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Falschberatung


Begriff und rechtliche Einordnung der Falschberatung

Unter dem Begriff Falschberatung versteht man die fehlerhafte, unrichtige oder unvollständige Erteilung von Auskünften, Hinweisen oder Empfehlungen durch eine beratende Person, die aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses oder eines entsprechenden Beratungsvertrages zur fachgerechten Information verpflichtet ist. Die Falschberatung kann zivilrechtliche, strafrechtliche und gegebenenfalls auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Definition und Abgrenzung

Falschberatung liegt vor, wenn der Beratende dem Ratsuchenden Auskünfte, Hinweise oder Empfehlungen erteilt, die objektiv unrichtig sind oder wichtige Umstände verschweigen, welche für die Entscheidung des Ratsuchenden maßgeblich sind. Abzugrenzen ist die Falschberatung von bloßen Meinungsäußerungen, unverbindlichen Ratschlägen sowie von solchen Empfehlungen, bei denen die beratende Person keine Pflicht zur fehlerfreien Auskunft trifft.

Rechtsgrundlagen der Falschberatung

Zivilrechtliche Aspekte und Beratungsvertrag

Im Zivilrecht beruht eine Falschberatung in der Regel auf einer Pflichtverletzung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses – häufig eines Dienstvertrags (z.B. §§ 611 ff. BGB) oder eines Beratungsvertrags nach § 328 BGB. Der Berater muss seinen Vertragspartner so informieren und beraten, dass dieser sachgerechte Entscheidungen treffen kann.

Vertragsverletzung und Haftung

Wird im Rahmen eines bestehenden Vertrags unzutreffend beraten, kann dies eine Pflichtverletzung nach § 280 BGB darstellen mit der Folge von Schadensersatzansprüchen. Entscheidend ist hierbei, ob

  • ein Beratungsverhältnis bestanden hat,
  • eine Pflichtverletzung durch fehlerhafte oder unvollständige Auskunft vorliegt,
  • ein Schaden entstanden ist und
  • zwischen Pflichtverletzung und Schaden ein ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) besteht.

Deliktsrechtliche Verantwortlichkeit

Liegt kein vertragliches Verhältnis vor, kommt unter Umständen eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, etwa bei der Verletzung eines Schutzgesetzes oder der fahrlässigen Schädigung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum durch Falschberatung.

Haftung in besonderen Rechtsgebieten

Bank- und Finanzberatung

Im Bereich der Bankberatung besteht aufgrund der hohen Vertrauensstellung eine besondere Aufklärungspflicht. Werden Kunden etwa bei Kapitalanlagen, Kreditvergabe oder anderen Finanzdienstleistungen fehlerhaft beraten, entstehen regelmäßig Schadensersatzansprüche, wenn die Auskünfte nicht dem Stand der Rechtsprechung und Wissenschaft entsprechen oder wesentliche Risiken verschwiegen werden (vgl. § 826 BGB, § 280 BGB).

Steuerberatung

Für Steuerberater besteht eine umfassende Pflicht zur richtigen Information und Beratung ihrer Mandanten. Die Missachtung kann wegen § 280 BGB i.V.m. dem Beratungsvertrag und der Berufsordnung Schadensersatzansprüche und berufsrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Versicherungsberatung

Versicherungsunternehmen und deren Vertreter sind verpflichtet, bei Vertragsabschlüssen objektiv und ausführlich über Chancen und Risiken zu informieren (vgl. § 6 VVG). Eine Verletzung kann zum Schadensersatz verpflichten.

Strafrechtliche Dimensionen

In seltenen Fällen kann Falschberatung auch strafrechtliche Relevanz erlangen, insbesondere wenn die falsche Auskunft vorsätzlich erfolgt oder darauf abzielt, den Ratsuchenden zu schädigen (betrügerische Beratung). Dies kann Tatbestände wie Betrug (§ 263 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) erfüllen.

Anspruchsvoraussetzungen und Durchsetzung

Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs

Für einen erfolgreichen Anspruch des Geschädigten müssen im Wesentlichen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Beratungsverhältnis: Vertrags- oder gesetzliches Schuldverhältnis.
  2. Pflichtverletzung: Unrichtige oder unvollständige Beratung.
  3. Verschulden: Mindestens Fahrlässigkeit.
  4. Schaden: Materieller oder immaterieller Nachteil.
  5. Kausalität: Der Schaden muss auf der Falschberatung beruhen.
  6. Schutzzweck der Norm: Die verletzte Pflicht muss den Schutz des Geschädigten bezwecken.

Haftungsbegrenzungen und Beweislast

Beratende können im Rahmen vertraglicher Absprachen die Haftung begrenzen, nicht jedoch für vorsätzliches Fehlverhalten oder bei grober Fahrlässigkeit (vgl. § 309 Nr. 7 BGB). Die Beweislast für die Pflichtverletzung und deren Kausalität trägt grundsätzlich der Anspruchsteller.

Abgrenzung zur mangelhaften Dienstleistung

Falschberatung ist abzugrenzen von der bloß mangelhaften Ausführung einer Dienstleistung. Während bei Letzterer die Leistung als solche im Vordergrund steht, betrifft die Falschberatung primär das Unterlassen oder die fehlerhafte Erteilung von Hinweisen und Informationen.

Rechtsprechung und Praxisbeispiele

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zu verschiedenen Beratungsbereichen (z.B. Anlageberatung, Steuerberatung, Versicherung) umfangreiche Leitlinien zur Haftung im Falle einer Falschberatung entwickelt. Die Gerichte prüfen stets die konkrete Vertragssituation, den Informationsstand bei Vertragsschluss sowie etwaige Hinweise und Aufklärungspflichten.

Präventionsmaßnahmen und Folgen der Falschberatung

Beratende Berufe sind gehalten, ihre Informationspflichten stets durch aktuelle Fortbildung, Dokumentation von Beratungsgesprächen und Mitteilungen an den Mandanten zu erfüllen. Die Folgen einer Falschberatung reichen von Schadensersatzforderungen über Regress bis hin zu gegebenenfalls berufsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen.

Zusammenfassung

Falschberatung stellt eine bedeutsame Pflichtverletzung im Rahmen von vertraglichen Beratungsverhältnissen dar. Sie kann zivilrechtliche, deliktsrechtliche oder in besonderen Fällen auch strafrechtliche Haftungen auslösen. Die Anspruchsvoraussetzungen sind streng, wobei die Beratungspflichten je nach Sachverhalt und Branche unterschiedlich ausgeprägt sein können. Eine sorgfältige und vollständige Beratung ist wesentlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden und das Vertrauen in beratende Tätigkeiten aufrechtzuerhalten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Ansprüche stehen Betroffenen bei einer Falschberatung zu?

Betroffene einer Falschberatung können unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene rechtliche Ansprüche geltend machen. Im Mittelpunkt steht meist der Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) wegen Verletzung vertraglicher Pflichten, sofern zwischen dem Berater und dem Ratsuchenden ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Liegt zusätzlich ein Vermögensschaden durch die fehlerhafte Beratung vor, kann dieser grundsätzlich ersetzt verlangt werden. Neben vertraglichen Ansprüchen kommen auch deliktische Schadensersatzansprüche gemäß § 823 BGB in Betracht, wenn durch die Falschberatung absolute Rechtsgüter wie Eigentum oder Gesundheit verletzt wurden. Denkbar sind außerdem Ansprüche auf Rückabwicklung etwa im Zusammenhang mit falsch vermittelten Verträgen (z.B. im Finanz- oder Versicherungsbereich). Im beruflichen Kontext – insbesondere bei Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Ärzten – bestehen darüber hinaus spezielle Haftungsregelungen und berufsrechtliche Kontrollmechanismen. Wichtig ist, dass der Geschädigte die Pflichtverletzung, den Schaden und deren ursächlichen Zusammenhang (Kausalität) darlegen und im Streitfall auch beweisen muss.

Wie gestaltet sich die Beweislast bei Falschberatung?

Im Regelfall trägt der Anspruchsteller, also der Ratsuchende, die volle Beweislast für die Falschberatung: Er muss nachweisen, dass eine Beratungspflicht bestand, diese verletzt wurde, ihm dadurch ein konkreter Schaden entstanden ist und zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die Beweisführung kann sich insbesondere bei mündlichen oder informellen Beratungen als schwierig erweisen, weshalb eine möglichst lückenlose Dokumentation des Beratungsgesprächs (z.B. Gesprächsnotizen, E-Mails, schriftliche Empfehlungen) elementar ist. In bestimmten Konstellationen – etwa bei fehlerhaften Beratungsprotokollen im Finanzdienstleistungsbereich oder bei sogenannten Aufklärungs-, Beratungs- oder Informationspflichten – gibt es jedoch erleichterte Beweisführungsregeln zulasten des Beraters. Beispielsweise kann im Rahmen einer sogenannten Beweislastumkehr die beratende Partei verpflichtet sein, nachzuweisen, dass ordnungsgemäß beraten wurde, sofern sich eine entsprechende Beratungsdokumentation als lückenhaft oder widersprüchlich erweist.

Welche Verjährungsfristen gelten für Ansprüche wegen Falschberatung?

Für Ansprüche aus Falschberatung gelten grundsätzlich die allgemeinen gesetzlichen Verjährungsfristen. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Die Frist beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 BGB). Es existieren jedoch verschiedene Sonderregelungen: In bestimmten Berufsgruppen wie bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern gelten abweichende Verjährungsfristen, teils kürzer oder länger, etwa bei arglistigem Verschweigen von Beratungsfehlern (dann bis zu 10 Jahre). Zudem können vertraglich – soweit rechtlich zulässig – abweichende Verjährungsregelungen vereinbart worden sein. Für deliktische Ansprüche läuft die Verjährungsfrist in der Regel ebenfalls drei Jahre, bei teilweise abweichendem Beginn.

Welche besonderen Sorgfaltspflichten bestehen für Berater aus rechtlicher Sicht?

Berater unterliegen – je nach Art des Beratungsvertrags und der berufsrechtlichen Einordnung – unterschiedlichen Sorgfaltsanforderungen. Generell verpflichtet § 241 Abs. 2 BGB im Rahmen eines Schuldverhältnisses sowie § 823 BGB im Deliktsrecht zur Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Für bestimmte Berufsgruppen wurden durch Gesetz oder berufsständische Regelungen erhöhte Maßstäbe festgelegt. So sind etwa Rechtsanwälte verpflichtet, den Mandanten umfassend, richtig und interessengerecht zu beraten und über sämtliche für den Einzelfall relevanten Risiken, Erfolgschancen und Handlungsalternativen aufzuklären. Für Finanz- und Versicherungsberater ergibt sich aus gesetzlich normierten Informations- und Dokumentationspflichten eine erhöhte Beratungsverantwortung. Kommt ein Berater diesen Sorgfaltspflichten nicht nach, kann dies eine Haftung begründen, sofern sich daraus ein Vermögens- oder Gesundheitsschaden ergibt.

Besteht eine Haftungsbegrenzung für Falschberatung und unter welchen Voraussetzungen ist sie wirksam?

Haftungsbegrenzungen für Falschberatungen sind grundsätzlich möglich, unterliegen jedoch strengen rechtlichen Vorgaben. Nach § 309 Nr. 7 und 8 BGB sind Haftungsausschlüsse für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten sowie für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unzulässig. Auch eine individuelle vertragliche Haftungsbeschränkung ist nur wirksam, soweit sie nicht gegen zwingendes Recht verstößt oder den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Berufsrechtliche Vorgaben können weitere Einschränkungen vorgeben, so etwa das Verbot für Rechtsanwälte, ihre Haftung für grobe Fahrlässigkeit auszuschließen (§ 52 BRAO). In der Praxis wird häufig auf eine Haftungsbegrenzung auf die Höhe der Berufshaftpflichtversicherung zurückgegriffen. Die Klausel muss jedoch transparent, eindeutig und individuell vereinbart sein, andernfalls besteht das Risiko der Unwirksamkeit.

Inwieweit haftet ein Unternehmen für Falschberatung durch seine Mitarbeiter?

Unternehmen (juristische Personen) haften nach deutschem Recht in der Regel für das Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen und Verrichtungsgehilfen gemäß § 278 und § 831 BGB. Das bedeutet: Wenn ein Mitarbeiter im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit eine Falschberatung erteilt, kann der Ratsuchende Ansprüche nicht nur direkt gegenüber dem Mitarbeiter, sondern primär gegenüber dem Unternehmen geltend machen. Die Auswahl, Anweisung und Überwachung des Mitarbeiters kann unter bestimmten Bedingungen die Haftung des Arbeitgebers tangieren, insbesondere wenn keine sorgfältige Auswahl und Beaufsichtigung stattgefunden hat. Ein Unternehmen kann sich nur unter engen Voraussetzungen von der Haftung entlasten, z.B. wenn es nachweisen kann, dass es die gebotene Sorgfalt bei Auswahl und Überwachung erbracht hat (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). In der Praxis spielt die Betriebshaftpflichtversicherung für Unternehmen im Kontext von Beratungsfehlern eine wichtige Rolle.

Welche Rolle spielt die Pflicht zur Risikoaufklärung im Rahmen der Beratung?

Die Risikoaufklärungspflicht stellt einen Kernbestandteil professioneller Beratung dar und ist rechtlich von zentraler Bedeutung. Berater sind verpflichtet, ihren Mandanten oder Kunden nicht nur über Chancen, sondern vor allem auch über sämtliche relevanten Risiken aufzuklären. Beispielhaft ist dies im Bereich der Anlageberatung und der ärztlichen Beratung explizit geregelt: Hier muss die Risikoaufklärung so erfolgen, dass der Ratsuchende die Tragweite und alle wesentlichen Aspekte eines vorgeschlagenen Vorgehens nachvollziehen kann. Die Risikoaufklärung muss vollständig, verständlich und rechtzeitig sein, damit der Ratsuchende eine informierte Entscheidung treffen kann. Im Schadensfall liegt die Beweislast für die ordnungsgemäße Risikoaufklärung regelmäßig beim Berater. Mangelt es an einer hinreichenden Risikoaufklärung, kann dies zur Haftung wegen Falschberatung führen, unabhängig davon, ob der eigentliche Empfehlungsvorschlag im Übrigen sachgerecht war.