Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Arbeitsrecht»Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis

Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis


Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis bezeichnet in der deutschen Arbeitsrechtswissenschaft und -praxis eine spezifische Situation, in der zwischen den Parteien zwar (zumindest vermeintlich) ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, dieser jedoch mit wesentlichen rechtlichen Fehlern behaftet ist. Das Konzept erhält besondere Bedeutung im Kontext von Nichtigkeit, Anfechtung oder anderen Gründen, die einer ordnungsgemäßen Begründung oder Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses entgegenstehen. Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen Vertragsrecht und Arbeitsrecht dar und trägt dazu bei, praktische und faire Lösungen für Stakeholder im Arbeitsverhältnis zu ermöglichen.

Begriff und Bedeutung des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis beschreibt eine arbeitsrechtliche Konstellation, bei der der zugrundeliegende Arbeitsvertrag (aus Gründen wie Formmängeln, bestehendem Verstoß gegen gesetzliche Verbote oder fehlender Geschäftsfähigkeit) nichtig oder anfechtbar ist. Gleichwohl wird das Arbeitsverhältnis tatsächlich durchgeführt – typischerweise in Form von Arbeitsleistungen und Lohnzahlungen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Wahrung praktischer Billigkeit wird das Arbeitsverhältnis manchmal trotz des Mangels wie ein wirksames Arbeitsverhältnis behandelt, allerdings beschränkt auf den Zeitraum bis zur Feststellung des Fehlers und des rechtlichen Endes.

Dogmatischer Ansatz

Im deutschen Arbeitsrecht existiert kein ausdrückliches gesetzliches Leitbild des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses; es handelt sich um eine von der Rechtsprechung entwickelte Figur. Sie dient dazu, die Auswirkungen absoluter oder relativer Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrags in ein ausgewogenes Verhältnis zu den Interessen der Beteiligten zu bringen.

Rechtliche Grundlagen und Fallgruppen

Nichtigkeit des Arbeitsvertrags

Gründe für eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrags können u.a. folgende sein:

  • Formmängel: Gemäß § 623 BGB ist für bestimmte Vertragsarten Schriftform vorgeschrieben. Bei Missachtung kann Nichtigkeit vorliegen.
  • Verstöße gegen Verbotsgesetze: Verträge, die gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen, sind nichtig.
  • Handlungs- bzw. Geschäftsunfähigkeit: Verträge mit oder durch geschäftsunfähige Personen sind unwirksam (§ 105 BGB).

Anfechtung und Rückabwicklung

Ein Arbeitsverhältnis kann auch durch eine wirksame Anfechtung rückwirkend beseitigt werden (§§ 119, 123 BGB). Typische Anfechtungsgründe sind Irrtum, Täuschung oder Drohung.

Unwirksamkeit durch fehlende behördliche Genehmigung

In bestimmten Fällen, etwa bei Ausländern ohne Arbeitserlaubnis, kann das Arbeitsverhältnis mangels behördlicher Genehmigung nichtig sein.

Rechtsfolgen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses

Wirkungen bis zur Entdeckung des Fehlers

Die Beteiligten behandeln das fehlerhafte Arbeitsverhältnis meist wie ein wirksames, insbesondere hinsichtlich der gegenseitigen Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Vergütung). Für diesen Zeitraum greift entsprechend der Grundsatz „faktisches Arbeitsverhältnis“. In der Regel behalten Arbeitnehmer für geleistete Arbeit einen Entgeltanspruch; zugleich entsteht eine Sozialversicherungspflicht.

Rückabwicklung und Bereicherungsrecht

Mit der rechtlichen Beendigung (z.B. durch Nichtigkeitsfeststellung oder erfolgreiche Anfechtung) stellt sich die Frage der Rückabwicklung. Grundsätzlich könnten die erbrachten Leistungen nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) zurückgefordert werden. Die Rechtsprechung modifiziert dies allerdings im Interesse des Arbeitnehmerschutzes und nimmt regelmäßig eine sogenannte „Saldotheorie“ an, bei der keine Rückzahlung von Lohn für bereits geleistete Arbeit verlangt wird.

Kündigungsschutz und formelle Anforderungen

Vor Beendigung des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses bedarf es häufig dennoch einer formellen Beendigungserklärung, in Form einer Kündigung oder Anfechtungserklärung. Nach vorherrschender Meinung finden auch in fehlerhaften Arbeitsverhältnissen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes (wie im Kündigungsschutzgesetz) Anwendung, um Arbeitnehmerschutz aufrechtzuerhalten.

Abgrenzung zu anderen arbeitsrechtlichen Konstellationen

Faktisches Arbeitsverhältnis

Das faktische Arbeitsverhältnis beschreibt eine Situation, in der trotz materiell-rechtlicher Unwirksamkeit ein Arbeitsverhältnis tatsächlich gelebt wird. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis sind fließend; häufig werden beide Begriffe synonym verwendet.

Schein- und Scheinarbeitsverhältnis

Bei einem Scheinarbeitsverhältnis wird der Vertrag nur zum Schein abgeschlossen (§ 117 BGB). Anders als beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis fehlt hier der ernsthafte Leistungswille, sodass kein Anspruch auf Lohn oder Arbeitsleistung entsteht.

Anstellungsverhältnis und freie Mitarbeit

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis ist abzugrenzen von Anstellungsverhältnissen, die von vornherein als Dienstverhältnis oder freier Mitarbeit ausgestaltet wurden. Gerade bei Scheinselbstständigkeit können nachträglich rechtliche Folgen eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses eintreten, etwa Nachzahlungen von Sozialabgaben.

Praktische Bedeutung und Anwendungsbeispiele

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis hat erhebliche praktische Bedeutung, etwa in folgenden Fällen:

  • Einstellung trotz Arbeitsverbots (z.B. fehlende Arbeitserlaubnis)
  • Tätigkeit Minderjähriger ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten
  • Beschäftigung unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
  • Verträge, die auf Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen beruhen, die später aufgehoben werden

In der Praxis wird der Schutz des Arbeitnehmers besonders betont, um die soziale Schutzfunktion des Arbeitsrechts zu gewährleisten.

Fazit

Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis ist eine zentrale Handhabung im deutschen Arbeitsrecht, die die konsequente Anwendung starrer zivilrechtlicher Vorschriften durch arbeitsrechtliche Billigkeitserwägungen abmildert. Ziel ist die Vermeidung unbilliger Ergebnisse für die Beteiligten und insbesondere der Schutz des Arbeitnehmers vor existenzbedrohenden Rückabwicklungen. Das Rechtsinstitut bleibt ein dynamischer Bereich, geprägt von ständiger Fortentwicklung durch die Gerichte.

Weiterführende Literatur und Rechtsprechung

  • Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16.02.1983 – 7 AZR 429/80
  • Richard Giesen: „Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis“, NZA 1994, 81
  • §§ 612, 613, 134, 138, 105, 117, 812 ff. BGB
  • § 623 BGB
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Hinweis: Dieser Artikel dient der sachlichen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Für die individuelle Beurteilung von Fällen empfiehlt sich die Konsultation qualifizierter Beratungsstellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Schritte stehen Arbeitnehmern bei einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis zur Verfügung?

Arbeitnehmer haben bei einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Zunächst kommt eine außergerichtliche Klärung mit dem Arbeitgeber in Betracht, etwa durch eine förmliche Beschwerde gemäß § 84 BetrVG oder durch Inanspruchnahme des Betriebsrats. Führt dies nicht zum Erfolg, können Ansprüche wie Lohnnachzahlungen, Korrektur von Arbeitszeugnissen oder die Anerkennung eines ordentlichen Arbeitsvertrages vor dem zuständigen Arbeitsgericht eingeklagt werden. Das Arbeitsgericht prüft dann die Wirksamkeit von Verträgen, Änderungsvereinbarungen oder Umständen des Vertragsschlusses. Auch kann im Fall des Fehlens eines schriftlichen Arbeitsvertrags nach § 2 NachwG die Ausstellung einer Niederschrift gefordert werden. Empfehlenswert ist die zeitnahe Geltendmachung etwaiger Rechte, da tarifliche oder gesetzliche Ausschlussfristen zu beachten sind.

Welche Rolle spielt die Nachträgliche Heilung bei Formmängeln eines Arbeitsvertrages?

Ist ein Arbeitsvertrag fehlerhaft, etwa weil notwendige Schriftformvorschriften nicht eingehalten wurden (§ 14 Abs. 4 TzBfG bei Befristungen), kann eine sogenannte Heilung möglich sein. Diese erfolgt etwa dann, wenn das Arbeitsverhältnis ungeachtet des Formmangels tatsächlich durchgeführt wurde. Im Falle nicht schriftlich fixierter Befristungen gilt laut Rechtsprechung der Vertrag dann als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine rückwirkende Behebung des Mangels durch nachträgliche Unterzeichnung ist hingegen nicht in allen Fällen zulässig. Auch ist zu prüfen, ob etwaige spezielle Formerfordernisse nach KSchG, BBiG oder anderen Gesetzen vorliegen. Die rechtliche Zulässigkeit und Wirkung der Heilung kann je nach Fallkonstellation unterschiedlich bewertet werden.

Welche möglichen Kündigungsfolgen bestehen bei Feststellung eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses?

Eine Kündigung im Zusammenhang mit einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis kann rechtlich unterschiedlich beurteilt werden. Wurde der Arbeitsvertrag etwa nie wirksam abgeschlossen, spricht man rechtlich nicht von einer ordentlichen Kündigung, sondern von einer Beendigung eines faktischen Arbeitsverhältnisses. War das Arbeitsverhältnis mangels Wirksamkeit des Vertrages nicht entstanden, kann der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis jederzeit ohne Kündigung beenden. War hingegen ein Arbeitsverhältnis faktisch entstanden, bestehen zumindest Ansprüche auf Vergütung für bereits geleistete Arbeit, unter Umständen sogar auf Kündigungsschutz, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Fehlt es an einer notwendigen Schriftform für eine wirksame Kündigung (§ 623 BGB), bleibt die Kündigung unwirksam.

Welche Verjährungs- und Ausschlussfristen gelten bei Ansprüchen aus einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis?

Ansprüche aufgrund eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses unterliegen sowohl der gesetzlichen Verjährung nach §§ 194 ff. BGB als auch ggf. vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfristen. Häufig gelten in Tarifverträgen kurze Fristen, innerhalb derer Ansprüche schriftlich geltend gemacht werden müssen (zum Beispiel drei Monate). Nach Ablauf der Verjährung oder Ausschlussfrist können Ansprüche wie Vergütungsnachforderungen oder Schadensersatz nicht mehr durchgesetzt werden. Bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten muss eine bestimmte Frist ab Zugang einer Kündigung eingehalten werden, insbesondere die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber bei Entdeckung eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses?

Wird einem Arbeitgeber ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis (z. B. durch Formmängel, fehlende Vertragsbestandteile oder irrtümliche Beschäftigung) bekannt, hat er unverzüglich zu prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um Schäden und Haftungsrisiken zu vermeiden. Dazu kann die Korrektur und schriftliche Fixierung aller ausstehenden Vertragsbestandteile gehören. Wird ein Arbeitsvertrag nachträglich korrigiert, müssen dabei alle Rechtsvorschriften, wie das Nachweisgesetz oder spezielle Vorgaben (etwa bei Befristungen), eingehalten werden. Unter Umständen besteht Informations- oder Aufklärungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer und Behörden, etwa bei der Sozialversicherung.

Wie wirkt sich ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis auf Sozialversicherungsansprüche aus?

Auch wenn ein Arbeitsverhältnis fehlerhaft ist oder formale Mängel aufweist, kann dennoch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen, wenn die tatsächliche Leistung von Arbeit gegen Entgelt erfolgt. Nach dem sogenannten „Beschäftigtenbegriff“ prüft die Deutsche Rentenversicherung die tatsächlichen Umstände. Kommt sie zu dem Schluss, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, sind auch die Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen – unabhängig davon, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag vorlag. Fehlende Meldungen oder Beitragszahlungen können Nachforderungen, Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Besonderheiten gelten bei Minderjährigen und fehlerhaften Arbeitsverhältnissen?

Bei minderjährigen Arbeitnehmern ist besonders auf die gesetzlichen Vertretungsregelungen zu achten. Ein Arbeitsvertrag bedarf grundsätzlich der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (§ 113 BGB). Fehlt diese Zustimmung und wird das Arbeitsverhältnis dennoch begonnen, ist es schwebend unwirksam. Dies gilt insbesondere für Ausbildungsverhältnisse. Wird das Arbeitsverhältnis ohne die erforderliche Einwilligung durchgeführt, können Vergütungsansprüche dennoch entstehen, allerdings ist eine nachträgliche Genehmigung durch die Eltern erforderlich, um das Arbeitsverhältnis zu heilen. Auch das Jugendarbeitsschutzgesetz ist zwingend zu beachten.