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Fehlerhafte Gesellschaft

Fehlerhafte Gesellschaft: Begriff und Grundidee

Die fehlerhafte Gesellschaft ist eine anerkannte rechtliche Figur für Fälle, in denen eine Gesellschaft zwar mit einem Mangel gegründet wurde, die Beteiligten jedoch bereits zusammengewirkt, Beiträge geleistet und am Rechtsverkehr teilgenommen haben. Trotz eines Gründungsmangels wird die Gesellschaft für die Vergangenheit und Gegenwart grundsätzlich wie wirksam behandelt. Ein rückwirkender Wegfall wird regelmäßig vermieden. Stattdessen erfolgt eine Beendigung nur für die Zukunft mit geordneter Abwicklung. Ziel ist der Schutz des Vertrauens der Beteiligten und Dritter sowie die Vermeidung unpraktikabler Rückabwicklungen.

Abgrenzungen

Fehlerhafte Gesellschaft versus nichtige Gesellschaft

Bei einer fehlerhaften Gesellschaft liegt zwar ein Mangel vor, der die Gründung an sich in Frage stellt, die beteiligten Personen haben aber bereits gesellschaftlich zusammengewirkt. Die Nichtigkeit wird dann zugunsten einer Behandlung als wirksame Gesellschaft bis zur Beendigung zurückgedrängt. Dagegen ist eine Gesellschaft nichtig, wenn trotz Mangels keine gemeinsame Tätigkeit aufgenommen wurde oder überwiegende Gründe des Allgemeininteresses eine rückwirkende Beseitigung verlangen.

Abgrenzung zur Scheingesellschaft

Eine Scheingesellschaft liegt vor, wenn nach außen ein gesellschaftlicher Zusammenschluss vorgetäuscht wird, ohne dass ein tragfähiger Gesellschaftsvertrag und ein gemeinsamer Zweck bestehen. Die fehlerhafte Gesellschaft setzt demgegenüber einen tatsächlich gewollten Zusammenschluss mit gemeinsamem Zweck voraus, bei dem lediglich Gründungs- oder Beitrittsmängel bestehen.

Abgrenzung zu Vor- und Gründungssituationen

Von der fehlerhaften Gesellschaft zu unterscheiden sind Phasen vor der endgültigen Entstehung einer Rechtsform, etwa vorbereitende Zusammenschlüsse oder eine Gesellschaft in Gründung. Diese Konstellationen folgen eigenen Regeln, die teilweise unabhängig von der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft wirken.

Voraussetzungen der fehlerhaften Gesellschaft

Gesellschaftsvertrag mit Mangel

Ausgangspunkt ist ein Gesellschaftsvertrag oder Beitritt mit einem Fehler, etwa wegen Formverstoß, fehlender Zustimmung, Irrtum, Täuschung, Drohung, beschränkter Geschäftsfähigkeit oder fehlender behördlicher Erlaubnis. Der Mangel betrifft die Wirksamkeit der Vereinbarung, nicht das Fehlen eines gemeinsamen Zwecks.

Aufnahme der Tätigkeit und Vertrauenstatbestand

Die Beteiligten müssen die gesellschaftliche Tätigkeit aufgenommen, Beiträge geleistet oder am Markt teilgenommen haben. Dadurch entsteht ein Vertrauenstatbestand, der rückwirkende Nichtigkeitsfolgen als unbillig erscheinen lässt. Maßgeblich ist eine tatsächliche Zusammenarbeit, die über eine bloße Vorbereitung hinausgeht.

Keine zwingenden Nichtigkeitsgründe von überragendem Gewicht

Die Lehre greift typischerweise nicht ein, wenn besonders gewichtige Interessen entgegenstehen, zum Beispiel bei sittenwidrigem Zweck, gravierenden Verstößen gegen Verbote oder nicht behebbaren Erlaubnispflichten. In solchen Fällen kann eine rückwirkende Nichtigkeit bestehen bleiben.

Rechtsfolgen

Grundsatz: Wirksamkeitsfiktion bis zur Beendigung

Die fehlerhafte Gesellschaft wird so behandelt, als sei sie bis zur Beendigung wirksam. Die rückwirkende Vernichtung wird durch eine Beendigung für die Zukunft ersetzt. Ein Rücktritt oder eine Anfechtung führt daher regelmäßig nicht zu vollständiger Rückabwicklung, sondern zur Auflösung und Abwicklung nach gesellschaftsrechtlichen Regeln.

Innenverhältnis: Beiträge, Gewinne, Verluste und Auseinandersetzung

Für die Zeit bis zur Beendigung gelten die vereinbarten Regeln über Beiträge, Gewinn- und Verlustverteilung entsprechend. Ansprüche auf Rückgewähr von Leistungen richten sich nicht nach allgemeinem Bereicherungsrecht, sondern nach den Grundsätzen der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung. Bei Beendigung ist eine Abrechnung aufzustellen, in der Vermögen, Forderungen und Verbindlichkeiten erfasst und zwischen den Beteiligten verteilt werden. Ersatzansprüche wegen Verschuldens können daneben in Betracht kommen, ohne dass hierdurch der Grundsatz der Abwicklung im Gesellschaftsrecht verdrängt wird.

Außenverhältnis: Schutz Dritter und Haftungsfolgen

Gegenüber Dritten wirkt die fehlerhafte Gesellschaft grundsätzlich wie wirksam. Geschäftspartner sollen darauf vertrauen dürfen, dass die entstandenen Verpflichtungen gelten. Für Personengesellschaften bedeutet dies regelmäßig eine Haftung mit dem Gesellschaftsvermögen und – je nach Rechtsform – eine persönliche Haftung der Mitwirkenden. Rechtsschein und Publizität von Auftritten nach außen verstärken diesen Schutzgedanken.

Anwendungsbereich nach Rechtsformen

Personengesellschaften (GbR, OHG, KG)

Bei Personengesellschaften ist die Lehre besonders prägend. Haben die Beteiligten mit dem gemeinsamen Zweck begonnen und sind am Rechtsverkehr beteiligt, wird trotz Gründungsmangels im Interesse der Kontinuität und der Verkehrssicherheit von einer fehlerhaften Gesellschaft ausgegangen. Die Abwicklung erfolgt nach den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regeln für die Auseinandersetzung.

Kapitalgesellschaften (GmbH, AG)

Bei Kapitalgesellschaften greifen besondere Gründungs- und Registeranforderungen. Nach Eintragung im Register bestehen stark formalisierte Stabilitätsmechanismen. Die Tragweite der Lehre ist hier daher eingeschränkt, weil spezialgesetzliche Nichtigkeits- und Heilungsmechanismen überwiegen. In vorbereitenden Phasen oder bei nicht eingetragenen Konstellationen können jedoch ähnliche Schutzzwecke in Betracht kommen, wobei eigenständige Grundsätze des Gründungsrechts zu beachten sind.

Vereine, Partnerschafts- und Genossenschaftsformen

Für andere Körperschaften mit zwingenden Gründungsvoraussetzungen ist der Anwendungsbereich begrenzt. Überwiegende Register- und Formanforderungen können einer Anwendung der Lehre entgegenstehen. Gleichwohl kann die Idee, tatsächlich gelebte Zusammenschlüsse bis zur ordnungsgemäßen Beendigung zu stabilisieren, in Randbereichen eine Rolle spielen.

Beendigung und Abwicklung

Beendigungsmechanismus

Wird der Gründungsmangel geltend gemacht, führt dies bei der fehlerhaften Gesellschaft nicht zur Rückabwicklung ab Beginn, sondern zur Beendigung für die Zukunft. Die Gesellschaft tritt in ein Abwicklungsstadium ein. Bis zur Vollbeendigung gelten Abwicklungsregeln, um laufende Geschäfte zu beenden und Verpflichtungen zu erfüllen.

Auseinandersetzung

Die Beteiligten erstellen eine Abrechnungsrechnung, erfassen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, gleichen Konten aus, zahlen Gläubiger und verteilen verbleibende Überschüsse entsprechend den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Individuelle Rückzahlungsansprüche losgelöst vom Gesellschaftsverhältnis treten zurück, solange eine geordnete Auseinandersetzung möglich ist.

Besonderheiten

Minderjährige und beschränkt Geschäftsfähige

Fehlende oder fehlerhafte Zustimmung kann einen Gründungsmangel begründen. Wird die Gesellschaft gleichwohl gelebt, kann die Lehre greifen. Bestimmte Schutzmechanismen für Betroffene bleiben unberührt; zugleich wird ein geordnetes Abwickeln ermöglicht, ohne Dritte schutzlos zu stellen.

Formmängel

Ist eine besondere Form vorgeschrieben und nicht eingehalten, kann bei tatsächlich gelebter Zusammenarbeit die fehlerhafte Gesellschaft eingreifen und eine rückwirkende Nichtigkeit vermeiden, solange keine überwiegenden Gründe entgegenstehen. Für besonders strenge Formzwänge kann die Anwendung eingeschränkt sein.

Erlaubnispflichtige Tätigkeiten

Fehlt eine notwendige behördliche Erlaubnis, steht dies einer Anwendung der Lehre entgegen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit ohne Erlaubnis unzulässig ist. Wo Erlaubnismängel heilbar sind oder Nebenfragen betreffen, kann im Einzelfall eine Stabilisierung bis zur Beendigung in Betracht kommen.

Sittenwidrige oder gesetzeswidrige Zwecke

Bei gesellschaftlichen Zwecken, die in gravierender Weise gegen die Rechtsordnung oder die guten Sitten verstoßen, scheidet die fehlerhafte Gesellschaft regelmäßig aus. In solchen Fällen überwiegt das Interesse an der rückwirkenden Beseitigung.

Verhältnis zu verwandten Rechtsfiguren

Vorgründungs- und Vorgesellschaft

In frühen Phasen, insbesondere vor Registereintragungen, bestehen eigenständige Regeln, die die Haftung und Handlungsfähigkeit bis zur endgültigen Entstehung ordnen. Diese stehen neben der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft und folgen eigenen Strukturprinzipien.

Gesellschaft in Gründung

Während der Gründungsphase bestehende Zusammenschlüsse sind arbeitsfähig, aber noch nicht endgültig verfestigt. Die fehlerhafte Gesellschaft setzt demgegenüber bereits eine gelebte Tätigkeit voraus, bei der ein Mangel die Wirksamkeit in Frage stellt.

Innengesellschaft

Bei Innengesellschaften entfaltet sich die gesellschaftliche Zusammenarbeit vorwiegend im Innenverhältnis. Auch hier kann die Lehre eingreifen, wenn Beiträge erbracht und gemeinsame Aktivitäten aufgenommen wurden, die eine geordnete Abwicklung erfordern.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet fehlerhafte Gesellschaft in einfachen Worten?

Es handelt sich um einen Zusammenschluss mit Gründungsmangel, der jedoch bereits tatsächlich gelebt wurde. Anstatt alles rückwirkend zu vernichten, wird die Gesellschaft bis zur Beendigung wie wirksam behandelt und anschließend geordnet abgewickelt.

Wann liegt eine fehlerhafte Gesellschaft vor?

Wenn ein Gesellschaftsvertrag oder Beitritt mangelhaft ist, die Beteiligten aber mit Beiträgen und Tätigkeit begonnen haben und keine überwiegenden Gründe eine rückwirkende Nichtigkeit verlangen. Maßgeblich ist die tatsächliche Zusammenarbeit und das entstandene Vertrauen.

Welche Folgen hat die Einordnung im Innenverhältnis?

Beiträge, Gewinne und Verluste werden bis zur Beendigung nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen behandelt. Bei Auflösung erfolgt eine Auseinandersetzung mit Abrechnung und Verteilung, nicht eine vollständige Rückabwicklung, als hätte es die Gesellschaft nie gegeben.

Wie werden Dritte geschützt?

Gegenüber Dritten gilt die fehlerhafte Gesellschaft grundsätzlich als wirksam. Verpflichtungen bleiben bestehen, und die für die jeweilige Rechtsform typischen Haftungsregeln greifen. So wird das Vertrauen des Rechtsverkehrs gesichert.

Gilt die Lehre auch für Kapitalgesellschaften?

Bei Kapitalgesellschaften ist die Anwendung eingeschränkt, weil strenge Gründungs- und Registervorgaben sowie besondere Nichtigkeits- und Heilungsmechanismen bestehen. In Vor- oder Gründungssituationen können jedoch ähnliche Schutzgedanken eine Rolle spielen.

Welche Rolle spielt die Eintragung in ein Register?

Die Eintragung kann die Rechtsform verfestigen und spezialgesetzliche Stabilitätsregeln auslösen. Dadurch tritt die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft zurück. Ohne Eintragung oder in Vorphasen können die Grundsätze eher eingreifen.

Kann eine fehlerhafte Gesellschaft rückwirkend beseitigt werden?

In der Regel nicht. Sie wird für die Vergangenheit wie wirksam behandelt und nur für die Zukunft beendet. Eine rückwirkende Nichtigkeit kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa bei gravierenden Verstößen mit überragendem Gewicht.

Worin unterscheidet sie sich von der Scheingesellschaft?

Bei der fehlerhaften Gesellschaft wollten die Beteiligten tatsächlich zusammenarbeiten und haben dies getan; es liegt nur ein Mangel vor. Die Scheingesellschaft täuscht lediglich einen Zusammenschluss vor, ohne echten gemeinsamen Zweck.