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Erbbaurecht


Definition und Grundlagen des Erbbaurechts

Das Erbbaurecht ist ein grundstücksbezogenes Recht, das es ermöglicht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu errichten oder zu unterhalten, ohne Eigentümer des Grundstücks zu werden. Es stellt eine im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und in der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO) geregelte Ausnahme vom Grundsatz „Superficies solo cedit“ dar, wonach ein Bauwerk wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit Eigentum des Grundstückseigentümers wird.

Das Erbbaurecht begründet für die Dauer der vertraglich vereinbarten Zeit ein rechtliches Sonderverhältnis zwischen Grundstückseigentümer (Erbbaugeber) und Erbbauberechtigtem und verschafft Letzterem ein grundbuchfähiges Recht. Es ist in Deutschland insbesondere in §§ 1-30 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG) geregelt und zählt zu den dinglichen Rechten.


Rechtliche Ausgestaltung des Erbbaurechts

Begründung und Bestellung des Erbbaurechts

Das Erbbaurecht entsteht durch Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages zwischen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten sowie durch die Eintragung im Grundbuch des belasteten Grundstücks. Die vertragliche Einigung bedarf der notariellen Beurkundung gemäß § 11 ErbbauRG.

Bestellungsakt:
Der schuldrechtliche Vertrag („Erbbaurechtsvertrag“) regelt die Einzelheiten der Bestellung einschließlich der Dauer, des Erbbauzinses, der Rechte und Pflichten der Parteien sowie Regelungen zum Bauwerk und etwaigen Heimfallklauseln. Das Erbbaurecht wird im Grundbuch als beschränkt dingliches Recht eingetragen.

Inhalt und Umfang des Erbbaurechts

Das Erbbaurecht verleiht dem Berechtigten das Recht, auf dem Grundstück ein Bauwerk zu besitzen, zu nutzen und grundsätzlich auch zu veräußern oder zu belasten. Es ist vererblich, übertragbar und kann mit Hypotheken oder Grundschulden belastet werden.

Hauptbestandteile sind:

  • Bebauungspflicht und Bauunterhalt: Installations- sowie Instandhaltungsverpflichtung für das Bauwerk während der Dauer des Rechts.
  • Übertragbarkeit und Belastbarkeit: Das Recht kann auf Dritte übertragen oder mit Rechten Dritter, etwa Hypotheken, belastet werden.
  • Vererblichkeit: Das Erbbaurecht geht im Todesfall auf die Erben über.

Erbbauzins

Das Entgelt, das der Erbbauberechtigte regelmäßig an den Grundstückseigentümer zahlt, ist der Erbbauzins. Dessen Höhe und Anpassungsmodalitäten sind frei verhandelbar und im Vertrag zu regeln. Der Erbbauzins dient dem Erhalt der Rechte des Eigentümers an dem belasteten Grundstück und wird im Regelfall jährlich entrichtet.


Dauer, Heimfall und Beendigung

Dauer des Erbbaurechts

Die Dauer ist vertraglich bestimmt und beträgt in der Regel 30 bis 99 Jahre. Nach Ablauf fällt das Bauwerk nach Maßgabe der Heimfallregelung dem Grundstückseigentümer zu.

Heimfall und Entschädigung

Der sogenannte Heimfall beschreibt den automatischen Übergang des Bauwerks oder dessen Wertersatzes an den Eigentümer nach Beendigung des Erbbaurechts. Regelungen über Ausgleichs- oder Entschädigungsleistungen sind vertraglich festzulegen. Grundsätzlich ist dem bisherigen Erbbauberechtigten eine Vergütung in Höhe des Zeitwerts des Bauwerks abzüglich des durch unterlassene Unterhaltung entstandenen Minderwerts zu zahlen.

Vorzeitige Beendigung

Neben Ablauf der vereinbarten Dauer kann das Erbbaurecht auch durch Aufhebungsvertrag, Heimfall bei schuldhaftem vertragswidrigen Verhalten (z.B. erheblicher Zahlungsrückstand beim Erbbauzins), Zwangsversteigerung oder sonstige im Vertrag geregelte Tatbestände beendet werden.


Grundbuch und Rangverhältnisse

Eintragung im Grundbuch

Für den Bestand des Erbbaurechts ist dessen Eintragung in das Grundbuch zwingend. Es erfolgt eine gesonderte Erbbaugrundbuchblatteintragung, die alle Rechte, Lasten und Beschränkungen am Erbbaurecht enthält. Das Erbbaurecht ist somit eigenständig verkehrsfähig und kann ähnlich wie ein Grundstück gehandelt werden.

Rangverhältnisse zu anderen Rechten

Das Erbbaurecht kann mit Hypotheken, Grundschulden oder anderen dinglichen Rechten belastet werden. Maßgeblich ist das Prioritätsprinzip im Grundbuch; der Rang richtet sich nach dem Zeitpunkt der Eintragung. Bestehende dingliche Belastungen des Grundstücks sind zu beachten, insbesondere wenn der Heimfall eintritt oder der Erbbauberechtigte insolvent wird.


Steuerrechtliche Aspekte und Bewertung

Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer

Die Bestellung des Erbbaurechts unterliegt der Grunderwerbsteuer, da es sich um einen mit dem Eigentum am Grundstück wirtschaftlich vergleichbaren Vorgang handelt. Auch beim Erwerb durch Erbfall kann Erbschaftsteuer anfallen.

Bewertung und Verkehrsfähigkeit

Die Bewertung des Erbbaurechts erfolgt nach finanzwirtschaftlichen Kriterien, wobei der Wert des Bauwerks abzüglich des kapitalisierten Erbbauzinses regelmäßig maßgeblich ist. Auf dem Immobilienmarkt sind Erbbaurechte grundsätzlich veräußer- und beleihbar, sie sind jedoch hinsichtlich Wert und Beleihungsgrenze niedriger einzustufen als Volleigentum.


Bedeutung und Anwendungsgebiete

Praxisrelevanz

Das Erbbaurecht ist vor allem im Bereich der Wohnungs- und Sozialpolitik, bei kirchlichen Grundstücken, bei öffentlicher Hand sowie im Gewerbe- und Wohnungsbau verbreitet. Es gewährleistet eine sinnvolle Nutzung besonders von Grundstücken, die nicht dauerhaft aus der Hand gegeben werden sollen.

Vor- und Nachteile

Vorteile:

  • Ermöglicht Bauherren und Investoren Nutzung und Bebauung wertvoller Lagen, ohne das Grundstück erwerben zu müssen.
  • Grundstückseigentümer behalten Eigentum und langfristigen Zugriff.

Nachteile:

  • Eingeschränkte Beleihbarkeit gegenüber Volleigentum.
  • Wertminderung des Bauwerks bei Restlaufzeit gegen Ende der Dauer des Erbbaurechts.

Rechtsquellen

Gesetzliche Grundlagen in Deutschland

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG)
  • Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO)

Zusammenfassung

Das Erbbaurecht ist ein zentrales Grundstücksrecht in Deutschland, das eine rechtlich und wirtschaftlich weitreichende Sonderform der Grundstücksnutzung und Bebauung darstellt. Es bietet flexible Gestaltungsmöglichkeiten für Eigentümer und Nutzer, setzt jedoch detaillierte vertragliche Regelungen voraus. Wegen seiner gestalterischen Vielfalt und rechtlichen Eigenständigkeit nimmt das Erbbaurecht eine bedeutende Rolle im deutschen Liegenschafts-, Bau- und Immobilienrecht ein.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte und Pflichten hat der Erbbauberechtigte während der Laufzeit des Erbbaurechts?

Der Erbbauberechtigte erhält das dingliche Recht, auf oder unter dem Grundstück eines anderen ein Bauwerk zu errichten und dieses für die Dauer des Erbbaurechts zu nutzen. Zu seinen wichtigsten Rechten gehört die weitgehende Selbstständigkeit bei der Nutzung, Verwaltung und baulichen Veränderung des errichteten Gebäudes, solange dies mit dem Erbbaurechtsvertrag und geltenden Vorschriften im Einklang steht. Pflichten des Erbbauberechtigten sind insbesondere die Zahlung des regelmäßig im Vertrag vereinbarten Erbbauzinses an den Grundstückseigentümer, die Instandhaltung sowie die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Bauwerks. Darüber hinaus bestehen meist Pflichten zur Versicherung des Bauwerks, zur Duldung von Kontrollen (z.B. zur Sicherstellung der vertragsgerecht erfolgenden Nutzung) und zur Wahrung des öffentlichen Interesses, etwa durch Einhaltung der Bauordnung und sonstiger gesetzlicher Vorschriften. Kommt der Erbbauberechtigte seinen Pflichten nicht nach, etwa bei erheblichem Zahlungsrückstand des Erbbauzinses, kann der Grundstückseigentümer unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen – etwa nach mehrfacher erfolgloser Abmahnung – eine vorzeitige Beendigung des Erbbaurechts erwirken.

Kann das Erbbaurecht verkauft, vererbt oder beliehen werden?

Das Erbbaurecht gilt als grundstücksgleiches Recht und ist im Grundbuch als eigenes Grundbuchblatt vermerkt. Dementsprechend kann es grundsätzlich wie ein Grundstück im vollen Umfang verkauft, vererbt und mit Grundpfandrechten (wie Hypotheken oder Grundschulden) belastet werden. Ein Verkauf des Erbbaurechts bedarf regelmäßig der notariellen Beurkundung und der Eintragung des Erwerbers im Erbbaugrundbuch. Bei der Übertragung können jedoch, abhängig vom ursprünglichen Erbbaurechtsvertrag, Zustimmungserfordernisse durch den Grundstückseigentümer bestehen, insbesondere um unerwünschte Erwerber auszuschließen. Im Erbfall geht das Erbbaurecht kraft Gesetzes auf die Erben über, sofern der Erbbaurechtsvertrag keine abweichenden Regelungen (etwa ein Rückkaufs- oder Vorkaufsrecht des Grundstückseigentümers) vorsieht. Eine Beleihung ist grundsätzlich möglich, doch können sich Kreditinstitute – je nach Restlaufzeit und Sicherheitenstellung – mit der Vergabe zögerlich zeigen. Es können ebenfalls Belastungsverbote vereinbart worden sein, die der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedürfen.

Welche Regelungen bestehen zur Verlängerung, Beendigung und Heimfall des Erbbaurechts?

Die Laufzeit eines Erbbaurechts beträgt in der Regel 50 bis 99 Jahre, es sind jedoch auch abweichende Vereinbarungen möglich. Das Erbbaurecht erlischt grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Laufzeit, es sei denn, es wird rechtzeitig eine Verlängerung vereinbart. Verlängerungsoptionen können bereits im ursprünglichen Vertrag geregelt sein oder sind – bei Einvernehmen der Parteien – durch eine Nachtragsvereinbarung möglich. Nach Ablauf des Erbbaurechts fällt das errichtete Bauwerk regelmäßig entschädigungslos oder gegen eine vereinbarte Entschädigung in das Eigentum des Grundstückseigentümers zurück; dieser Vorgang wird als „Heimfall“ bezeichnet. Die Höhe der Entschädigung richtet sich meist nach dem Verkehrswert des Bauwerks, abzüglich möglicher Abschläge (z.B. wegen Baumängeln oder Modernisierungsrückständen) und ist oft im Vertrag vorab geregelt. Im Einzelfall sind Streitigkeiten über die Entschädigungshöhe durch ein Sachverständigengutachten oder gegebenenfalls gerichtlich zu klären.

Welche Rechte hat der Grundstückseigentümer während der Laufzeit des Erbbaurechts?

Der Grundstückseigentümer bleibt Inhaber des belasteten Grundstücks und ist insbesondere berechtigt, den vertraglich festgelegten Erbbauzins zu erhalten. Während der Laufzeit ist er grundsätzlich an die Regelungen des Erbbaurechtsvertrags und an die Rechte des Erbbauberechtigten gebunden, kann jedoch vertraglich bestimmte Kontroll- und Mitspracherechte (zum Beispiel bei baulichen Veränderungen, Belastungen oder Veräußerungen des Erbbaurechts) wahrnehmen. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Erbbauberechtigten (u.a. nachhaltige Nichtzahlung des Erbbauzinses oder Zweckentfremdung) kann er nach den Vorschriften des Erbbaurechtsgesetzes eine vorzeitige Aufhebung oder den Heimfall des Erbbaurechts anstreben. Zudem kann sich im Falle des Heimfalls oder bei Vertragsende ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gegenüber dem Erbbauberechtigten ergeben, sofern dies vertraglich vereinbart ist.

Wie ist der Erbbauzins rechtlich geregelt und kann dieser angepasst werden?

Der Erbbauzins ist die wiederkehrende Vergütung, die der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer für die Überlassung des Grundstücks während der Dauer des Erbbaurechts schuldet. Die Höhe und Zahlungsmodalitäten werden im Erbbaurechtsvertrag festgelegt. In der Praxis ist meist eine Wertsicherungsklausel integriert, welche die Anpassung des Erbbauzinses an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes oder anderer Indizes erlaubt. Ohne eine solche Regelung ist eine Anpassung ausgeschlossen, was zu wirtschaftlichen Nachteilen – meist für den Grundstückseigentümer – führen kann. Die Anpassung erfolgt bei vertraglicher Regelung regelmäßig alle 3 bis 5 Jahre. Im Streitfall kann die Angemessenheit und Wirksamkeit der Anpassungsklausel gerichtlich überprüft werden. Fehlt eine Wertsicherungsklausel, so bleibt der vereinbarte Erbbauzins über die gesamte Laufzeit grundsätzlich unverändert.

Welche Sicherungsinstrumente bestehen für die Vertragsparteien?

Sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für den Erbbauberechtigten existieren rechtliche Sicherungsmechanismen. Der Grundstückseigentümer kann zu seiner Absicherung im Erbbaugrundbuch sogenannte Heimfall- oder Aufhebungsvormerkungen eintragen lassen, die im Falle bestimmter Pflichtverletzungen die Rückübertragung des Erbbaurechtes an ihn absichern. Der Erbbauberechtigte wiederum erwirbt mit der Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch ein vollwertiges, grundstücksgleiches Recht, das gegen den Grundstückseigentümer und Dritte geschützt ist. Für eventuelle Entschädigungsansprüche bei Heimfall kann ebenfalls eine Eintragung erfolgen. Ferner besteht für beide Parteien die Möglichkeit, die Zahlung des Erbbauzinses oder die Einhaltung von Bau- und Nutzungspflichten im Vertrag durch Vertragsstrafen oder Rücktrittsvorbehalte abzusichern.

Welche Besonderheiten gelten für die Besteuerung des Erbbaurechts?

Das Erbbaurecht unterliegt besonderen steuerlichen Regelungen. Erbbauzinsen stellen beim Grundstückseigentümer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dar und sind entsprechend einkommensteuerpflichtig. Auf Seiten des Erbbauberechtigten gelten sie als Werbungskosten, sofern das Bauwerk vermietet wird beziehungsweise Einkünfte daraus erzielt werden. Grunderwerbsteuer fällt beim erstmaligen Einräumen eines Erbbaurechtes sowie beim Verkauf des Erbbaurechtes an. Auch bei einer Übertragung durch Erbschaft oder Schenkung wird das Erbbaurecht als vererbliches beziehungsweise verschenkbares Vermögensrecht berücksichtigt. Bei Ablauf der Vertragslaufzeit und Rückübereignung an den Grundstückseigentümer sind ebenfalls steuerliche Aspekte, wie gegebenenfalls die Entschädigung, zu beachten. Darüber hinaus ist das Erbbaurecht ein eigenständiges Wirtschaftsgut, das bei der Grundsteuerveranlagung zu berücksichtigen ist.