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Doppelversicherung


Definition und Grundlagen der Doppelversicherung

Die Doppelversicherung beschreibt im Versicherungsrecht den Zustand, dass für dasselbe Interesse bei mehreren Versicherern Versicherungsschutz gegen dieselbe Gefahr besteht. Das Phänomen der Doppelversicherung spielt insbesondere im Bereich der Sachversicherungen eine entscheidende Rolle. Die rechtliche Behandlung dieses Umstandes ist umfassend geregelt, um Mehrfachleistungen und ungerechtfertigte Bereicherungen zu vermeiden.

Voraussetzungen einer Doppelversicherung

Eine rechtlich relevante Doppelversicherung liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Identisches Interesse: Für dasselbe Risiko bzw. Interesse wird Versicherungsschutz beansprucht.
  • Gleiche Gefahr: Die Versicherungsfälle beziehungsweise das Versicherungsrisiko sind bei allen abgeschlossenen Versicherungsverträgen identisch oder weitgehend deckungsgleich.
  • Mehrere Versicherungsverträge: Es bestehen zwei oder mehr Versicherungsverträge mit inhaltlich überschneidender Gefahrenabdeckung – entweder beim selben oder unterschiedlichen Versicherern.
  • Versicherungsnehmer: Häufig ist der Versicherungsnehmer für alle Policen dieselbe Person; es ist jedoch auch möglich, dass mehrere Personen jeweils Teil eines Kollektivs sind und für das gleiche Interesse Deckung beanspruchen.

Nicht jede Mehrfachversicherung stellt eine Doppelversicherung dar. Wenn beispielsweise unterschiedliche Gefahren (Feuer, Einbruchdiebstahl etc.) bei verschiedenen Gesellschaften versichert sind, liegt keine Doppelversicherung vor.

Rechtliche Regelungen

Gesetzliche Grundlagen

Die relevante Norm im deutschen Recht findet sich insbesondere in § 78 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Demnach darf die Mehrfachversicherung nicht zu einer Überkompensation des Versicherungsnehmers führen.

Auszug aus § 78 VVG:

(1) Bestehen für dasselbe Interesse bei mehreren Versicherern Versicherungen gegen dieselbe Gefahr, so kann der Versicherungsnehmer jeweils die volle Entschädigung bis zur Höhe der Versicherungssumme von jedem Versicherer fordern. Übersteigen die Entschädigungsbeträge jedoch den Gesamtbetrag des Schadens, haften die Versicherer als Gesamtschuldner nur bis zur Höhe des Schadens.

Gesamtschuldverhältnis

Die beteiligten Versicherungsunternehmen stehen bei der Doppelversicherung in einem sogenannten Gesamtschuldverhältnis. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer jeden beteiligten Versicherer auf Leistung in Anspruch nehmen kann, die Versicherer jedoch untereinander zum Ausgleich verpflichtet sind, um eine doppelte oder mehrfache Entschädigung zu verhindern.

Leistungsanspruch und Kürzungsregelungen

Der Versicherungsnehmer kann aus jedem einzelnen Versicherungsvertrag Leistungen verlangen; insgesamt jedoch höchstens in Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens. Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, untereinander einen internen Ausgleich nach dem Verhältnis der Versicherungssummen vorzunehmen, wenn ihre einzelnen Leistungen zusammengerechnet die Schadenshöhe überschreiten.

Rückwirkende Eintragung der Doppelversicherung

Nach deutschem Recht kann die Eintragung und Geltendmachung einer Doppelversicherung grundsätzlich auch rückwirkend erfolgen, sofern die Voraussetzungen objektiv erfüllt sind. Von einem Verstoß gegen das Bereicherungsverbot ist jedoch abzusehen.

Arten der Doppelversicherung

Bewusste Doppelversicherung

Von einer bewussten Doppelversicherung spricht man, wenn der Versicherungsnehmer mit Kenntnis der bereits bestehenden Absicherung eine weitere Police für dasselbe Risiko abschließt. Ziel kann sein, sich bewusst durch Mehrfachabsicherung einen in der Höhe nicht gerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Dies ist jedoch aus rechtlicher Sicht ausgeschlossen, da Mehrfachleistungen nicht ausgezahlt werden.

Unbewusste Doppelversicherung

Eine unbewusste Doppelversicherung entsteht häufig durch Unkenntnis oder Informationsdefizite, beispielsweise beim Wechsel des Versicherers, ohne den Vorgängervertrag wirksam zu kündigen.

Abgrenzungen und Sonderfälle

Mehrfachversicherung

Die sogenannte Mehrfachversicherung liegt dann vor, wenn die Versicherungssummen zusammen nicht den Wert des versicherten Interesses überschreiten. Eine Doppelversicherung nach VVG liegt demnach erst dann vor, wenn mit mehreren Policen der mögliche Schadensersatz die tatsächliche Schadenshöhe übersteigen könnte.

Unterversicherung und Doppelversicherung

Die Unterversicherung – im Gegensatz zur Doppelversicherung – betrifft den Fall, dass die Versicherungssumme(n) niedriger ist/sind als der tatsächliche Wert des versicherten Interesses. Überkompensation ist dann ausgeschlossen, sodass auch die gesetzlichen Regelungen der Doppelversicherung nicht greifen.

Mitversicherung

Bei der Mitversicherung handelt es sich nicht um eine Doppelversicherung, sondern um die Beteiligung mehrerer Versicherer an einem Vertrag über ein und denselben Gegenstand.

Rechtsfolgen und Rechtswirkungen der Doppelversicherung

Anspruchsverhalten des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer kann nach Wahl von jedem der beteiligten Versicherer die vollständige Leistung bis zur Höhe des Gesamtschadens verlangen. Eine mehrfach ausgezahlte Gesamtentschädigung muss jedoch an andere Versicherer weitergegeben oder zurückgeführt werden, andernfalls liegt eine ungerechtfertigte Bereicherung vor.

Regress der Versicherer untereinander

Übersteigt die Gesamtleistung den Schaden, können die Versicherer anteilig im Innenverhältnis einen Ausgleich untereinander verlangen. Maßgeblich ist in der Regel das Verhältnis der Versicherungssummen.

Kündigung und Rücktritt

Wird eine Doppelversicherung ohne Kenntnis abgeschlossen, kann nach deutschem Recht innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung vom später abgeschlossenen Vertrag zurückgetreten oder gekündigt werden.

Informations- und Anzeigepflichten

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Versicherern das Bestehen anderer Versicherungsverträge auf Anfrage offenzulegen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, können je nach Vertrag und Risiko Leistungsbegrenzungen oder Vertragsstrafen die Folge sein.

Internationale Einordnung

Auch im internationalen Kontext besteht eine vergleichbare Regelung zur Doppelversicherung. In den meisten europäischen und internationalen Rechtsordnungen ist eine Überkompensation ausgeschlossen. Die versicherten Gesellschaften stehen ebenfalls in einem Ausgleichsverhältnis.

Praxisbeispiele

Gängige Praxisbeispiele betreffen die Gebäudeversicherung bei Immobilienübergängen oder die doppelte Haftpflichtversicherung nach Heirat. Weiterhin können Überschneidungen bei Versicherungswechseln infolge nicht gekündigter Altverträge auftreten.

Zusammenfassung

Die Doppelversicherung bildet einen komplexen und bedeutenden Regelungsbereich im Versicherungsrecht. Sie verhindert durch gesetzliche Vorgaben die Überkompensation bei mehrfacher Abdeckung desselben Risikos durch verschiedene Versicherungsverträge. Hauptziel der umfassenden rechtlichen Regelungen ist die Vermeidung von ungerechtfertigten Leistungsansprüchen und Bereicherungen, wodurch das Grundprinzip der Schadenskompensation gewahrt bleibt.


Quellen und weiterführende Literatur:

  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 78
  • Kommentar zum VVG
  • Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) verschiedener Versicherungsarten

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt im Falle einer Doppelversicherung die primäre Leistungspflicht?

Im Falle einer Doppelversicherung ist rechtlich geregelt, dass die Versicherer grundsätzlich nach dem sogenannten quotenmäßigen Verhältnis eintreten müssen, das heißt, beide Versicherer sind zur Leistung verpflichtet – jedoch nur anteilig entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten Versicherungssummen zu der insgesamt versicherten Summe (§ 78 VVG). So soll eine Überentschädigung des Versicherungsnehmers verhindert werden; er darf also maximal den tatsächlichen Schaden ersetzt bekommen. Primär ist keiner der Versicherer alleine leistungspflichtig, vielmehr haben beide anteilig nach Maßgabe des VVG für den Schaden aufzukommen. Tritt allerdings ein Versicherungsfall ein und zahlt einer der Versicherer mehr, als seinem Anteil entspricht, geht kraft Gesetzes der Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den anderen Versicherer auf den erstleistenden Versicherer über (Legalzession nach § 78 Abs. 2 VVG). Damit wird sichergestellt, dass die finanzielle Belastung der Versicherer gerecht verteilt wird, unabhängig davon, an welches Unternehmen sich der Versicherungsnehmer zuerst wendet.

Darf ein Versicherungsnehmer in Kenntnis der bestehenden Deckung einen zweiten Vertrag abschließen?

Der Abschluss mehrerer Versicherungen über dasselbe Risiko durch den Versicherungsnehmer ist grundsätzlich zulässig, sofern keine Doppelentschädigung bezweckt wird und der Versicherungsnehmer den zweiten Vertrag nicht arglistig abschließt. Allerdings trifft den Versicherungsnehmer nach § 78 Abs. 1 VVG eine Anzeigepflicht: Er muss jedem Versicherer unverzüglich anzeigen, dass über denselben Gegenstand zum selben Zeitpunkt eine weitere Versicherung besteht. Diese Obliegenheit soll gewährleisten, dass alle beteiligten Versicherer in der Lage sind, ihre Haftung und die zu leistenden Quoten zu berechnen. Unterlässt der Versicherungsnehmer diese Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig, können Nachteilsausgleiche bis hin zur Leistungsfreiheit greifen, wenn dem Versicherer daraus ein Nachteil entsteht.

Welche Rechte haben die beteiligten Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer?

Die Versicherer haben zum einen einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer bezüglich der weiteren bestehenden Versicherung(en). Sie dürfen Informationen über deren Inhalt, insbesondere Versicherungssumme, versicherte Gefahr und etwaige Klauseln, verlangen, um ihre eigene Haftung berechnen zu können. Darüber hinaus haben sie ein gesetzliches Rückgriffsrecht untereinander gemäß § 78 Abs. 2 VVG, falls ein Versicherer über seine Quote hinaus geleistet hat. Dem Versicherungsnehmer gegenüber beschränkt sich die Haftung beider Versicherer insgesamt auf die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens, nicht jedoch auf die jeweils vereinbarte Versicherungssumme. Der Versicherungsnehmer kann gegenüber beiden Versicherern seinen Schaden bis zur vollen Höhe – jedoch nie eine Überkompensation – geltend machen.

Können Versicherer bei grober Fahrlässigkeit oder Arglist des Versicherungsnehmers Leistungen verweigern?

Besteht im Fall der Doppelversicherung ein Verdacht auf Arglist oder grobe Fahrlässigkeit – etwa weil der Versicherungsnehmer die weitere Deckung verschwiegen hat, um mehrfachen Schadensersatz zu erlangen -, kann dies nach den allgemeinen Grundsätzen des VVG zur Leistungsfreiheit oder zum Rücktritt durch den Versicherer führen (§ 19 VVG). Im Falle bewusster Täuschung zur Erzielung einer Überentschädigung liegt Versicherungsbetrug vor, der sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringt. Bei bloßer Verletzung der Anzeigepflichten kann der Versicherer je nach Verschuldensgrad Rechte wie Leistungsfreiheit oder Herabsetzung der Entschädigung geltend machen.

Welche Rolle spielt die Versicherungsart bei der rechtlichen Bewertung einer Doppelversicherung?

Die Anwendung der Regelungen zur Doppelversicherung ist wesentlich daran geknüpft, ob es sich um sogenannte Summenversicherungen oder Schadenversicherungen handelt. Die genannten Normen sind auf Schadenversicherungen gem. § 78 VVG zugeschnitten, bei denen nur das tatsächlich entstandene Interesse – also der Anspruch auf Ersatz des wirklichen Schadens – versichert ist. Bei Summenversicherungen (z.B. Unfallversicherungen, Lebensversicherungen) kann eine Mehrfachentschädigung demgegenüber zulässig sein; dort kommt das Prinzip der Doppelversicherung im Sinne der Kürzung und Quotierung regelmäßig nicht zur Anwendung, da die Auszahlung vertraglich fixierter Beträge unabhängig vom tatsächlichen Schaden erfolgt.

Wie ist das Vorgehen bei der Schadensabwicklung durch den Versicherungsnehmer geregelt?

Bei Eintritt des Versicherungsfalls steht es dem Versicherungsnehmer frei, an welchen der beteiligten Versicherer er sich zunächst wendet. Die Versicherer müssen im Innenverhältnis untereinander ausgleichen. Jedoch hat der Versicherungsnehmer die Pflicht, beiden Versicherern die Existenz der Doppelversicherung mitzuteilen und auf Nachfrage alle dazugehörigen Informationen zu liefern. Bei Unsicherheiten, etwa über die anzusprechenden Versicherer oder die Berechnung der Quoten, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, da Fehler zu Nachteilen im Leistungsbezug führen könnten. Die Versicherer sind zudem berechtigt, die Abtretung von Ansprüchen gegen den anderen Versicherer zu verlangen.

In welchen Fällen bleibt eine Doppelversicherung rechtlich folgenlos?

Eine Doppelversicherung bleibt insbesondere dann ohne rechtliche Folgen, wenn der Versicherungsnehmer nicht betrügerisch handelt und der Gesamtentschädigungsbetrag die Höhe des konkret nachgewiesenen Schadens nicht übersteigt. In solchen Fällen leisten alle beteiligten Versicherer anteilig im Rahmen ihrer vertraglichen Verpflichtungen. Zu Problemen kann es nur kommen, wenn trotz ordnungsgemäßer Anzeige und Abwicklung mehr als der Schadenswert gezahlt wird – dann greift das Rückgriffsrecht der Versicherer untereinander. Werden die Anzeigepflichten nicht verletzt und besteht kein Bereicherungswille, bleiben weitergehende Sanktionen aus.