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Ehevereinbarung


Begriff und rechtlicher Kontext der Ehevereinbarung

Eine Ehevereinbarung ist ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Ehegatten oder zukünftigen Ehegatten, in dem sie Regelungen zur Gestaltung ihrer ehelichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse treffen. Sie kann sowohl vor Eheschließung (als Ehevorvertrag) als auch während bestehender Ehe abgeschlossen werden. Die Ehevereinbarung stellt ein zentrales Element des Familienrechts dar und dient der individuellen Anpassung der gesetzlichen Regelungen an die persönlichen Bedürfnisse und Lebenssituationen der Eheleute.


Anwendungsbereiche und Regelungsinhalte

Vermögensrechtliche Regelungen

Güterstand

In einer Ehevereinbarung kann insbesondere der gesetzliche Güterstand (in Deutschland die Zugewinngemeinschaft) modifiziert oder ein anderer Güterstand, wie Gütertrennung oder Gütergemeinschaft, vereinbart werden. Ziel ist es, das Vermögensverhältnis der Eheleute während der Ehe und für den Fall einer Scheidung oder des Todes präzise festzulegen.

Vermögensaufteilung

Häufig enthalten Ehevereinbarungen individuelle Bestimmungen zur Aufteilung bestimmter Vermögenswerte, wie Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder Wertpapierdepots. Auch Regelungen zu Ausgleichszahlungen anlässlich einer Scheidung können getroffen werden, um Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

Unterhaltsrechtliche Vereinbarungen

Ehepartner können Vereinbarungen zum Trennungs- und nachehelichen Unterhalt treffen, soweit diese mit den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 1360 ff. BGB sowie § 1569 ff. BGB, vereinbar sind. Unzulässig sind Unterhaltsverzicht oder -begrenzungen, die den Unterhaltspflichtigen in unzumutbarer Weise benachteiligen oder den Mindestunterhalt der Kinder gefährden.

Versorgungsausgleich

Die Ehevereinbarung kann den gesetzlichen Versorgungsausgleich (§§ 1408 ff. BGB i. V. m. § 1587 BGB) ausschließen oder gestalten, sofern dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Ein vollständiger Verzicht ist z.B. unzulässig, wenn er zu einer einseitigen Lastenverteilung oder existenzgefährdenden Folgen für einen Ehepartner führt.

Sorgerecht und Umgangsrecht

Bestimmungen über das Sorgerecht und Umgangsrecht mit gemeinsamen Kindern sind innerhalb einer Ehevereinbarung in Deutschland rechtlich grundsätzlich nicht bindend, denn die Belange des Kindeswohls stehen im Vordergrund und sind richterlich überprüfbar. Absprachen hierzu dienen allenfalls als Orientierung.


Gestaltung, Form und Wirksamkeit

Formvorschriften

Nach § 1410 BGB verlangt die Ehevereinbarung grundsätzlich die notarielle Beurkundung. Dies dient dem Schutz der Ehegatten vor übereilten Entscheidungen und stellt die gebotene Rechtssicherheit her. Fehlt die notarielle Beurkundung, ist die Vereinbarung in aller Regel nichtig.

Zeitpunkt des Abschlusses

Eine Ehevereinbarung kann zu jedem Zeitpunkt vereinbart werden – vor Eheschließung, während bestehender Ehe oder sogar noch im Trennungsstadium. Änderungen oder Ergänzungen bestehender Vereinbarungen sind ebenfalls möglich, sofern sie erneut notariell beurkundet werden.


Grenzen und Kontrolle durch das Familiengericht

Inhalts- und Ausübungskontrolle

Das Familiengericht prüft Ehevereinbarungen auf Sittenwidrigkeit und unzumutbare Belastungen (§ 138 BGB, § 242 BGB). Vereinbarungen, die die gesetzliche Regelung völlig aushöhlen oder einen Ehegatten einseitig benachteiligen, können für unwirksam erklärt oder angepasst werden. Eine gerichtliche Kontrolle findet spätestens im Rahmen des Scheidungsverfahrens statt.

Unwirksamkeit und Teilunwirksamkeit

Einzelne, sittenwidrige oder überraschend nachteilige Klauseln können gesondert für unwirksam erklärt werden, ohne dass die gesamte Vereinbarung entfällt (Teilunwirksamkeit, sog. geltungserhaltende Reduktion).


Internationale Aspekte der Ehevereinbarung

Kollisionsrecht und grenzüberschreitende Ehen

Bei Ehen mit Auslandsbezug ist zu beachten, welches nationale Recht auf die Ehevereinbarung anzuwenden ist (EGBGB, Rom III-VO, Art. 22 ff.). Die Wahl des anwendbaren Rechts und die internationale Anerkennung einzelner Regelungen sind sorgfältig zu prüfen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.


Bedeutung und Vorteile der Ehevereinbarung

Die Ehevereinbarung ermöglicht eine vorausschauende, individuelle Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen Ehegatten. Sie verhindert insbesondere langwierige Streitigkeiten im Scheidungsfall und dient der klaren Vermögens- und Interessenabgrenzung. Im Unternehmens- und Selbstständigenbereich ist sie zudem ein wichtiges Instrument zur Risikobegrenzung und Sicherung der Unternehmensfortführung.


Zusammenfassung

Die Ehevereinbarung ist ein umfassendes Gestaltungsinstrument im Familienrecht, das weitreichende und individuell angepasste Regelungen für zentrale Ehe- und Scheidungsfolgen erlaubt. Neben der Einhaltung formaler Anforderungen steht die Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Ehegatten, insbesondere im Licht gerichtlicher Kontrolle, im Vordergrund. Die frühzeitige, sorgfältige und rechtssichere Gestaltung einer Ehevereinbarung trägt wesentlich zur Wahrung und Durchsetzung der Interessen beider Eheleute bei.

Häufig gestellte Fragen

Wer benötigt eine Ehevereinbarung?

Eine Ehevereinbarung ist insbesondere für Ehepaare sinnvoll, deren wirtschaftliche Verhältnisse von den gesetzlichen Regelungen erheblich abweichen oder die individuelle Regelungen zu Vermögen, Unterhalt und Versorgungsausgleich treffen möchten. Dies betrifft beispielsweise Selbstständige und Unternehmer, bei denen das Risiko besteht, dass eine Scheidung die Existenz des Unternehmens bedroht. Auch bei internationalen Ehen, in denen unterschiedliche nationale Rechtsordnungen tangiert sein können, ist ein klar abgefasster Ehevertrag empfehlenswert. Darüber hinaus nutzen Paare mit Vermögensunterschieden Ehevereinbarungen, um Gütertrennung oder modifizierte Zugewinngemeinschaft festzulegen und so Streitigkeiten im Scheidungsfall zu vermeiden. Eheverträge sind auch ratsam, wenn einer der Partner bereits Kinder aus früheren Beziehungen hat und deren Erbrecht schützen will. Ebenso können Eheverträge für Paare relevant sein, die einen vorehelichen Verschuldungsstand absichern oder individuelle Altersvorsorgeregelungen treffen möchten.

Wann ist eine Ehevereinbarung rechtswirksam?

Eine Ehevereinbarung wird rechtswirksam, wenn sie notariell beurkundet wurde (§ 1410 BGB). Ohne die notarielle Beurkundung ist der Vertrag nichtig. Darüber hinaus darf der Ehevertrag keine sittenwidrigen oder grob benachteiligenden Bestimmungen enthalten, die gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder das grundgesetzliche Schutzprinzip der Ehe verstoßen. Gerichte überprüfen Eheverträge regelmäßig auf solche Missstände, insbesondere dann, wenn eine gravierende Benachteiligung eines Ehepartners vorliegt – etwa beim vollständigen Ausschluss von Unterhaltsansprüchen oder Versorgungsausgleich. Auch Bestimmungen, die dem Schutz minderjähriger Kinder widersprechen, sind unwirksam. Die Vereinbarung wird in der Regel ab dem Zeitpunkt ihrer notariellen Beurkundung wirksam, kann aber auch einen späteren Inkrafttretenszeitpunkt vorsehen.

Welche Regelungsinhalte kann eine Ehevereinbarung umfassen?

Eine Ehevereinbarung kann zahlreiche Aspekte rund um die Ehe und ihre möglichen Folgen regeln. Dazu zählen insbesondere Vereinbarungen zum Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft), individuelle Vermögensregelungen, Unterhaltsvereinbarungen sowie der Ausschluss oder die Modifikation des Versorgungsausgleichs. Darüber hinaus können erbrechtliche Fragestellungen, beispielsweise zum Pflichtteilsrecht, berücksichtigt werden. Auch die Zuweisung der ehelichen Wohnung und des Hausrates, Regelungen zur Altersvorsorge, Schuldenaufteilung und die Absicherung von Unternehmervermögen sind typische Inhalte. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die Parteien zudem individuelle Vereinbarungen zu weiteren, die Ehe betreffenden Rechten und Pflichten treffen, ausgenommen hiervon sind jedoch Regelungen zum Sorgerecht und Kindesunterhalt, da in diesen Bereichen zwingendes Recht gilt.

Kann eine Ehevereinbarung während der Ehe angepasst werden?

Ja, eine Ehevereinbarung kann jederzeit während der Ehe abgeändert oder ergänzt werden, sofern beide Ehegatten zustimmen. Auch hierfür ist zwingend eine notarielle Beurkundung notwendig, um die Wirksamkeit der Anpassungen zu sichern. Es empfiehlt sich, Eheverträge bei wesentlichen Änderungen der Lebenssituation – etwa Geburt von Kindern, beruflicher Wechsel, erheblicher Vermögenszuwachs oder Auslandsaufenthalt – zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Änderungsverträge unterliegen denselben Wirksamkeits- und Inhaltskontrollen wie die ursprüngliche Vereinbarung. Bereits entstandene Rechte Dritter oder gerichtliche Entscheidungen dürfen jedoch durch solche Änderungen nicht beeinträchtigt werden.

Ist eine Ehevereinbarung bei einer Scheidung automatisch bindend?

Grundsätzlich entfaltet eine notariell beurkundete Ehevereinbarung Bindungswirkung für den Scheidungsfall, sofern ihre Regelungen nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen. Allerdings prüft das Familiengericht auf Antrag eines Ehepartners die Wirksamkeit der getroffenen Regelungen im Einzelfall. Stellt das Gericht eine einseitige und gravierende Benachteiligung fest, kann es bestimmte Klauseln oder sogar den gesamten Vertrag für unwirksam erklären. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn existenzsichernde Ansprüche wie Betreuungsunterhalt oder Versorgungsausgleich in unzumutbarer Weise ausgeschlossen wurden. Im Übrigen bleiben redliche, ausgewogene Regelungen grundsätzlich bindend und werden im Rahmen des Scheidungsverfahrens zugrunde gelegt.

Welche Besonderheiten gelten bei internationalen Ehevereinbarungen?

Bei Ehen mit Auslandsbezug ist zu beachten, welches Recht auf die Ehevereinbarung anwendbar ist – hierbei kann deutsches, das Recht eines anderen Staates oder sogar das internationale Privatrecht maßgeblich sein. Ehepartner können im Rahmen des sogenannten „Ehevertragsstatuts“ das für sie maßgebliche Recht unter bestimmten Bedingungen selbst wählen (Art. 14, 15 EGBGB). Eine Ehevereinbarung, die im Ausland wirksam sein soll, muss nicht nur den deutschen, sondern auch den ausländischen Form- und Inhaltsvorschriften genügen. Bei international verstreutem Vermögen oder Wohnsitzwechseln ist es daher stets ratsam, fachkundige Rechtsberatung sowohl im Inland als auch im betreffenden Ausland in Anspruch zu nehmen. Besonderheiten ergeben sich zudem daraus, dass nicht jeder ausländische Gerichtsort deutsche Eheverträge anerkennt und vollstreckt.

Welche Kosten entstehen bei der Erstellung einer Ehevereinbarung?

Die Kosten einer Ehevereinbarung setzen sich im Wesentlichen aus den Notarkosten und gegebenenfalls anwaltlichen Beratungsgebühren zusammen. Die Gebühren des Notars richten sich nach dem Geschäftswert, der im Regelfall dem Vermögensstand der Ehepartner zugrunde liegt. Je höher das Vermögen, desto höher die Kosten. Für die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt können zusätzliche Kosten anfallen, die meist nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet werden oder als Pauschale vereinbart sind. Optional kommen Übersetzer- oder Gutachterkosten bei besonders komplexen oder internationalen Sachverhalten hinzu. Es empfiehlt sich, die voraussichtlichen Kosten vorab transparent mit Notar und Rechtsanwalt zu klären.