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Gehorsamspflicht


Definition und Begriff der Gehorsamspflicht

Die Gehorsamspflicht bezeichnet im rechtlichen Kontext die Verpflichtung bestimmter Personen oder Personengruppen, den Anweisungen und Weisungen eines dazu befugten Vorgesetzten, Organs oder einer übergeordneten Instanz Folge zu leisten. Sie ist insbesondere im öffentlichen Dienst, im Arbeitsrecht sowie im Straf- und Verwaltungsrecht von zentraler Bedeutung. Die Gehorsamspflicht ist stets eingebettet in das Verhältnis zwischen Weisungsbefugten und Weisungsgebundenen und stellt ein wesentliches Element hierarchischer Ordnungen dar.

Rechtsgrundlagen der Gehorsamspflicht

Gehorsamspflicht im öffentlichen Dienst

Beamtenrecht

Im Beamtenrecht ist die Gehorsamspflicht nach den Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes (BBG) und der entsprechenden Landesgesetze klar geregelt. Nach § 35 BBG sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren dienstlichen Weisungen Folge zu leisten. Diese Weisungsgebundenheit sichert die Funktionsfähigkeit und Effizienz der öffentlichen Verwaltung.

Es besteht jedoch keine unbedingte Gehorsamspflicht: Ausgenommen hiervon sind Anweisungen, die gegen Gesetze oder sonstiges Recht verstoßen. In solchen Fällen sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, die Ausführung unrechtmäßiger Anordnungen abzulehnen (Remonstrationsrecht und -pflicht nach § 36 BBG).

Soldatenrecht

Im Soldatengesetz (SG) ist die Gehorsamspflicht in § 11 geregelt. Soldaten haben den Befehlen ihrer Vorgesetzten grundsätzlich Folge zu leisten. Aber auch hier gilt, dass Befehle, deren Ausführung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit darstellen würde, nicht befolgt werden dürfen. Im Fall der Verweigerung aus rechtlichen Gründen besteht eine Anzeigepflicht gegenüber übergeordneten Stellen.

Gehorsamspflicht im Arbeitsrecht

Im Arbeitsverhältnis ist die Gehorsamspflicht Ausdruck des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Arbeitnehmer sind verpflichtet, rechtmäßigen Anweisungen des Arbeitgebers bezüglich der Arbeitsleistung, des Arbeitsorts und der Arbeitszeit nachzukommen. Das Weisungsrecht ist jedoch durch gesetzliche, arbeitsvertragliche und tarifliche Bestimmungen sowie durch den Grundsatz des billigen Ermessens (§ 106 Gewerbeordnung) begrenzt.

Grenzen der Gehorsamspflicht im Arbeitsverhältnis

Die Gehorsamspflicht findet ihre Schranken dort, wo Anweisungen

  • rechtswidrig sind,
  • das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen,
  • sittenwidrig oder unzumutbar sind.

Das Arbeitsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht insofern, als die Ausführung einer Anweisung mit einer Verletzung von Rechten oder Pflichten einherginge.

Gehorsamspflicht im Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

Im Strafrecht kann die Gehorsamspflicht bei der Frage der Strafbarkeit von Untergebenen, die auf Anweisung handeln, relevant werden. Hier unterscheidet man rechtmäßigen und rechtswidrigen Befehl. Die Befolgung rechtswidriger Befehle kann den Untergebenen nicht per se entlasten, außer es besteht eine Unvermeidbarkeit der Gehorsamsverweigerung aufgrund Irrtums (§ 17 StGB). Das Befolgen rechtswidriger Befehle ist insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten „Befehlsnotstand“-Problematik ausführlich geregelt.

Gehorsamspflicht im Privatrecht

Im Privatrecht spielt die Gehorsamspflicht eine Rolle in besonderen Rechtsverhältnissen, wie beispielsweise im Vereinsrecht oder Stiftungsrecht, sofern dies durch die jeweilige Satzung oder höherrangige Vorschriften vorgesehen ist.

Ausnahmen und Grenzen der Gehorsamspflicht

Remonstrationsrecht und Remonstrationspflicht

Im öffentlichen Dienst besteht bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Weisung die Pflicht zur Remonstration. Die untergebene Person muss Bedenken gegen die Ausführung der Anordnung zunächst äußern und hat diese schriftlich zu begründen. Der/die Vorgesetzte hat daraufhin die Rechtmäßigkeit zu prüfen. Wird die Weisung aufrechterhalten, kann eine erneute Remonstration erforderlich sein, ehe die Pflicht zur Ausführung entsteht oder entfällt.

Verbot der Befehlsausführung bei gesetzwidrigem Inhalt

Die Ausführung von Weisungen, die gegen geltendes Recht, die guten Sitten oder das gesprochene Gesetz verstoßen würden, ist nicht von der Gehorsamspflicht gedeckt. Dies betrifft insbesondere Anordnungen, die Straftaten darstellen oder in unverhältnismäßiger Weise Rechte Dritter einschränken.

Unzumutbarkeit

Im Arbeitsrecht ist zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber geforderte Handlung zumutbar ist. Unzumutbarkeit, etwa bei erheblicher Gefährdung von Gesundheit oder Leben, kann das Recht zur Arbeitsverweigerung begründen.

Folgen der Verletzung der Gehorsamspflicht

Dienstrechtliche Konsequenzen

Die Missachtung der Gehorsamspflicht kann im öffentlichen Dienst Disziplinarmaßnahmen wie Verwarnungen, Geldbußen, Versetzung, Degradierung oder Entlassung nach sich ziehen.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Im Arbeitsrecht kann eine Verletzung der Gehorsamspflicht eine Abmahnung oder, je nach Schwere, auch eine (fristlose) Kündigung zur Folge haben.

Straf- und haftungsrechtliche Folgen

Das Befolgen oder Nichtbefolgen von Anweisungen kann straf- oder haftungsrechtliche Konsequenzen sowohl für den Anweisenden als auch den Ausführenden haben, insbesondere bei der Durchführung rechtswidriger Anordnungen.

Zusammenfassung

Die Gehorsamspflicht ist ein zentrales Element hierarchischer Strukturen in Verwaltung, Arbeitsverhältnissen und besonderen Rechtsverhältnissen. Sie sichert die Funktionsfähigkeit von Organisationen, ist jedoch umfassend rechtlich begrenzt und differenziert geregelt. Das Recht und die Pflicht zur Remonstration, der Schutz vor Ausführung rechtswidriger Weisungen sowie weitreichende arbeits- und dienstrechtliche Folgen bei Verletzung der Gehorsamspflicht zeigen die hohe Bedeutung sorgfältiger Beachtung dieser Vorschrift im Rechtsalltag.

Häufig gestellte Fragen

Wann greift die Gehorsamspflicht im öffentlichen Dienst und welche Rechtsquellen sind maßgeblich?

Die Gehorsamspflicht ist im öffentlichen Dienst eine der zentralen Dienstpflichten von Beamten und Angestellten. Sie verpflichtet Bedienstete, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen. Rechtsgrundlage dafür sind insbesondere § 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sowie die jeweiligen Beamtengesetze der Länder, für Angestellte greifen die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sowie im Einzelfall das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO). Anordnungen müssen dabei dienstlichen Inhalt haben, rechtmäßig und von einem zuständigen Vorgesetzten erteilt werden. Unzulässig sind Anordnungen, die gegen Gesetze oder dienstrechtliche Vorschriften verstoßen. Die Gehorsamspflicht ist durch höherrangige Rechtspositionen – etwa die Grundrechte, das Legalitätsprinzip und das Übermaßverbot – beschränkt.

Wann und wie darf ein Beamter die Ausführung einer dienstlichen Anordnung verweigern?

Beamte haben grundsätzlich eine Gehorsamspflicht, jedoch sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Nach § 36 BeamtStG ist die Ausführung einer dienstlichen Anordnung zu verweigern, wenn erkennbar ist, dass deren Ausführung die Menschenwürde verletzt, eine Straftat darstellen würde oder gegen zwingende Gesetze verstößt. Zu beachten ist, dass Beamte verpflichtet sind, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Anordnungen unverzüglich ihrem Vorgesetzten mitzuteilen. Wird die Anordnung nach einer solchen Meldung bestätigt, muss sie in der Regel dennoch ausgeführt werden, außer im Fall der sogenannten absoluten Gehorsamsverweigerung bei groben Gesetzesverstößen oder offensichtlichen Rechtswidrigkeiten.

Welche rechtlichen Folgen kann die Verletzung der Gehorsamspflicht nach sich ziehen?

Die Missachtung der Gehorsamspflicht stellt eine Dienstpflichtverletzung dar und kann disziplinarrechtliche sowie gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Je nach Schwere des Fehlverhaltens drohen im Disziplinarverfahren Maßnahmen von einer Ermahnung bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§§ 5 ff. Bundesdisziplinargesetz, BDG). Im Arbeitsrecht ist auch eine Abmahnung oder Kündigung möglich. Verstößt die Befehlsverweigerung gegen Strafgesetze, kann zudem eine strafrechtliche Verfolgung – etwa wegen Arbeitsverweigerung oder anderer einschlägiger Delikte – erfolgen.

Sind Angestellte im öffentlichen Dienst in gleicher Weise zur Gehorsamspflicht verpflichtet wie Beamte?

Angestellte im öffentlichen Dienst unterliegen keiner beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht im engeren Sinne, sondern dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO). Danach müssen sie den dienstlichen Weisungen Folge leisten, soweit diese nicht gegen Gesetze, Tarifverträge oder arbeitsvertragliche Regelungen verstoßen. Die Grenzen der Weisungsgebundenheit ergeben sich insbesondere aus dem Arbeitsvertrag sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Bei unzumutbaren oder rechtswidrigen Weisungen besteht ein Leistungsverweigerungsrecht.

Welche Formen von Anordnungen sind von der Gehorsamspflicht umfasst?

Erfasst sind alle dienstlichen Handlungen, die auf weisungsgebundene Tätigkeit ausgerichtet sind. Dazu zählen schriftliche, mündliche sowie elektronische Befehle und Weisungen, die sich auf das konkrete Dienstverhältnis beziehen. Die Anordnung muss hinreichend bestimmt, vom zuständigen Vorgesetzten erteilt und im Rahmen der dienstlichen Aufgaben liegen. Privatbezogene Aufforderungen oder rechtsmissbräuchliche Anordnungen sind ausdrücklich nicht durch die Gehorsamspflicht gedeckt.

Welche Rolle spielt das Remonstrationsrecht im Rahmen der Gehorsamspflicht?

Das Remonstrationsrecht ist ein zentrales Korrektiv zur Gehorsamspflicht. Es verpflichtet Beamte dazu, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Weisung diese Bedenken zunächst beim unmittelbaren Vorgesetzten vorzutragen (sogenannte Remonstration). Wird die Weisung trotz vorgetragener Bedenken bestätigt oder wiederholt, ist sie grundsätzlich auszuführen, es sei denn, sie ist evident gesetzeswidrig oder strafbar. Dieses Verfahren dient dem Schutz sowohl des Bediensteten als auch der Allgemeinheit vor rechtswidrigem Verwaltungshandeln. Das Remonstrationsrecht ist explizit im § 36 BeamtStG geregelt.

Was bedeutet die sogenannte „Grenze des unbedingten Gehorsams“?

Die Grenze des unbedingten Gehorsams ist im deutschen Beamtenrecht und im öffentlichen Dienst ein rechtsstaatliches Prinzip, das die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen auf Situationen beschränkt, in denen diese rechtmäßig sind. Bei offensichtlich rechtswidrigen oder nonkonformen Weisungen (z. B. Verstöße gegen die Verfassung, Straftaten, schwere Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften) besteht ausdrücklich keine Gehorsamspflicht. Dies ist ein Ausfluss aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und stellt sicher, dass Bedienstete nicht zum Werkzeug unrechtmäßigen Verwaltungshandelns werden.