Legal Lexikon

Wiki»Eigentumsaufgabe

Eigentumsaufgabe


Eigentumsaufgabe

Begriff und rechtliche Einordnung

Die Eigentumsaufgabe (auch als Dereliktion bezeichnet) ist ein rechtlicher Vorgang, bei dem der Eigentümer einer beweglichen oder unbeweglichen Sache willentlich und endgültig auf sein Eigentum verzichtet. Dabei handelt es sich um ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Die Eigentumsaufgabe führt dazu, dass die Sache herrenlos wird, das heißt, sie gehört fortan niemandem mehr.

Im deutschen Recht ist die Eigentumsaufgabe in § 959 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für bewegliche Sachen sowie in § 928 BGB für Grundstücke normiert. Sie stellt eine der wichtigsten Formen des Eigentumserwerbs und -verlustes im Sachenrecht dar.

Voraussetzungen der Eigentumsaufgabe

Subjektive Komponente: Der Wille zur Aufgabe

Um wirksam das Eigentum an einer Sache aufzugeben, bedarf es eines erkennbaren Willens des bisherigen Eigentümers, sein Recht an der Sache endgültig aufzugeben. An dieses Merkmal sind strenge Anforderungen zu stellen:

  • Die Aufgabe muss ernsthaft und endgültig beabsichtigt sein.
  • Es darf keine Bedingung an die Aufgabe geknüpft sein.
  • Der Wille zur Aufgabe muss nach außen erkennbar werden.

Objektive Komponente: Aufgabehandlung

Bei beweglichen Sachen erfolgt die Eigentumsaufgabe durch das tatsächliche Verlassen der Sache in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten. Die bloße Absicht ist nicht ausreichend – es bedarf zusätzlich der Aufgabehandlung, typischerweise durch das Wegwerfen oder Liegenlassen. Die Sache muss somit herrenlos zurückgelassen werden.

Bei Grundstücken ist nach § 928 BGB neben der Aufgabeerklärung die Löschung des Eigentümers im Grundbuch erforderlich.

Rechtliche Wirkungen der Eigentumsaufgabe

Herrenlosigkeit

Mit der Eigentumsaufgabe wird die Sache herrenlos. Gemäß § 958 Abs. 1 BGB kann eine herrenlose Sache von jedermann durch Besitznahme wieder in Eigentum überführt werden (dereliktiertes Gut).

Verlust des Eigentums

Der bisherige Eigentümer verliert seine sachenrechtliche Herrschaftsmacht über die aufgegebene Sache unwiderruflich. Sobald der Wille zur Aufgabe nach außen tritt und die tatsächliche Aufgabehandlung ausgeführt wurde, ist der Eigentumsverlust eingetreten.

Wiedererwerb durch Aneignung

Andere Personen können die herrenlose, aufgegebene Sache durch eigenmächtige Inbesitznahme (Okkupation) wieder zum Eigentum erwerben. Voraussetzung hierfür ist die Erlangung des Eigenbesitzes mit Aneignungswillen.

Besonderheiten der Eigentumsaufgabe

Aufgabefähigkeit der Sache

Nicht alle Sachen sind eigentumsfähig oder aufgabefähig. Insbesondere können gemeinschaftliche Rechte, bestimmte Verbotsrechte oder nicht-verkörperte Rechte nicht im Wege der Dereliktion aufgegeben werden.

Eigentumsaufgabe an Grundstücken

Die Aufgabe des Eigentums an Grundstücken unterliegt speziellen gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 928 Abs. 1 BGB ist erforderlich:

  • Erklärung der Aufgabe gegenüber dem Grundbuchamt,
  • Löschung des Eigentümers im Grundbuch.

Mit erfolgter Löschung wird das Grundstück eigentümerlos und kann vom ersten Erwerbsinteressenten nach Maßgabe der Vorschriften des Grundbuchrechts und des Sachenrechts erworben werden.

Rechtsfolgen bei Sondervorschriften und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen

In bestimmten Fällen ist die Eigentumsaufgabe ausgeschlossen, insbesondere wenn öffentliche Vorschriften der Aufgabe entgegenstehen. Beispielsweise besteht ein Entsorgungsgebot für gefährlichen Abfall, so dass dessen „Wegwerfen“ nicht zur wirksamen Eigentumsaufgabe führt.

Ebenso sind Kulturgüter, Archivalien oder bestimmte staats- oder kircheneigene Güter besonderen Beschränkungen unterworfen, die eine Aufgabe des Eigentums faktisch oder rechtlich ausschließen können.

Praktische Bedeutung und typische Anwendungsfälle

Die Eigentumsaufgabe ist in verschiedenen Lebensbereichen von praktischer Relevanz:

  • Entsorgung von Gegenständen: Das Wegwerfen beweglicher Sachen im Hausmüll stellt rechtlich eine Eigentumsaufgabe dar, soweit keine Sondervorschriften entgegenstehen.
  • Aufgabe von Grundstücken: Kommt in der Praxis selten vor, da der bisherigen Eigentümer weiterhin öffentlich-rechtlich (z.B. Grundsteuer, Sanierungsverpflichtungen) verpflichtet bleiben kann, solange das Grundbuch nicht berichtigt ist.
  • Schifffahrt und Luftfahrt: Das bewusste Verlassen von Wracks oder Luftfahrzeugen bedeutet deren Dereliktion und erlaubt ggf. eine Bergung durch Dritte.
  • Fundsachenrecht: Zur Aneignung gefundener Sachen bedarf es, dass diese herrenlos sind, was durch Eigentumsaufgabe erfolgen kann.

Abgrenzung zu anderen sachenrechtlichen Tatbeständen

Besitzaufgabe (Besitzaufgabe vs. Eigentumsaufgabe)

Die Aufgabe des Besitzes ist von der Aufgabe des Eigentums zu unterscheiden. Die bloße Verlust des Besitzes bedeutet nicht gleichzeitig Eigentumsaufgabe. Erst wenn sich zusätzlich die Eigentumsaufgabe feststellen lässt, wird die Sache herrenlos.

Verzicht und Übertragung

Anders als bei der Übertragung tritt kein neuer Eigentümer an die Stelle des alten, vielmehr wird das Eigentum beseitigt und die Sache wird herrenlos. Ein Verzicht auf das Eigentum zugunsten einer bestimmten Person erfordert die Einhaltung der Übertragungsregeln (z.B. Einigung und Übergabe).

Gesetzliche Regelungen zur Eigentumsaufgabe

Zentrale Normen sind:

  • § 959 BGB: „Das Eigentum an einer beweglichen Sache wird aufgegeben, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt.“
  • § 928 BGB: „Das Eigentum an einem Grundstück kann durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt und Löschung im Grundbuch aufgegeben werden.“
  • § 958 BGB: „Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt.“

Diese Vorschriften regeln die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Eigentumsaufgabe im deutschen Sachenrecht.

Zusammenfassung

Die Eigentumsaufgabe ist ein bedeutsamer Tatbestand des deutschen Sachenrechts, der den freiwilligen Verlust des Eigentums und die Herrenlosigkeit einer Sache herbeiführt. Sie unterliegt bestimmten formalen und materiellen Anforderungen, deren Einhaltung unabdingbar ist. Die praktisch bedeutendsten Fälle betreffen das Wegwerfen oder Liegenlassen beweglicher Sachen sowie die – seltene – Aufgabe von Grundstückseigentum unter Einhaltung der formellen Schritte. Ein Verständnis der genauen Voraussetzungen und Rechtsfolgen ist wesentlich, um die sachenrechtlichen und etwaigen öffentlich-rechtlichen Implikationen richtig zu erfassen.

Häufig gestellte Fragen

Welche formellen Anforderungen bestehen für die wirksame Eigentumsaufgabe an beweglichen Sachen?

Um eine Eigentumsaufgabe an beweglichen Sachen wirksam zu vollziehen, bedarf es der sogenannten Dereliktion nach § 959 BGB. Dies setzt voraus, dass der Eigentümer den Besitz an der Sache vollständig aufgibt und gleichzeitig erkennbar seinen Eigentumswillen („animus derelinquendi“) aufgibt. Die Aufgabe muss durch eine eindeutige Willenserklärung erfolgen, die nach außen objektiv erkennbar ist – schlichte innere Entschlüsse genügen nicht. Typische Beispiele sind das Wegwerfen von Sachen in den Müll oder das Stehenlassen im öffentlichen Raum. Die Aufgabe des Besitzes muss außerdem endgültig sein; eine bloße Besitzaufgabe wegen Verlusts (z.B. Liegenlassen und nicht wiederauffinden) stellt keine Dereliktion dar. Die Erklärung ist formfrei, sollte aber im Streitfall beweisbar sein. Es bestehen keine besonderen Schrift- oder Anzeigeerfordernisse, allerdings darf die Aufgabe nicht gegen gesetzliche Verbote oder Rechte Dritter (z.B. Sicherungseigentum) verstoßen.

Welche rechtlichen Folgen hat die Eigentumsaufgabe?

Die Dereliktion führt dazu, dass das Eigentum an der Sache erlischt und die Sache herrenlos wird („res nullius“). Niemand ist ab diesem Zeitpunkt mehr Eigentümer der Sache. Dies eröffnet jedermann die Möglichkeit, durch Aneignung nach § 958 Abs. 1 BGB neues Eigentum zu erwerben, sofern keine besonders geregelte Einschränkung besteht (z. B. für Funde nach §§ 965 ff. BGB). Die Haftung für die Sache entfällt grundsätzlich, allerdings bleiben etwaige Folgepflichten aus anderen Rechtsverhältnissen (z.B. aus Umwelt- oder Abfallrecht) unberührt. Im Rahmen von Sicherungsrechten oder Pfandrechten kann die Aufgabe des Eigentums unzulässig sein und führt nicht immer zur vollständigen Entlastung des bisherigen Eigentümers.

Können bestehende Belastungen oder Rechte Dritter durch die Eigentumsaufgabe erlöschen?

Durch die Eigentumsaufgabe erlöschen grundsätzlich auch akzessorische dingliche Rechte an der Sache (zum Beispiel ein Nießbrauch oder Sicherungseigentum), da sie an den Bestand des Eigentums geknüpft sind. Ausgenommen hiervon sind jedoch bestimmte gesetzliche Pfandrechte, sofern eine ausdrückliche Regelung dies vorsieht. Persönliche oder obligatorische Rechte Dritter (z.B. aus Mietverhältnissen) bleiben von der Eigentumsaufgabe zunächst unberührt, sie können sich aber durch das Erlöschen des Eigentums als gegenstandslos erweisen. Zu beachten ist, dass vereinbarte Beschränkungen der Dereliktion, etwa in Sicherungsabreden, aus schuldrechtlichen Beziehungen fortbestehen und zum Schadensersatz verpflichten können, falls die Eigentumsaufgabe vertragswidrig erfolgt.

Kann die Eigentumsaufgabe einseitig erfolgen oder bedarf es der Zustimmung anderer Parteien?

Die Eigentumsaufgabe ist als einseitiges Rechtsgeschäft grundsätzlich ohne Mitwirkung Dritter möglich. Die Willenserklärung des bisherigen Eigentümers, den Besitz und das Eigentum aufgeben zu wollen, genügt. Eine Zustimmung anderer Parteien – etwa des Vermieters eines Grundstücks, auf dem sich die Sache befindet, oder Familienangehöriger – ist rechtlich nicht erforderlich. Allerdings ist es möglich, dass sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. Abfallentsorgungsgesetze) oder vertraglichen Vereinbarungen Einschränkungen ergeben, die zum Beispiel eine Zustimmung oder Mitteilungspflicht vorsehen. In diesen Fällen kann die Eigentumsaufgabe zwar zivilrechtlich wirksam, aber öffentlich-rechtlich oder vertraglich unzulässig sein.

Gibt es bei der Aufgabe von Eigentum an Grundstücken Besonderheiten?

Die Eigentumsaufgabe an Grundstücken („Dereliktion an Grundstücken“) ist in § 928 BGB geregelt und unterscheidet sich wesentlich von der Aufgabe an beweglichen Sachen. Sie bedarf der Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt und erfordert die Eintragung der Eigentumsaufgabe im Grundbuch. Erst mit der Löschung aus dem Grundbuch wird das Grundstück herrenlos. Für die Erklärung ist eine notarielle Beglaubigung erforderlich. Solange sich das Grundstück im räumlichen Bereich eines Gemeinwesens befindet (Bund, Land, Gemeinde), fällt das Grundstück nach § 928 Abs. 2 BGB unmittelbar an dieses (Aneignungsrecht des Staates) und wird nicht herrenlos im klassisch zivilrechtlichen Sinne.

Welche Rolle spielt das Abfallrecht bei der Eigentumsaufgabe?

Das Abfallrecht kann die zivilrechtliche Wirksamkeit der Eigentumsaufgabe erheblich beeinflussen. Wird eine bewegliche Sache als Abfall im öffentlichen Raum entsorgt, kann dies zwar zur Eigentumsaufgabe im Sinne des BGB führen, jedoch bestehen abfallrechtliche Vorschriften zur ordnungsgemäßen Entsorgung weiter. Nach § 15 Kreislaufwirtschaftsgesetz bleibt der bisherige Eigentümer zur Beseitigung und Behandlung von Abfällen verpflichtet, selbst wenn er zivilrechtlich das Eigentum durch Dereliktion aufgegeben hat. Bei Verstoß drohen ordnungsrechtliche Sanktionen und Kostenbescheide der Kommune. Die Eigentumsaufgabe entbindet also nicht von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen.

Ist eine Rücknahme oder ein Widerruf der Eigentumsaufgabe möglich?

Die Erklärung der Eigentumsaufgabe ist ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft und wird mit ihrer Ausführung unwiderruflich wirksam. Eine Rücknahme oder ein Widerruf ist danach grundsätzlich ausgeschlossen. Der bisherige Eigentümer kann, sofern die Sache noch herrenlos und noch nicht von einem Dritten angeeignet wurde, durch neue Besitzergreifung selbst erneut Eigentum erwerben (§ 958 Abs. 1 BGB). Sobald jedoch ein Dritter durch Aneignung Eigentum erlangt hat, ist der Zugriff ausgeschlossen. Täuschung oder Irrtum bei der Dereliktion können zur Anfechtbarkeit führen, verlangen aber eine entsprechende Anfechtungserklärung nach §§ 119 ff. BGB.

Welche Besonderheiten gelten für die Eigentumsaufgabe bei gemeinschaftlichem Eigentum?

Im Falle gemeinschaftlichen Eigentums, beispielsweise einer Bruchteilsgemeinschaft nach § 1008 BGB oder einer Gesamthandsgemeinschaft (z. B. Erbengemeinschaft), ist die Eigentumsaufgabe nur durch alle Eigentümer gemeinschaftlich möglich. Eine einseitige Dereliktion durch einen Miteigentümer ist unwirksam und betrifft lediglich dessen eigenen Anteil, sofern das Gemeinschaftsverhältnis dies zulässt. Für Grundstücke ist die Vereinbarung sämtlicher Miteigentümer und eine gemeinsame Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt erforderlich. Andernfalls bleibt das Eigentum bei den übrigen Miteigentümern bzw. bei der Gemeinschaft bestehen.