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Fehde


Begriff und Ursprung der Fehde

Die Fehde (vom althochdeutschen fehida = Feindschaft, Streit) bezeichnet ein historisches Institut des Rechts, das vor allem im Mittelalter auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches verbreitet war. Im Kern ist die Fehde ein privatrechtlich ausgetragener Konflikt, bei dem eine Partei als Reaktion auf angebene oder tatsächliche Rechtsverletzungen zur Selbsthilfe – bis hin zur Gewaltanwendung – gegen eine andere Partei greift. Die Fehde wurde durch bestimmte rechtliche und soziale Normen geregelt, wodurch sie eine Form institutionalisierten Konfliktaustrags mit eigenem Rechtscharakter bildete.

Rechtliche Grundlagen und Entwicklung

Fehde als Rechtsinstitut

Die Fehde war ursprünglich kein widerrechtlicher Zustand, sondern eine im Rahmen des mittelalterlichen Rechtes anerkannte Form der Rechtsverfolgung. Im Fehdewesen versuchten Adelige, Städte oder andere berechtigte Parteien, einen als unrecht empfundenen Zustand eigenständig zu beseitigen, sofern andere Wege der Rechtserlangung – wie die Anrufung eines Gerichts oder die Vermittlung durch einen Landesherrn – wirkungslos geblieben oder nicht verfügbar waren. Der Gedanke der Kompensation oder Rache, beispielsweise im Rahmen der Blutrache, schwang vielfach mit.

Rechtmäßige Fehde und Fehdeordnung

Um die Eskalation von Gewalt zu verhindern, unterlagen Fehden bestimmten Regeln. Im 12. Jahrhundert wurde die Praxis institutionalisiert, indem eine Fehde zuvor durch Fehdebrief (lat. diffidatio, “Absage”) angekündigt werden musste. Ohne diese sogenannte Diffidatio galt jede Gewaltanwendung als unrechtmäßige Handlung und konnte sanktioniert werden. Mit der Zeit versuchten Richtlinien wie der “Gottesfrieden” (Treuga Dei) bestimmte Personengruppen, Zeiten und Orte von der Fehde auszunehmen. Auch die berüchtigte “Acht” oder Reichsacht, eine Form der Rechtsstrafe, spielte im Zusammenhang mit Fehdetätigkeiten eine zentrale Rolle.

Formen und Typen der Fehde

Privat- und Standesfehde

  • Privatfehde: Die Form der Fehde zwischen Einzelpersonen, Familien oder kleineren Personengruppen zur Vergeltung oder Wiedergutmachung einer als unrecht empfundenen Handlung.
  • Standesfehde: Insbesondere zwischen Adelsgeschlechtern oder Städten war die Fehde ein Instrument zur Austragung von Macht- und Besitzkonflikten. Die Fehde erhielt hier eine kollektive, zum Teil sogar politische Dimension.

Die Städtefehde und Ritterfehde

  • Städtefehde: Kämpfe zwischen städtischen Verbünden bzw. Städten im Kontext wirtschaftlicher und territorialer Streitigkeiten.
  • Ritterfehden: Vor allem niedere Adelige benutzten die Fehde zur Geltendmachung wirtschaftlicher oder politischer Ansprüche, oft in Form von Raub, Brandschatzung oder Geiselnahme (“Raubrittertum”).

Rechtliche Rahmenbedingungen der Fehde

Voraussetzungen der Fehde

Wer eine Fehde führen wollte, unterlag seit dem Hochmittelalter rechtlichen Schranken:

  • Ankündigungspflicht (Diffidatio): Die erklärende Partei musste dem Gegner Feindschaft androhen, üblicherweise schriftlich und öffentlich.
  • Beachtung des Gottesfriedens: Zeiten, in denen Fehden ausgesetzt sein mussten, vor allem Sonn- und Feiertage sowie bestimmte Zeiträume (zum Beispiel während der Ernte).
  • Ausnahmen und Schutzbereiche: Geistliche, Frauen, Kinder und bestimmte Wirtschaftsbereiche waren von Fehdehandlungen ausgenommen.

Rechtliche Folgen unrechtmäßiger Fehde

Die Fehde ohne vorherige Diffidatio oder im Verstoß gegen anerkannte Friedenszeiten galt als Überfall oder Mord und wurde mit schwerer Ahndung bedroht. Die Sanktionsmöglichkeiten des Reichs- und Landesherrn reichten von Geld- und Freiheitsstrafen bis zur Reichsacht – also dem absoluten Ausschluss aus der Rechtsgemeinschaft und Aller Rechte.

Rolle der Landfrieden und Kriminalisierung der Fehde

Mit der Verbreitung der Landfriedensbewegung ab dem 12. Jahrhundert versuchten Reichs- und Territorialherren, die Selbstjustiz durch Rechtsprechung zu ersetzen. Prägend war der Ewige Landfrieden von 1495 unter Kaiser Maximilian I., der jede Fehde im Heiligen Römischen Reich geächtet und mit Kriminalstrafen belegt hat. Rechtsdurchsetzung und Konfliktlösung wurden nun exklusiv staatlichen Gerichten übertragen.

Die Fehde im modernen Recht

Mit der Einführung des Landfriedens und der Entstehung moderner staatlicher Gerichtsbarkeit verlor die Fehde ihre Rechtsgrundlage. Im heutigen deutschen Recht ist die Fehde explizit untersagt, Selbsthilfe ist grundsätzlich unzulässig (vgl. § 227 BGB: Notwehr, mit engen Ausnahmen). Taten im Stile der historischen Fehde würden heute als Straftaten wie Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung oder schwereren Delikten verfolgt.

Rechtspolitische und soziologische Bedeutung

Die Fehde gilt aus heutiger Sicht als ein Übergangsstadium zwischen vormodernem Eigenmachtrecht und institutionalisierten Formen der Rechtsdurchsetzung. Ihre strikte rechtliche Regelung verweist auf das Bedürfnis nach Begrenzung und Kanalisierung von Gewalt in Gesellschaften mit schwacher zentraler Gewalt. Durch die Kodifizierung in Landfrieden und Fehdeordnungen ist die Fehde ein wichtiger Baustein europäischer Rechtsgeschichte.

Literatur und Quellen

  • Bernd Schildt: Die Fehde im deutschen Mittelalter. Berlin 1985.
  • Gerd Althoff: Fehde und Bündnis. Konfliktregelung und Friedensstiftung im Mittelalter. Darmstadt 1997.
  • Tilman Struve: Recht und Friede: Studien zur Geschichte und Typologie der Fehde in Europa. München 2003.

Weblinks


Hinweis: Die Fehde ist ein historisches Rechtsinstitut und heute in Deutschland und den meisten europäischen Ländern weder anerkannt noch legal. Die vorliegende Darstellung bezieht sich ausschließlich auf ihre historische rechtliche Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen galten im Mittelalter für die Durchführung einer Fehde?

Im Mittelalter unterlag die Fehde bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen, die insbesondere im Heiligen Römischen Reich durch sogenannte „Fehdeordnungen” geregelt waren. Eine der zentralen Vorschriften war die Notwendigkeit der „Fehdeankündigung” (Fehdebrief), die es erforderlich machte, dem Gegner den Konflikt formgerecht und mit angemessener Frist anzukündigen, bevor feindselige Handlungen aufgenommen werden durften. Ziel war hierbei, Überfälle und Mord im Verborgenen von einer regelbasierten, zumindest theoretisch kontrollierten, Auseinandersetzung zu unterscheiden. Zudem galten für bestimmte Orte und Zeiten (wie Märkte, Kirchen, Verkehrsstrecken während des Reichs- oder Landfriedens) besondere Schutzbestimmungen, die Fehdehandlungen ausdrücklich untersagten. Verstöße gegen diese Rahmenbedingungen konnten schwerwiegende juristische Konsequenzen nach sich ziehen, darunter die Reichsacht oder Landverbannung, je nach dem betroffenen Gebiet und der Autorität, die den Frieden gewährt hatte.

Inwieweit war die Fehde ein legitimes Rechtsmittel?

Die Fehde wurde im mittelalterlichen Recht durchaus als legitimes Instrument zur Durchsetzung privater Rechtsansprüche anerkannt, insbesondere solange das staatliche Gewaltmonopol nur schwach ausgeprägt war. Sie galt als eine Form der Selbsthilfe und war für Adelige, Städte und gelegentlich auch für andere Rechtsträger, die eine Kränkung ihrer Rechte oder Ehre erlitten hatten, vorgesehen. Allerdings wurde die Legitimität einer Fehde zunehmend an bestimmte rechtliche Voraussetzungen gebunden, wie die ordnungsgemäße Fehdeankündigung und die Einhaltung des Landfriedens. Mit dem Aufkommen moderner Straf- und Zivilgerichtsbarkeit wurde die Fehde sukzessive als unzulässige Selbstjustiz betrachtet und schließlich rechtlich unter Strafe gestellt. Besonders ab dem 12. Jahrhundert institutionalisierte Autoritäten – namentlich Kaiser und Könige – mehrfach Bestrebungen, das feudale Fehdewesen einzudämmen und den sogenannten Landfrieden durchzusetzen.

Was waren die rechtlichen Konsequenzen einer unrechtmäßigen Fehde?

Wer eine Fehde ohne Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen durchführen ließ oder deren Durchführung nicht ordnungsgemäß ankündigte, verletzte sowohl weltliche als auch kirchliche Vorschriften. Zu den schwerwiegendsten rechtlichen Konsequenzen zählte die Reichsacht, mit der derjenige aus dem Schutz des Reichsrechts ausgeschlossen und rechtlos gestellt wurde. Der Betroffene verlor alle bürgerlichen Rechte und war vogelfrei. Darüber hinaus konnten gegen ihn weitere weltliche und kirchliche Strafen verhängt werden, wie Kirchenbann, Vermögenseinzug, Verbannung oder sogar Enteignung ganzer Besitzungen. Städte und Landesherren konnten zudem Schadensersatzforderungen geltend machen oder militärische Gegenmaßnahmen ergreifen. Insbesondere wiederholte oder besonders brutale Fehdehandlungen verursachten eine nachhaltige Verschärfung der Sanktionen.

Welche Rolle spielte das Landfriedensrecht bei der Eindämmung von Fehden?

Das Landfriedensrecht war einer der entscheidenden Faktoren zur Eindämmung der Fehdepraxis im mittelalterlichen Rechtssystem. Bereits im Frühmittelalter wurden erste Landfriedensgesetze erlassen, um kriegerische Auseinandersetzungen in bestimmten Zeiten oder Gebieten zu untersagen. Das Landfriedensrecht untersagte die eigenmächtige gewaltsame Konfliktaustragung und verpflichtete Betroffene, sich des gerichtlichen Weges zu bedienen. Besonders bedeutend war der Ewige Landfriede von 1495, der sämtliche Fehdehandlungen im Heiligen Römischen Reich grundsätzlich verbot. Ab diesem Zeitpunkt galt das Fehdewesen endgültig als unrechtmäßig, und die gerichtliche Streitbeilegung wurde universell durchgesetzt. Verstöße gegen das Landfriedensrecht zogen im Allgemeinen sehr harte juristische Konsequenzen nach sich.

Welche juristischen Institutionen waren für Fehdeangelegenheiten zuständig?

Die Zuständigkeit für Fehdeangelegenheiten differierte je nach Region und Zeitabschnitt. Im Früh- und Hochmittelalter unterlagen Fehden zumeist der lokalen Herren- oder Stadtherrschaft, oft vermittelt durch feudale oder grundherrschaftliche Gerichte. Mit der Entwicklung des Landfriedensrechts und der Stärkung zentraler Macht organsisierten Reichsgerichte (wie das Reichskammergericht ab 1495) und regionale Landgerichte die Ahndung von Fehdevergehen. Diese Gerichte waren verantwortlich für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fehde, die Vermittlung im Vorfeld sowie für Sanktionen im Fall unrechtmäßiger Fehdehandlungen. Parallel dazu spielten kirchliche Institutionen eine Rolle, indem sie beispielsweise kirchlichen Bann oder Exkommunikation gegenüber Fehdeführern verhängten.

Gab es rechtliche Möglichkeiten zur Beilegung einer Fehde auf dem Verhandlungswege?

Ja, das mittelalterliche Rechtssystem bot verschiedene Instrumente zur Verhandlung und Beilegung von Fehden, ohne dass es zu Gewalthandlungen kommen musste. Hierzu zählten insbesondere Schiedsgerichte, vergleichende Verhandlungen (Vergleiche oder Sühneverträge), aber auch Vermittlungen durch dritte, neutrale Parteien wie Landesfürsten oder kirchliche Würdenträger. Ziel dieser Verfahren war es, Schadenersatzansprüche zu regeln, Ehrenfragen zu klären und Friedensabkommen zu schließen, die als rechtlich verbindlich anerkannt waren. Eine erfolgreiche Schlichtung wurde häufig durch öffentliche Urkunden bekräftigt und von beiden Seiten eidlich besiegelt. Die Entwicklung dieses Instrumentariums war maßgeblich für den Bedeutungsverlust der Fehde als gewaltsames Rechtsmittel.