Begriff und Grundprinzip der Freistellung
Freistellung bezeichnet die Befreiung einer Person von einer sonst bestehenden Pflicht. Im Arbeitsverhältnis bedeutet Freistellung in der Regel, dass Beschäftigte von der Pflicht zur Arbeitsleistung entbunden werden, während das Arbeitsverhältnis als solches fortbesteht. Daneben bezeichnet Freistellung im Vertragsrecht die Übernahme fremder Haftungsrisiken, etwa wenn eine Partei zusagt, die andere von Ansprüchen Dritter freizustellen.
Der Begriff hat damit zwei zentrale Bedeutungsfelder: die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Freistellung von Haftungsansprüchen. Beide Varianten unterscheiden sich in Voraussetzungen, Wirkungen und Grenzen, beruhen aber jeweils auf einer wirksamen Vereinbarung oder einer gesetzlichen Grundlage.
Freistellung im Arbeitsverhältnis
Rechtsnatur und Abgrenzungen
Die arbeitsrechtliche Freistellung ist die einseitige oder einvernehmlich vereinbarte Entbindung von der Arbeitspflicht, ohne das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie ist abzugrenzen von Urlaub (Erholungszweck und besondere Regeln), Arbeitsunfähigkeit (gesundheitsbedingt) und dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (umfassender Stillstand wechselseitiger Hauptpflichten).
Formen der Freistellung
Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellung
Bei der widerruflichen Freistellung kann der Arbeitgeber die Arbeitsleistung jederzeit wieder anfordern. Bei der unwiderruflichen Freistellung ist die Rückkehr zur Arbeit bis zum Ende des Freistellungszeitraums ausgeschlossen. Die Unterscheidung ist unter anderem für die Anrechnung von Urlaubstagen und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bedeutsam.
Bezahlte und unbezahlte Freistellung
Bezahlte Freistellung liegt vor, wenn die Vergütung fortgezahlt wird. Unbezahlte Freistellung setzt regelmäßig eine Grundlage voraus, etwa eine Vereinbarung oder einen gesetzlichen Anspruch (z. B. bestimmte Familienzeiten), und bewirkt, dass für die Dauer keine Vergütung fließt. Die Folgen für Sozialversicherung und betriebliche Altersversorgung unterscheiden sich entsprechend.
Anrechnung von Urlaub und Zeitguthaben
Urlaub kann im Rahmen einer Freistellung berücksichtigt werden, wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Urlaubsgewährung erfüllt sind. Auch Zeitguthaben (z. B. aus Überstunden) können angerechnet werden, wenn dies vereinbart oder zulässig ist. Entscheidend ist eine klare Bestimmung, welche Tage als Urlaub oder Zeitabbau gelten.
Anlässe der Freistellung
Freistellung während der Kündigungsfrist
Häufig werden Beschäftigte nach einer Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt. Gründe können organisatorische Erwägungen, Schutz von Betriebsgeheimnissen oder die Vermeidung von Konflikten sein. Die Ausgestaltung betrifft insbesondere Widerruflichkeit, Vergütung, Bonusansprüche, Dienstwagen und Wettbewerbsfragen.
Kurzfristige Freistellungen
Für einzelne Ereignisse (z. B. Arzttermine, Trauerfall, Umzug, Behördengänge) kommen Freistellungen in Betracht. Grundlage sind Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge, die Anlass, Dauer und Vergütungsfragen regeln können.
Langfristige gesetzlich begründete Freistellungen
Es existieren Freistellungstatbestände für Elternzeit, Pflege von Angehörigen, Wehrübungen, Bildungszeiten oder bestimmte Ehrenämter. Sie führen typischerweise zu einer (teilweise) unbezahlten Freistellung, oft mit besonderem Kündigungsschutz und spezifischen Rückkehrrechten.
Rechte und Pflichten während der Freistellung
Vergütung, variable Bestandteile und Boni
Bei bezahlter Freistellung werden (grundsätzlich) die vertraglichen Vergütungsbestandteile fortgezahlt. Für variable Vergütungen, Boni und Zielprämien kommt es auf die jeweiligen Regelungen an, etwa auf Fälligkeitszeitpunkte, Zielvereinbarungen und Stichtagsklauseln.
Annahmeverzug und Zwischenverdienst
Wird die Arbeitsleistung angeboten und vom Arbeitgeber nicht angenommen, können Grundsätze zur Entgeltfortzahlung greifen. Das Verhältnis zu einem eventuellen Zwischenverdienst ist von der Art und Grundlage der Freistellung abhängig.
Wettbewerbsverbot, Nebentätigkeit, Loyalität
Während der Freistellung gilt grundsätzlich das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot. Nebentätigkeiten bleiben nur im zulässigen Rahmen möglich. Vertraulichkeits- und Loyalitätspflichten bestehen fort, ebenso das Verbot der Nutzung schutzwürdiger betrieblicher Informationen.
Urlaubsansprüche und Verfall
Ob und in welchem Umfang Urlaub während einer Freistellung entsteht, gewährt oder verfallen kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung (widerruflich/unwiderruflich), der Zweckrichtung und weiteren Umständen ab. Eine wirksame Urlaubsanrechnung erfordert klare Bestimmtheit.
Krankheit während der Freistellung
Erkrankt eine freigestellte Person, stellen sich Fragen der Anzeige- und Nachweispflichten sowie der Auswirkungen auf Urlaub und Vergütung. Maßgeblich sind die allgemeinen Regeln zur Arbeitsunfähigkeit, soweit sie auf die Freistellungssituation passen.
Rückrufrecht und Erreichbarkeit
Bei widerruflicher Freistellung kann eine kurzfristige Rückkehr zur Arbeit eingefordert werden. Erreichbarkeitspflichten sind nur im erforderlichen Umfang zulässig und bedürfen einer klaren Regelung. Unwiderrufliche Freistellungen schließen Rückrufe grundsätzlich aus.
Herausgabe von Arbeitsmitteln, Geheimhaltung und Datenschutz
Mit Beginn der Freistellung werden üblicherweise Arbeitsmittel zurückgegeben. Verpflichtungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen Daten bestehen unverändert fort.
Sozialversicherungs- und Steuerfolgen
Versicherungspflicht bei bezahlter und unbezahlter Freistellung
Bei bezahlter Freistellung laufen Entgelt, Meldungen und Beiträge in der Regel weiter. Bei unbezahlter Freistellung können Versicherungspflicht, Beitragszahlung und Meldetatbestände abweichen. Die Einstufung richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung und Dauer der Unterbrechung.
Betriebliche Altersversorgung und sonstige Leistungen
Die Behandlung von Anwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung, von Dienstwagen, Versicherungen und weiteren Nebenleistungen hängt von den vertraglichen Grundlagen und der Art der Freistellung ab.
Abfindung und Freistellung
Freistellungen treten häufig zusammen mit Beendigungsvereinbarungen auf. Die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Abfindungen ist getrennt von der Vergütung während der Freistellung zu betrachten.
Betriebliche Mitbestimmung und Kollektivrecht
Mitbestimmungsrechte bei Anordnung
Die Anordnung von Freistellungen kann Mitbestimmungsrechte auslösen, insbesondere wenn Arbeitszeit- oder Ordnungsverhalten berührt werden. Kollektivvereinbarungen können Ausgestaltung, Verfahren und Kriterien festlegen.
Freistellung für Interessenvertretungen
Mitglieder betrieblicher Interessenvertretungen können unter bestimmten Voraussetzungen vollständig oder teilweise von der Arbeitspflicht befreit werden, um Mandatsaufgaben wahrzunehmen. Umfang und Ausgestaltung ergeben sich aus den einschlägigen Regeln.
Freistellung in Vertrags- und Haftungskonstellationen
Freistellung von Ansprüchen Dritter (Indemnität)
Inhalt und Reichweite
Eine Freistellungsklausel verpflichtet eine Partei, die andere von Ansprüchen Dritter oder von bestimmten Kosten freizuhalten. Erfasst sein können Schadensersatzforderungen, Rechtsverfolgungskosten oder Vertragsstrafen. Reichweite und Voraussetzungen ergeben sich aus der Klauselfassung.
Verteidigung, Kosten und Zusammenarbeitspflichten
Üblich sind Regelungen zur Anspruchsabwehr, zur Auswahl von Rechtsbeiständen, zur Kostenübernahme und zur Informationspflicht. Oft wird festgelegt, wer die Verteidigung führt und welche Zustimmungserfordernisse für Vergleiche gelten.
Grenzen der Freistellung
Grenzen folgen aus allgemeinen Haftungsprinzipien, Transparenzanforderungen und Angemessenheitskontrollen von Vertragsklauseln. Eine Freistellung für vorsätzliches Fehlverhalten wird regelmäßig eingeschränkt oder ausgeschlossen.
Haftpflichtversicherung als Freisteller
Befreiung und Schadensregulierung
Haftpflichtversicherungen haben typischerweise die Aufgabe, Versicherte durch Zahlung an den Geschädigten oder durch Abwehr unbegründeter Ansprüche freizustellen. Die Freistellung erfolgt im Rahmen des versicherten Risikos und der vereinbarten Deckungssummen.
Abwehr unbegründeter Ansprüche
Die Freistellung umfasst auch die Prüfung und Abwehr nicht berechtigter Forderungen, einschließlich der Übernahme von Verteidigungskosten nach Maßgabe des Versicherungsvertrags.
Freistellung in Organ- und Dienstverträgen
In Organ- und Dienstverträgen (z. B. bei Geschäftsführungen) sind Freistellungsklauseln und Haftungsfreistellungen verbreitet. Sie regeln häufig die Abgrenzung zwischen persönlicher Haftung, D&O-Versicherungsdeckung und einer vertraglichen Freistellung durch die Gesellschaft.
Freistellung im öffentlichen Dienst und bei Bürgerpflichten
Dienstliche Freistellungen
Im öffentlichen Dienst bestehen geregelte Freistellungsansprüche für Aus- und Fortbildung, Mandatsausübung oder öffentliche Aufgaben. Umfang, Vergütung und Nachweispflichten sind durch einschlägige Regelwerke bestimmt.
Ehrenamt und Bürgerpflichten
Für bestimmte Ehrenämter und Bürgerpflichten (z. B. Gerichtstermine als Laienrichter, Wahlhelfer, Katastrophenschutz) werden Freistellungen gewährt. Übliche Themen sind Verdienstausfall, Aufwendungsersatz und die Koordination mit der dienstlichen Tätigkeit.
Verfahrensfragen und Dokumentation
Form, Inhalt und Dauer
Freistellungen sollten Beginn, Dauer, Widerruflichkeit, Vergütung, Anrechnung von Urlaub oder Zeitguthaben, Umgang mit Arbeitsmitteln, Erreichbarkeit und etwaige Nebenbeschäftigungen klar regeln. Bei längerfristigen Freistellungen sind Hinweise zu Sozialversicherung und Nebenleistungen bedeutsam.
Wirkung gegenüber Dritten
Je nach Konstellation können Mitteilungen an innerbetriebliche Stellen, Interessenvertretungen oder externe Institutionen erforderlich sein, etwa im Zusammenhang mit Versicherungen oder arbeitsmarktbezogenen Meldungen.
Beendigung der Freistellung
Die Freistellung endet mit Ablauf der vereinbarten Dauer, durch Widerruf (bei widerruflicher Freistellung) oder mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Offene Themen betreffen häufig Restvergütung, Rückgabe von Gegenständen, Zugriffsrechte und die Abwicklung variabler Vergütungen.
Abgrenzungen zu verwandten Begriffen
Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Sabbatical, Ruhen, Kurzarbeit, Homeoffice
Urlaub dient der Erholung und folgt eigenen Regeln. Arbeitsunfähigkeit ist gesundheitsbedingt. Sabbaticals beruhen auf Vereinbarungen über Freistellung und Zeitwertkonten. Beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses ruhen Hauptpflichten umfassend. Kurzarbeit ist eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit mit besonderen Entgeltregeln. Homeoffice ist keine Freistellung, da die Arbeitspflicht fortbesteht.
Freistellungsauftrag bei Kapitalerträgen
Der Freistellungsauftrag im Steuer- und Bankwesen ist begrifflich verwandt, bezeichnet aber die Anweisung an ein Kreditinstitut, Kapitalerträge bis zu einem bestimmten Betrag vom Steuerabzug freizustellen. Er ist von der arbeits- und haftungsrechtlichen Freistellung zu unterscheiden.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Freistellung im Arbeitsverhältnis konkret?
Freistellung bedeutet die Befreiung von der Pflicht zur Arbeitsleistung, während das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Vergütung, Erreichbarkeit, Rückrufrecht, Urlaubsanrechnung und Nebentätigkeiten hängen von der konkreten Ausgestaltung ab.
Worin liegt der Unterschied zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung?
Bei widerruflicher Freistellung kann der Arbeitgeber die Arbeitsleistung wieder anfordern. Unwiderrufliche Freistellung schließt einen Rückruf aus und ist insbesondere für die Urlaubsanrechnung und die Ausübung von Nebentätigkeiten bedeutsam.
Wird während der Freistellung weiterhin Gehalt gezahlt?
Bei bezahlter Freistellung wird die Vergütung fortgezahlt. Bei unbezahlter Freistellung entfällt sie. Ob variable Vergütungen oder Boni erfasst sind, hängt von den zugrunde liegenden Regelungen ab.
Darf während der Freistellung eine Nebentätigkeit ausgeübt werden?
Das richtet sich nach Wettbewerbsverbot, Nebentätigkeitsklauseln und der Art der Freistellung. Tätigkeiten, die in Konkurrenz zum Arbeitgeber stehen oder Pflichten verletzen, sind in der Regel unzulässig.
Kann Urlaub während einer Freistellung angerechnet werden?
Urlaub kann angerechnet werden, wenn die Voraussetzungen der Urlaubsgewährung erfüllt sind und die Freistellung entsprechend bestimmt ist. Die Unterscheidung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung ist hierbei relevant.
Was umfasst eine Freistellungsklausel in Verträgen?
Sie verpflichtet eine Partei, die andere von bestimmten Ansprüchen Dritter oder Kosten freizuhalten. Umfang, Voraussetzungen, Abwehrrechte und Kostenübernahme ergeben sich aus der jeweiligen Klausel.
Welche Rolle spielt die Haftpflichtversicherung bei der Freistellung von Ansprüchen?
Haftpflichtversicherungen stellen Versicherte frei, indem sie berechtigte Ansprüche regulieren oder unbegründete Ansprüche abwehren und dabei die vereinbarten Deckungen beachten.