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Gemeinnütziger Wohnungsbau


Begriff und Grundlagen des Gemeinnützigen Wohnungsbaus

Der Begriff gemeinnütziger Wohnungsbau bezeichnet die Errichtung, Bewirtschaftung und Vermietung von Wohnraum durch Körperschaften, Personenvereinigungen oder Stiftungen, deren vorrangiges Ziel die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum ist. Im Gegensatz zum überwiegend renditeorientierten Wohnungsbau werden bei gemeinnützigen Tätigkeiten finanzielle Gewinne ausschließlich für satzungsgemäße Zwecke verwendet und stehen nicht der privaten Bereicherung zur Verfügung.

Gemeinnütziger Wohnungsbau ist rechtlich durch besondere Regelungen auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene geprägt. Im Fokus steht die Förderung des sozialen Ausgleichs und die Verbesserung der Wohnversorgung, insbesondere für Haushalte mit geringeren oder mittleren Einkommen.


Historische Entwicklung und aktuelle Bedeutung

Entwicklung im 20. Jahrhundert

Die Entwicklung des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Deutschland reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und fand im 20. Jahrhundert mit der Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen einen Höhepunkt. Die wichtigste Regelung in der Bundesrepublik Deutschland war das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), das von 1940 bis zur Abschaffung im Jahr 1990 galt. Es regelte die steuerliche Begünstigung, die Zulässigkeit von Mieten und die Verwendung von Gewinnen.

Aktuelle Rechtslage

Mit der Abschaffung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes entfielen zahlreiche frühere Privilegien gemeinnütziger Wohnungsunternehmen. Gegenwärtig wird die Wohnraumversorgung vor allem durch das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) und länderspezifische Ausführungsregelungen sichergestellt. Die Gemeinnützigkeit eines Unternehmens wird aktuell nach den Vorgaben der Abgabenordnung (§§ 51 ff. AO) steuerrechtlich beurteilt.


Rechtliche Rahmenbedingungen des gemeinnützigen Wohnungsbaus

Gemeinnützigkeitsrecht im Wohnungswesen

Der Status der Gemeinnützigkeit wird in Deutschland auf Grundlage der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (AO) erteilt. Ein Unternehmen gilt als gemeinnützig, wenn seine Tätigkeit ausschließlich und unmittelbar der Förderung der Allgemeinheit dient. Im Bereich des Wohnungsbaus ist dies gegeben, wenn die Wohnraumversorgung für bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie Menschen mit geringem Einkommen, ältere Personen oder Familien, im Vordergrund steht.

Zu den Voraussetzungen zählen:

  • Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit der gemeinnützigen Zweckverfolgung (§§ 56, 57 AO)
  • Selbstlosigkeit und Ausschluss der Eigenbereicherung (§ 55 AO)
  • Verwendung der Mittel für gemeinnützige Zwecke (§ 55 Abs. 1 AO)
  • Dokumentations- und Nachweispflichten

Gesellschaftsrechtliche Aspekte

Gemeinnütziger Wohnungsbau wird häufig durch eingetragene Vereine, Stiftungen, Genossenschaften (z.B. Wohnungsbaugenossenschaften) sowie durch gemeinnützige GmbHs (gGmbH) betrieben. Die gesellschaftsrechtliche Struktur erfordert eine satzungsgemäße Festlegung des gemeinnützigen Zwecks und sieht Beschränkungen bei der Mittelverwendung sowie besondere Transparenzpflichten vor.

Steuerliche Privilegien

Unternehmen und Organisationen, die als gemeinnützig anerkannt sind, profitieren von verschiedenen steuerlichen Vorteilen, darunter:

  • Steuerbefreiung von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG)
  • Reduzierte Umsatzsteuer im Rahmen der Zweckbetriebe nach § 68 AO
  • Möglichkeit der Ausstellung von Spendenquittungen nach § 50 EStDV

Förderungsrecht

Der gemeinnützige Wohnungsbau fällt in den Anwendungsbereich zahlreicher Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene. Zentral ist hierbei das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG), das die Rahmenbedingungen für die soziale Wohnraumförderung regelt. Es steuert die Vergabe öffentlicher Mittel, setzt Miet- und Belegungsbindungen und regelt die Verpflichtungen der Wohnungsbaugesellschaften während der Zweckbindungsdauer.


Mietpreisbindung und Belegungsbindung

Mietpreisbindung

Mietpreisbindungen sichern die Sozialverträglichkeit der Wohnungsvergabe im gemeinnützigen Wohnungsbau. Während der Förderdauer ist die Miete häufig auf einen gesetzlich festgelegten Höchstbetrag beschränkt (Kostenmiete). Die Überschreitung dieser Grenze kann zu Rückforderungen oder zum Verlust von Fördermitteln führen.

Belegungsbindung

Die Belegungsbindung regelt, welche Personen oder Haushalte bevorzugt eine Wohnung erhalten. Üblicherweise werden Wohnungen des gemeinnützigen Wohnungsbaus vorrangig an Personen mit Wohnberechtigungsschein oder vergleichbaren Nachweisen vergeben. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist für die Inanspruchnahme öffentlicher Förderung bindend.


Öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Aspekte

Bauträgerverantwortung und öffentlich-rechtliche Auflagen

Gemeinnützige Wohnungsunternehmen müssen zahlreiche öffentlich-rechtliche Bestimmungen erfüllen, darunter Vorgaben aus dem Bauplanungsrecht (BauGB), dem Bauordnungsrecht sowie dem Städtebauförderungsrecht. Zusätzlich bestehen Pflichten im Bereich des Umwelt-, Energie- und Denkmalschutzes.

Zivilrechtliche Mietverhältnisse

Für Mietverhältnisse im Rahmen des gemeinnützigen Wohnungsbaus gelten grundsätzlich die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere §§ 535 ff. BGB (Mietrecht). Abweichende Vorschriften bestehen in Bezug auf Mieterhöhungen, Kündigungsschutz und Sonderkündigungsrechte, sofern diese durch förderrechtliche oder satzungsbezogene Bestimmungen ergänzt oder eingeschränkt werden.


Europarechtliche Aspekte

EU-Beihilfenrecht

Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus unterliegt den Vorgaben des europäischen Beihilfenrechts (Art. 107 ff. AEUV). Förderungen gelten grundsätzlich als staatliche Beihilfen, sofern ein Wettbewerbsvorteil für den Empfänger entsteht. Für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), zu denen auch der soziale Wohnungsbau zählt, sind jedoch Ausnahmen vorgesehen.

Nichtigkeitsrisiko staatlicher Beihilfen

Staatliche Maßnahmen und Förderprogramme müssen mit der Europäischen Kommission abgestimmt werden, um ein Nichtigkeitsrisiko nach Art. 108 AEUV auszuschließen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Nachweise über die Angemessenheit und Notwendigkeit der Maßnahmen zu führen.


Ausblick und Reformdiskussionen

Seit dem Ende des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes wird in Recht und Politik eine Wiedereinführung eines besonderen gesetzlichen Rahmens für gemeinnützigen Wohnungsbau diskutiert. Hintergrund ist die vielerorts wachsende Wohnungsnot insbesondere in Ballungszentren. Eine neue gesetzliche Regelung könnte Anreize zur Stärkung des gemeinnützigen Wohnungsbaus schaffen, insbesondere durch steuerliche Begünstigungen und eine nachhaltige Förderung.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 51 ff.
  • Wohnraumförderungsgesetz (WoFG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Mietrecht §§ 535 ff.
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG)
  • Europäischer Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
  • Historisches Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG, aufgehoben 1990)

Hinweis: Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen ständigen Änderungen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Aktuelle Entwicklungen, insbesondere auf Bundes- und EU-Ebene, sollten regelmäßig überprüft werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen muss eine Organisation erfüllen, um im Bereich des gemeinnützigen Wohnungsbaus tätig zu werden?

Organisationen, die im gemeinnützigen Wohnungsbau tätig werden möchten, müssen eine Reihe von rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, um sowohl als gemeinnützig anerkannt zu werden als auch die entsprechenden Förderungen und Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu dürfen. Im deutschen Recht bildet § 52 der Abgabenordnung (AO) die Grundlage für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Hiernach muss die Organisation ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen, insbesondere der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die Satzung (§ 60 AO) muss klar und unzweideutig die gemeinnützigen Zwecke, die Art der Zweckverwirklichung und die Verwendung der Mittel regeln. Zudem unterliegt die Organisation der Pflicht zur Selbstlosigkeit (§ 55 AO), das heißt, ihre Mittel dürfen nur für die satzungsgemäßen Ziele verwendet werden, Vermögensvorteile für Mitglieder oder Dritte sind ausgeschlossen. Ferner ist für die Anerkennung durch das Finanzamt ein Antrag auf Gemeinnützigkeit mit entsprechender Nachweisführung erforderlich. Für Förderprogramme auf Bundes- oder Landesebene müssen zudem spezifische Vorgaben erfüllt sowie Anträge gestellt und bewilligt werden. Die Einhaltung der jeweiligen Landesbauordnungen sowie der sozialen Wohnraumfördergesetze der Länder ist obligatorisch.

Welche steuerlichen Vorteile erhält eine gemeinnützige Wohnungsbauorganisation?

Wird eine Wohnungsbauorganisation als gemeinnützig anerkannt, profitiert sie von weitreichenden steuerlichen Erleichterungen. Besonders relevant sind hier die Körperschaftsteuerbefreiung (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) und die Gewerbesteuerbefreiung (§ 3 Nr. 6 GewStG) für die gemeinnützigen Tätigkeiten der Organisation. Zudem kann sie im Bereich des Zweckbetriebs (§ 65 AO) wirtschaftlich tätig werden, ohne die Gemeinnützigkeit zu verlieren, sofern die Mittel ausschließlich zur Förderung der gemeinnützigen Zwecke verwendet werden. Die Umsatzsteuer kann unter bestimmten Voraussetzungen ermäßigt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG), insbesondere wenn es sich um die Überlassung von Wohnraum im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus handelt. Darüber hinaus entfällt unter gewissen Voraussetzungen die Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Zuwendungen zugunsten gemeinnütziger Zwecke (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG).

Welche besonderen mietrechtlichen Vorgaben gelten für den Gemeinnützigen Wohnungsbau?

Im gemeinnützigen Wohnungsbau unterliegen Mietverhältnisse besonderen gesetzlichen Regelungen, insbesondere dem Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) sowie den jeweiligen Wohnraumförderungsbestimmungen der Bundesländer. Die Miethöhe ist durch die Bewilligungsbescheide des geförderten Wohnraums begrenzt („Kostenmiete“), wodurch Mieterhöhungen nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig sind. Weiterhin gelten spezielle Belegungsbindungen, das heißt, die vermieteten Wohnungen dürfen nur an Personen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) oder innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen vergeben werden. Kündigungsschutz und Mieterschutz sind meist strenger ausgestaltet als im allgemeinen Mietrecht nach dem BGB. Auch die Zweckentfremdung, Umwandlung und Veräußerung von gefördertem Wohnraum sind rechtlich stark reglementiert.

Unterliegt der gemeinnützige Wohnungsbau der staatlichen Aufsicht und Kontrolle?

Ja, Träger des gemeinnützigen Wohnungsbaus unterliegen einer Reihe staatlicher Kontrollen und Aufsichtsmechanismen. Neben der laufenden Kontrolle durch das Finanzamt hinsichtlich der Einhaltung gemeinnützigkeitsrechtlicher Vorgaben (regelmäßige Prüfung der Geschäftsberichte und Nachweise über die Mittelverwendung) besteht eine baubezogene und förderrechtliche Kontrolle durch die zuständigen Wohnungsbauförderstellen auf Landes- und Kommunalebene. Zudem kann eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Belegung und der Einhaltung der Mietobergrenzen vorgenommen werden. Verstöße gegen diese Bestimmungen können zum Verlust der Gemeinnützigkeit, zur Rückzahlung von Fördermitteln sowie zu straf- und ordnungsrechtlichen Sanktionen führen.

Welche Vorgaben bestehen bezüglich der Transparenz und Rechnungslegung im gemeinnützigen Wohnungsbau?

Im Bereich des gemeinnützigen Wohnungsbaus bestehen strenge Anforderungen hinsichtlich der Transparenz und Rechnungslegung. Gemäß § 63 ff. AO ist die Organisation verpflichtet, über ihre Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß Buch zu führen und die ordnungsgemäße Mittelverwendung nachzuweisen. Zudem verlangen viele Förderprogramme auf Landesebene eine gesonderte, detaillierte Projektabrechnung und statistische Meldungen über die Nutzung des geförderten Wohnraums. Der jährliche Tätigkeitsbericht, inklusive eines lückenlosen Nachweises der Zweckverfolgung und Mittelverwendung, ist regelmäßig dem Finanzamt und gegebenenfalls weiteren Aufsichtsbehörden vorzulegen. Die Einhaltung des Transparenzgebots ist zentrale Voraussetzung für den Fortbestand der Gemeinnützigkeit und für die Weitergewährung öffentlicher Fördermittel.

Welche mietvertraglichen Besonderheiten existieren bei der Überlassung von Wohnraum im Gemeinnützigen Wohnungsbau?

Mietverträge im gemeinnützigen Wohnungsbau beinhalten oft ergänzende Klauseln, die sich aus den sozialrechtlichen und förderrechtlichen Vorgaben ergeben. Insbesondere müssen sie Regelungen über die Einhaltung der belegungsrechtlichen Vorgaben enthalten, d. h. sie dürfen nur mit Personen abgeschlossen werden, die über einen gültigen Wohnberechtigungsschein verfügen oder anderweitig die Förderkriterien erfüllen. Häufig sind besondere Pflichten zur Information über Änderungen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters vereinbart. Zudem kann der Mietvertrag Regelungen bezüglich einer Rückforderung staatlicher Beihilfen bei Verstößen gegen Förderauflagen oder bei Wegfall der Gemeinnützigkeit enthalten. Die Vereinbarung und Durchsetzung von Staffelmieten und Indexmieten ist meist ausgeschlossen oder besonderen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen.

Welche Bestimmungen gelten bei der Veräußerung von gefördertem Wohnraum durch eine gemeinnützige Organisation?

Die Veräußerung von gefördertem Wohnraum unterliegt einer strengen gesetzlichen Kontrolle. Nach förderrechtlichen Vorschriften – insbesondere der jeweiligen Landesgesetze und Förderrichtlinien – ist eine Veräußerung in der Regel nur mit Zustimmung der fördergebenden Stelle möglich. Zudem kann die Zustimmung an Bedingungen geknüpft sein, beispielsweise die Verpflichtung, die sozialen Bindungen und Mietpreisbindungen für einen festgelegten Zeitraum aufrechtzuerhalten (sog. Nachbindungsfristen). Auch der Erlös aus der Veräußerung muss nach den Vorgaben der Gemeinnützigkeit ausschließlich zur Förderung der satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden (§ 55 AO). Bei Verstößen droht die Rückforderung von Fördermitteln, der Verlust der Gemeinnützigkeit sowie ggf. zivil- und strafrechtliche Konsequenzen.