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Erfüllungsübernahme


Erfüllungsübernahme

Die Erfüllungsübernahme ist ein Begriff aus dem deutschen Schuldrecht. Sie bezeichnet einen Vertrag, durch den sich der Schuldner einer Verbindlichkeit mit einem Dritten darüber einigt, dass dieser die Leistung gegenüber dem Gläubiger übernimmt. Die Erfüllungsübernahme ist somit ein Dreiecksverhältnis zwischen Schuldner, Gläubiger und Drittem und spielt insbesondere im Rahmen von Schuldverhältnissen und bei der Gestaltung von Verträgen eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur Schuldübernahme bleibt der ursprüngliche Schuldner gegenüber dem Gläubiger weiterhin verpflichtet.


Rechtliche Einordnung und Abgrenzung

Begriffliche Abgrenzung

Die Erfüllungsübernahme ist strikt von der Schuldübernahme und der Vertragsübernahme zu unterscheiden:

  • Erfüllungsübernahme: Ein Dritter übernimmt die tatsächliche Leistung aus einem Schuldverhältnis, ohne dass der Schuldner aus der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger entlassen wird.
  • Schuldübernahme: Der Dritte tritt an die Stelle des bisherigen Schuldners. Die Verpflichtung zur Leistung geht auf den Dritten über, sodass der ursprüngliche Schuldner befreit wird.
  • Vertragsübernahme: Ein Dritter übernimmt alle Rechte und Pflichten aus einem Vertrag.

Gesetzliche Grundlage

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Erfüllungsübernahme existiert im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht. Die grundlegende rechtliche Herleitung erfolgt jedoch nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 328 ff. BGB (Vertrag zugunsten Dritter) und den Grundsätzen des Schuldrechts.


Typen der Erfüllungsübernahme

Befreiende Erfüllungsübernahme

Bei der befreienden Erfüllungsübernahme verpflichtet sich der Dritte, die Leistung so zu bewirken, dass der Schuldner von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Die Befreiung tritt jedoch erst mit tatsächlicher Erfüllung durch den Dritten ein.

Einfache Erfüllungsübernahme

Bei der einfachen Erfüllungsübernahme bleibt der Schuldner gegenüber dem Gläubiger weiterhin verpflichtet. Der Dritte übernimmt lediglich gegenüber dem Schuldner die Pflicht zur Leistungserbringung. Eine Befreiung von der Verbindlichkeit tritt nicht automatisch ein.


Rechtswirkungen der Erfüllungsübernahme

Wirkung im Verhältnis Schuldner – Dritter

Das Schuldverhältnis entsteht durch den Erfüllungsübernahmevertrag zwischen Schuldner und Drittem. Der Dritte ist verpflichtet, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen. Kommt der Dritte der übernommenen Verpflichtung nicht nach, kann der Schuldner Ersatz des daraus entstehenden Schadens verlangen.

Wirkung im Verhältnis Schuldner – Gläubiger

Im Verhältnis zum Gläubiger erzeugt die Erfüllungsübernahme keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Der Gläubiger bleibt weiterhin nur gegenüber dem ursprünglichen Schuldner berechtigt. Er kann die Leistung nicht unmittelbar vom Dritten fordern, es sei denn, es wurde ausdrücklich ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) geschlossen.

Wirkung im Verhältnis Gläubiger – Dritter

Ohne besonderen Vereinbarungen (insbesondere Vertrag zugunsten Dritter) hat der Gläubiger keinen direkten Anspruch auf die Leistung gegen den Dritten. Die Erfüllungsübernahme wirkt zunächst nur im Innenverhältnis zwischen Schuldner und Drittem.


Voraussetzungen und Gestaltung

Vertragsabschluss

Die Erfüllungsübernahme setzt einen Vertrag zwischen Schuldner und Drittem voraus. Eine bestimmte Form ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben, sie kann aber aufgrund besonderer Vorschriften (wie bei Grundstücksgeschäften) notwendig sein.

Inhalt des Vertrages

Der Vertrag muss eindeutig die Verpflichtung des Dritten zur Befriedigung des Gläubigers regeln. Es sollten klare Regelungen zu Umfang, Zeitpunkt und Art der Leistung aufgenommen werden, um Streitigkeiten vorzubeugen.


Anwendungsbereiche in der Praxis

Beispiele aus dem Wirtschaftsleben

Erfüllungsübernahmen werden häufig eingesetzt, etwa bei Kaufverträgen, Werkverträgen oder Bürgschaften. Gängig ist die Erfüllungsübernahme beispielsweise im Bauvertragsrecht, wenn ein Generalunternehmer die Ausführung bestimmter Arbeiten durch Subunternehmer übernimmt.

Insolvenz und Erfüllungsübernahme

Im Insolvenzfall kann eine Erfüllungsübernahme für den Schuldner von Vorteil sein, da ein Dritter die Leistung übernimmt und somit zur Befriedigung der Gläubigerforderungen beiträgt, ohne dass eine vollständige Schuldübernahme erforderlich wird.


Rechte und Pflichten bei Nichterfüllung

Verletzt der Dritte seine Verpflichtung aus der Erfüllungsübernahme, steht dem Schuldner ein Schadensersatzanspruch zu. Der Gläubiger kann weiterhin ausschließlich gegenüber dem Schuldner auf Erfüllung bestehen, solange keine befreiende Wirkung eintritt.


Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten

Abgrenzung zur Bürgschaft

Während bei der Bürgschaft ein Dritter für die Erfüllung der Verbindlichkeit haftet, übernimmt bei der Erfüllungsübernahme der Dritte die Erfüllung der Hauptleistung selbst. Eine persönliche Haftung für die Verbindlichkeit, wie bei der Bürgschaft, besteht nicht.

Abgrenzung zur Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB)

Die Erfüllungsübernahme ist nicht mit der Leistung an Erfüllungs statt gleichzusetzen. Bei letzterer nimmt der Gläubiger eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung an. Im Rahmen der Erfüllungsübernahme wird hingegen die ursprünglich geschuldete Leistung durch einen Dritten erbracht.


Zusammenfassung

Die Erfüllungsübernahme stellt ein wichtiges Instrument des deutschen Schuldrechts dar, das es ermöglicht, Leistungsbeziehungen zu flexibilisieren, ohne die Position der Vertragsparteien unmittelbar zu verändern. Sie ist vom rechtlichen Charakter her ein Vertrag zwischen Schuldner und Drittem und hat im deutschen Privatrecht besondere praktische Bedeutung, insbesondere bei komplexen Vertragsgestaltungen sowie in Insolvenzverfahren.


Literatur

  • Staudinger, BGB-Kommentar, §§ 328 ff.
  • Münchener Kommentar zum BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil
  • Palandt, BGB, Erläuterungen zu §§ 328 ff. BGB

Siehe auch

  • Schuldübernahme
  • Vertrag zugunsten Dritter
  • Bürgschaft
  • Vertragsübernahme

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Verpflichtungen entstehen durch eine Erfüllungsübernahme für den Übernehmenden?

Durch die Erfüllungsübernahme verpflichtet sich der Übernehmende gegenüber dem Gläubiger eines fremden Schuldverhältnisses, die Erfüllung einer bestimmten Verbindlichkeit zu leisten. Rechtlich handelt es sich dabei um einen Vertrag zugunsten Dritter gemäß §§ 328 ff. BGB. Der Übernehmende wird dabei nicht selbst zum Schuldner der ursprünglichen Forderung, sondern verpflichtet sich lediglich, die Leistung an den Gläubiger zu erbringen. Im Falle der Nichterfüllung kann der Gläubiger unmittelbar gegen den Übernehmenden vorgehen und die Leistung einfordern. Die Verpflichtung erstreckt sich jedoch nur auf das vertraglich vereinbarte Leistungsspektrum; weitergehende oder abweichende Pflichten können nicht ohne ausdrückliche Regelung abgeleitet werden. Eine persönliche Haftung für etwaige Verzögerungen oder Mängel bei der Erfüllung trifft den Übernehmenden nur, sofern diese im Rahmen der Übernahmevorsorge schuldhaft verursacht wurden. Darüber hinaus ist die Einrede der Vorausklage gemäß § 335 BGB ausgeschlossen, was bedeutet, dass der Gläubiger den Übernehmenden direkt in Anspruch nehmen kann, ohne vorher gegen den ursprünglichen Schuldner vorgehen zu müssen.

Inwieweit ist eine Erfüllungsübernahme gegenüber Dritten wirksam?

Die Erfüllungsübernahme entfaltet ihre rechtliche Wirkung unmittelbar gegenüber dem Gläubiger als Drittem, für den sie als echter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet wird. Damit ist der Gläubiger berechtigt, unmittelbar die Erfüllung der übernommenen Schuld zu verlangen (§ 328 Abs. 1 BGB). Voraussetzung dafür ist, dass der Vertrag zwischen Übernehmendem und Verpflichtetem den Gläubiger eindeutig als bezugsberechtigt ausweist oder seine Erkennbarkeit für den Dritten zumindest objektiv gegeben ist. Gegenüber anderen Dritten, die nicht als Gläubiger aus der zugrundeliegenden Verpflichtung hervorgehen, entstehen indes keine unmittelbaren Ansprüche oder Rechtswirkungen. Es ist auch zu beachten, dass die Erfüllungsübernahme keiner öffentlichen Bekanntmachung bedarf, ihre Wirksamkeit gegenüber dem Anspruchsberechtigten besteht bereits mit wirksamen Abschluss des Übernahmevertrages.

Wie unterscheidet sich die Erfüllungsübernahme rechtlich von einer Schuldübernahme?

Während bei der Erfüllungsübernahme der Übernehmende verpflichtet wird, eine fremde Verbindlichkeit zu erfüllen, bleibt die rechtliche Schuld des ursprünglichen Schuldners unberührt bestehen. Das bedeutet, dass der Gläubiger weiterhin in erster Linie gegen den Schuldner vorgehen kann und der Übernehmende lediglich eine zusätzliche, selbstständige Leistungsverpflichtung, aber keine eigene Schuldhaftung übernimmt. Ein Unterschied besteht zur Schuldübernahme gemäß §§ 414 ff. BGB, bei der der Übernehmende mit Gläubigerbeteiligung die Schuld selbstständig übernimmt und damit zum neuen Hauptschuldner wird; der ursprüngliche Schuldner kann entsprechend ganz oder teilweise aus der Verpflichtung entlassen werden. Die Erfüllungsübernahme bleibt hingegen regelmäßig außerhalb des Grundverhältnisses und ist von einer Schuldnersubstitution zu unterscheiden.

Welche Formerfordernisse bestehen bei einer Erfüllungsübernahme?

Grundsätzlich ist für eine Erfüllungsübernahme nach deutschem Recht keine besondere Form vorgeschrieben, so dass sie formlos, also sowohl mündlich als auch schriftlich oder konkludent, abgeschlossen werden kann (§ 311 Abs. 1 BGB). Eine Ausnahme besteht nur, wenn für das zugrundeliegende Rechtsgeschäft oder für die zu erfüllende Hauptpflicht selbst besondere Formvorschriften (z.B. notarielle Beurkundung bei Grundstücksgeschäften) gelten. In diesen Fällen ist auch die Erfüllungsübernahme formbedürftig. Zur Beweissicherung und zur Klarstellung von Rechten und Pflichten empfiehlt es sich jedoch in der Praxis, eine schriftliche Vereinbarung zu treffen.

Welche Einwendungsmöglichkeiten hat der Übernehmende gegenüber dem Gläubiger?

Der Übernehmende kann dem Gläubiger grundsätzlich alle Einwendungen entgegensetzen, die sich aus dem übernommenen Hauptschuldverhältnis ergeben (§ 334 BGB). Dazu zählen insbesondere materielle Einwendungen wie Erfüllung, Verjährung, Aufrechnung, oder die Unwirksamkeit der Hauptschuld. Einwendungen, die sich jedoch ausschließlich aus dem Übernahmevertrag selbst oder aus dem Verhältnis zum ursprünglichen Schuldner ergeben, kann der Übernehmende dem Gläubiger nicht entgegenhalten. Dies entspricht dem Schutzgedanken des § 334 BGB, wonach der Dritte, also der Gläubiger, durch den Übernahmevertrag nicht schlechter gestellt werden soll als gegenüber dem ursprünglichen Schuldner.

Kann die Erfüllungsübernahme widerrufen oder gekündigt werden?

Das deutsche Zivilrecht sieht keinen generellen gesetzlichen Widerruf oder eine ordentliche Kündigung der einmal wirksam geschlossenen Erfüllungsübernahme vor, solange sich aus dem Vertrag selbst nichts anderes ergibt oder keine besonderen gesetzlichen Vorschriften (z.B. bei Verbraucherverträgen) anwendbar sind. Eine Rückabwicklung oder Beendigung ist daher regelmäßig nur durch Aufhebung oder einvernehmliche Vertragsänderung möglich. Etwas anderes gilt, wenn der Übernahmevertrag eine ausdrückliche Kündigungsmöglichkeit oder Befristung vorsieht. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln für die Anfechtung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung gemäß §§ 119 ff. BGB.

Welche Rolle spielen Sicherheiten bei einer Erfüllungsübernahme?

Sicherheiten, die dem Gläubiger vom ursprünglichen Schuldner zur Absicherung der Hauptschuld gestellt wurden, bleiben trotz der Erfüllungsübernahme grundsätzlich bestehen, da die ursprüngliche Schuld bestehen bleibt. Die Erfüllungsübernahme berührt diese Rechtslage nicht, weil sie keine Schuldumschaffung oder Schuldnerwechsel bewirkt. Zusätzliche Sicherheiten können bei Bedarf auch im Rahmen des Übernahmevertrages vereinbart werden; eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht allerdings nicht. Sollte der Übernehmende die Leistung nicht erbringen, kann der Gläubiger weiterhin sowohl auf den ursprünglichen Schuldner als auch auf die vereinbarten Sicherheiten zurückgreifen. Sofern durch individualvertragliche Abrede, etwa im Zuge einer Gesamtschuldübernahme, abweichende Sicherungsmodalitäten vorgesehen sind, richtet sich die Haftung nach der konkret getroffenen Vereinbarung.