Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»M&A»Deferred

Deferred


Begriffserläuterung: Deferred im rechtlichen Kontext

Der Begriff „Deferred“ stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich „aufgeschoben“ oder „vertagt“. In vielfältigen rechtlichen Bereichen bezeichnet „Deferred“ das zeitlich verzögerte Inkrafttreten oder die spätere Fälligkeit von Verpflichtungen, Rechten oder Leistungen. Die Verwendung dieses Begriffs findet sich insbesondere im Vertragsrecht, Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht sowie im internationalen Wirtschaftsverkehr. Nachfolgend werden die wichtigsten Anwendungsfelder, rechtlichen Grundlagen und Auswirkungen des Begriffs „Deferred“ ausführlich erläutert.


Allgemeine Bedeutung und rechtliche Grundlagen von Deferred

Definition und Abgrenzung

„Deferred“ (deutsch: aufgeschoben oder zurückgestellt) beschreibt einen Sachverhalt, bei dem eine Rechtsfolge, ein Anspruch oder eine Verpflichtung nicht sofort, sondern erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt wirkt oder eintritt. Diese aufschiebende Wirkung ist häufig vertraglich geregelt, kann aber auch gesetzlich vorgesehen sein.

Rechtsdogmatische Einordnung

Im deutschen Recht entspricht die aufschiebende Wirkung im engeren Sinne dem institut der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB). Dies bezeichnet eine Vereinbarung, durch die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts oder einzelner Rechte und Pflichten von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht wird.


Anwendungsbereiche und Beispiele für Deferred im Recht

Vertragsrecht

Aufschiebende Bedingungen

Im Vertragsrecht wird der Deferred-Ansatz eingesetzt, um Leistungspflichten, Forderungen oder Besitzübergänge erst bei Eintritt bestimmter Ereignisse oder nach Ablauf einer Frist wirksam werden zu lassen. Typische Beispiele sind die Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Eigentumserwerbs, etwa beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt.

Zahlungsaufschub (Deferred Payment)

Der Deferred Payment bezeichnet eine Zahlungsvereinbarung, bei der der Käufer eine Ware oder Dienstleistung erhält, die Zahlung jedoch zu einem späteren Zeitpunkt leisten soll. Hierdurch entsteht eine zeitliche Trennung zwischen Leistungs- und Gegenleistungszeitpunkt – ein Vorgang, der sowohl schuldrechtlich (Erfüllungszeit, § 271 BGB) als auch sachenrechtlich (Eigentumsvorbehalt, § 449 BGB) relevant ist.

Gesellschaftsrecht

Deferred Shares / Vorzugsaktien

Im Gesellschaftsrecht versteht man unter „Deferred Shares“ Aktien mit aufgeschobenen Rechten, insbesondere im Hinblick auf Gewinnbeteiligung oder eine spätere Beteiligung an der Gesellschaft. Solche Anteilsklassen werden häufig in der Gründungsphase von Unternehmen ausgegeben, um Investoren und Gründern verschiedene Rechte zu bestimmten Zeitpunkten einzuräumen. Die genauen Regelungen ergeben sich hier aus der Satzung sowie einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.

Stille Beteiligung mit Deferred-Zahlung

Auch stille Beteiligungen können mit Deferred-Regelungen gestaltet sein, etwa durch das spätere Einsetzen von Beteiligungsrechten und -pflichten.

Steuerrecht

Deferred Tax Assets und Deferred Tax Liabilities

Ein zentraler Anwendungsbereich im Steuerrecht ist der Begriff der „Deferred Taxes“. Hierbei handelt es sich um latente Steuern (aktive und passive latente Steuern), welche den Unterschiedsbetrag zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Wertansätzen von Bilanzposten abbilden. Nach § 274 HGB sind Unternehmen verpflichtet, solche latenten Steuern zu erfassen. Sie resultieren insbesondere aus temporären Differenzen, bei denen die Steuerlast erst in zukünftigen Perioden anfällt oder gemindert wird.

Arbeitsrecht

Deferred Compensation

Das rechtliche Institut der Deferred Compensation, zu Deutsch „verschobene Vergütung“, beschreibt Modelle der aufgeschobenen Entlohnung. Mitarbeitenden wird ein Teil ihrer Vergütung nicht sofort ausgezahlt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt (etwa nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, als betriebliche Altersversorgung oder bei Erreichung bestimmter Ziele). Vertragliche und arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen regeln dabei die Fälligkeit und Verfügbarkeit der Zahlung. Die arbeitsrechtlichen Details richten sich unter anderem nach dem Nachweisgesetz, Betriebsrentengesetz sowie nach steuerlichen Vorschriften.

Insolvenzrecht

Deferred Payments an Gläubiger

Im Insolvenzverfahren können Vergleichs- oder Sanierungspläne Vereinbarungen über Deferred Payments enthalten. Gläubiger erhalten dabei lediglich eine Quotenbefriedigung, wobei Zahlungen über einen längeren Zeitraum gestreckt oder erst nach Eintritt bestimmter Bedingungen geleistet werden.


Internationale Rechtsvergleiche und Besonderheiten

Common Law

Im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist „Deferred“ ein etabliertes Konzept, das etwa bei „Deferred Prosecution Agreements“, „Deferred Consideration“ (aufgeschobener Kaufpreisteil), „Deferred Sentences“ (aufgeschobenes Strafmaß) oder auch „Deferred Compensation Plans“ (verschobenes Vergütungssystem) Anwendung findet. Die praktische Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit unterliegt dabei jeweiligen nationalen oder bundesstaatlichen Rechtsgrundlagen.

Internationaler Wirtschaftsverkehr

Internationale Verträge, beispielsweise im Handels- und Kreditwesen, enthalten oftmals Deferred-Regelungen, um den Parteien Flexibilität bei der Erfüllung von Pflichten einzuräumen oder Zahlungsrisiken abzusichern. Dabei sind Kollisionsnormen und das jeweils anwendbare Recht zu berücksichtigen.


Rechtliche Implikationen und Folgen von Deferred-Vereinbarungen

Auswirkungen auf Fristen und Rechte

Durch die Verschiebung von Rechtsfolgen sind sorgfältige Regelungen zu Fristen, Fälligkeiten sowie zur Bedingungskontrolle erforderlich. Verzugs-, Zins- oder Sicherungsregelungen sind meist Bestandteil von Deferred-Vereinbarungen, um Risiken und potenzielle Streitigkeiten zu begrenzen.

Haftung und Sicherheiten

Insbesondere im Vertrags- und Finanzierungsbereich kann das Risiko des Zahlungsausfalls oder der Leistungsstörung steigen. Daher werden häufig Sicherheiten, Bürgschaften oder andere Garantien vereinbart, um das Risiko im Zeitraum der aufgeschobenen Leistung zu begrenzen.

Steuerliche und bilanzielle Behandlung

Deferred-Regelungen können bilanzielle Auswirkungen haben, insbesondere durch die Notwendigkeit zur Bildung passiver oder aktiver Rechnungsabgrenzungsposten bzw. latenter Steuern. Die Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften (wie HGB, IFRS, US-GAAP) bestimmen die konkrete Ausgestaltung.

Voraussetzungen und Formanforderungen

Je nach Bereich können Formvorschriften oder besondere Dokumentationspflichten gelten. Im Gesellschaftsrecht sind Satzungsregelungen notwendig, im Steuerrecht gelten Offenlegungspflichten gegenüber den Finanzbehörden, im Arbeitsrecht müssen Vereinbarungen transparent und verständlich gestaltet sein.


Zusammenfassung

Der Begriff „Deferred“ umfasst im rechtlichen Kontext eine Vielzahl von Erscheinungsformen und Anwendungsfeldern, in denen Rechtsfolgen oder Leistungen aufgeschoben werden. Die rechtlichen Voraussetzungen, Formen und Auswirkungen sind je nach Rechtsgebiet unterschiedlich geregelt, betreffen jedoch stets den Aspekt der zeitlichen Verschiebung von Rechten, Pflichten oder Leistungen. Die sachgerechte Gestaltung und Prüfung solcher Regelungen ist wesentlich, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und Risiken für die beteiligten Parteien zu minimieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Einsatz von Deferred Agreements erfüllt sein?

Um Deferred Agreements rechtssicher einzusetzen, müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst ist die Form des Vertrags entscheidend: In vielen Jurisdiktionen, darunter auch Deutschland, ist grundsätzlich die Schriftform zu empfehlen, insbesondere, wenn es sich um Vereinbarungen mit größerem wirtschaftlichen Wert handelt. Die Vertragsparteien müssen geschäftsfähig sein und der erklärte Wille zur aufschiebenden Wirkung (deferred) muss klar formuliert werden. Inhaltlich sollten alle Bedingungen, die zur Fälligkeit einer Leistung führen – sogenannte Trigger-Events – eindeutig definiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Häufig werden auch Regelungen zur Beweislast, zur Möglichkeit des Rücktritts und zu Eventualitäten, wie dem Eintritt unvorhergesehener Hindernisse, integriert. Überdies ist zu beachten, dass Deferred Agreements je nach Ausgestaltung einer AGB-rechtlichen Überprüfung standhalten müssen, insbesondere im B2C-Bereich. Schließlich ist die Berücksichtigung etwaiger steuerlicher und bilanzrechtlicher Pflichten wesentlich, da aufgeschobene Leistungen und Zahlungen oft eigene Melde- und Dokumentationserfordernisse auslösen.

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Verwendung von Deferred Agreements?

Die Nutzung von Deferred Agreements birgt eine Reihe rechtlicher Risiken. Ein wesentliches Risiko besteht darin, dass die aufschiebende Bedingung (Suspensivbedingung), die den Eintritt bestimmter Vertragsfolgen regelt, im Vertrag unzureichend konkretisiert wurde, was zu Auslegungsstreitigkeiten führen kann. Unklare oder widersprüchliche Kriterien für das Eintreten der aufgeschobenen Leistungspflicht führen häufig zu Rechtsunsicherheit und im schlimmsten Fall zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Zudem können insolvenzrechtliche Risiken auftreten, insbesondere wenn eine Partei vor Eintritt des Deferred-Ereignisses insolvent wird – in diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob noch ein Rücktrittsrecht oder andere Gestaltungsrechte bestehen. Je nach Vertragsinhalt sind auch regulatorische Vorgaben zu beachten, etwa im Kapitalmarkt- oder Kartellrecht. Nicht zuletzt ist die Verjährung zu beachten: Bei aufgeschobenen Leistungen beginnt die Verjährungsfrist in der Regel erst mit Eintritt des jeweiligen Ereignisses zu laufen.

Wie werden Deferred Agreements rechtlich durchgesetzt (Vollstreckung)?

Die Durchsetzbarkeit von Deferred Agreements hängt maßgeblich vom Eintritt der vereinbarten Bedingungen ab. Solange ein Deferred Event (also das aufschiebende Ereignis) nicht eingetreten ist, können vertragliche Ansprüche grundsätzlich nicht vollstreckt werden, da sie noch nicht fällig geworden sind. Erst mit Eintritt der vorgesehenen Bedingung steht dem Berechtigten ein Anspruch auf Leistung zu, der – falls die Gegenpartei nicht erfüllt – gerichtlich durchgesetzt werden kann. Für die Vollstreckbarkeit ist es wichtig, dass die auslösenden Bedingungen im Vertrag klar und objektiv bestimmbar beschrieben sind. Bei Unsicherheiten über das Vorliegen der Bedingung entscheidet im Streitfall das Gericht. In internationalen Sachverhalten ist zudem zu prüfen, ob die Vereinbarung in anderen Rechtsordnungen anerkannt und vollstreckbar ist, was etwa im europäischen Vollstreckungsrecht oder im Rahmen von Schiedsgerichtsbarkeit von Bedeutung sein kann.

Welche Besonderheiten sind im Steuerrecht bei Deferred Agreements zu beachten?

Im Steuerrecht haben Deferred Agreements erhebliche Auswirkungen. Die Fälligkeit von Zahlungsverpflichtungen wirkt sich unmittelbar auf den Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung aus. Insbesondere im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht gilt, dass Gewinne in dem Jahr zu versteuern sind, in dem sie realisiert werden, also regelmäßig mit Eintritt des Deferred-Ereignisses. In bilanzierenden Unternehmen ist die Passivierung beziehungsweise Aktivierung aufgeschobener Verpflichtungen oder Forderungen sorgfältig zu prüfen – insbesondere bei aufschiebend bedingten Geschäften ist oft eine entsprechende Rückstellung zu bilden. Zusätzlich ist im internationalen Kontext zu beachten, dass unterschiedliche steuerliche Anerkennungsvorschriften zu grenzüberschreitenden Diskrepanzen führen können. Im Umsatzsteuerrecht bestimmt der Leistungszeitpunkt, wann die Umsatzsteuer entsteht – auch hier sind Deferred Agreements entsprechend zu dokumentieren.

Wie verhält sich ein Deferred Agreement zu gesetzlichen Rücktrittsrechten und Widerrufsmöglichkeiten?

Gesetzliche Rücktrittsrechte, etwa aus §§ 323, 326 BGB, greifen grundsätzlich auch bei Deferred Agreements, sofern die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen. Wurde beispielsweise eine aufschiebende Bedingung vereinbart und tritt diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist ein, kann dies einen Rücktrittsgrund darstellen. Auch das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen gemäß § 355 BGB bleibt von der aufgeschobenen Vereinbarung unberührt; die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss, es sei denn, wesentliche Vertragsinformationen werden erst später mitgeteilt. Besondere Aufmerksamkeit ist geboten bei Verträgen, bei denen ein Teil der Leistung sofort und der andere erst später erbracht werden soll – hier können unterschiedliche Fristen und Rechtsfolgen für die jeweiligen Leistungsteile gelten.

Welche Dokumentations- und Nachweispflichten bestehen für Deferred Agreements aus rechtlicher Sicht?

Die ordnungsgemäße Dokumentation von Deferred Agreements ist sowohl für den Nachweis im Streitfall als auch im Rahmen steuerlicher und handelsrechtlicher Verpflichtungen unerlässlich. Juristische Anforderungen entstehen insbesondere dann, wenn der Eintritt des Deferred-Ereignisses oder das Ausmaß der aufgeschobenen Pflichten später nachgewiesen werden muss. Es empfiehlt sich daher die schriftliche Fixierung sämtlicher Bedingungen und eine genaue Protokollierung der jeweiligen Ereignisse, die zur Fälligkeit führen. In einigen Branchen – beispielsweise im Finanzsektor – bestehen zudem besondere Dokumentationspflichten, etwa nach dem Geldwäschegesetz (GwG) oder der Wertpapierhandelsgesetzgebung. Für bilanzierende Unternehmen ist es zudem erforderlich, relevante Deferred Agreements in der Buchführung transparent nachzuweisen und zu erläutern.

Welche Rolle spielen Gerichte bei der Auslegung und Anwendung von Deferred Agreements?

Gerichte nehmen bei Streitigkeiten zu Deferred Agreements eine zentrale Rolle ein. Häufig ist Gegenstand gerichtlicher Klärung die genaue Bedeutung und der Eintritt der im Vertrag vereinbarten aufschiebenden Bedingung. Im Streitfall entscheiden Gerichte auf Grundlage des Wortlauts sowie der ergänzenden Vertragsunterlagen, inwiefern das Deferred-Ereignis eingetreten ist und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Gerade bei international ausgestalteten Deferred Agreements prüfen Gerichte zudem, welches Recht überhaupt Anwendung findet (Internationales Privatrecht). In Fällen von Unklarheiten oder Zweifeln werden auch Auslegungsgrundsätze (wie die Unklarheitenregel zu Lasten des Verwenders, § 305c Abs. 2 BGB) herangezogen. Zudem können Gerichte Klauseln für unwirksam erklären, falls sie gegen zwingendes Recht oder gegen gute Sitten verstoßen.