. Nach der rechtlichen Systematik der Zollkodizes bedürfen Waren, die als Gemeinschaftswaren gelten, bei ihrer Verbringung zwischen den Mitgliedstaaten keiner weiteren Zollförmlichkeiten und unterliegen keinen Einfuhrabgaben. Anders verhält es sich bei der Einfuhr aus einem Drittland: Hier wird die Ware zunächst als Nichtgemeinschaftsware behandelt und unterliegt dem zollrechtlichen Verfahren, das eine Überführung in den freien Verkehr erfordert. Erst nach der vollständigen Entrichtung der Einfuhrabgaben, der zollrechtlichen Überwachung und ggf. der Einhaltung von handelspolitischen Maßnahmen werden daraus wieder Gemeinschaftswaren im Sinn der zollrechtlichen Vorschriften der EU.
Welche Nachweise sind erforderlich, um den Gemeinschaftswarenstatus rechtlich zu belegen?
Für den rechtssicheren Nachweis des Gemeinschaftswarenstatus schreibt die EU verbindliche Dokumente und Verfahren vor. Das wichtigste Nachweisinstrument ist das sogenannte T2L- bzw. T2LF-Dokument. Diese Papiere dienen dazu, gegenüber den Zollbehörden bei Transporten über Grenzen innerhalb der EU-Domäne oder zwischen den Teilen des Zollgebiets nachzuweisen, dass es sich bei der Ware um eine ordnungsgemäß in die EU eingebrachte Gemeinschaftsware handelt und nicht etwa um nicht veranlagte Waren aus Drittländern. Zusätzlich kann der Status über das elektronische Versandverfahren NCTS (New Computerised Transit System) nachgewiesen werden. Die rechtlichen Grundlagen finden sich insbesondere im Unionszollkodex (UZK), ausgeführt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 und Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 sowie die Arbeitsanweisungen der jeweiligen nationalen Zollverwaltungen.
Was passiert bei Unstimmigkeiten im Gemeinschaftswarenstatus während einer Zollkontrolle?
Kommt es bei einer Kontrolle zu Unstimmigkeiten hinsichtlich des deklarieren Gemeinschaftswarenstatus, hat dies unmittelbar rechtliche Konsequenzen. Sofern der Status nicht ordnungsgemäß oder gar nicht nachgewiesen werden kann, wird die Ware zollrechtlich als Nichtgemeinschaftsware eingestuft. Daraus ergeben sich Verpflichtungen zur Zollanmeldung und ggf. zur Zahlung von Einfuhrabgaben sowie zur Vorlage von handelsrechtlichen Begleitpapieren für Drittlandsware. Verstöße gegen das Nachweisverfahren oder fehlerhafte Angaben können zudem als Ordnungswidrigkeiten oder gar strafbar gewertet werden, was mit empfindlichen Bußgeldern oder weiteren Sanktionen geahndet werden kann. Der betroffene Wirtschaftsbeteiligte trägt in jedem Fall die Beweislast; die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich im Art. 153 ff. UZK sowie den nationalen Zollbestimmungen.
In welchen Fällen verlieren Waren ihren Status als Gemeinschaftswaren rechtlich?
Der Status als Gemeinschaftsware kann aus rechtlicher Sicht insbesondere durch die Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Union, die Überführung in ein Zolllager- oder Zollverfahren für Nichtgemeinschaftswaren (wie das Versandverfahren T1 für Drittlandsware), die Verarbeitung oder Bearbeitung unter zollrechtlich nicht zulässigen Bedingungen oder durch Vernichtung der Ware verloren gehen. Auch eine Zollbeschlagnahme oder die anderweitige Entziehung aus dem zollrechtlich freien Verkehr führt zum Verlust des Gemeinschaftswarenstatus. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen hierfür finden sich im Unionszollkodex und werden durch diverse Durchführungsbestimmungen konkretisiert.
Welche rechtlichen Folgen hat die Wiedereinfuhr von zuvor exportierten Gemeinschaftswaren?
Wird eine Gemeinschaftsware exportiert und anschließend wieder eingeführt, kommt grundsätzlich das rechtliche Verfahren der Rückwaren abgefertigt als Nichtgemeinschaftswaren zur Anwendung. Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 203 UZK. Die Waren müssen nach dem Export als Nichtgemeinschaftsware angemeldet und können im Rahmen des Rückwarensystems unter bestimmten Bedingungen wiedereingeführt werden, ohne dass auf sie erneut Zoll erhoben wird. Erforderlich ist in jedem Fall ein lückenloser Nachweis, dass es sich tatsächlich um exakt die zuvor ausgeführte Gemeinschaftsware handelt; hierfür sind Nachweise, wie z.B. Ausfuhrpapiere, vonnöten. Wird dies nicht erbracht, gilt die Ware als Drittlandsware und unterliegt erneut den zollrechtlichen Abgaben und Verfahren.
Wie werden Gemeinschaftswaren rechtlich bei innergemeinschaftlichen Warenbewegungen zwischen Mitgliedstaaten behandelt?
Im rein rechtlichen Kontext genießen Gemeinschaftswaren bei innergemeinschaftlichen Verbringungen vollständige Zollfreiheit, da sie als bereits im freien Verkehr befindlich gelten. Es erfolgen keine weiteren Zollformalitäten. Die Bewegung von Gemeinschaftswaren zwischen Mitgliedstaaten ist daher zollrechtlich unreglementiert und untersteht lediglich statistischen Meldeverpflichtungen (INTRASTAT) sowie den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen des Binnenmarkts, wie etwa Regelungen zu Produktsicherheit, Verbraucherschutz oder Umsatzsteuer. Werden jedoch Waren aus zoll- und steuerrechtlichen Sondergebieten (wie den Kanarischen Inseln) verbracht, sind Sondervorschriften möglich.
Welche Rolle spielen Gemeinschaftswaren aus rechtlicher Sicht im Zusammenhang mit Präferenzregelungen und Ursprungszeugnissen?
Präferenzregelungen, wie sie im Rahmen von Freihandelsabkommen bestehen, sind rechtlich unabhängig vom Status als Gemeinschaftswaren. Der Gemeinschaftswarenstatus besagt ausschließlich, dass eine Ware rechtmäßig und vollständig in den freien Verkehr der EU gebracht wurde und damit wie eine „EU-Ware“ behandelt wird. Für die Inanspruchnahme von Zollpräferenzen im Außenhandel mit bestimmten Ländern ist jedoch meist ein förmlicher Präferenznachweis (z.B. EUR.1) notwendig, der den präferenziellen Ursprung gemäß den jeweiligen Ursprungsregeln belegt. Gemeinschaftswaren können, müssen aber nicht zwingend, präferenziellen Ursprung haben – die rechtliche Trennung dieser Begriffe ist für die praktische Anwendung bedeutsam.