Legal Lexikon

Wiki»Gefahrenrückversicherung

Gefahrenrückversicherung


Begriff und Grundlagen der Gefahrenrückversicherung

Die Gefahrenrückversicherung ist eine besondere Form der Rückversicherung, bei der ein Erstversicherer Risiken, die aus bestimmten, vorher klar definierten Gefahren resultieren, auf einen Rückversicherer überträgt. Dieser Blogartikel beleuchtet umfassend die rechtlichen Rahmenbedingungen, den Zweck, und die Funktionsweise der Gefahrenrückversicherung im Kontext des deutschen Versicherungsrechts und dessen internationalen Bezügen.


Definition der Gefahrenrückversicherung

Die Gefahrenrückversicherung ist eine Unterform der Rückversicherung, die darauf abzielt, die finanziellen Folgen spezifischer, im Voraus festgelegter Gefahren, die einem versicherten Bestand oder Risiko gegenüberstehen, zwischen Erstversicherer und Rückversicherer zu teilen. Im Gegensatz zur Summenrückversicherung, bei der festgelegte Versicherungssummen im Vordergrund stehen, bezieht sich die Gefahrenrückversicherung auf die tatsächlichen Schadensereignisse, die durch klar beschriebene Gefahren ausgelöst werden.

Rechtliche Verankerung

Im deutschen Recht findet die Rückversicherung ausnahmslos im Rahmen der Vertragsfreiheit statt (§§ 33 ff. VVG). Bei der Gefahrenrückversicherung sind vor allem die allgemeinen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sowie die speziell auf Rückversicherungsverhältnisse bezogenen Absprachen und Bedingungen maßgeblich.


Funktion und Ziel der Gefahrenrückversicherung

Risikoteilung und -begrenzung

Ziel der Gefahrenrückversicherung ist es, das vom Erstversicherer gehaltene Risiko im Hinblick auf besondere, kalkulatorisch schwer fassbare Gefahren (z.B. Naturkatastrophen, Feuerschaden, Explosionen, Überschwemmungen) zu reduzieren. Der Rückversicherer ersetzt dem Erstversicherer einen Anteil der Schäden, die auf die vertraglich vereinbarten Gefahren zurückzuführen sind.

Abgrenzung zu anderen Rückversicherungsarten

Die Abgrenzung zur Summenrückversicherung und zur Exzedentenrückversicherung erfolgt vor allem hinsichtlich des Triggers für die Rückversicherungsleistung. Während die Summenrückversicherung auf die Versicherungssumme abstellt, und die Exzedentenrückversicherung auf den Betrag, der einen bestimmten Eigenbehalt übersteigt, ist die Gefahrenrückversicherung ausschließlich an die Auslösung durch ein vorher festgelegtes Gefahrenereignis gebunden.


Vertragliche Ausgestaltung der Gefahrenrückversicherung

Vertragsparteien

Beteiligt sind in der Regel der Erstversicherer und der Rückversicherer. Zwischen diesen wird ein Rückversicherungsvertrag geschlossen, dessen Inhalt sich an den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen orientiert.

Vertragsgestaltung und Pflichten

Der Rückversicherungsvertrag regelt:

  • Die versicherten Gefahren (z.B. Feuer, Leitungswasser, Naturgefahren)
  • Die Quotenverteilung oder Exzedentierung der Risiken
  • Den Selbstbehalt des Erstversicherers
  • Deckungsumfang und Leistungsgrenzen
  • Mitwirkungs- und Anzeigeobliegenheiten im Schadenfall

Der Erstversicherer hat typischerweise die Pflicht, sämtliche Informationen über den Bestand und die Risikosituation offen zu legen sowie entstandene Schäden umgehend anzuzeigen (Transparenzpflichten).

Leistungsfall und Anspruchsdurchsetzung

Tritt das vereinbarte Gefahrenereignis ein, kann der Erstversicherer beitragsunabhängig die vereinbarte Rückversicherungssumme oder die vereinbarten Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Beweislast für das Eintreten des Gefahrenereignisses liegt beim Erstversicherer.


Rechtliche Besonderheiten und Herausforderungen

Abgrenzung zur Kumulrückversicherung und Aggregatsdeckung

Ein bedeutsamer Aspekt ist die rechtliche und praktische Abgrenzung der Gefahrenrückversicherung zur Kumulrückversicherung (Deckung von Schadenskumulationen durch ein Großereignis) sowie zur Aggregatsdeckung (Deckung von Schadenskumulationen über einen bestimmten Zeitraum). Die genaue Definition des Gefahrenumfangs ist deshalb von hoher praktischer Bedeutung, um Streitigkeiten im Leistungsfall zu minimieren.

Mitwirkende Ursache und Kausalität

Ein zentrales rechtliches Thema ist die Frage der Kausalität: Wann liegt ein versichertes Gefahrenereignis vor? Juristisch wesentlich ist die genaue Definition der auslösenden Ursache – beispielsweise beim Zusammenwirken mehrerer Gefahrenquellen, was als „mitwirkende Ursache“ im Vertrag präzise geregelt sein muss, um Deckungslücken oder Streitfälle zu vermeiden.


Internationale Einflüsse und regulatorische Vorgaben

Solvency II und aufsichtsrechtliche Anforderungen

Im Zuge europäischer Harmonisierung sind Rückversicherungsverträge und deren Risikoübertragungen unter Solvency II (Richtlinie 2009/138/EG) besonderen aufsichtsrechtlichen Anforderungen unterworfen. Diese Vorschriften zielen auf eine risikoadäquate Eigenmittelausstattung der Erst- und Rückversicherer sowie auf Transparenz und ausreichende Risikodiversifikation ab.

Besonderheiten in internationalen Vertragswerken

Internationale Rückversicherungsverhältnisse unterliegen häufig unterschiedlichen Rechtsordnungen. Die Ausgestaltung der Gefahrenrückversicherung erfolgt daher regelmäßig unter Anwendung internationaler Musterbedingungen (z.B. XL- oder Surplus-Cover) sowie unter Berücksichtigung von Kollisionsrecht und Schiedsgerichtsklauseln zur Streitbeilegung.


Steuerliche und bilanziere Aspekte

Bilanzierung nach HGB und IFRS

Rückversicherungsforderungen und -verbindlichkeiten sind gemäß § 341b HGB auszuweisen. Dabei werden spezifische Anforderungen an die Aktivierung von Rückversicherungsforderungen sowie die Passivierung von Rückversicherungsverbindlichkeiten gestellt. International gelten die Bilanzierungsgrundsätze nach IFRS 4 und IFRS 17, wobei insbesondere die korrekte Abgrenzung der Deckung und die Transparenz der Risikotransfers von Bedeutung sind.

Steuerrechtliche Behandlung

Im deutschen Steuerrecht gelten besondere Vorgaben für die Abzugsfähigkeit von Prämienzahlungen und Rückstellungsbildungen im Rahmen von Rückversicherungsverträgen. Dies betrifft sowohl die Körperschaftsteuer als auch die gewerbesteuerliche Behandlung.


Bedeutung und Fazit

Die Gefahrenrückversicherung ist ein essenzielles und hochgradig spezialisiertes Instrument des Versicherungsmarkts. Sie trägt zur Stabilisierung von Erstversicherern bei und dient der Sicherstellung, dass auch ungewöhnlich große oder schwer kalkulierbare Risiken tragbar bleiben. Ihre rechtliche Ausgestaltung und Umsetzung sind geprägt von einer hohen vertraglichen Flexibilität, unterliegen jedoch zahlreichen zivil-, aufsichts- und steuerrechtlichen Vorgaben. Eine präzise Definition der abgedeckten Gefahren und der vertraglichen Obliegenheiten ist entscheidend für die Rechts- und Leistungssicherheit beider Vertragsparteien.

Häufig gestellte Fragen

Wie gestaltet sich das Rechtsverhältnis zwischen Erstversicherer und Rückversicherer im Rahmen der Gefahrenrückversicherung?

Das Rechtsverhältnis zwischen Erstversicherer und Rückversicherer im Rahmen der Gefahrenrückversicherung ist durch den sogenannten Rückversicherungsvertrag geregelt, bei dem der Erstversicherer (Zedent) einen Teil seines Risikos an den Rückversicherer (Zessionar) abgibt. Juristisch handelt es sich hierbei um einen eigenständigen Versicherungsvertrag nach deutschem Recht, typischerweise aber nicht um einen ausdrücklich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelten Vertragstyp. In der Praxis finden auf Rückversicherungsverträge einzelne Regelungen des VVG teilweise analog Anwendung, wobei der Grundsatz der Vertragsfreiheit eine besonders große Rolle spielt. Die Parteien können Inhalt, Umfang, Beginn und Dauer des Versicherungsschutzes sowie die Risikobegrenzungen individuell festlegen. Anders als im Direktversicherungsgeschäft ist das Rückversicherungsrecht durch weitgehende Partei- und Vertragsautonomie, internationale bzw. ausländische Rechtswahlmöglichkeiten sowie standardisierte Rückversicherungsbedingungen geprägt. Für Streitigkeiten gilt häufig die Vereinbarung von Schiedsgerichten. Ein unmittelbares Rechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer des Erstversicherers entsteht nicht; der Rückversicherer haftet rechtlich nur dem Erstversicherer gegenüber.

Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich im Hinblick auf die Mitwirkung des Rückversicherers bei Schadenregulierung und -prüfung?

Im Gefahrenrückversicherungsvertrag bestehen besondere Offenbarungs- und Mitteilungspflichten des Erstversicherers hinsichtlich eingetretener Schäden, insbesondere bei Großschäden oder Schadenereignissen mit Auswirkung auf das gesamte Portfolio. Konkret geregelt sind diesbezügliche Pflichten meist in den zugrundeliegenden Rückversicherungsbedingungen (z. B. Deutsches Rückversicherungsbedingungswerk DRB), die u. a. Meldefristen, Umfang der Schadendokumentation und das Recht des Rückversicherers auf Information, Besichtigung und Mitwirkung statuieren. Ohne ausdrückliche Vereinbarung besteht in der Regel keine eigenständige Regulierungsbefugnis des Rückversicherers, der Erstversicherer bleibt primär für die Leistungsbearbeitung verantwortlich. Allerdings kann dem Rückversicherer im Vertrag ein Mitwirkungs- oder Zustimmungsrecht zur Schadenzahlung eingeräumt werden, insbesondere bei sog. Großschadenklauseln („claims co-operation clause“). Die Verletzung dieser Pflichten kann zu Leistungsverweigerungs- oder Regressansprüchen führen. Im Streitfall entscheidet sich die Reichweite der Mitwirkungspflicht nach Vertragsauslegung im Lichte von Treu und Glauben.

Welche Formvorschriften und Genehmigungserfordernisse bestehen für den Abschluss von Gefahrenrückversicherungsverträgen?

Für den Abschluss von Gefahrenrückversicherungsverträgen bestehen grundsätzlich keine gesetzlichen Formvorschriften. Der Vertrag kommt regelmäßig formfrei durch Angebot und Annahme zustande, was auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten möglich ist, wenngleich aus Beweis- und Nachweisgründen fast ausschließlich die Schriftform (inklusive elektronischer Kommunikationswege) üblich ist. Zentral ist die klare Dokumentation der Vertragsbedingungen, um spätere Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden. In regulatorischer Hinsicht unterliegt der Abschluss solcher Verträge bei in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen dennoch aufsichtsrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und den Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Ferner sind etwaige interne Genehmigungsvorbehalte, insbesondere bei öffentlichen oder größeren Versicherungsunternehmen, zu beachten. Bei grenzüberschreitenden Verträgen kann das Versicherungsaufsichtsrecht des Heimat- bzw. Sitzstaates zusätzliche Anforderungen stellen.

Wie ist die Haftung des Rückversicherers bei Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit des Erstversicherers geregelt?

Das Verhältnis zwischen Erst- und Rückversicherer ist rechtlich strikt voneinander abgegrenzt. Bei Insolvenz des Erstversicherers ist der Rückversicherungsvertrag Teil der Insolvenzmasse und geht als Vermögensrecht auf den Insolvenzverwalter über. Rückversicherer sind nicht unmittelbar zur Leistung an Dritte (Versicherungsnehmer des Erstversicherers oder deren Geschädigte) verpflichtet. Vielmehr bestehen Leistungsverpflichtungen ausschließlich gegenüber dem insolventen Erstversicherer bzw. dessen Insolvenzverwalter. Lediglich in seltenen Fällen direkter Forderungszessionen oder sogenannter „cut-through clauses“ (die jedoch im deutschen Recht auf enge Ausnahmefälle beschränkt bleiben und oftmals durch das Versicherungsaufsichtsrecht eingeschränkt werden) kann sich ein Direktanspruch ergeben. Das Insolvenzrisiko des Erstversicherers verbleibt im Normalfall bei dessen Gläubigern und nicht beim Rückversicherer.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei der Verjährung von Ansprüchen aus Gefahrenrückversicherungsverträgen?

Die Verjährung von Ansprüchen aus Gefahrenrückversicherungsverträgen ist grundsätzlich vertraglich zu regeln. Mangels spezieller Rückversicherungsverjährungsnormen des VVG kommt zunächst die allgemeine zivilrechtliche Verjährung (§ 195 BGB: drei Jahre) zur Anwendung, gerechnet ab dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger davon Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Häufig vereinbaren die Parteien jedoch vertraglich abweichende Verjährungsregelungen, oft auch in Anlehnung an die VVG-Ansprüche (§ 12 VVG a.F.; heute § 195 BGB ff.). Die Frist kann durch Anerkenntnis, Verhandlungen oder Stundung gehemmt werden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann das anwendbare Recht zu unterschiedlichen Verjährungsbestimmungen führen, was bei Vertragsgestaltung zwingend zu berücksichtigen ist.

Wie werden Gerichtsstand und anwendbares Recht im Gefahrenrückversicherungsvertrag festgelegt?

Der Gerichtsstand sowie das anwendbare Recht werden im Gefahrenrückversicherungsvertrag typischerweise ausdrücklich geregelt. Aufgrund der Internationalität der Rückversicherungsbranche ist es üblich, Schiedsabreden oder Gerichtsstandsvereinbarungen, zumeist zugunsten spezifischer Handelskammern (z. B. London Market’s ARIAS, Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für das Versicherungswesen) zu treffen. Die Parteien können das auf den Vertrag anzuwendende nationale Recht frei wählen (Art. 3 Rom-I-VO innerhalb der EU). Fehlt eine ausdrückliche Regelung, ist gemäß Art. 4 Rom-I-VO das Recht desjenigen Staates maßgeblich, in dem die Partei mit der charakteristischen Leistung (meist der Rückversicherer) ihren Sitz hat. Nationale Schiedsgerichte oder internationale Schiedsverfahren genießen im Rückversicherungsgeschäft besondere Bedeutung, da so Know-how und Vertraulichkeit gewahrt bleiben.

Welche Informations- und Offenlegungspflichten bestehen bei Vertragsbeginn und während der Laufzeit in der Gefahrenrückversicherung?

Bereits bei Vertragsbeginn trifft den Erstversicherer (Zedenten) eine weitgehende Obliegenheit zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Information aller gefahrrelevanten Umstände („duty of disclosure“), vergleichbar mit der Anzeigepflicht im Erstversicherungsgeschäft (§ 19 VVG), wobei der Umfang auf die Rückversicherungspraxis und vertragliche Vereinbarungen (z. B. „utmost good faith“-Klauseln) abgestellt ist. Dies schließt die genaue Offenlegung der versicherten Risiken, der Prämienkalkulation und der Schadenhistorie ein. Kommt der Erstversicherer dieser Pflicht nicht nach, kann der Rückversicherer Rücktritts-, Kündigungs- oder Anpassungsrechte geltend machen. Während der Vertragslaufzeit hat der Erstversicherer regelmäßig über wesentliche Änderungen im Risikoprofil sowie Eintritt von Schäden oder außergewöhnlichen Ereignissen zu informieren. Diese Informationspflichten werden in den meisten Rückversicherungsverträgen detailliert geregelt. Die Nichtbeachtung der Offenlegungs- und Informationspflichten kann zu einer Leistungsfreiheit des Rückversicherers führen.