Eingliederungshilfe nach dem Häftlingshilfegesetz: Definition und Rechtsgrundlagen
Die Eingliederungshilfe nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) ist eine spezifische Form staatlicher Unterstützungsleistungen für Personen, die aus politischen Gründen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) oder anderen osteuropäischen Staaten inhaftiert waren und nun Schwierigkeiten bei der gesellschaftlichen oder beruflichen Wiedereingliederung haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen finden sich im Häftlingshilfegesetz vom 13. August 1982 (BGBl. I S. 1317), das seitdem mehrfach geändert wurde.
Rechtliche Grundlagen und Zielsetzung
Gesetzliche Verankerung
Die Eingliederungshilfe ist im Häftlingshilfegesetz geregelt, insbesondere in §§ 8 bis 10 HHG. Das Gesetz wurde geschaffen, um ehemalige politische Gefangene der DDR sowie ihrer Rechtsvorgänger- und Folgestaaten bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen.
Ziel der Eingliederungshilfe
Das Hauptziel besteht darin, die sozialen und wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die durch eine frühere politisch motivierte Inhaftierung entstanden sind. Schwerpunkt der Eingliederungshilfe ist die Förderung einer eigenständigen Lebensführung, die gesellschaftliche Teilhabe und die Verbesserung der beruflichen Chancen.
Anspruchsberechtigung und Voraussetzungen
Anspruchsberechtigte Personen
Anspruch auf Eingliederungshilfe haben gemäß § 1 HHG grundsätzlich Personen, die aus politischen Gründen in der DDR oder einem osteuropäischen Staat inhaftiert waren. Die Leistungen werden auch an deren hinterbliebene Ehegatten sowie an Abkömmlinge gewährt, wenn diese durch die Inhaftierung Nachteile erlitten haben.
Weitere Voraussetzung
Die Anspruchsberechtigung setzt unter anderem voraus:
- Eine mindestens 180-tägige, zusammenhängende Freiheitsentziehung aus politischen Gründen.
- In besonderen Fällen kann auch eine kürzere Haftzeit genügen, wenn erhebliche Nachteile für den Betroffenen entstanden sind.
- Der Lebensmittelpunkt muss zum Antragszeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland liegen.
Entscheidend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen ist eine Einzelfallprüfung, bei der Art und Umfang der politischen Inhaftierung sowie die daraus resultierenden Nachteile berücksichtigt werden.
Art und Umfang der Eingliederungshilfe
Leistungsarten
Die Eingliederungshilfe nach dem HHG umfasst folgende Leistungen, die sowohl als Geld- als auch als Sachleistungen erbracht werden können (§ 8 HHG):
- Berufliche Eingliederung: Zuschüsse für berufliche Fort- oder Weiterbildung, Umschulungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit.
- Wohnungshilfe: Beihilfen zur Wohnungsbeschaffung oder zur Beseitigung besonderer Belastungen infolge der Haft.
- Sonstige Leistungen: Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere in Notlagen, wenn anderweitige Sozialleistungen nicht ausreichend sind.
Individuelle Bedarfsermittlung
Die Leistungen werden nach dem individuellen Bedarf und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gewährt. Die Eingliederungshilfe ist im Regelfall nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen (Subsidiaritätsprinzip).
Integration und Nachhaltigkeit
Ziel ist stets eine nachhaltige Beseitigung der durch die Haft entstandenen Benachteiligungen. Die Leistungen können wiederholt oder über einen längeren Zeitraum gewährt werden, sofern ein entsprechender Bedarf fortbesteht.
Antragsverfahren und Rechtsweg
Antragstellung
Die Eingliederungshilfe wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag ist bei der für den Wohnsitz zuständigen Landesbehörde einzureichen. Eine rechtzeitige und vollständige Antragstellung ist Voraussetzung für eine Leistungsgewährung.
Erforderliche Nachweise
Dem Antrag sind geeignete Unterlagen beizufügen, die die Inhaftierung und deren Folgen belegen. Hierzu zählen insbesondere Haftbescheinigungen, Nachweise über Gesundheits- oder Erwerbsschäden sowie Belege über wirtschaftliche Benachteiligungen.
Verwaltungsverfahren
Über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. In Fällen der Ablehnung kann der Antragsteller Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor den Sozialgerichten erheben.
Verhältnis zu anderen gesetzlichen Ansprüchen
Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem HHG stehen neben anderen sozialen Hilfen, etwa Rehabilitierungs- und Entschädigungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) oder dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Verhältnis zu parallelen Leistungsansprüchen ist durch das Nachrang- und Konkurrenzprinzip geregelt; eine Doppelleistung ist ausgeschlossen.
Besondere Regelungen und Sozialausgleich
Schadensausgleich
In spezifischen Härtefällen kann die Eingliederungshilfe ergänzend auch als Schadensausgleich im besonderen Maße gewährt werden – etwa wenn Berufskarrieren dauerhaft zerstört wurden oder gesundheitliche Folgeschäden eine normale Erwerbstätigkeit ausschließen.
Sozialausgleich
Die Eingliederungshilfe trägt insgesamt zur sozialen Gerechtigkeit bei, indem sie staatliche Verantwortung für die Rehabilitation politisch Verfolgter übernimmt und damit der gesellschaftlichen Wiedereingliederung Nachdruck verleiht.
Änderungen und aktuelle Entwicklungen
Das Häftlingshilfegesetz wurde regelmäßig novelliert, insbesondere nach der Deutschen Wiedervereinigung. Mit der Anpassung an aktuelle soziale Standards und die Schließung von Förderlücken bleibt die Eingliederungshilfe ein bedeutender Bestandteil des sozialstaatlichen Ausgleichssystems für ehemalige politische Häftlinge.
Fazit
Die Eingliederungshilfe nach dem Häftlingshilfegesetz stellt ein wichtiges Instrument zur Überwindung der Folgen politischer Haft dar. Sie unterstützt sowohl die soziale als auch die berufliche Integration ehemals politisch Verfolgter und leistet einen essentiellen Beitrag zum sozialen Rechtsstaat. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleisten umfassende, bedarfsgerechte Unterstützung auf Antrag und sichern so den gesellschaftlichen Ausgleich für durch Haft entstandene Benachteiligungen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach dem Häftlingshilfegesetz (§ 1 HHG) anspruchsberechtigt auf Eingliederungshilfe?
Anspruchsberechtigt auf Eingliederungshilfe nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) sind gemäß § 1 HHG Personen, die aus politischen Gründen in der ehemaligen DDR oder in den unter sowjetischer Besatzung stehenden Gebieten (einschließlich Speziallagern) inhaftiert waren. Eine Anspruchsberechtigung setzt voraus, dass die Haftstrafe oder sonstige freiheitsentziehende Maßnahmen rechtsstaatswidrig, insbesondere nach den Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland, verhängt wurden. Darüber hinaus muss die Haft eine Mindestdauer (meist 180 Tage) aufweisen bzw. es muss eine Gleichstellung mit den in § 1 HHG genannten Personengruppen durch behördlichen Bescheid erfolgt sein. Entsprechende Nachweise sind durch Haftunterlagen, Anerkennungsbescheid oder sonstige offizielle Unterlagen zu erbringen.
Welche Leistungen sind unter dem Begriff „Eingliederungshilfe” nach HHG zu verstehen?
Eingliederungshilfe nach dem HHG umfasst insbesondere Maßnahmen zur Teilhabe am sozialen, kulturellen und beruflichen Leben (§ 9 HHG i.V.m. SGB IX). Darunter fallen sowohl finanzielle Unterstützungen als auch Sachleistungen, die darauf ausgerichtet sind, die Folgen der politisch motivierten Inhaftierung auszugleichen. Dies kann Maßnahmen wie berufliche Weiterbildung, Hilfsmittel (z.B. orthopädische Hilfen wegen Haftfolgen), unterstützende Beratungsangebote, Zuschüsse bei Wohnungssuche sowie ggf. therapeutische Leistungen einschließen. Die Leistungen sind auf die konkreten individuellen Bedarfe des Antragstellers ausgerichtet und können sowohl einmalig als auch laufend gewährt werden.
Nach welchen rechtlichen Maßstäben wird über die Bewilligung von Eingliederungshilfe entschieden?
Die Entscheidung über die Bewilligung von Eingliederungshilfe unterliegt den Maßgaben des HHG, insbesondere den §§ 9 ff. HHG, und erfolgt unter Beachtung des allgemeinen Sozialverwaltungsrechts (insbesondere SGB I und SGB X). Relevante Kriterien sind die konkrete Bedürftigkeit des Antragstellers, die unmittelbaren Folgen der Haft sowie die Fähigkeit zur eigenständigen Lebensführung. Im Einzelfall wird geprüft, inwiefern die beantragte Hilfe zur Eingliederung in das gesellschaftliche oder berufliche Leben erforderlich ist. Ferner müssen Nachweise für einen Kausalzusammenhang zwischen der Inhaftierung und dem aktuellen Hilfebedarf erbracht werden.
Wie ist das Antragsverfahren für Eingliederungshilfe nach dem HHG ausgestaltet?
Das Antragsverfahren beginnt mit einem schriftlichen Antrag bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, die meist beim Landesamt für Soziales oder beim Versorgungsamt angesiedelt ist. Der Antrag muss alle relevanten Daten zur Person, zur Art und Dauer der Haft sowie zu den geltend gemachten Folgeschäden enthalten. Zwingend beizufügen sind Bescheinigungen über die Haftdauer, das Haftanerkenntnis sowie Nachweise über den aktuellen Hilfebedarf. Die Behörde prüft sowohl die formellen Anspruchsvoraussetzungen als auch den individuellen Bedarf. Ein Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe besteht nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Die Entscheidung ergeht in Form eines schriftlichen Bescheids, gegen den ein Widerspruch und ggf. eine Klage vor dem Sozialgericht möglich ist.
In welchem Verhältnis steht die Eingliederungshilfe nach HHG zu anderen Sozialleistungen?
Die Eingliederungshilfe nach HHG ist nachrangig gegenüber vorrangig zu gewährenden Sozialleistungen, etwa nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende) oder SGB XII (Sozialhilfe). Das bedeutet, dass zunächst geprüft wird, ob die Leistungen zur Deckung des Bedarfs durch andere Sozialleistungsträger erbracht werden können. Nur soweit entsprechende Ansprüche nicht oder nicht in ausreichendem Umfang bestehen, setzt die Eingliederungshilfe nach HHG ein. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme paralleler Leistungen ist zu vermeiden; stattdessen werden Leistungen angerechnet oder abgestimmt gewährt. Die Koordinierung und Prüfung einer Doppelleistung erfolgt durch die jeweils zuständige Behörde.
Gelten bei Eingliederungshilfen nach HHG besondere Ausschluss- oder Ruhensgründe?
Ja, das HHG sieht in bestimmten Fällen Ausschluss- und Ruhensgründe vor. Leistungen ruhen beispielsweise, wenn der Leistungsempfänger im Ausland lebt, es sei denn, es handelt sich um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen Staat, mit dem ein entsprechendes Abkommen besteht. Ein Ausschluss ergibt sich zudem, wenn der Betroffene wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, sofern diese den Eingliederungstatbestand selbst betrifft. Darüber hinaus ist keine Eingliederungshilfe zu gewähren, falls der Anspruch durch eigenes Fehlverhalten verwirkt wurde oder bereits vergleichbare Leistungen aus anderen Entschädigungsgesetzen bezogen werden.
Wie wirken sich Entschädigungszahlungen nach HHG auf die Steuerpflicht und die Anrechnung auf andere Leistungen aus?
Entschädigungszahlungen, einschließlich der Eingliederungshilfen nach HHG, gelten nach § 3 Nr. 6 EStG in der Regel als steuerfrei, soweit sie zur Wiedergutmachung von durch staatliche Maßnahmen verursachtem Schaden gezahlt werden. Bei der Anrechnung auf andere Sozialleistungen ist jedoch zu differenzieren: Während reine Entschädigungsleistungen im Sinne des HHG regelmäßig nicht als Einkommen gelten, sind zweckgebundene Leistungen (z.B. Mietzuschüsse, Hilfsmittel) unter Umständen bei der Berechnung anderer Sozialleistungen mitzuberücksichtigen, sofern keine spezielle Anrechnungsfreiheit normiert ist. Eine genaue Prüfung des Einzelfalls ist zwingend erforderlich, insbesondere bei Überschneidung mit SGB II- oder SGB XII-Leistungen.