Begriff und Bedeutung: dolo facit (agit), qui petit, quod statim redditurus est
Die lateinische Wendung „dolo facit (agit), qui petit, quod statim redditurus est“ bedeutet wörtlich: „In Arglist handelt, wer etwas verlangt, das er sogleich wieder herausgeben müsste.“ Gemeint ist der Grundsatz, dass das Verlangen einer Leistung unzulässig ist, wenn feststeht, dass dieselbe Leistung im nächsten Schritt unmittelbar zurückzugewähren wäre. Der Satz geht auf das römische Recht zurück und wirkt bis heute als Ausdruck von Treu und Glauben sowie des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung.
Herkunft und Rechtsgedanke
Im römischen Recht diente der Gedanke als Abwehr gegen formales, aber unredliches Vorgehen: Wer eine Zahlung erzwingen wollte, obwohl er sie wegen fehlenden Rechtsgrundes oder anderer Umstände sofort wieder erstatten müsste, sollte daran gehindert werden. Daraus entwickelte sich ein übergreifendes Prinzip: Rechtspositionen dürfen nicht so eingesetzt werden, dass sinnlose Leistungskreisläufe entstehen oder der andere Teil ohne sachlichen Grund belastet wird.
Funktion in der heutigen Rechtsordnung
Der Grundsatz wird herangezogen, um unzweckmäßige oder widersprüchliche Inanspruchnahmen zu unterbinden. Er knüpft an allgemeine Leitlinien wie Treu und Glauben, das Verbot widersprüchlichen Verhaltens und den Schutz vor ungerechtfertigter Bereicherung an. Praktisch steht dahinter die Idee, dass niemand ein schutzwürdiges Interesse daran hat, eine Leistung zu verlangen, die sofort wieder rückabzuwickeln wäre.
Typische Konstellationen
- Unwirksame oder weggefallene Geschäftsgrundlage: Die geforderte Leistung wäre nach Erhalt unmittelbar zurückzugewähren, weil kein tragfähiger Rechtsgrund besteht.
- Zirkuläre Leistungspflichten: Die Forderung würde einen sofortigen Rückgewähranspruch auslösen; es entstünde ein reiner „Kreislauf der Zahlungen“.
- Aufrechnungslage: Die verlangte Leistung stünde einer sofort durchsetzbaren Gegenforderung in gleicher Höhe gegenüber, die unmittelbar untergehen würde.
- Zug-um-Zug-Situationen: Die beanspruchte Leistung kann nur gleichzeitig gegen eine Rückgewähr oder Gegenleistung verlangt werden; ein isoliertes Fordern wäre treuwidrig.
Rechtsfolgen
Ist der Grundsatz einschlägig, wird die Durchsetzung der geforderten Leistung verwehrt oder in sachgerechter Weise begrenzt. In Betracht kommen eine Ablehnung der Klage, eine Verknüpfung mit einer Gegenleistung (Zug-um-Zug) oder eine anderweitige Gestaltung, die den Leistungskreislauf vermeidet. Entscheidend ist, dass keine Situation entsteht, in der eine Zahlung sogleich ohne Nutzen zurückfließen müsste.
Abgrenzungen
Kein selbständiger Anspruch
Der Satz begründet keinen eigenen Leistungsanspruch. Er wirkt als Einwand gegen das Verlangen der Leistung, wenn feststeht, dass diese Unmittelbarkeit der Rückgewähr eintritt.
Verhältnis zur ungerechtfertigten Bereicherung
Häufig liegt im Hintergrund ein fehlender Rechtsgrund. Der Grundsatz verhindert, dass zunächst geleistet und erst dann über Bereicherungsansprüche rückabgewickelt wird. Stattdessen wird der unökonomische Umweg vermieden.
Verhältnis zu Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht
Wo eine sofortige Verrechnung oder ein berechtigtes Zurückbehalten den gleichen Effekt erzielen würden, kann der Grundsatz die isolierte Geltendmachung der Forderung einschränken. Entscheidend ist die unmittelbare und verlässliche Gegenposition zur verlangten Leistung.
Voraussetzungen (typische Leitlinien)
- Es wird eine konkrete Leistung verlangt (etwa Zahlung oder Herausgabe).
- Schon feststehend ist, dass der Empfänger diese Leistung sogleich wieder herausgeben oder kompensieren müsste.
- Die Rückgewähr steht in engem sachlichen Zusammenhang zur geforderten Leistung und ist nicht nur entfernt möglich, sondern unmittelbar zu erwarten.
- Ein anerkennenswertes Interesse an der isolierten Durchsetzung fehlt, weil der Ablauf zu einer sinnlosen Zirkulation der Leistung führen würde.
Grenzen des Grundsatzes
Der Grundsatz greift nicht, wenn die Rückgewährpflicht ungewiss, fernliegend oder von zusätzlichen, noch ausstehenden Voraussetzungen abhängig ist. Ebenso wenig ersetzt er die Klärung streitiger Vorfragen; er setzt vielmehr eine hinreichende Klarheit darüber voraus, dass die unmittelbare Rückabwicklung eintreten würde.
Beispiele zur Veranschaulichung
Zahlung ohne tragfähigen Rechtsgrund
Wird eine Zahlung verlangt, obwohl klar ist, dass kein belastbarer Grund für den Vermögensübergang besteht, würde der Zahlende das Geld im nächsten Schritt herausverlangen können. Das isolierte Zahlungsverlangen ist dann unzulässig.
Gleichwertige Gegenforderung
Steht der geforderten Leistung eine fällige und durchsetzbare Gegenforderung in gleicher Höhe gegenüber, die unmittelbar verrechnet werden kann, fehlt es am berechtigten Interesse, die Leistung ohne Verrechnung zu verlangen.
Zug-um-Zug-Lage
Ist die geforderte Leistung untrennbar mit einer gleichzeitigen Rückgewähr oder Gegenleistung verbunden, wird die isolierte Forderung auf Leistung ohne Gegenleistung auf den zulässigen Umfang zurückgeführt.
Verfahrensrechtliche Einordnung
Der Grundsatz kann die Erfolgsaussichten eines Anspruchs mindern, wenn das Begehren in der Sache auf eine sofortige Rückabwicklung hinausliefe. Teilweise wird er als Ausdruck fehlenden schutzwürdigen Interesses an einer isolierten Verurteilung verstanden. Ziel ist die Vermeidung leerer Leistungsurteile und unnötiger Leistungskreisläufe.
Rechtskulturelle Einordnung
Die Formel ist in kontinentaleuropäischen Systemen als Teil allgemeiner Prinzipien anerkannt, die Redlichkeit, Fairness und Konsistenz von Rechtsausübung sichern. Vergleichbare Gedanken finden sich auch in anderen Rechtstraditionen, etwa in der Idee, prozessökonomische Kreisläufe zu vermeiden und widersprüchliches Verhalten zu verhindern.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „dolo facit (agit), qui petit, quod statim redditurus est“ sinngemäß?
Gemeint ist, dass das Fordern einer Leistung unzulässig ist, wenn feststeht, dass diese Leistung unmittelbar wieder zurückzugeben wäre. Das Verlangen wäre widersprüchlich und ohne berechtigtes Interesse.
Handelt es sich dabei um einen eigenen Anspruch oder um einen Einwand?
Es handelt sich nicht um einen eigenen Anspruch, sondern um einen Einwand, der die Durchsetzung einer Forderung begrenzen oder verhindern kann, wenn eine sofortige Rückabwicklung sicher zu erwarten ist.
In welchen Konstellationen spielt der Grundsatz typischerweise eine Rolle?
Vor allem bei Forderungen, die ohne tragfähigen Rechtsgrund erhoben werden, bei ausgeprägten Aufrechnungslagen oder dort, wo Leistungen nur Zug um Zug zu erbringen sind und ein isoliertes Verlangen zu einem sinnlosen Leistungskreislauf führte.
Gilt der Grundsatz nur für Geldforderungen?
Nein. Er betrifft jede Art von Leistung, bei der die unmittelbare Rückgewähr feststeht, also auch Herausgabe- oder Sachleistungen, sofern die Rückabwicklung untrennbar verknüpft ist.
Wie verhält sich der Grundsatz zur Aufrechnung?
Steht der geforderten Leistung eine gleichwertige, sofort durchsetzbare Gegenforderung gegenüber, kann der Grundsatz die isolierte Geltendmachung beschränken, da die Leistung faktisch sogleich neutralisiert würde.
Welche Bedeutung hat der Grundsatz im Verfahren?
Er kann dazu führen, dass ein isoliertes Leistungsbegehren als unzulässig oder unbegründet behandelt oder an eine gleichzeitige Gegenleistung geknüpft wird, um leere Urteile und Leistungskreisläufe zu vermeiden.
Gibt es Grenzen oder Ausnahmen?
Ja. Greift die Rückgewähr nicht unmittelbar oder hängt sie von unsicheren, noch offenen Voraussetzungen ab, ist der Grundsatz nicht einschlägig. Er setzt eine klare, unmittelbare Rückabwicklungslage voraus.
 
								 
								 
								 
                                                                                                   