Legal Lexikon

Gefälligkeitsfahrt


Definition und rechtliche Einordnung der Gefälligkeitsfahrt

Eine Gefälligkeitsfahrt bezeichnet im deutschen Recht eine Fahrt, bei der eine Person eine andere unentgeltlich und aus reiner Gefälligkeit ohne eigenwirtschaftliches Interesse befördert. Charakteristisch ist dabei, dass keine rechtliche Verpflichtung, sondern lediglich ein gesellschaftlich-soziales Motiv zur Beförderung führt, wie die Hilfe unter Freunden, Nachbarn oder Familienangehörigen. Die rechtliche Behandlung der Gefälligkeitsfahrt ist besonders im Hinblick auf Haftung, Versicherungsschutz sowie die Abgrenzung zu anderen Formen der Personenbeförderung von Bedeutung.

Abgrenzung zu anderen Beförderungsarten

Abgrenzung zur entgeltlichen Beförderung

Während eine entgeltliche Beförderung – etwa im Rahmen von Mitfahrzentralen oder Taxidiensten – auf einem Vertrag gegen Zahlung beruht, fehlt bei der Gefälligkeitsfahrt ein Entgeltanspruch. Rechtlich relevant sind die Motive der Fahrt und die Erwartungshaltung des Fahrgasts hinsichtlich einer Gegenleistung. Eine Kostenbeteiligung schließt eine Gefälligkeitsfahrt nicht zwingend aus, sofern die Fahrt weiterhin von einem sozialen Band getragen wird und keine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.

Abgrenzung zu vertraglicher Verpflichtung

Bei einer rein vertraglichen Verpflichtung – beispielsweise im Rahmen eines Mietwagen- oder Beförderungsvertrages – bestehen umfassendere Nebenpflichten des Fahrers. Die Gefälligkeitsfahrt steht hierzu im Gegensatz, da sie nicht auf einer ausdrücklichen rechtlichen Verpflichtung, sondern auf dem Prinzip der Unentgeltlichkeit und Freiwilligkeit beruht.

Haftungsrechtliche Aspekte

Deliktische Haftung des Fahrzeugführers

Der Fahrzeugführer haftet grundsätzlich gemäß §§ 823 ff. BGB für Schäden, die durch schuldhaftes Verhalten entstehen. Bei Gefälligkeitsfahrten wird jedoch – insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz – eine Haftung angenommen. Für einfache Fahrlässigkeit kann die Haftung durch eine sogenannte stillschweigende Haftungsbeschränkung reduziert werden. Diese kann sich aus dem sozialen Gefüge, den Umständen der Fahrt und der Interessenlage der Beteiligten ergeben.

Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung

Ob eine Haftungsbeschränkung anzunehmen ist, beurteilen Gerichte nach folgenden Kriterien:

  • Motiv und Zweck der Fahrt (reine Gefälligkeit oder Verbundenheit zur beförderten Person)
  • Soziale Beziehung zwischen Fahrer und Fahrgast
  • Eigeninteresse des Fahrers
  • Eindeutige und erkennbare Erwartungen des Fahrgastes

Eine vollständige Haftungsfreizeichnung ist per Gesetz (§ 276 Abs. 3 BGB) bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

Kraftfahrzeughalterhaftung

Nach § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz) haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich verschuldensunabhängig für Personen- und Sachschäden, die bei dem Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Diese Gefährdungshaftung bleibt unabhängig vom Haftungsausschluss oder einer Haftungsbeschränkung zwischen Fahrer und Fahrgast bestehen.

Geltung der Gefälligkeitsfahrt bei der Halterhaftung

Ein Haftungsausschluss für die Halterhaftung gegenüber dem Fahrgast ist nach § 8a Nr. 1 StVG möglich, jedoch nur für solche Fahrten, die nachweislich im Rahmen einer reinen Gefälligkeit durchgeführt wurden und für die keine entsprechende Haftpflichtversicherung nach § 2 Pflichtversicherungsgesetz besteht.

Versicherungsrechtliche Folgen

Deckung durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung

Die Haftpflichtversicherung deckt auch Schäden, die im Rahmen von Gefälligkeitsfahrten entstehen. Regressforderungen der Versicherung gegen den Fahrer sind jedoch möglich, wenn Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen mit dem Mitfahrer nicht eindeutig vereinbart wurden oder bei vorsätzlicher Schadensverursachung.

Insassenunfallversicherung

Im Falle einer Gefälligkeitsfahrt kann neben der allgemeinen Haftpflichtdeckung die sogenannte Insassenunfallversicherung zum Tragen kommen, sofern sie vertraglich abgeschlossen wurde. Diese Versicherung bietet Schutz für die beförderte Person unabhängig von der Haftungsfrage und entschädigt beispielsweise bei Invalidität oder Tod.

Schadensersatzrechtliche Besonderheiten

Anspruch des Mitfahrers bei Gefälligkeitsfahrt

Ansprüche auf Schadensersatz richten sich grundsätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Die Beweislast hinsichtlich einer Haftungserleichterung trägt dabei grundsätzlich der Fahrer. Wird eine stillschweigende Haftungsbeschränkung angenommen, kann der Mitfahrer nur noch bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz Ansprüche geltend machen.

Anwendung der gesetzlichen Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung greift bei einer privaten Gefälligkeitsfahrt in der Regel nicht, da dieser Unfall nicht als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII gilt. Eine Ausnahme stellen Fahrten im Rahmen von Betriebsgemeinschaften oder im Zusammenhang mit dienstlichen Verrichtungen dar.

Praxisbeispiele und typische Fallkonstellationen

Gefälligkeitsfahrten finden sich häufig im Rahmen der folgenden Situationen:

  • Fahrten zwischen Nachbarn, Freunden oder Familienangehörigen (z. B. zum Einkauf, Arzt, Flughafen)
  • Mitnahme von Kollegen zur Arbeitsstätte ohne Entgelt
  • Fahrdienste bei Vereinsaktivitäten ohne Gegenleistung

Die Umstände der jeweiligen Fahrt sind entscheidend für die rechtliche Einstufung, insbesondere im Hinblick auf Haftung und Versicherungsschutz.

Literaturhinweise und relevante Urteile

Die Rechtsprechung zur Gefälligkeitsfahrt ist insbesondere geprägt durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, z. B. Urteil vom 18. November 2008 – VI ZR 107/08) und die Kommentierung in führenden Werken des Verkehrsrechts und Schadenrechts. Wesentliche Orientierungspunkte liefern zudem Urteile zur Abgrenzung von Fahrgemeinschaften und Gefälligkeitsfahrten sowie zur Anwendung stillschweigender Haftungsbeschränkungen.


Zusammenfassung

Die Gefälligkeitsfahrt ist ein im deutschen Verkehrs- und Zivilrecht vielschichtiger Begriff, der zahlreiche haftungs- und versicherungsrechtliche Besonderheiten aufweist. Bei der Einordnung und Behandlung im Schadensfall sind die Umstände der Fahrt, die Beziehung der Beteiligten und mögliche Vereinbarungen von zentraler Bedeutung. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen ist für die Beteiligten essenziell, um im Schadensfall Ansprüche oder Ausschlüsse korrekt bewerten zu können.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet bei einem Unfall während einer Gefälligkeitsfahrt?

Im Rahmen einer Gefälligkeitsfahrt, also einer unentgeltlichen Personen- oder Sachbeförderung ohne rechtliche Verpflichtung, stellt sich in der Praxis häufig die Frage nach der Haftung bei einem Unfall. Grundsätzlich gelten hier die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hinsichtlich deliktischer Haftung. Allerdings wird im Einzelfall eine Haftungsprivilegierung zu Gunsten des Fahrers diskutiert, da eine sog. “Gefälligkeitsschuld” besteht. So nimmt die Rechtsprechung bei geringfügiger Fahrlässigkeit des Fahrers – und wenn zwischen den Parteien kein ausdrücklicher Haftungsausschluss vereinbart wurde – oft eine Reduzierung oder gar einen Ausschluss der Haftung an, um das soziale Band der Gefälligkeit nicht zu unterminieren. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet der Fahrer jedoch stets vollumfänglich. Parallel bleibt in jedem Fall der Versicherungsschutz durch die Kfz-Haftpflichtversicherung bestehen, die vorrangig für entstandene Schäden aufkommt, allerdings kann die Versicherung bei grober Fahrlässigkeit Rückgriff beim Fahrer nehmen.

Kann eine Gefälligkeitsfahrt zivilrechtliche Ansprüche ausschließen?

Ein grundsätzliches Ausschließen von zivilrechtlichen Ansprüchen ist bei Gefälligkeitsfahrten möglich, muss aber ausdrücklich, am besten schriftlich, zwischen Fahrer und Mitfahrer vereinbart werden (Haftungsausschluss). Ohne explizite Vereinbarung gilt das gesetzliche Haftungsregime. Ein konkludenter Haftungsausschluss wird nach ständiger Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen angenommen, etwa bei enger familiärer Bindung oder wenn das Risiko für beide Parteien offenkundig ist. Zu beachten ist jedoch, dass ein vollständiger Haftungsausschluss für Körperschäden nach § 309 Nr. 7a BGB im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und vorformulierten Verträgen meist unwirksam ist. Individuelle Verzichtserklärungen sind hingegen regelmäßig zulässig, wobei stets zu prüfen ist, ob diese im konkreten Einzelfall sittenwidrig nach § 138 BGB sind.

Gilt die Kfz-Haftpflichtversicherung auch bei einer Gefälligkeitsfahrt?

Ja, die Kfz-Haftpflichtversicherung greift grundsätzlich auch bei Gefälligkeitsfahrten. Sie deckt Schäden ab, die einem Dritten (darunter auch Mitfahrer) durch den Gebrauch des Fahrzeugs entstehen. Der Fahrer und Halter sind somit auch im Rahmen der unentgeltlichen Beförderung versichert. Allerdings kann bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens die Versicherung von ihrem Rückgriffsrecht Gebrauch machen und vom Versicherungsnehmer Erstattung verlangen. Wichtig ist zudem, dass freiwillige Gäste (Mitfahrer) gemäß § 7 StVG in Deutschland ebenfalls unter den Schutz der Haftpflichtversicherung fallen, es sei denn, der Fahrer hat den Unfall nicht verschuldet oder ein Fall höherer Gewalt liegt vor.

Können Gefälligkeitsfahrten steuerliche Auswirkungen haben?

Im Regelfall führen Gefälligkeitsfahrten zu keinen steuerlichen Pflichten, da keinerlei Entgelt im Sinne einer Gegenleistung vereinbart wird und keine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar ist. Sobald allerdings Kosten erstattet werden (z.B. pauschale Benzinkosten), kann eine steuerliche Relevanz entstehen, insbesondere dann, wenn die wiederholte Erstattung oder eine Art Organisation (z.B. Fahrgemeinschaftsbörse) vorliegt. Dann kann bei den Finanzbehörden eine Überprüfung erforderlich werden, ob es sich um eine Einkunftsart (z.B. Einkünfte aus sonstigen Leistungen oder aus Gewerbebetrieb) handelt. Die gelegentliche Fahrt aus Gefälligkeit bleibt jedoch in der Regel steuerfrei.

Gibt es rechtliche Unterschiede zwischen Gefälligkeitsfahrten unter Freunden, innerhalb der Familie oder zwischen Nachbarn?

Ja, die rechtliche Beurteilung einer Gefälligkeitsfahrt kann je nach persönlichem Verhältnis zwischen Fahrer und Mitfahrer variieren. Insbesondere im engen Familienkreis oder unter besonders vertrauten Freunden liegt nach der Rechtsprechung vielfach ein konkludenter Haftungsausschluss nahe, d.h. es wird stillschweigend davon ausgegangen, dass keine Haftung für einfache Fahrlässigkeit gewollt ist. Bei Nachbarschaftsverhältnissen oder bei lockeren Bekanntschaften gelten strengere Maßstäbe, sodass hier regelmäßig von der gesetzlichen Haftung auszugehen ist, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Die Abgrenzung erfolgt im Einzelfall anhand des Grades der Nähe und der getroffenen Absprachen.

Wie unterscheidet sich eine Gefälligkeitsfahrt von der Schwarzfahrt im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes?

Eine Gefälligkeitsfahrt ist stets unentgeltlich und ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeführt, während bei der so genannten “Schwarzfahrt” typischerweise dennoch ein Entgelt verlangt wird, aber ohne die hierfür erforderliche Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Bei regelmäßig stattfindenden entgeltlichen Fahrten kann sich der Fahrer strafbar machen und riskiert erhebliche rechtliche Konsequenzen, wie Bußgelder, Punkte im Fahreignungsregister oder sogar die Untersagung des Fahrbetriebs. Die Einordnung als Gefälligkeitsfahrt ist daher anhand objektiver Kriterien wie der fehlenden Entgeltlichkeit und dem sozialen Bezug zu prüfen.

Welche Ansprüche können Mitfahrer bei Schäden im Rahmen einer Gefälligkeitsfahrt geltend machen?

Mitfahrer können im Falle eines Schadens grundsätzlich Ansprüche aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) gegenüber dem Fahrer geltend machen, die durch die Kfz-Haftpflichtversicherung abgedeckt sind. Weiterhin können Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher oder quasi-vertraglicher Pflichten (insbesondere aus sogenanntem “Gefälligkeitsverhältnis” oder “vertragsähnlichem Schuldverhältnis”) bestehen. Dabei ist jedoch immer der Umfang der Haftung nach Maßgabe der Fahrlässigkeit und eventueller Haftungsausschlüsse zu berücksichtigen. Ansprüche aufgrund selbstverschuldeter Schäden (Eigenverschulden des Mitfahrers) sind jedoch ausgeschlossen, da hier das Mitverschulden nach § 254 BGB zu berücksichtigen ist.