Begriff und Definition der Falschbezeichnung
Die Falschbezeichnung ist ein rechtlicher Begriff, der insbesondere im deutschen Recht eine wichtige Rolle spielt. Er beschreibt den Umstand, dass die Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses, eines rechtlichen Tatbestandes oder einer Handlung von der tatsächlich gewollten und zugrunde liegenden Rechtslage abweicht. Trotz einer unzutreffenden oder missverständlichen Bezeichnung bestimmt nicht allein die gewählte Formulierung, sondern vielmehr der tatsächliche Wille der Parteien beziehungsweise die objektiven Gegebenheiten die rechtliche Einordnung und Bewertung.
Die Falschbezeichnung wird häufig auch als „falsa demonstratio non nocet“ bezeichnet, was wörtlich übersetzt „eine falsche Bezeichnung schadet nicht“ bedeutet. Ausgangspunkt ist hierbei § 133 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), der bei der Auslegung von Willenserklärungen stets den wirklichen Willen und nicht das buchstäblich Erklärte in den Vordergrund stellt.
Rechtsgrundlagen der Falschbezeichnung
Bürgerliches Recht
Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB)
Im bürgerlichen Recht spielt die Falschbezeichnung insbesondere bei der Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen eine zentrale Rolle. § 133 BGB schreibt vor, dass bei der Auslegung nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften ist, sondern der wirkliche Wille zu erforschen ist. Demnach bleibt eine Willenserklärung auch dann wirksam, wenn der Wortlaut unrichtig oder unvollständig ist, sofern sich ein übereinstimmender Wille feststellen lässt.
Beispiele im Vertragsrecht
Ein klassisches Beispiel für eine Falschbezeichnung ist, wenn Parteien in einem Vertrag von „Kauf“ sprechen, tatsächlich aber ein Mietverhältnis schaffen wollen oder umgekehrt. Die rechtliche Qualifikation richtet sich nicht nach der Bezeichnung, sondern nach Inhalt und Zweck der Vereinbarung.
Strafrechtliche Relevanz
Täuschung durch Falschbezeichnung
Im Strafrecht kann die Falschbezeichnung insbesondere im Zusammenhang mit Täuschungshandlungen und Urkundsdelikten relevant werden. Beispielsweise stellt die Verwendung einer unzutreffenden Bezeichnung zur Verschleierung oder Irreführung regelmäßig einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt dar, insbesondere wenn hierdurch Dritte geschädigt werden sollen.
Falschbezeichnung und Urkundsdelikte
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist das Urkundenrecht. Hier kann eine Falschbezeichnung dazu führen, dass eine Urkunde unwahr oder zumindest missverständlich ist, was wiederum die Voraussetzungen des § 267 StGB (Strafgesetzbuch – Urkundenfälschung) erfüllen kann.
Abgrenzung zu verwandten Rechtsbegriffen
Scheingeschäft (§ 117 BGB)
Die Falschbezeichnung ist strikt vom Scheingeschäft abzugrenzen. Bei einem Scheingeschäft geben die Parteien bewusst eine andere Erklärung ab, als sie tatsächlich wollen, um eine Täuschung über den wahren Rechtsgrund zu erzielen. Bei der Falschbezeichnung liegt hingegen kein Täuschungswille vor; lediglich die Bezeichnung ist unzutreffend, die dahinterstehende Absicht aber auf einen echten Rechtsakt gerichtet.
Inhaltsirrtum und Erklärungsirrtum (§ 119 BGB)
Auch vom Inhalts- und Erklärungsirrtum ist die Falschbezeichnung zu unterscheiden. Während bei der Falschbezeichnung beide Parteien dasselbe meinen, jedoch falsch bezeichnen, liegt beim Inhaltsirrtum ein Irrtum über die Bedeutung einer Erklärung vor. Beim Erklärungsirrtum ist dem Erklärenden die abgegebene Erklärung nicht bewusst oder irrtümlich erfolgt.
Praktische Bedeutung und Anwendungsbereiche
Bedeutung im Geschäftsverkehr
Im geschäftlichen Alltag ist die Falschbezeichnung häufig anzutreffen, etwa bei Verträgen, die zur Beschreibung Leistungen oder Rechtsverhältnisse inkorrekt bezeichnen. Aufgrund des Vorrangs des tatsächlich Gewollten kommt es jedoch darauf an, was Inhalt und Ziel der Erklärung oder des Vertrages sind.
Einfluss auf die Vertragsauslegung und Vertragsgestaltung
Bei Auslegungsschwierigkeiten stützen sich Gerichte regelmäßig auf die tatsächlichen Umstände und die übereinstimmende Vorstellung der Parteien, unabhängig von einer möglicherweise ungenauen oder sogar falschen Bezeichnung.
Auswirkungen in der Rechtspraxis
Im Streitfall kann eine Falschbezeichnung Einfluss auf die Beweiswürdigung und die Anspruchsgrundlage haben. Sie kann zur Anwendung anderer gesetzlicher Vorschriften führen als ursprünglich beabsichtigt, sofern die Parteien eine andere Rechtsfolge gewollt haben als bezeichnend niedergelegt.
Rechtsprechung zur Falschbezeichnung
Die Rechtsprechung betont stets das Primat des wahren Willens gegenüber dem Wortlaut. Zahlreiche Entscheidungen beschäftigen sich damit, inwieweit irrtümliche Bezeichnungen von Verträgen oder Willenserklärungen die rechtliche Wirksamkeit berühren. Grundsätzlich gilt, dass eine Falschbezeichnung die Wirksamkeit nicht tangiert, solange eine Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt besteht.
Zusammenfassung und rechtliche Bedeutung
Die Falschbezeichnung ist ein zentrales Auslegungsproblem im deutschen Recht. Sie betrifft zahlreiche Rechtsgebiete und sorgt in der Praxis häufig für Streitigkeiten, deren Lösung regelmäßig im Rückgriff auf die tatsächliche Parteiwillen liegt. Aufgrund der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben hat die Falschbezeichnung zwar keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Willenserklärung; sie kann jedoch im Einzelfall erhebliche Folgen für die rechtliche Qualifikation und die daraus resultierenden Rechtsfolgen haben. Die Kenntnis und Beachtung dieses Grundsatzes ist daher im Umgang mit Rechtsgeschäften, Erklärungen und Dokumenten unverzichtbar.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen kann eine Falschbezeichnung in Verträgen nach sich ziehen?
Eine Falschbezeichnung in Verträgen – auch als „falsa demonstratio“ bekannt – kann erhebliche rechtliche Folgen haben. Grundsätzlich gilt im deutschen Vertragsrecht der Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“, das heißt, eine falsche Bezeichnung schadet nicht, sofern der wirkliche Wille der Parteien übereinstimmt und dieser Wille objektiv feststellbar ist (§ 133 BGB). Werden jedoch durch eine Falschbezeichnung Dritte getäuscht oder entsteht ein Widerspruch zwischen Bezeichnung und tatsächlich Gemeintem, so drohen Anfechtung, Nichtigkeit oder Anpassung des Vertrags. Bei bewusster Irreführung kann zudem der Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllt sein oder wettbewerbsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnungen und Unterlassungsansprüche nach sich ziehen. Insbesondere im Handels-, Gesellschafts- und Immobilienrecht kann eine fehlerhafte Bezeichnung zu erheblichen Streitigkeiten bezüglich Eigentumsverhältnissen und Vertragsauslegung führen.
Wie erfolgt die Auslegung eines falsch bezeichneten Rechtsgeschäfts?
Wird eine Falschbezeichnung festgestellt, so ist im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille der Parteien maßgeblich. Die Gerichte betrachten hierzu alle Umstände des Einzelfalls. Neben dem Wortlaut werden Begleitumstände, Erklärungen, Verhalten der Parteien sowie der erkennbare Geschäftszweck miteinbezogen. Bei offenkundigen Falschbezeichnungen spricht vieles für eine Korrektur des Vertrages im Sinne des tatsächlichen Parteiwillens. Ist der Wille nicht eindeutig feststellbar, droht jedoch die Nichtigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 139 BGB).
Kann eine Falschbezeichnung rückwirkend berichtigt werden?
Ja, eine Falschbezeichnung kann grundsätzlich durch eine sogenannte Berichtigungserklärung („rectificatio“) korrigiert werden, sofern beide Parteien zustimmen und der Wille zur Korrektur eindeutig dokumentiert wird. Die Berichtigung hat dabei deklaratorische Wirkung und stellt klar, was tatsächlich gewollt war. In bestimmten Fällen, wie bei Eintragungen im Grundbuch, ist gegebenenfalls eine öffentlich beglaubigte Berichtigungsurkunde notwendig (§ 894 BGB). Ist die Falschbezeichnung hingegen im Rahmen einer notariellen Beurkundung erfolgt, kann eine Nachbeurkundung erforderlich werden.
Welche Rolle spielt die Falschbezeichnung bei der Anfechtung eines Vertrags?
Eine Falschbezeichnung kann Anlass für eine Anfechtung des Vertrages auslösen, sofern ein relevanter Irrtum (§ 119 BGB) vorliegt. Handelt es sich um einen Inhaltsirrtum, weil der Erklärende über die Bedeutung seiner Erklärung im Irrtum war, ist eine Anfechtung möglich. Wird hingegen lediglich eine Bezeichnung vertauscht, aber das tatsächlich Gemeinte ist für beide Parteien klar, ist eine Anfechtung regelmäßig ausgeschlossen. Führt die Falschbezeichnung allerdings zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung, sind Anfechtungsrechte denkbar. Dies kann wiederum zur Nichtigkeit des Vertrages oder zu Schadensersatzpflichten führen.
Können Dritte sich auf eine Falschbezeichnung berufen?
Ob Dritte sich auf eine Falschbezeichnung berufen können, hängt vom Vertrauensschutz und dem nach außen erkennbaren Willen der Parteien ab. Im Sachenrecht, insbesondere beim Grundstückskauf, genießen Dritte teils besonderen Schutz, sofern sie gutgläubig auf die Richtigkeit der Bezeichnung vertraut haben (§§ 892, 893 BGB). Im Schuldrecht gilt dagegen typischerweise der Grundsatz, dass der wahre Wille der Vertragsparteien Vorrang hat. Bei arglistiger Irreführung durch eine Falschbezeichnung kann sich ein Dritter gegebenenfalls auf Schadensersatz oder auf Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche stützen.
Welche Anforderungen bestehen an die Korrektur einer Falschbezeichnung im Handelsregister?
Eine Falschbezeichnung bei der Eintragung ins Handelsregister muss umgehend berichtigt werden (§ 398 FamFG). Voraussetzung ist ein schriftlicher, begründeter Antrag der betroffenen Partei, häufig ergänzt um geeignete Nachweise. Die Handelsregistergerichte prüfen dabei, ob es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, einen Bezeichnungsirrtum oder eine unzutreffende Tatsachenmitteilung handelt. Die Berichtigung wird öffentlich bekannt gemacht. Handelt es sich um eine erhebliche Falschbezeichnung, kann dies zur rückwirkenden Nichtigkeit oder zur Änderung der Rechtsverhältnisse führen.
Gibt es besondere gesetzliche Regelungen zu Falschbezeichnungen im Verbraucherschutz?
Im Bereich des Verbraucherschutzes legen das Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 305 ff. BGB) sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) besonderen Wert auf die Klarheit und Transparenz von Vertragsbezeichnungen und Verbraucherinformationen. Irreführende Bezeichnungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Produkten oder Dienstleistungen können zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klauseln oder zu Unterlassungsansprüchen führen. Verbraucherverbände sind berechtigt, Abmahnungen auszusprechen und auf Unterlassung zu klagen. Die Gerichte prüfen hier besonders streng, ob und in welchem Umfang eine Falschbezeichnung geeignet ist, den Verbraucher irrezuführen.