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Frustrierte Aufwendungen


Begriff und Grundlagen der frustrierten Aufwendungen

Frustrierte Aufwendungen sind ein bedeutender Begriff im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen und der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge. Im Kern beschreibt der Begriff Aufwendungen, die eine Vertragspartei im Vertrauen auf den Bestand eines Vertrages oder zur Erfüllung einer Verpflichtung macht und die nachträglich ihren wirtschaftlichen Wert verlieren, weil das Schuldverhältnis aus rechtlichen Gründen nicht wie geplant abgewickelt werden kann.

Frustrierte Aufwendungen sind insbesondere in den Bereichen des Schadensersatzrechts (§§ 249 ff. BGB), bei Rücktritt und Widerruf von Verträgen (§§ 346 ff. BGB) sowie im Werkvertragsrecht (§ 649 BGB) von praktischer Relevanz. Die zentrale rechtliche Fragestellung ist dabei, ob und in welcher Höhe Aufwendungen bei der Berechnung von Ersatzansprüchen berücksichtigt werden dürfen.

Abgrenzung: Schaden und Aufwendung

Schaden und Aufwendung im Zivilrecht

Der Unterschied zwischen „Schaden“ und „Aufwendung“ ist für das Verständnis frustrierter Aufwendungen zentral. Ein Schaden ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße, während eine Aufwendung eine freiwillige Vermögensverlagerung darstellt, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks erfolgt.

Frustrierte Aufwendungen stellen als finanzieller Aufwand, der durch das Vertrauen auf den Bestand eines Vertrags oder eines sonstigen Rechtstatbestands getätigt wird, einen besonderen Typus von Ersatzposition dar. Sie werden regelmäßig dann bedeutend, wenn der Zweck, zu dem die Aufwendungen getätigt wurden, scheitert und die Aufwendungen dadurch nutzlos werden.

Frustrierte Aufwendungen und ersatzfähiger Schaden

Ob frustrierte Aufwendungen im rechtlichen Sinn als ersatzfähiger Schaden qualifiziert werden, hängt von verschiedenen rechtlichen Anspruchsgrundlagen und von der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt der Nutzlosigkeit der Aufwendungen ab.

Rechtsgrundlagen für den Ersatz frustrierter Aufwendungen

Schadensersatz gemäß § 249 BGB

Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Zu den ersatzfähigen Schäden zählen auch Aufwendungen, sofern sie im Vertrauen auf den Bestand des Vertrags oder zur Vorbereitung auf dessen Durchführung entstanden und letztlich nutzlos geworden sind.

Wesentlich ist, dass der Geschädigte die frustrierten Aufwendungen nicht ohnehin auch ohne das schädigende Ereignis gehabt hätte und dass sie in einem adäquaten Kausalzusammenhang zur Pflichtverletzung stehen. Die Ersatzfähigkeit ist zudem ausgeschlossen, soweit der Ersatz der Aufwendungen dem Zweck der Vorteilsausgleichung widersprechen würde.

Ersatz von Aufwendungen bei Rücktritt und Widerruf (§ 346 Abs. 2 BGB)

Bei Rücktritt und Widerruf verpflichtet § 346 Abs. 2 BGB zum Wertersatz für bestimmte Aufwendungen, wenn eine Rückgewähr der empfangenen Leistung nicht möglich ist. Auch hier können frustrierte Aufwendungen entstehen: So kann eine Vertragspartei im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags Investitionen, Vorbereitungsmaßnahmen oder Anschaffungen tätigen, die sich nach einer Vertragsrückabwicklung als nutzlos erweisen.

Aufwendungsersatz bei nachträglichem Wegfall der Geschäftsgrundlage

Gemäß § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) können Ersatzansprüche auch dann entstehen, wenn eine Vertragspartei infolge unvorhergesehener Umstände frustrierte Aufwendungen getätigt hat. Die praktische Durchsetzbarkeit entsprechender Ansprüche hängt von den Umständen des Einzelfalls und dem Kausalzusammenhang zwischen Geschäftsgrundlagenstörung und Aufwendungen ab.

Werkvertragsrechtlicher Aufwendungsersatz (§ 649 BGB)

Im Werkvertragsrecht kommt frustrierten Aufwendungen eine besondere Bedeutung zu. Kündigt der Besteller nach § 649 BGB den Vertrag, so steht dem Unternehmer eine Vergütung auch für solche Leistungen zu, die bereits erbracht, aber noch nicht wirtschaftlich nutzbar gemacht wurden. Diese Vergütung kann auch Aufwendungen umfassen, die mit Blick auf die Vertragsdurchführung getätigt wurden und nach Vertragsende nutzlos werden.

Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit frustrierter Aufwendungen

Vertrauensschutz und Kausalität

Die Erstattungsfähigkeit frustrierter Aufwendungen setzt voraus, dass die Aufwendungen im berechtigten Vertrauen auf das Bestehen oder die Durchführung eines Vertrags oder eines anderen Rechtstatbestands getätigt wurden und durch ein nachträgliches Ereignis objektiv nutzlos geworden sind.

Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und der Nutzlosigkeit der Aufwendung. Weiterhin müssen die Aufwendungen nicht bereits aus anderen Gründen nutzlos geworden sein oder ohnehin entstanden sein.

Adäquanz und Mitverschulden

Die Aufwendungen müssen adäquat kausal durch die Pflichtverletzung oder den Wegfall der Vertragsgrundlage verursacht worden sein. Darüber hinaus ist ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) bei der Entstehung der frustrierten Aufwendungen zu berücksichtigen. Aufwendungen, die entgegen einer Verhaltenspflicht oder in zumutbarer Weise vermeidbar waren, sind nicht ersatzfähig.

Vorteilsausgleichung

Andererseits ist die Anrechnung etwaiger Vorteile vorzunehmen, die in Folge des scheiternden Vertrags für die Partei entstanden sind (Vorteilsausgleichung). Die Ersatzfähigkeit frustrierter Aufwendungen ist von dem Grundsatz bestimmt, dass keine Überkompensation erfolgen darf.

Typische Beispiele frustrierter Aufwendungen

Unternehmerische und private Verträge

Typische Fälle frustrierter Aufwendungen finden sich insbesondere bei der Vorbereitung größerer Vertragsschlüsse (etwa Bauprojekte, Unternehmenskäufe, M&A-Transaktionen) oder bei gescheiterten Kauf- oder Werkverträgen, in denen eine Partei Investitionen, Planungskosten, Beratungskosten oder Materialbeschaffungen vorgenommen hat, die nach Scheitern des Vertrags vergeblich getätigt wurden.

Miet- und Leasingverhältnisse

Im Zusammenhang mit vorzeitiger Beendigung von Miet- oder Leasingverträgen kann der Mieter oder Leasingnehmer frustrierte Aufwendungen in Form von Renovierungen, Einbauten oder speziellen Anschaffungen geltend machen, wenn der mit dem Vertragsverhältnis ursprünglich verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann.

Reiseverträge

Auch bei Rückabwicklung von Reiseverträgen kommen frustrierte Aufwendungen vor, etwa wenn geplante Zusatzaktivitäten, Buchung von Eventtickets oder Ausrüstungsgegenstände auf Grund eines Rücktritts nicht mehr genutzt werden können.

Abgrenzung zu sonstigen Schadenspositionen und Besonderheiten

Frustrierte Aufwendungen und entgangener Gewinn

Frustrierte Aufwendungen sind abzugrenzen vom Ersatz für entgangenen Gewinn, der nach § 252 BGB grundsätzlich auch als Schaden ersetzt werden kann. Während frustrierte Aufwendungen für nutzlos gewordene Investitionen stehen, bezieht sich der entgangene Gewinn auf die fehlende Vermögensmehrung durch einen nicht realisierten Geschäftserfolg.

Kein Ersatz für bloß hypothetische Aufwendungen

Nicht jede Aufwendung, die in Erwartung eines Vertragsschlusses geplant oder ins Auge gefasst wurde, ist im Verzugsfall ersatzfähig. Erstattungsfähig sind nur solche, die tatsächlich erfolgt und sachgerecht waren. Hypothetische, also lediglich geplante, aber nicht realisierte Aufwendungen, fallen nicht unter den Begriff.

Prozessuale Besonderheiten bei der Geltendmachung

Der Anspruchsteller trägt im Streitfall die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche und sachliche Entstehung der Aufwendungen sowie deren objektive Nutzlosigkeit im Zuge der nachträglichen Ereignisse. Die Angemessenheit und Höhe frustrierter Aufwendungen sowie der ursächliche Zusammenhang mit der Pflichtverletzung unterliegen der gerichtlichen Überprüfung.

Literatur und Rechtsprechung

Das Thema frustrierte Aufwendungen findet breite Beachtung in juristischen Kommentaren und der Rechtsprechung der Instanzgerichte sowie des Bundesgerichtshofs (BGH). Insbesondere werden dabei die Abgrenzungsfragen, Voraussetzungen und Details der Vorteilsausgleichung umfassend beleuchtet.

Zusammenfassung

Frustrierte Aufwendungen sind ein zentrales Element bei der Rückabwicklung und dem Schadensersatz im Zivilrecht. Sie umfassen alle Aufwendungen, die im Vertrauen auf einen Vertrag oder ein bestimmtes Rechtsverhältnis getätigt werden und aufgrund nachträglichen Scheiterns gar keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr bringen. Die Erstattungsfähigkeit hängt ab von dem Nachweis der sachlichen Zweckverfehlung, dem adäquaten Zusammenhang zur Pflichtverletzung und dem Ausschluss etwaiger Überkompensation durch Vorteilsausgleich. Die Behandlung frustrierter Aufwendungen erfordert daher stets eine umfassende rechtliche Prüfung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit frustrierte Aufwendungen im rechtlichen Sinne geltend gemacht werden können?

Damit frustrierte Aufwendungen rechtlich geltend gemacht werden können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein wirksames Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben, das entweder im Wege der Anfechtung, des Rücktritts, der Kündigung oder auf andere Weise beendet wurde. Die Aufwendungen müssen im konkreten Zusammenhang mit der beabsichtigten Vertragsdurchführung stehen, also zum Zwecke der Durchführung oder Vorbereitung des Vertrages getätigt worden sein. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass die Aufwendungen in Erwartung des Vertragsvollzugs gemacht wurden und sich diese Erwartung später als unberechtigt oder enttäuscht herausstellte. Eine Erstattung kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die Aufwendung konkret, erforderlich und adäquat kausal durch das Vertragsverhältnis bzw. dessen Anbahnung oder durch die Vertragsdurchführung oder -beendigung ausgelöst wurde. Schließlich darf kein Ausschlussgrund, wie etwa ein Mitverschulden des Anspruchstellers oder ein vertraglicher Haftungsausschluss, vorliegen.

In welchen Bereichen des Zivilrechts spielt das Thema frustrierte Aufwendungen eine Rolle?

Frustrierte Aufwendungen haben im Zivilrecht breite Bedeutung, insbesondere im Rahmen der Leistungsstörungen im Schuldrecht, z.B. bei Rücktritt vom Vertrag, Kündigung, Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB) oder bei der Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB). Sie treten häufig im Zusammenhang mit Werkverträgen, Dienstverträgen, Kaufverträgen und Mietverträgen auf, wenn eine Partei im Vertrauen auf die erfolgreiche Vertragsdurchführung Investitionen, Vorbereitungen oder Auslagen tätigt, die sich nachträglich als sinnlos oder nutzlos erweisen, weil der Vertrag nicht wie geplant erfüllt wird. Speziell bei Verhandlungen über größere Verträge, wie etwa Immobiliengeschäften oder komplexen Bauverträgen, kommt dem Thema frustrierter Aufwendungen erhebliche praktische Relevanz zu.

Wie wird die Höhe der zu ersetzenden frustrierten Aufwendungen im Streitfall ermittelt?

Die Höhe der zu ersetzenden frustrierten Aufwendungen richtet sich grundsätzlich nach dem tatsächlichen, nachweisbaren wirtschaftlichen Aufwand, den der Anspruchsteller im Hinblick auf die erwartete Vertragserfüllung übernommen hat. Dabei ist eine konkrete Darlegung und Dokumentation dieser Aufwendungen notwendig, beispielsweise durch Rechnungskopien, Quittungen, Verträge mit Dritten oder andere Belege. Es muss zudem dargelegt werden, dass die Aufwendungen ohne das (gescheiterte) Vertragsverhältnis nicht angefallen wären. Es werden nur solche Aufwendungen ersetzt, die im Hinblick auf das betroffene Vertragsverhältnis erforderlich und angemessen waren („Erforderlichkeitsmaßstab“), während überhöhte, unangemessene oder risikobewusst eingegangene Kosten nicht erstattungsfähig sind.

Inwiefern unterscheidet sich der Ersatz frustrierter Aufwendungen von Schadensersatz?

Grundsätzlich sind frustrierte Aufwendungen vom klassischen Schadensersatz abzugrenzen. Während Schadensersatz im BGB auf den Ausgleich tatsächlich entstandener Schäden oder entgangener Vorteile durch vertragswidriges Verhalten abzielt, geht es bei frustrierten Aufwendungen um die Erstattung von Vermögensdispositionen, die im Vertrauen auf den Bestand oder die Durchführung eines Vertrages erfolgten und nachträglich ihren Zweck verloren haben. Frustrierte Aufwendungen werden oft im Rahmen von Rückabwicklungsverhältnissen (§§ 346 ff. BGB) neben dem Rückgewähranspruch geltend gemacht oder als Vertrauensschaden im vorvertraglichen Bereich (§§ 280, 311 II, 241 II BGB). Sie setzen keinen Verschuldensnachweis voraus, sondern können bereits durch das rechtliche Schicksal des Vertrages (beispielsweise durch Rücktritt oder Anfechtung) ausgelöst sein.

Welche rechtlichen Einschränkungen und Ausschlussgründe existieren für den Ersatz frustrierter Aufwendungen?

Mehrere rechtliche Einschränkungen können den Ersatzanspruch auf frustrierte Aufwendungen begrenzen oder ausschließen. Hierzu zählt unter anderem das Mitverschulden des Anspruchstellers (§ 254 BGB), wonach die Ersatzpflicht anteilig verringert oder ganz ausgeschlossen werden kann, wenn der Anspruchsteller durch eigenes Fehlverhalten zur Entstehung der Aufwendungen beigetragen hat. Vertraglich kann die Ersatzpflicht im Einzelfall auch durch ausdrückliche Regelungen begrenzt oder ausgeschlossen werden. Zudem sind Aufwendungen, die ohnehin auch ohne das Vertragsverhältnis entstanden wären oder zur gewöhnlichen Lebens- und Geschäftserfahrung gehören, nicht erstattungsfähig. Einer Erstattung stehen darüber hinaus immer solche Kosten entgegen, die sich etwa durch Weiterverwendung der erworbenen Güter, Dienstleistungen oder Rechte für andere Zwecke vermeiden oder „verwerten“ lassen.

Welche Beweispflichten gelten im Streit um frustrierte Aufwendungen und wie sollte der Nachweis geführt werden?

Der Anspruchsteller trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der frustrierten Aufwendungen. Er muss im Rechtsstreit detailliert belegen, welche konkreten Investitionen, Auslagen oder Kosten aufgrund des konkreten Vertragsverhältnisses eingegangen wurden, warum diese im Vertrauen auf dessen Durchführung gemacht wurden und inwiefern sie durch das Scheitern des Vertrages nutzlos wurden. Hierzu sind Nachweise wie Korrespondenzen, Angebote, Auftragsbestätigungen, Rechnungsbelege, Zahlungsnachweise und eine nachvollziehbare Zuordnung sämtlicher Positionen zu dem gescheiterten Vertragsverhältnis erforderlich. Der Nachweis, dass keine anderweitige Verwertung der Aufwendungen möglich war, obliegt ebenfalls dem Anspruchsteller.

Gibt es typische Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen frustrierte Aufwendungen zugesprochen oder abgelehnt wurden?

Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Fällen über frustrierte Aufwendungen entschieden. Beispielsweise können Kosten für rechtsanwaltliche Beratung, technische Gutachten, Ausschreibungen oder Planungsleistungen im Rahmen geplatzter Vertragsverhandlungen oder nach Rücktritt aus einem Werkvertrag erstattungsfähig sein, wenn sie sich als adäquat kausal und erforderlich erweisen. Nicht ersetzbar sind hingegen oft Aufwendungen für rein eigene Zwecke oder solche, die auch ohne Vertragsbeziehung veranlasst worden wären. Überhöhte „Investitionen ins Blaue hinein“ oder spekulative Aufwendungen werden laut ständiger Rechtsprechung ebenfalls abgelehnt. Einzelentscheidungen beschäftigen sich regelmäßig mit der Abgrenzung zum Schadensersatz und verlangen stets eine dezidierte Einzelfallprüfung.