Begriff und Definition der Eigengesellschaft
Die Eigengesellschaft ist eine besondere Organisationsform im öffentlichen Recht. Sie bezeichnet juristische Personen, die von der öffentlichen Hand, insbesondere von Kommunen, Ländern oder dem Bund, gegründet und beherrscht werden, um öffentliche Aufgaben eigenständig und in unternehmerischer Form zu erfüllen. Im Gegensatz zu Beliehene oder Anstalten handelt eine Eigengesellschaft im eigenen Namen und Risiko, verbleibt aber im vollständigen oder überwiegenden Eigentum der öffentlichen Hand.
Eigengesellschaften zählen zu den Instrumenten der sogenannten funktionalen Privatisierung, bei der Aufgaben zwar weiterhin von öffentlichen Trägern verantwortet werden, aber durch ein rechtlich eigenständiges Unternehmen ausgeführt werden.
Rechtsgrundlagen und Formen der Eigengesellschaft
Öffentliche Rechtsgrundlagen
Eigengesellschaften können in unterschiedlichen Rechtsformen betrieben werden. Am häufigsten treten sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Aktiengesellschaft (AG) oder – seltener – als eingetragener Verein (e. V.) oder Genossenschaft auf. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich insbesondere im:
- Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- GmbH-Gesetz (GmbHG)
- Aktiengesetz (AktG)
- Kommunalrecht der Bundesländer
Die Gründung und der Betrieb von Eigengesellschaften erfolgt stets auf Basis entsprechender Ermächtigungen im Kommunalrecht (z. B. Gemeindeordnungen und Hauptsatzungen), öffentlichen Haushaltsgrundsätzen und speziellen Zweckbestimmungen.
Rechtsformen der Eigengesellschaft
Die häufigsten Erscheinungsformen kommunaler/öffentlicher Eigengesellschaften sind:
- GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung): Weit verbreitet aufgrund der flexiblen Struktur und Haftungsbeschränkung.
- AG (Aktiengesellschaft): Geeignet für größere Beteiligungsstrukturen.
- AöR (Anstalt des öffentlichen Rechts): Enthält hybride Merkmale, wird jedoch streng von Eigengesellschaften unterschieden, da bei AöR das Eigentum nicht auf eine juristische Person des Privatrechts übergeht.
Die Wahl der Organisationsform beeinflusst Rechte und Pflichten, insbesondere im Hinblick auf Steuerrecht, Rechnungswesen, Vergaberecht und kommunale Finanzkontrolle.
Eigentümerstruktur und Beteiligungsverhältnisse
Eine Eigengesellschaft liegt vor, wenn die öffentliche Hand mindestens die einfache Mehrheit der Anteile (über 50 %) hält und damit die Gesellschaft beherrscht. Mischformen mit privaten Beteiligungen sind als gemischtwirtschaftliche Unternehmen bekannt. Reine Eigengesellschaften befinden sich ausschließlich im Besitz einer oder mehrerer Gebietskörperschaften.
Aufgaben und Zielsetzung der Eigengesellschaft
Zweck der Eigengesellschaft
Eigengesellschaften werden gegründet, um öffentliche Dienstleistungen in organisatorisch und wirtschaftlich optimierter Form zu erbringen. Typische Aufgabenbereiche sind:
- Versorgung (Wasser, Strom, Gas, Fernwärme)
- Entsorgung (Abfall, Abwasser)
- Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
- Wohnungsbau und Stadtentwicklung
- Kultur, Freizeit und Sporteinrichtungen
Die Zielsetzung ist in der Regel nicht auf Gewinnerzielung, sondern auf die effiziente, flexible und nachhaltige Erfüllung öffentlicher Aufgaben ausgerichtet. Überschüsse werden meist reinvestiert oder fließen zurück an die öffentliche Hand.
Rechtliche Stellung und Kontrolle der Eigengesellschaft
Rechtsstellung
Eigengesellschaften sind rechtlich selbständige Einheiten. Sie besitzen eigene Organe (Geschäftsführung, Aufsichtsrat, ggf. Hauptversammlung) und handeln in eigenem Namen. Die Haftung ist in der Regel auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, was eine klare Trennung zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen ermöglicht.
Kontrolle öffentlicher Eigengesellschaften
Obwohl Eigengesellschaften privatrechtlich organisiert sind, unterliegen sie einer umfassenden Kontrolle und besonderen Transparenzanforderungen. Die Kontrolle erfolgt durch:
- Aufsichtsrat oder vergleichbare Gremien, besetzt durch Vertreter der öffentlichen Hand
- Rechnungsprüfung und externe Wirtschaftsprüfung
- Kommunale Unternehmensaufsicht nach den jeweiligen Gemeinde- und Kommunalordnungen
- Teilweise spezifische Berichtspflichten gegenüber den kommunalen Vertretungskörperschaften (z. B. Gemeinderat)
Haushalts- und Vergaberecht
Eigengesellschaften unterliegen meist dem Haushaltsrecht der öffentlichen Hand. Darüber hinaus greift das (europäische und nationale) Vergaberecht, sobald sie öffentliche Aufträge ausführen oder als öffentlicher Auftraggeber auftreten.
Steuerrechtliche Aspekte
Im Gegensatz zu Regiebetrieben oder Eigenbetrieben sind Eigengesellschaften grundsätzlich wie private Unternehmen steuerpflichtig (insbesondere Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Mehrwertsteuer). Eine Steuerbefreiung besteht lediglich für hoheitliche, nichtwirtschaftliche Tätigkeiten.
Abgrenzung zu verwandten Organisationsformen
Unterschied zur Anstalt und Eigenbetrieb
- Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR): Bleibt öffentlicher Teil der Verwaltung, ist keine Eigengesellschaft.
- Eigenbetrieb: Unselsbtständige Organisationseinheit der Kommune ohne eigene Rechtspersönlichkeit, ebenfalls keine Eigengesellschaft.
Unterschied zu gemischtwirtschaftlichen Unternehmen
Eigengesellschaften sind zu unterscheiden von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, an denen sowohl öffentliche als auch private Kapitalgeber beteiligt sind. Bei einer Eigengesellschaft verbleibt das gesamte (oder mindestens beherrschende) Eigentum bei der öffentlichen Hand.
Vor- und Nachteile der Eigengesellschaft
Vorteile
- Flexibilität durch privatrechtliche Organisationsform
- Begrenzte Haftung für Gesellschafter (Kommune/Land/Bund)
- Eigenständigkeit bei wirtschaftlichen Entscheidungen
- Möglichkeit wirtschaftlicher Betätigung im Wettbewerb
Nachteile
- Gefahr der Verselbständigung vom Gemeinwohlauftrag
- Transparenz- und Kontrolldefizite möglich
- Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Unternehmen könnte zu Interessenkonflikten führen
- Eventuell erhöhte steuerliche Belastung
Diese Aspekte müssen bei Gründung, Organisation und Betrieb sorgfältig abgewogen werden.
Literatur und Weiterführende Hinweise
- Wilke, S. (Hrsg.): Kommunale Unternehmen und Eigengesellschaften, Kommunalpraxis, 2023.
- Bundesministerium des Innern, Leitfaden für die Organisation öffentlicher Unternehmen.
- OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.05.2018 – 11 U 111/16 (Rechtsprechung zur Haftung).
- Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (beispielhaft NRW).
Durch die umfassende Regelung und Kontrolle steht die Eigengesellschaft im Spannungsfeld zwischen Effizienz der Unternehmensführung und Wahrung des öffentlichen Interesses. Die rechtliche Ausgestaltung variiert in Einzelheiten je nach Bundesland und Aufgabenzuschnitt, folgt aber in ihren Grundzügen stets dem skizzierten Rahmen.
Häufig gestellte Fragen
Können Gemeinde und Stadt eine Eigengesellschaft gründen oder müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein?
Gemeinden und Städte sind gemäß den jeweiligen Kommunalgesetzen der Bundesländer grundsätzlich berechtigt, Eigengesellschaften zu gründen. Eine Eigengesellschaft ist eine Gesellschaft, an der die öffentliche Hand – also die Kommune – allein oder mehrheitlich beteiligt ist. Rechtlich sind jedoch verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen. Insbesondere muss das öffentliche Interesse gewahrt sein, das heißt, die Gesellschaftsgründung muss dem Wohl der Commune dienen und darf keine rein privatwirtschaftlichen Zwecke verfolgen. In vielen Bundesländern ist eine sogenannte „öffentlich-rechtliche Aufgabenübertragung“ durch Beschluss des Gemeinderates erforderlich. Zudem bestehen Anzeigepflichten gegenüber der Kommunalaufsicht und oft ist deren Genehmigung einzuholen. Weitere Voraussetzungen können sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (insb. § 99 GWB) und dem EU-Beihilferecht ergeben, sofern die Gesellschaft wirtschaftlich tätig wird.
Welche gesellschaftsrechtlichen Formen kommen für Eigengesellschaften in Betracht?
Im rechtlichen Kontext ist es Kommunen freigestellt, verschiedene Gesellschaftsformen zu wählen. Am häufigsten wird die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gewählt, da sie Vorteile wie Haftungsbeschränkung und flexible Strukturierung bietet. Ebenfalls möglich ist die Aktiengesellschaft (AG), wobei dies selten genutzt wird, oder die Kommanditgesellschaft (KG), vor allem als GmbH & Co. KG. In Ausnahmefällen werden auch gemeinnützige GmbHs (gGmbH) oder öffentlich-rechtliche Anstalten und Stiftungen gegründet. Die gewählte Rechtsform unterliegt sämtlichen Bestimmungen des jeweiligen Gesellschaftsrechts, insbesondere dem GmbH-Gesetz bzw. Aktiengesetz, wobei die Kommune in der Rolle des Gesellschafters besondere öffentlich-rechtliche Pflichten beachten muss, etwa Transparenz- und Berichtspflichten.
Welche rechtlichen Kontrollmechanismen müssen Kommunen bei Eigengesellschaften beachten?
Die Kommunalgesetze sehen eine Vielzahl von Kontrollmechanismen für Beteiligungen an Eigengesellschaften vor. Gemeinden müssen in der Regel ein Beteiligungsmanagement einrichten, das Berichts- und Informationspflichten umfasst. Gesellschaftsverträge enthalten regelmäßig Weisungsrechte für die Gesellschafterversammlung und zur Sicherstellung der kommunalpolitischen Kontrolle werden meist Vertreter des Gemeinderates in Aufsichtsgremien entsendet. Die Gemeindeordnung verpflichtet zur regelmäßigen Offenlegung wirtschaftlicher Daten der Eigengesellschaft und häufig ist die Einbindung des Rechnungsprüfungsamtes notwendig. Zudem unterliegen bedeutsame Entscheidungen der Zustimmung des Rates oder der kommunalen Aufsicht. Bei Verstößen gegen rechtliche Vorgaben drohen – insbesondere bei wirtschaftlichen Verlusten – persönliche Haftungsrisiken für die Vertreter im Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG bzw. §§ 116, 93 AktG.
Unterliegen Eigengesellschaften dem öffentlichen Vergaberecht?
Ja, Eigengesellschaften gelten als öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB, sofern die Kommune maßgeblichen Einfluss ausübt oder eine Mehrheit der Anteile hält. Daher sind sie grundsätzlich verpflichtet, das Vergaberecht, insbesondere die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV) und ggf. sektorale Spezialregelungen, zu beachten. Damit verbunden ist die Pflicht, Ausschreibungen europaweit oder national offen durchzuführen und die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung einzuhalten. Verstöße können zu Nachprüfungsverfahren, Schadensersatzforderungen und Aufhebung von Vergabeverfahren führen.
Welche Besonderheiten gelten hinsichtlich der Haftung bei Eigengesellschaften?
Die Haftung bei Eigengesellschaften richtet sich maßgeblich nach der jeweiligen Rechtsform. Bei GmbHs ist die Haftung grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Allerdings gelten für Organmitglieder (z. B. Geschäftsführer, Aufsichtsräte) erhöhte Sorgfaltspflichten. Im Rahmen der kommunalen Beteiligung müssen sie nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch die Belange der Gemeinde sowie spezialgesetzliche Regelungen (etwa Vergaberecht, Datenschutz) beachten. Eine Haftung kann insbesondere bei Pflichtverletzungen gemäß § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG entstehen. In bestimmten Fällen (z. B. unerlaubte Quersubventionierung oder Verlustübernahmen) kann der kommunale Gesellschafter ausnahmsweise zur Nachschusszahlung verpflichtet werden. Auch strafrechtliche Konsequenzen (z. B. Untreue) sind bei groben Pflichtverletzungen möglich.
Wie ist die steuerliche Behandlung von Eigengesellschaften geregelt?
Eigengesellschaften sind steuerrechtlich wie private Unternehmen zu behandeln. Sie unterliegen daher der Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, sofern keine Steuerbefreiungen, insbesondere nach § 4 Nr. 15 oder 18 UStG oder nach den Vorschriften zur Gemeinnützigkeit (§§ 51 ff. AO), greifen. Im Verhältnis zur Kommune können verdeckte Gewinnausschüttungen steuerlich problematisch werden. Ferner ist das steuerliche Querverbundverbot zu beachten, d. h., Verluste und Gewinne aus unterschiedlichen Tätigkeiten derselben Gesellschaft dürfen steuerlich nicht beliebig miteinander verrechnet werden. Die Eigengesellschaft ist verpflichtet, eine eigenständige Buchführung nach Handels- und Steuerrecht zu führen.
Welche Mitwirkungsrechte der kommunalen Vertretungsgremien bestehen bei Entscheidungen der Eigengesellschaft?
Das kommunale Hauptorgan – meist der Gemeinderat – hat umfassende Mitwirkungs-, Informations- und Kontrollrechte bei Eigengesellschaften. Bestimmte Maßnahmen, z. B. der Erwerb oder die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, größere Investitionen oder Grundsatzentscheidungen, unterliegen der Zustimmung des Rates. In den Gesellschaftsverträgen sollten diese Entscheidungsbereiche als sogenannte zustimmungspflichtige Geschäfte definiert werden („Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte“). Zudem ist regelmäßig über wirtschaftliche Entwicklung, Chancen und Risiken zu berichten. Die kommunale Vertretungsgesellschaft kann auch Einfluss auf die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern nehmen, um die Umsetzung kommunaler Interessen sicherzustellen.