Definition und rechtliche Grundlagen des Erbbauzinses
Der Erbbauzins ist ein zentrales Element des deutschen Erbbaurechts und bezeichnet das regelmäßig zu entrichtende Entgelt, das der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer aufgrund eines Erbbaurechtsvertrags für die Nutzung des Grundstücks schuldet. Dieser Zins ist regelhaft im Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) geregelt und wird als Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts erhoben. Das Erbbaurecht wurde eingeführt, um rechtlich und wirtschaftlich getrennte Eigentumsverhältnisse am Grundstück und an darauf errichteten Gebäuden zu ermöglichen.
Gesetzliche Verankerung
Die maßgeblichen Regelungen zum Erbbauzins finden sich insbesondere in den §§ 1 ff. ErbbauRG sowie in ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Nach § 9 Abs. 1a ErbbauRG stellt der Erbbauzins eine Hauptpflicht des Erbbauberechtigten dar.
Funktion und Zweck des Erbbauzinses
Wirtschaftliche Bedeutung
Der Erbbauzins soll dem Grundstückseigentümer eine regelmäßige und angemessene Vergütung für die Überlassung des Grundstücks einbringen. Gleichzeitig ermöglicht der Erbbauberechtigte durch Zahlung des Erbbauzinses die Nutzung und Bebauung des fremden Grundstücks auf langfristiger Grundlage, oftmals über mehrere Jahrzehnte hinweg.
Abgrenzung zu anderen Entgelten
Der Erbbauzins ist von einmaligen Leistungen wie dem Kaufpreis beim Grundstückskauf oder Ablösebeträgen zu unterscheiden. Er wird typischerweise periodisch, meist jährlich, fällig und ist damit vergleichbar mit einer Miete, ohne jedoch Mietrecht im engeren Sinne zu sein.
Rechtsnatur und Ausgestaltung des Erbbauzinses
Vertragsgestaltung
Die konkrete Höhe, Zahlungsmodalität und etwaige Anpassungsmechanismen werden im Erbbaurechtsvertrag individuell vereinbart. Der Vertrag bedarf gemäß § 4 ErbbauRG der notariellen Beurkundung.
Höhe des Erbbauzinses
Die Festlegung des Erbbauzinses erfolgt im Rahmen der freien Vereinbarung zwischen den Parteien. In der Praxis wird der Erbbauzins häufig als Prozentsatz des Grundstückswerts berechnet, wobei Werte von 3 % bis 5 % üblich sind. Bindende gesetzliche Ober- oder Untergrenzen existieren nicht, allerdings können sittenwidrige oder wucherische Zinshöhen nach § 138 BGB unwirksam sein.
Indexierung und Anpassung
In vielen Erbbaurechtsverträgen sind Anknüpfungsklauseln zur Anpassung des Erbbauzinses an Preisentwicklungen, insbesondere des Lebenshaltungsindex oder eines Baupreisindex, aufgenommen, um den Erbbauzins an die Inflationsentwicklung anzupassen. Fehlt eine solche Vereinbarung, verbleibt es grundsätzlich bei der ursprünglich festgelegten Höhe, kann jedoch unter bestimmten Umständen im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung oder bei Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) angepasst werden.
Beschränkungen der Anpassung
Gemäß § 9a ErbbauRG kann im Falle der Erhöhung des Erbbauzinses ein Gegengewicht durch ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht des Erbbauberechtigten vorgesehen werden, um den Schutz von dessen Interessen sicherzustellen.
Fälligkeit und Zahlung des Erbbauzinses
Regelmäßigkeit der Zahlung
Die Fälligkeit des Erbbauzinses ergibt sich entweder aus der ausdrücklichen Vereinbarung im Vertrag oder hilfsweise aus den gesetzlichen Regelungen. Üblicherweise wird der Erbbauzins jährlich im Voraus oder in regelmäßigen Raten gezahlt.
Zahlungsverzug und Rechtsfolgen
Befindet sich der Erbbauberechtigte in Zahlungsverzug, kann der Grundstückseigentümer unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 ErbbauRG das Erbbaurecht kündigen. Die fristlose Kündigung ist allerdings nur zulässig, wenn der Verzug erheblich und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist. Der Grundstückseigentümer kann sich daneben auf sonstige vertragliche oder gesetzliche Sicherheiten stützen, wie beispielsweise die Bestellung einer Grundschuld am Erbbaurecht.
Erbbauzins und Grundbuch
Grundbuchrechtliche Behandlung
Das Erbbauzinsrecht und die Verpflichtung zur Zahlung des Zinses werden als dingliches Recht im Erbbaugrundbuch – einer besonderen Abteilung des Grundbuchs – eingetragen. Der Erbbauzins ist somit für etwaige Nachfolger des Erbbauberechtigten bindend.
Steuerliche Behandlung des Erbbauzinses
Einkommensteuer
Für Grundstückseigentümer stellt der Erbbauzins zu versteuerndes Einkommen dar, das als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG deklariert werden muss.
Erbschaft- und Grunderwerbsteuer
Beim Abschluss eines Erbbaurechtsvertrags kann der kapitalisierte Wert des Erbbauzinses für die Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer sowie im Rahmen der Grunderwerbsteuer relevant sein. Die steuerliche Behandlung ist hierbei von der individuellen Vertragsgestaltung und vom Wert des jeweiligen Rechts abhängig.
Sonderfälle und Beendigung
Nichtzahlung und Heimfall
Kommt der Erbbauberechtigte seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach, kann dies – neben der Kündigungsmöglichkeit – auch zum sogenannten Heimfall führen, das heißt zum Rückfall des Erbbaurechts an den Grundstückseigentümer, wenn diese Möglichkeit im Vertrag vereinbart wurde.
Auslaufen des Erbbaurechts
Nach Ablauf der vereinbarten Erbbaurechtsdauer entfällt sowohl das Recht zur Grundstücksnutzung als auch die Zahlungsverpflichtung aus dem Erbbauzins. Regelmäßig sind für diesen Fall Regelungen zur Entschädigung für das überbaute Gebäude vorgesehen.
Zusammenfassung
Der Erbbauzins ist ein wesentliches Kernelement des Erbbaurechts und gewährleistet die angemessene Vergütung für den Grundstückseigentümer bei Begründung eines Erbbaurechts. Seine rechtliche Ausgestaltung ist im ErbbauRG und im BGB geregelt, wobei die Parteien im Weiten Umfang vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten haben. Zahlung, Anpassung und Sicherung des Erbbauzinses sind grundlegende Aspekte im Verhältnis zwischen Erbbauberechtigtem und Grundstückseigentümer und haben weitreichende zivil-, grundbuch- und steuerrechtliche Folgen.
Häufig gestellte Fragen
Kann der Erbbauzins während der Laufzeit des Erbbaurechts angepasst werden?
Der Erbbauzins kann grundsätzlich während der Laufzeit des Erbbaurechts angepasst werden, wenn im Erbbaurechtsvertrag eine sog. Wertsicherungsklausel oder Anpassungsklausel wirksam vereinbart wurde. Solche Klauseln sehen in der Regel vor, dass der Erbbauzins periodisch, meist alle drei bis fünf Jahre, an einen Index, wie z. B. den Verbraucherpreisindex oder den Bodenwert, angepasst wird. Ohne eine ausdrückliche Regelung im Vertrag bleibt der vereinbarte Erbbauzins während der gesamten Vertragsdauer unverändert. Die Anpassung erfolgt nicht automatisch, sondern bedarf zumeist einer Erklärung oder Mitteilung des Erbbaugebers an den Erbbauberechtigten. Soll die Höhe des Erbbauzinses ohne vertragliche Grundlage geändert werden, kann dies allenfalls durch eine einvernehmliche Vertragsänderung erfolgen. Einseitige Anpassungen ohne entsprechende Klausel oder gesetzliche Grundlage sind unwirksam. Es ist zudem zu beachten, dass sittenwidrige oder überraschende Anpassungsklauseln durch Gerichte für unwirksam erklärt werden können (vgl. § 138 BGB; AGB-Recht). Streitigkeiten über die Wirksamkeit oder Auslegung solcher Klauseln werden regelmäßig von den Zivilgerichten entschieden.
Was geschieht, wenn der Erbbauzins nicht bezahlt wird?
Bleibt der Erbbauberechtigte mit der Zahlung des Erbbauzinses im Verzug, sieht das Gesetz (§ 9 Abs. 2 Erbbaurechtsgesetz) vor, dass der Erbbaugeber nach fruchtloser Abmahnung berechtigt ist, das Erbbaurecht zu kündigen (Heimfall), sofern der Rückstand einen im Vertrag bestimmten Zeitraum und Betrag überschreitet, in der Regel zwei aufeinanderfolgende Jahre oder einen mindestens zweijährigen Rückstand. Vor einer Kündigung ist dem Erbbauberechtigten jedoch grundsätzlich eine angemessene Nachfrist einzuräumen. Im Falle der Kündigung (bzw. des sog. Heimfalls) steht dem Erbbauberechtigten eine angemessene Entschädigung für das aufstehende Bauwerk zu, sofern dieses Werthaltigkeit besitzt. Der Erbbaugeber hat dann einen Anspruch auf Rückübertragung des Erbbaurechts. Im Grundbuch kann, zur Sicherung des Anspruchs auf den Erbbauzins, auch eine sogenannte Erbbauzinsreallast eingetragen werden, die es dem Erbbaugeber ermöglicht, eine Zwangsvollstreckung in das Erbbaugrundstück zu betreiben.
Ist der Erbbauzins steuerlich absetzbar?
Die steuerliche Behandlung des Erbbauzinses richtet sich nach der Nutzung des Erbbaurechts. Nutzt der Erbbauberechtigte das Grundstück zu eigenen Wohnzwecken (Eigennutzung), ist der Erbbauzins grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar. Wird das Grundstück hingegen vermietet oder zu betrieblichen Zwecken genutzt, kann der gezahlte Erbbauzins in der Regel als Werbungskosten (bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) oder als Betriebsausgabe (bei Einkünften aus Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit) steuerlich geltend gemacht werden. Für den Erbbaugeber stellt der erzielte Erbbauzins dagegen eine einkommensteuerpflichtige Einnahme dar, wobei er als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu deklarieren ist. Eine steuerrechtliche Besonderheit besteht, wenn der Zins langfristig vorausgezahlt wird (sog. abgezinste Zahlung), da dies im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) anders behandelt werden kann.
Welche vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen bezüglich des Erbbauzinses?
Im Erbbaurechtsvertrag können vielfältige Regelungen zum Erbbauzins getroffen werden. Üblich ist die Vereinbarung einer festen jährlichen Zahlung, möglich sind aber auch Einmalzahlungen oder andere Zahlungsmodalitäten. Häufig werden Wertsicherungsklauseln eingebaut, um den Zins an die Inflationsentwicklung anzupassen. Ebenso möglich sind Staffelungen (Staffelzinsvereinbarungen) oder Sondervereinbarungen für bestimmte Zeiträume, etwa ein reduzierter Erbbauzins für die ersten Jahre (Ansparphase). Neben der Festlegung der Fälligkeit (monatlich, vierteljährlich, jährlich) können im Vertrag auch Regelungen zu Verzugszinsen, Zahlungsmodalitäten, Höhe der Entschädigung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung und Begrenzungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Erbbaurechtsgesetz getroffen werden. Eine vertragliche Vereinbarung ist stets im Lichte des AGB-Rechts und unter Berücksichtigung des § 307 BGB (Transparenzgebot) zu prüfen.
Kann ein zu hoch oder zu niedrig angesetzter Erbbauzins nachträglich gerichtlich überprüft oder korrigiert werden?
Prinzipiell gilt im deutschen Vertragsrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit, sodass auch ein „unangemessen hoher“ oder „zu niedriger“ Erbbauzins rechtswirksam vereinbart werden kann. Allerdings kann ein auffällig überhöhter Erbbauzins sittenwidrig sein (§ 138 BGB), wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis (sog. wucherähnliches Rechtsgeschäft) besteht, insbesondere in Kombination mit einer Unterlegenheit des Erbbauberechtigten oder einer Ausnutzung. In solchen Fällen kann der Erbbauzins auf Antrag gerichtlich herabgesetzt oder die Vereinbarung für nichtig erklärt werden. In der Praxis kommt dies jedoch selten vor und bedarf einer exakten Darlegung und Beweisführung. Bei Verträgen mit Verbrauchern können zudem das AGB-Recht und das Gesetz zur Regelung der Miethöhe (§ 138 BGB, AGB-Klauselkontrolle) eingreifen, wenn der Erbbauzins unverhältnismäßig hoch ist. Eine gerichtliche Überprüfung ist grundsätzlich nur bei entsprechenden Anhaltspunkten und Klageinteresse möglich.
Welche rechtlichen Folgen hat eine Erhöhung des Erbbauzinses ohne vertragliche Grundlage?
Wird der Erbbauzins ohne vertragliche Grundlage erhöht, ist diese Anpassung grundsätzlich nichtig und entfaltet keine Rechtswirkung gegenüber dem Erbbauberechtigten. Der Erbbauberechtigte ist in diesem Fall nicht verpflichtet, die Erhöhung zu akzeptieren oder den erhöhten Betrag zu zahlen. Jegliche Zahlungen, die widerrechtlich gefordert und geleistet werden, können unter Umständen gemäß § 812 BGB als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden. Zudem läuft der Erbbaugeber Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen, sofern hierdurch dem Erbbauberechtigten ein finanzieller Schaden entsteht. Auch die Eintragung einer erhöhten Reallast im Grundbuch ohne rechtliche Grundlage ist unzulässig. Rechtlich maßgeblich bleibt stets die im Erbbaurechtsvertrag wirksam vereinbarte Zinsregelung.
Wie wirkt sich ein Eigentümerwechsel am Grundstück auf den Erbbauzins aus?
Ein Wechsel in der Person des Grundstückseigentümers (Erbbaugebers) hat auf die Höhe des Erbbauzinses keine Auswirkung. Der Erwerber tritt gemäß § 11 Erbbaurechtsgesetz sowie § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) mit allen Rechten und Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag in die bestehende Vereinbarung ein. Der neue Grundstückseigentümer kann daher nur den vertraglich vereinbarten Erbbauzins verlangen und ist ebenso an etwaige Wertsicherungsklauseln und Zahlungsmodalitäten gebunden. Eine einseitige Anpassung des Erbbauzinses durch den neuen Eigentümer ist ausgeschlossen. Denkbar bleibt jedoch eine vertragliche Neuverhandlung zwischen Erbbaugeber und Erbbauberechtigten, deren Ergebnis eine Vertragsänderung wäre, die aber der notariellen Beurkundung bedarf.
Können Erbbauzinsforderungen verjähren?
Erbbauzinsforderungen unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 BGB). Nach Ablauf dieser Frist kann der Erbbauberechtigte dem Erbbaugeber die Einrede der Verjährung entgegenhalten, sodass eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr möglich ist. Es existieren jedoch auch Sonderregelungen, etwa wenn eine Reallast im Grundbuch eingetragen wurde. Dann kann unter Umständen eine Zwangsversteigerung auch nach Eintritt der Forderungsverjährung noch möglich bleiben, solange kein Gutglaubenserwerb eingetreten ist. Mögliche Hemmungstatbestände (z. B. Verhandlungen, Klageerhebung) sind wie bei anderen privatrechtlichen Forderungen ebenfalls zu beachten.