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Erbschaftsbesitzer

Begriff und rechtliche Einordnung des Erbschaftsbesitzers

Ein Erbschaftsbesitzer ist eine Person, die den Nachlass eines Verstorbenen ganz oder teilweise in Besitz hat und dabei für sich in Anspruch nimmt, Erbe zu sein, ohne es tatsächlich zu sein. Maßgeblich ist, dass der Besitz mit eigenem Herrschaftsanspruch ausgeübt wird, also so, als stünde der Nachlass dieser Person als Erben zu. Ob der Irrtum schuldhaft oder gutgläubig ist, spielt für die Einordnung als Erbschaftsbesitzer zunächst keine Rolle, wirkt sich aber auf Rechte und Pflichten aus.

Der Erbschaftsbesitzer ist vom wirklichen Erben zu unterscheiden. Ebenfalls keine Erbschaftsbesitzer sind Personen, die den Nachlass nur für den oder im Interesse des Erben innehaben, etwa zur Sicherung oder Verwaltung (z. B. Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker). Sie berufen sich nicht auf ein eigenes Erbrecht.

Typische Entstehungsfälle

  • Besitznahme aufgrund eines Testaments, das sich später als unwirksam erweist.
  • Irrtum über die gesetzliche Erbfolge, etwa durch Übersehen näherer Verwandter.
  • Nutzung eines unrichtigen Erbscheins oder eines später aufgehobenen Erbnachweises.
  • Inbesitznahme einzelner Nachlassgegenstände in der Annahme, dazu als Erbe berechtigt zu sein.

Rechtsstellung und Pflichten des Erbschaftsbesitzers

Grundpflicht zur Herausgabe

Gegenüber dem wirklichen Erben besteht die Pflicht, den Nachlass herauszugeben. Diese Pflicht umfasst:

  • Herausgabe der Nachlassgegenstände (bewegliche Sachen, Immobilien, Rechte).
  • Übertragung oder Abtretung von zum Nachlass gehörenden Forderungen und Rechten.
  • Herausgabe von Nachlassunterlagen (z. B. Verträge, Kontounterlagen, Schlüssel, Verzeichnisse).
  • Auskunft und Rechenschaft über Bestand, Verbleib, Nutzungen und Verwaltung des Nachlasses.

Sind Nachlassgegenstände veräußert oder verbraucht, erstreckt sich die Herausgabepflicht auf Surrogate (z. B. Erlöse, Versicherungsleistungen) und auf die Abtretung einschlägiger Ersatzansprüche gegen Dritte, soweit die Haftung des Erbschaftsbesitzers reicht.

Nutzungen, Früchte und Haftung

Gutgläubiger Erbschaftsbesitzer

Wer den Nachlass im berechtigten Glauben innehat, Erbe zu sein, darf Nutzungen und Früchte (z. B. Zinsen, Mieten) grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt behalten, in dem er von der fehlenden Erbenstellung erfährt. Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis besteht eine Herausgabepflicht hinsichtlich weiterer Nutzungen. Die Haftung für Verschlechterungen und Untergang ist gemindert; sie orientiert sich an der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Für notwendige Aufwendungen auf den Nachlass kann Ersatz verlangt werden.

Bösgläubiger Erbschaftsbesitzer

Wer von Anfang an weiß oder später erkennt, dass er nicht Erbe ist, haftet verschärft. Er schuldet die Herausgabe sämtlicher ab diesem Zeitpunkt gezogener Nutzungen und hat für Verschlechterungen und Untergang weitreichender einzustehen, auch wenn diese ohne sein Verschulden eintreten. Ersatz für Luxus- oder reine Zweckmäßigkeitsaufwendungen ist regelmäßig ausgeschlossen; notwendige Aufwendungen bleiben ersatzfähig.

Aufwendungen und Zurückbehaltungsrecht

Notwendige Aufwendungen, die zum Erhalt des Nachlasses erforderlich waren (z. B. unvermeidbare Reparaturen, laufende Erhaltungs- und Bewirtschaftungskosten), sind grundsätzlich zu erstatten. Für nützliche Aufwendungen kann es je nach Vorteil beim Erben zu einem Ausgleich kommen. Bis zum Ausgleich zulässiger Aufwendungen besteht regelmäßig ein Zurückbehaltungsrecht an den betroffenen Gegenständen.

Auskunft, Rechenschaft und Dokumente

Der Erbschaftsbesitzer hat über Bestand, Verwaltung und Verbleib des Nachlasses Auskunft zu erteilen sowie Rechnungslegung vorzunehmen. Dazu gehört die geordnete Vorlage oder Herausgabe von Nachlassunterlagen. Bei Zweifeln können ergänzende Nachweise oder ein Verzeichnis verlangt werden.

Umfang des Herausgabeanspruchs

Gesamtnachlass und Einzelgegenstände

Der Anspruch kann sich auf den gesamten Nachlass richten oder auf einzelne Gegenstände, die der Erbschaftsbesitzer innehat. Er erfasst bewegliche Sachen, Immobilien, Forderungen und sonstige Rechte sowie Mitbesitz an gemeinschaftlichen Gegenständen.

Surrogate und Ersatzansprüche

Wurden Nachlassgegenstände veräußert oder sind sie untergegangen, umfasst die Herausgabe auch Surrogate (z. B. Verkaufserlöse) und die Abtretung von Ansprüchen, die an die Stelle des untergegangenen Gegenstandes getreten sind. Umfang und Höhe richten sich nach der Gut- oder Bösgläubigkeit und den gezogenen Nutzungen.

Unterlagen und Sicherungen

Zu überlassen sind alle für Verwaltung und Verfügung maßgeblichen Papiere, Nachweise und Zugangsmittel. Soweit erforderlich, hat der Erbschaftsbesitzer an der Übertragung formbedürftiger Rechte mitzuwirken. In bestimmten Konstellationen kommen Sicherungsmaßnahmen in Betracht, um den Bestand des Nachlasses bis zur endgültigen Klärung zu bewahren.

Gutgläubiger Erwerb Dritter

Verfügungen des Erbschaftsbesitzers gegenüber Dritten können unter Umständen wirksam sein, wenn der Dritte gutgläubig ist und auf einen äußeren Rechtsschein vertraut (z. B. auf Eintragungen oder Erbnachweise). Der wirkliche Erbe ist dann regelmäßig auf die Herausgabe des Erlöses oder die Abtretung von Ersatzansprüchen gegen den Erbschaftsbesitzer verwiesen. Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Erbschaftsbesitzers beeinflusst, in welchem Umfang er hierfür einzustehen hat.

Verhältnis zur Erbengemeinschaft

Bestehen mehrere Erben, steht der Herausgabeanspruch der Erbengemeinschaft zu. Einzelne Miterben können ihn für die Gemeinschaft geltend machen. Die Leistung des Erbschaftsbesitzers wirkt grundsätzlich gegenüber allen Miterben. Fragen der internen Verteilung betreffen das Innenverhältnis der Erbengemeinschaft und sind vom Herausgabeanspruch zu trennen.

Abgrenzungen zu anderen Rollen

Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker

Diese Personen üben den Besitz nicht aufgrund eines vermeintlichen Erbrechts aus, sondern kraft Amts oder Anordnung zur Sicherung, Verwaltung oder Vollstreckung des Nachlasses. Sie sind keine Erbschaftsbesitzer und unterliegen anderen Regeln zu Befugnissen, Pflichten und Haftung.

Vermächtnisnehmer und Nutzungsberechtigte

Wer Gegenstände oder Rechte am Nachlass als Vermächtnisnehmer oder aufgrund eines Nutzungsrechts innehat, beruft sich auf ein abgeleitetes Recht, nicht auf ein Erbrecht. Solche Personen sind hinsichtlich des ihnen zugewendeten Gegenstandes regelmäßig keine Erbschaftsbesitzer.

Verjährung und prozessuale Aspekte

Verjährung

Der umfassende Anspruch des wirklichen Erben auf Herausgabe der Erbschaft unterliegt einer langen, regelmäßig dreißigjährigen Verjährungsfrist. Daneben können einzelne Nebenansprüche (z. B. auf Nutzungen, Schadensersatz oder Aufwendungsersatz) abweichenden, teilweise kürzeren Fristen unterfallen. Der Beginn der jeweiligen Fristen richtet sich nach dem Zeitpunkt des Erbfalls und gegebenenfalls nach Kenntnis von Person und Anspruchsgrund.

Nachweis der Erbenstellung

Im Streitfall muss die anspruchstellende Person ihre Erbenstellung darlegen und nachweisen. Ein Erbnachweis kann eine tatsächliche Vermutung begründen, die durch Gegenbeweise erschüttert werden kann. Der Erbschaftsbesitzer kann eigene Einwendungen vorbringen, etwa den Erwerbstatbestand Dritter oder den Wegfall der Bereicherung, soweit einschlägig.

Sicherung und Durchsetzung

Bis zur Klärung der Erbenstellung kommen Sicherungsmaßnahmen in Betracht, um den Nachlass zu erhalten. Die gerichtliche Durchsetzung erfolgt in der Praxis mit einer auf Herausgabe, Abtretung, Auskunft und Rechenschaft gerichteten Klage, die je nach Lage des Falls auch Sicherungs- und Nebenansprüche umfasst.

Beendigung des Status als Erbschaftsbesitzer

Der Status endet insbesondere durch Herausgabe an den wirklichen Erben, durch Anerkennung der fehlenden Erbenstellung oder durch Umstellung des Besitzes auf eine Fremdbesitzlage (z. B. Besitz für den Erben). Vereinbarungen zwischen den Beteiligten können die Abwicklung, Abgeltung von Nutzungen und Aufwendungen sowie die Rückgabe von Unterlagen regeln.

Häufig gestellte Fragen

Wer gilt als Erbschaftsbesitzer?

Als Erbschaftsbesitzer gilt, wer Nachlassgegenstände oder Rechte aus dem Nachlass mit dem Anspruch innehat, Erbe zu sein, ohne tatsächlich Erbe zu sein. Es genügt bereits der Besitz einzelner Nachlassgegenstände, wenn dieser Besitz in eigenem Namen als vermeintlicher Erbe ausgeübt wird.

Wodurch unterscheidet sich ein Erbschaftsbesitzer vom Erben?

Der Erbe ist kraft Erbfolge Rechtsnachfolger des Verstorbenen. Der Erbschaftsbesitzer ist demgegenüber eine Person, die den Nachlass für sich beansprucht, ohne dass ihr ein Erbrecht zusteht. Der Unterschied zeigt sich insbesondere in der Pflicht des Erbschaftsbesitzers zur Herausgabe an den wirklichen Erben.

Welche Pflichten hat ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer?

Ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer muss den Nachlass herausgeben, kann bis zur Kenntnis der fehlenden Erbenstellung Nutzungen grundsätzlich behalten und hat für Verschlechterungen nur eingeschränkt einzustehen. Notwendige Aufwendungen kann er ersetzt verlangen und bis zur Erstattung ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.

Ab wann haftet der Erbschaftsbesitzer verschärft?

Eine verschärfte Haftung setzt ein, wenn der Erbschaftsbesitzer weiß oder wissen muss, dass ihm kein Erbrecht zusteht. Ab diesem Zeitpunkt schuldet er die Herausgabe aller Nutzungen und haftet auch für den zufälligen Untergang oder die Verschlechterung des Nachlasses in weiterem Umfang.

Müssen auch Unterlagen und Nachweise herausgegeben werden?

Ja. Die Herausgabepflicht umfasst auch Nachlassunterlagen, Schlüssel, Zugangsmittel und sonstige Dokumente, die für Verwaltung, Nachweis oder Verfügung über Nachlasswerte erforderlich sind. Zudem besteht eine Pflicht zur Auskunft und Rechenschaft über Bestand und Verwaltung.

Was passiert, wenn der Erbschaftsbesitzer Nachlassgegenstände verkauft?

Bei Veräußerung von Nachlassgegenständen richtet sich die Herausgabepflicht auf das Erlangte (z. B. den Erlös) sowie auf die Abtretung von Ersatzansprüchen gegen Dritte. Die Wirksamkeit des Erwerbs durch Dritte kann unter Umständen bestehen, wenn diese gutgläubig waren; der wirkliche Erbe nimmt dann den Erbschaftsbesitzer auf Ersatz in Anspruch.

Verjährt der Anspruch gegen den Erbschaftsbesitzer?

Der umfassende Anspruch auf Herausgabe der Erbschaft unterliegt einer langen Verjährungsfrist, die regelmäßig dreißig Jahre beträgt. Einzelne Nebenansprüche, insbesondere auf Nutzungen oder Schadensersatz, können kürzeren Verjährungen unterliegen, abhängig von Art und Zeitpunkt des Anspruchs.

Ist ein Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker ein Erbschaftsbesitzer?

Nein. Diese Personen üben den Besitz nicht als vermeintliche Erben aus, sondern zur Sicherung, Verwaltung oder Vollstreckung des Nachlasses. Ihre Stellung beruht nicht auf einem behaupteten Erbrecht, sondern auf Anordnung oder gesetzlicher Grundlage.