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Disziplinarmaßnahmen


Begriff und Bedeutung der Disziplinarmaßnahmen

Disziplinarmaßnahmen stellen im Rechtswesen spezielle Sanktionen oder Ordnungsmaßnahmen dar, die zur Durchsetzung dienst- oder arbeitsrechtlicher Pflichten ergriffen werden. Sie dienen der Wahrung der Ordnung innerhalb bestimmter Institutionen, wie dem öffentlichen Dienst, der Bundeswehr, Schulen oder anderen Organisationen mit Disziplinarrecht. Ziel von Disziplinarmaßnahmen ist es, Fehlverhalten oder Verstöße gegen geltende Pflichten zu ahnden, das Vertrauen in die ordnungsgemäße Wahrnehmung von Aufgaben aufrechtzuerhalten sowie zukünftige Verfehlungen zu verhindern.

Rechtliche Grundlagen von Disziplinarmaßnahmen

Disziplinarmaßnahmen im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst bilden die Disziplinargesetze der jeweiligen Bundesrepublik sowie des Bundes die gesetzlichen Grundlagen für Disziplinarmaßnahmen gegenüber Beamtinnen und Beamten. Zentral ist hierbei das Bundesdisziplinargesetz (BDG), welches den Rahmen für die Ahndung von Dienstpflichtverletzungen auf Bundesebene festlegt.

Voraussetzungen und Ablauf des Disziplinarverfahrens

  • Eine Disziplinarmaßnahme setzt grundsätzlich das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung voraus.
  • Das Disziplinarverfahren gliedert sich in das behördliche und das gerichtliche Verfahren.
  • Im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens wird geprüft, ob eine schuldhafte Verletzung vorliegt und welche Sanktion angemessen ist.
  • Die betroffene Person hat Anspruch auf rechtliches Gehör und kann gegen eine Entscheidung Rechtsmittel einlegen.

Arten von Disziplinarmaßnahmen im öffentlichen Dienst

Nach dem BDG stehen verschiedene Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung, abgestuft nach Schwere und Auswirkungen:

  1. Verweis

Der Verweis ist die mildeste Form der Maßnahme und stellt eine formale Missbilligung dar.

  1. Geldbuße

Die Geldbuße hat einen stärkeren Sanktionscharakter und bedeutet eine finanzielle Einbuße.

  1. Kürzung der Dienstbezüge

Dies ist eine vorübergehende Reduzierung der monatlichen Bezüge.

  1. Zurückstufung

Bei schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen kann eine Zurückstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe erfolgen.

  1. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Dies ist die gravierendste Disziplinarmaßnahme und führt zur Beendigung des Beamtenverhältnisses.

Verjährung von Disziplinarmaßnahmen

Für die Verfolgung von Dienstpflichtverstößen gelten bestimmte Verjährungsfristen. Das BDG sieht eine Verfolgungsverjährung von fünf Jahren vor, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung beginnt.

Disziplinarmaßnahmen im Arbeitsrecht

Auch im Arbeitsrecht existieren Disziplinarmaßnahmen, wobei primär das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) maßgeblich ist. Diese Maßnahmen dienen der Durchsetzung arbeitsvertraglicher Pflichten.

Typische arbeitsrechtliche Disziplinarmaßnahmen

  1. Abmahnung

Die Abmahnung ist die wohl häufigste arbeitsrechtliche Disziplinarmaßnahme. Sie dokumentiert eine Pflichtverletzung, mahnt zukünftiges Verhalten an und kann spätere Konsequenzen im Rahmen einer Kündigung begründen.

  1. Versetzung

Die Versetzung kann als Maßnahme zur Wiederherstellung der betrieblichen Ordnung in Betracht kommen, sofern sie im Rahmen des Direktionsrechts erfolgt.

  1. Verhaltensbedingte Kündigung

Nach erfolgloser Abmahnung kann als letzte Disziplinarmaßnahme die verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Disziplinarmaßnahmen in weiteren Rechtsbereichen

Disziplinarrecht bei Soldaten

Für Soldaten der Bundeswehr ist das Soldatengesetz (SG) einschlägig. Hier werden Dienstvergehen nach § 23 SG geahndet, womit Disziplinarmaßnahmen vom einfachen Verweis bis hin zur Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis reichen.

Disziplinarmaßnahmen im Schulrecht

Schulrechtliche Disziplinarmaßnahmen dienen der Aufrechterhaltung der Ordnung und setzen meist ordnungswidriges Verhalten oder Verstöße gegen Schulordnungen voraus. Gängige Sanktionsmöglichkeiten umfassen Verweise, Nachsitzen, Suspendierungen oder in gravierenden Fällen den Schulverweis.

Disziplinarmaßnahmen in berufsständischen Kammern

In Kammern und Verbänden können bei Pflichtverletzungen standesrechtliche Maßnahmen wie Rügen, Geldstrafen oder vorübergehende Berufsverbote verhängt werden, um das Vertrauen in die Berufsausübung zu schützen.

Rechtsschutz gegen Disziplinarmaßnahmen

Gegen Disziplinarmaßnahmen besteht der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Betroffenen steht der Weg zu den Verwaltungs- oder Arbeitsgerichten offen:

  • Im Beamtenrecht: Disziplinarklagen vor Verwaltungsgerichten
  • Im Arbeitsrecht: Klagen vor Arbeitsgerichten, insbesondere bei fristlosen Kündigungen oder unwirksamen Abmahnungen
  • Im Soldatenrecht: Anrufung der Wehrdienstgerichte
  • Im Schulrecht: Anfechtung von Disziplinarmaßnahmen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Abgrenzung zu strafrechtlichen Maßnahmen

Disziplinarmaßnahmen unterscheiden sich grundsätzlich von strafrechtlichen Sanktionen. Während Disziplinarmaßnahmen spezifisch zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Institutionen dienen, verfolgt das Strafrecht die Ahndung gesamtgesellschaftlich relevanter Verstöße. Für ein und denselben Sachverhalt kann jedoch auch eine strafrechtliche Verfolgung zusätzlich möglich sein.

Zielsetzung und Bedeutung von Disziplinarmaßnahmen

Disziplinarmaßnahmen verfolgen die duale Zielsetzung der Sanktions- und Präventionsfunktion. Durch die konsequente Anwendung soll einerseits notwendige Ordnung gesichert, zum anderen ein Vorbild für künftiges rechtmäßiges Verhalten geschaffen werden. Die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ist in jedem Einzelfall zu bewerten, wobei mildere Mittel vorrangig sind.

Literatur und Quellen

  • Bundesdisziplinargesetz (BDG)
  • Soldatengesetz (SG)
  • Landesdisziplinargesetze
  • Bundesarbeitsgericht: Entscheidungen zu Abmahnung und Kündigung
  • Schulgesetze der Bundesländer

Disziplinarmaßnahmen sind ein zentrales Instrument zur Sicherstellung rechtmäßigen Handelns und der Wahrung von Vertrauen in staatliche und berufliche Institutionen. Die rechtlichen Vorgaben gewährleisten einen ausbalancierten Schutz der betroffenen Personen und der Allgemeinheit.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme gegen einen Arbeitnehmer vorliegen?

Für die rechtmäßige Verhängung einer Disziplinarmaßnahme gegenüber einem Arbeitnehmer müssen zahlreiche rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen hat. Die konkret vorgeworfene Pflichtverletzung muss dabei genau bezeichnet und im Einzelfall nachweisbar sein. Ferner muss die Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig sein, das heißt, sie darf nicht außer Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens stehen. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, den Grundsatz der Anhörung zu wahren: Bevor die Maßnahme ausgesprochen wird, muss dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. In Betrieben mit Betriebsrat ist die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beachten, das heißt, die Disziplinarmaßnahme ist mit dem Betriebsrat abzustimmen. Weiterhin sind eventuelle tarifvertragliche oder individualvertragliche Sonderregelungen zu berücksichtigen, die weitergehende Anforderungen stellen können. Schließlich sind auch gesetzliche Verjährungs- und Ausschlussfristen zu beachten, innerhalb derer die Maßnahme ausgesprochen werden muss; nach Ablauf dieser Fristen ist eine Sanktionierung regelmäßig ausgeschlossen.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei Disziplinarmaßnahmen?

Der Betriebsrat besitzt gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von Disziplinarmaßnahmen, zu denen insbesondere Abmahnungen, Versetzungen und arbeitgeberseitige Anweisungen mit Sanktionscharakter zählen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über beabsichtigte Maßnahmen zu informieren und dessen Zustimmung einzuholen. Kommt keine Einigung zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden, deren Spruch die Maßnahme entweder ermöglicht oder untersagt. Ohne die notwendige Mitbestimmung ist die durch den Arbeitgeber ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unwirksam; betroffene Arbeitnehmer können sich dann erfolgreich auf die Rechtswidrigkeit berufen. Darüber hinaus hat der Betriebsrat das Recht, auch nachträglich bei Verstößen gegen den Mitbestimmungsgrundsatz auf Unterlassung und gegebenenfalls auf Beseitigung der Maßnahme hinzuwirken.

Welche Arten von Disziplinarmaßnahmen sind rechtlich zulässig?

Rechtlich zulässige Disziplinarmaßnahmen reichen von der mündlichen oder schriftlichen Ermahnung über die förmliche Abmahnung bis hin zu Versetzungen, Kürzungen von freiwilligen Sonderleistungen und schließlich zur (außerordentlichen oder ordentlichen) Kündigung. Die Auswahl der Maßnahme richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem jeweiligen arbeitsrechtlichen Regelungsrahmen. Besonders gravierende Sanktionen wie Gehaltskürzungen oder Kündigungen unterliegen dabei strengen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit und Bedingtheit durch wiederholte oder besonders schwerwiegende Pflichtverstöße. Zu beachten ist, dass Maßnahmen wie Disziplinarstrafen (z.B. Geldbußen oder Tonio) im deutschen Arbeitsrecht grundsätzlich unzulässig sind, sofern sie nicht ausdrücklich durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sind und einen eindeutigen Rechtsgrund aufweisen.

Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei unrechtmäßigen Disziplinarmaßnahmen?

Arbeitnehmer, die von aus Sicht des Arbeitsrechts unrechtmäßigen Disziplinarmaßnahmen betroffen sind, können hiergegen rechtliche Schritte einleiten. Zunächst steht ihnen das Recht zu, eine Gegendarstellung zur Personalakte zu reichen und eine Entfernung der Maßnahme zu fordern, beispielsweise wenn diese unbegründet, unverhältnismäßig oder ohne ordnungsgemäße Anhörung ausgesprochen wurde. Im Fall von Abmahnungen oder anderen einschneidenden Maßnahmen besteht die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht Klage auf Entfernung aus der Personalakte zu erheben. Auch kann im Falle einer Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben werden. Darüber hinaus kann der Betriebsrat eingeschaltet werden, sowohl zur Unterstützung als auch zum Schutz vor erneutem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitgebers. In einigen Fällen können darüber hinaus Schadensersatzansprüche bestehen, insbesondere wenn durch die Maßnahme nachweislich Nachteile für den Arbeitnehmer entstanden sind.

Welche Fristen sind im Zusammenhang mit Disziplinarmaßnahmen zu beachten?

Bei Disziplinarmaßnahmen sind Fristen sowohl für deren Ausspruch als auch für die Anfechtung durch den Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss eine Disziplinarmaßnahme zeitnah nach Bekanntwerden des Fehlverhaltens aussprechen, um den Bezug zur Pflichtverletzung zu wahren („Unverzüglichkeitsgrundsatz“). Andernfalls kann die Maßnahme allein aus diesem Grund unwirksam sein. Für die Abmahnung existiert keine gesetzliche Frist, jedoch ist eine übermäßige Verzögerung zu vermeiden. Bei einer Kündigung sind die Fristen des § 626 BGB (zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes bei außerordentlichen Kündigungen) sowie gegebenenfalls tarifliche oder individualvertragliche Regelungen zu beachten. Möchte der Arbeitnehmer etwa eine Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen, bestehen zumeist keine gesetzlichen Ausschlussfristen, gleichwohl sollte dies zeitnah erfolgen, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.

Inwiefern können Disziplinarmaßnahmen tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt sein?

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können Grundlage und Rahmen für die Zulässigkeit und Ausgestaltung von Disziplinarmaßnahmen im Betrieb bilden. Sie können bestimmen, welche Maßnahmen zulässig sind, wie das Verfahren im Einzelfall gestaltet wird (z.B. Anhörung, Einbeziehung des Betriebsrats, Akteneinsicht) und welche Rechtsmittel den betroffenen Arbeitnehmern zustehen. Solche kollektivrechtlichen Regelungen gehen über das Gesetz hinaus und binden Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Eine Abweichung von tariflichen oder betriebsvereinbarten Vorgaben ist regelmäßig nicht möglich und führt zur Unwirksamkeit unzulässiger Maßnahmen. Besonders zu beachten sind in Tarifverträgen teilweise festgelegte sogenannte innerbetriebliche Sanktionen wie Warnungen, Versetzungen oder Bußgelder, deren Zulässigkeit und rechtssichere Anwendung sich ausschließlich aus dem jeweiligen Tarifwerk oder der konkret abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ergeben.