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Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik


Begriff und Wesen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bildet einen zentralen Bestandteil des Handlungsspektrums der Europäischen Union (EU). Sie ist als spezifischer Politikbereich neben den verbleibenden integrativen Tätigkeitsfeldern strukturiert und fällt in einen eigenen Regelungsrahmen. Die GASP räumt der Koordination und Entwicklung einer kohärenten Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf europäischer Ebene eine maßgebliche Rolle ein. Ihr Ziel ist die Wahrung gemeinsamer Werte, der grundlegenden Interessen, der Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Integrität der EU.

Rechtsgrundlagen und Entwicklung der GASP

Rechtsquellen der GASP

Die rechtliche Verankerung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erfolgt primär durch den Vertrag über die Europäische Union (EUV). Insbesondere die Artikel 21 bis 46 EUV stellen die maßgeblichen Bestimmungen dar. Ergänzend wirken der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie einschlägige Sekundärrechtsakte.

Der institutionelle Ursprung der GASP liegt im Maastrichter Vertrag von 1992, der das Konzept der “drei Säulen” einführte. Die GASP bildete als zweite Säule einen intergouvernemental geprägten Politikbereich. Mit dem Vertrag von Lissabon (2009) wurden die Säulenstruktur aufgehoben und die Außenpolitik in den Gesamtkomplex der EU integriert, wenngleich die speziellen Entscheidungs- und Abstimmungsmodalitäten beibehalten wurden.

Grundsätze, Ziele und Instrumente

Zentrale Prinzipien der GASP sind die Wahrung des Friedens, die Stärkung der internationalen Sicherheit sowie die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten (vgl. Art. 21 Abs. 1 und 2 EUV). Die Handlungen der EU im Rahmen der GASP folgen bestimmten Leitlinien und können durch Rechtsakte wie gemeinsame Standpunkte, Beschlüsse, Missionen sowie Sanktionen gegenüber Drittstaaten oder nichtstaatlichen Akteuren Ausdruck finden.

Institutionelle Strukturen der GASP

Europäischer Rat und Rat der Europäischen Union

Entscheidend für die GASP ist das Prinzip der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Der Europäische Rat gibt die Leitlinien und strategischen Zielvorgaben vor. Der Rat der Europäischen Union agiert als zentrales Beschlussorgan. Im Bereich der GASP tritt der Rat in der Zusammensetzung der Außenminister oder, bei Bedarf, auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammen.

Grundsätzlich gilt im GASP-Bereich das Einstimmigkeitsprinzip, wobei für bestimmte Durchführungshandlungen qualifizierte Mehrheiten zulässig sind (ausführlich: Art. 31 EUV). Die Kompetenzen der anderen EU-Institutionen sind im Bereich der GASP eingeschränkt. Das Europäische Parlament hat vorwiegend Kontroll- und Anhörungsrechte.

Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik

Der mit dem Vertrag von Lissabon geschaffene Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (kurz: Hoher Vertreter nach Art. 18 EUV) trägt für die Umsetzung und Koordinierung der GASP die Hauptverantwortung und wird vom Rat ernannt. Er ist zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission und leitet den Auswärtigen Dienst der Europäischen Union (Europäischer Auswärtiger Dienst, EAD).

Unterstützende Organe

Der Politische und Sicherheitspolitische Ausschuss (PSA) unterstützt die Arbeit des Rates und bereitet Entscheidungsunterlagen vor. Hinzu treten militärische und zivile Planungs- und Durchführungsgremien (z.B. EU-Militärstab).

Inhaltliche Ausgestaltung der GASP

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) bildet einen integralen Bestandteil der GASP (vgl. Art. 42 EUV). Sie ermöglicht die Durchführung von zivilen und militärischen Missionen, sog. „Petersberg-Aufgaben” wie Konfliktverhütung, Friedenssicherung und humanitäre Hilfsmaßnahmen. Grundsätzlich behält die GASP den Charakter kooperativer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, die Verantwortung für die nationale Verteidigung bleibt jedoch in der Souveränität der Einzelstaaten (Art. 42 Abs. 2 EUV).

Im GSVP-Kontext bestehen Instrumente wie die Ständig Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO), die gemeinschaftliche Entwicklungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft im Verteidigungsbereich verbessert.

Rechtsakte, Sanktionen und Beschlussverfahren

Die GASP bedient sich besonderer Rechtsakte, vor allem „Beschlüsse” im Sinne des EUV (Art. 25 lit. b EUV). Die Bandbreite reicht von der Annahme verbindlicher Vorgaben zu Missionen, Sanktionen, diplomatischen Beziehungen bis zu Positionierungen in internationalen Organisationen.

Insbesondere bei der Verhängung restriktiver Maßnahmen („Sanktionen”) gegen Drittstaaten, Organisationen oder Einzelpersonen bedarf es eines spezifischen, im EU-Primärrecht geregelten Verfahrens, das die einstimmige Entscheidung im Rat erfordert.

Das Europäische Gericht ist grundsätzlich im GASP-Bereich nicht zuständig (Art. 275 AEUV), Ausnahme bleiben Klagen gegen restriktive Maßnahmen ausgesprochen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen.

Verhältnis zur nationalen Souveränität und Parlamentsbeteiligung

Die GASP ist geprägt von der Bewahrung der staatlichen Souveränität. Trotz umfassender Koordinierung behalten die Mitgliedstaaten grundlegende Kompetenzen im Bereich der außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Entscheidungen. Das Einstimmigkeitserfordernis im Rat spiegelt diesen Grundsatz wider. Für militärische Operationen ist stets ein Beschluss des Rates nötig, nationale Parlamente haben je nach Verfassung Einfluss auf die Mandatierung von Einsätzen.

Das Europäische Parlament wird durch Unterrichtung und Konsultation, nicht aber durch im eigentlichen Sinne mitentscheidende Rechte beteiligt (Art. 36 EUV).

Internationale Einbindung und Zusammenarbeit

Die GASP ist auf die enge Kooperation mit internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der NATO, der OSZE, dem Europarat und weiteren internationalen Partnern angelegt. Grundlegende außenpolitische Initiativen werden oftmals abgestimmt, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu erhöhen und gemeinsames Auftreten sicherzustellen.

Schlussbetrachtung

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik stellt das rechtliche und institutionelle Fundament dafür dar, dass die Europäische Union als geeinter politischer Akteur in der internationalen Staatengemeinschaft auftritt. Die komplexen Regelungssysteme und die Vielfalt der beteiligten Institutionen spiegeln die anspruchsvolle Balance zwischen gemeinschaftlichem Handeln und nationaler Souveränität wider.

Die GASP ist charakterisiert durch besondere Entscheidungsregeln, eigens institutionelle Strukturen sowie eine umfassende Rechts- und Instrumentenbasis. Sie bleibt trotz fortschreitender Vergemeinschaftung ein Bereich, in dem die Mitgliedstaaten zentrale Rechte und Verantwortungen wahren.

Literaturverzeichnis und Rechtsquellen (Auswahl)

  • Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere Art. 21 ff.
  • Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere Art. 275
  • Vertrag von Lissabon, ABl. EU 2007 C 306
  • Website des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD)
  • Tilman Rodenhäuser, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Juristische Schulung (JuS) 2017, S. 531-536.
  • TEU-Kommentar: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019

(Die Liste kann je nach Bedarf für ein Online-Rechtslexikon fortgeführt oder mit konkreten Literaturhinweisen ergänzt werden.)

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union?

Die rechtlichen Grundlagen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sind vor allem im Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere in den Artikeln 21 bis 46, sowie ergänzend im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert. Die GASP wurde erstmals mit dem Vertrag von Maastricht (1993) als eigenständiger Politikbereich eingeführt und inhaltlich sowie institutionell durch nachfolgende Verträge – vor allem den Vertrag von Lissabon (2009) – weiterentwickelt. Charakteristisch für die GASP ist ihre Sonderstellung als intergouvernementale Säule, in der die Entscheidungsgewalt überwiegend bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Die GASP unterliegt somit eigenen Verfahrensregeln, etwa hinsichtlich Initiativrecht, Beschlussfassung (vorwiegend Einstimmigkeit im Rat) und der Rolle des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Rechtliche Instrumente sind hierbei Beschlüsse und Gemeinsame Standpunkte, jedoch keine Verordnungen oder Richtlinien. Die Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten des Europäischen Gerichtshofs sind zudem klar begrenzt – insbesondere ist eine inhaltliche Überprüfung von Maßnahmen der GASP durch den EuGH in der Regel ausgeschlossen (Art. 275 AEUV).

Welche Organe und Institutionen sind rechtlich mit der Durchführung der GASP betraut?

Die zentrale Verantwortung für die GASP trägt der Europäische Rat, der die strategischen Leitlinien festlegt, sowie der Rat der Europäischen Union (Rat). Die Durchführung und Koordinierung obliegt dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission ist. Rechtlich ist dem Hohen Vertreter eine unterstützende Europäische Diplomatische Körperschaft, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), zugeordnet. Die Europäische Kommission hat – im Unterschied zu den meisten anderen EU-Politikbereichen – keine Initiativbefugnis in der GASP, kann jedoch bei der Umsetzung von GASP-Beschlüssen (insbesondere im Bereich Sanktionen und Entwicklungszusammenarbeit) mitwirken. Das Europäische Parlament hat vor allem Informations-, Konsultations- und Kontrollrechte, jedoch keine Mitentscheidungsbefugnisse in Bezug auf die GASP (Art. 36 EUV).

Wie erfolgt die Entscheidungsfindung in der GASP auf rechtlicher Grundlage?

Die Entscheidungsfindung in der GASP unterliegt der intergouvernementalen Logik und ist im Wesentlichen durch das Prinzip der Einstimmigkeit im Rat geprägt (Art. 24, 31 EUV). Für einige Beschlüsse kann die qualifizierte Mehrheit genutzt werden, beispielsweise bei der Umsetzung bereits beschlossener Strategien. Die Initiative für Beschlüsse kann formal vom Hohen Vertreter oder von jedem Mitgliedstaat ausgehen. Einstimmigkeit bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht besitzt. Nur in Ausnahmefällen – die im Vertrag von Lissabon abschließend aufgeführt sind – kann von der Regel der Einstimmigkeit abgewichen werden (z. B. konstruktive Enthaltungen). Formell werden GASP-Entscheidungen in der Regel als Beschlüsse gefasst, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind.

Welche rechtlichen Beschränkungen bestehen hinsichtlich der Kontrolle der GASP durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH)?

Die Kontrolle der GASP durch den Europäischen Gerichtshof ist rechtlich stark eingeschränkt. Gemäß Art. 275 AEUV ist der EuGH grundsätzlich nicht zuständig für Entscheidungen im Rahmen der GASP – ausgenommen sind Klagen gegen restriktive Maßnahmen (wie Sanktionen) gegenüber natürlichen oder juristischen Personen. In diesen Ausnahmefällen prüft der EuGH die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, insbesondere bezüglich der Einhaltung von Grundrechten und Verfahrensgarantien. Für sonstige Streitigkeiten, insbesondere solche zwischen Mitgliedstaaten in Bezug auf GASP-Beschlüsse oder Maßnahmen, ist keine Gerichtsbarkeit vorgesehen. Diese Beschränkung unterstreicht die Eigenständigkeit und Intergouvernementalität der GASP im europäischen Rechtsrahmen.

Inwieweit unterliegt die GASP der parlamentarischen Kontrolle und Rechenschaftspflicht?

Die parlamentarische Kontrolle der GASP obliegt in erster Linie dem Europäischen Parlament, das über umfassende Informations- und Konsultationsrechte verfügt (Art. 36 EUV). Der Hohe Vertreter ist verpflichtet, das Parlament regelmäßig und zeitnah über die Hauptaspekte und Grundzüge der GASP zu unterrichten und Anfragen sowie Empfehlungen des Parlaments in angemessener Weise zu berücksichtigen. Das Parlament kann Entschließungen verabschieden, die politische Wirkung entfalten, aber keine rechtliche Bindung der Organe nach sich ziehen. Auf nationaler Ebene behalten zudem die Parlamente der Mitgliedstaaten umfassende Kontrollrechte hinsichtlich der außen- und sicherheitspolitischen Linie ihrer Regierungen, da Entscheidungen in diesen Bereichen weiterhin ein hohes Maß an nationaler Souveränität wahren.

Welche rechtlichen Auswirkungen haben GASP-Beschlüsse auf die Mitgliedstaaten?

GASP-Beschlüsse des Rates sind für die Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich (Art. 28, 29 EUV). Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre nationale Außen- und Sicherheitspolitik im Einklang mit diesen Maßnahmen zu gestalten und sich der Verfolgung abweichender politischer oder militärischer Interessen zu enthalten. Allerdings verfügen sie über einen erheblichen Umsetzungsspielraum, da die GASP keine unmittelbare Anwendbarkeit im Sinne von unmittelbar geltenden Verordnungen kennt und nationale Umsetzungsakte erforderlich sein können. Bei sicherheits- und verteidigungspolitischen Einsätzen, wie Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), ist zudem die Zustimmung der betreffenden Staaten erforderlich, was die freiwillige Natur der Teilnahme unterstreicht.

Wie ist das Verhältnis der GASP zum Völkerrecht und zu bestehenden internationalen Verträgen rechtlich geregelt?

Die GASP ist verpflichtet, die Grundsätze und Ziele der Charta der Vereinten Nationen sowie des Völkerrechts zu achten (Art. 21 EUV). Rechtlich findet stets eine Einbindung der EU in bestehende internationale Vertragswerke und multilaterale Verpflichtungen statt, um eine Kohärenz im außen- und sicherheitspolitischen Handeln zu gewährleisten. GASP-Entscheidungen werden daher regelmäßig auf ihre Vereinbarkeit mit bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten überprüft. Die EU kann im Rahmen der GASP internationale Übereinkommen und Abkommen abschließen, wobei hierfür der Erlass eines Beschlusses durch den Rat auf Vorschlag des Hohen Vertreters und nach Konsultation des Europäischen Parlaments erforderlich ist. Die Umsetzung solcher Abkommen erfolgt gemäß den vertraglich vorgesehenen Verfahren, die den völkerrechtlichen Charakter der GASP-Handlungen sichern.