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Begriff und Definition: Damnum Emergens

Damnum emergens ist ein lateinischer Fachausdruck aus dem Bereich des Schadensrechts und bezeichnet den tatsächlich eingetretenen und unmittelbar entstandenen Schaden. Der Begriff steht im Gegensatz zum sogenannten lucrum cessans (entgangener Gewinn) und dient innerhalb nationaler und internationaler Rechtsordnungen der präzisen Kategorisierung und Bewertung von Schadenspositionen im Rahmen von Haftungs- und Schadensersatzfragen.

Im deutschen Recht findet der Begriff insbesondere im Schuldrecht beim Schadensersatz Anwendung und grenzt den real eingetretenen Vermögensverlust vom mutmaßlichen – jedoch nicht realisierten – Vorteil (lucrum cessans) ab. Damnum emergens umfasst all jene Nachteile, welche einer Person direkt durch ein schädigendes Ereignis entstanden sind.


Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Abgrenzung zu anderen Schadensarten

Die Unterscheidung zwischen damnum emergens und lucrum cessans ist vor allem im Rahmen von Ersatzansprüchen von zentraler Bedeutung. Während das damnum emergens für den realen, aktuell eingetretenen Vermögensschaden steht, betrifft lucrum cessans den entgangenen Gewinn, der infolge des schädigenden Ereignisses nicht realisiert werden konnte.

Beispiel:

  • Wird eine Ware zerstört, so ist der Wertverlust der Ware als damnum emergens zu bezeichnen. Der Gewinn, der durch den späteren Verkauf der Ware erzielt worden wäre, fällt unter lucrum cessans.

Damnum Emergens im deutschen Recht

Im deutschen Schuldrecht ist das damnum emergens insbesondere im Zusammenhang mit § 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) relevant. Der Schadensersatzanspruch nach diesen Normen umfasst grundsätzlich das damnum emergens, da der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde.

Typische Fallgruppen

  • Sachschäden: Zerstörung oder Beschädigung von Gegenständen, deren Wiederbeschaffungs- oder Reparaturkosten das damnum emergens darstellen.
  • Personenschäden: Kosten für Heilbehandlung, Krankenhausaufenthalte und sonstige notwendige Aufwendungen infolge einer Körperverletzung.
  • Reine Vermögensschäden: Unmittelbare finanzielle Verluste wie nicht wiederauskehrbare Auslagen, Gebühren oder Kosten infolge des Schadensereignisses.

Damnum Emergens im internationalen und europäischen Recht

Der Begriff findet sich ebenfalls in internationalen Kodifikationen und Übereinkommen wieder. Beispielsweise regelt das UN-Kaufrecht (CISG) in Art. 74, dass der Ersatz des Schadens sowohl den tatsächlich entstandenen Nachteil (damnum emergens) als auch den entgangenen Gewinn (lucrum cessans) umfassen kann.

Auch andere kontinentaleuropäische Rechtsordnungen, etwa das französische oder das italienische Recht, verwenden den Begriff damnum emergens im Rahmen ihrer schadensrechtlichen Vorschriften.


Abgrenzung: Damnum Emergens und sonstige Schadensarten

Immaterieller Schaden

Das damnum emergens ist strikt auf den Bereich des Vermögensschadens beschränkt. Immaterielle Schäden (z.B. Schmerzen, Beeinträchtigung des Wohlbefindens) gehören nicht zum damnum emergens und werden gesondert behandelt, beispielsweise durch das Schmerzensgeld im deutschen Recht.

Gesamtschaden: Zusammenspiel mit lucrum cessans

Der vollständige Schaden einer Person kann sich aus damnum emergens und lucrum cessans zusammensetzen, wobei in der gerichtlichen Praxis häufig beide Schadensarten zu prüfen und zu beziffern sind.


Anspruchsvoraussetzungen und Umfang des Ersatzes

Voraussetzungen des Ersatzes

Voraussetzung für den Ersatz eines damnum emergens ist stets das Vorliegen eines haftungsbegründenden Tatbestands (z.B. unerlaubte Handlung, Vertragspflichtverletzung) sowie das Vorliegen eines tatsächlich eingetretenen Vermögensnachteils, der nachweisbar auf das schädigende Ereignis zurückzuführen ist (Kausalität).

Schadensberechnung und Beweislast

Die Berechnung des damnum emergens richtet sich nach dem Differenzprinzip, das den Unterschied im Vermögensstand vor und nach dem Schadensereignis feststellt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und die Höhe des Schadens obliegt grundsätzlich dem Geschädigten.

Typische Nachweisformen:

  • Rechnungen über Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen
  • Gutachten zum Wertverlust von Sachen
  • Belege über entstandene Zusatzkosten (Transport, Lagerung, medizinische Aufwendungen usw.)

Praxisbeispiele für Damnum Emergens

  • Zerstörung eines Fahrzeugs durch Verkehrsunfall: Der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert ergibt das damnum emergens.
  • Beschädigung von Geschäftsinventar: Reparaturkosten oder erforderliche Ausgaben für Neuanschaffungen gelten als damnum emergens.
  • Kosten für Schadensbeseitigung nach einer Vertragsverletzung (z. B. Mängelbeseitigungskosten bei Werkverträgen).
  • Kosten medizinischer Heilbehandlungen nach einer Körperverletzung.

Zusammenfassung und Relevanz

Damnum emergens ist ein zentraler Rechtsbegriff zur Kategorisierung unmittelbar eingetretener Vermögensschäden. Seine präzise Definition und Abgrenzung trägt maßgeblich zur rechtsdogmatischen Klarheit innerhalb des Schadensersatzrechts bei. Sowohl im nationalen wie auch im internationalen Kontext ist die Unterscheidung zwischen damnum emergens und anderen Schadenskategorien wesentlich für die sachgerechte und vollständige Anspruchsdurchsetzung im Haftungsrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird das damnum emergens im Prozess substantiiert und bewiesen?

Das damnum emergens als tatsächlich entstandener Schaden stellt regelmäßig eine entscheidende Anspruchsvoraussetzung im Zivilprozess dar. Der Geschädigte trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Zur Substantiierung müssen im Klagevortrag alle schädigungsrelevanten Umstände, insbesondere die Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis und dem entstandenen Vermögensnachteil, konkret und nachvollziehbar dargelegt werden. Dies umfasst belegbare Angaben zur Schadenshöhe, z.B. durch Rechnungen, Zahlungsbelege oder – im Handelsverkehr – Lieferverträge, sowie die Darlegung einer adäquaten Kausalität. Nach § 287 ZPO besteht allerdings eine Erleichterung, da das Gericht den Schaden und seine Höhe nach freier Überzeugung schätzen kann, sofern die Haftung dem Grunde nach feststeht. Im Rahmen des Prozesses darf die Schätzung aber stets nur auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage erfolgen. Zudem besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe zur Konkretisierung des Schadensbildes.

Welche Abgrenzung besteht zwischen damnum emergens und lucrum cessans?

Während das damnum emergens den tatsächlich eingetretenen unmittelbaren Vermögensverlust beschreibt, umfasst das lucrum cessans den entgangenen Gewinn, also die Gewinne, die ohne das Schadensereignis hätten erzielt werden können. In der rechtlichen Praxis ist diese Unterscheidung besonders relevant für die Schadenspositionen, die geltend gemacht werden. Beispielsweise ist der zerstörte oder beschädigte Sachwert typisches damnum emergens, während ausgebliebene Erträge infolge des Schadens ein Beispiel für lucrum cessans darstellen. Die exakte Trennung ist wichtig für die Anspruchsberechnung, Beweisführung und zur Anwendung einzelner Anspruchsgrundlagen im Schadensersatzrecht, wie § 249 ff. BGB.

Wie wirkt sich ein Mitverschulden des Geschädigten gemäß § 254 BGB auf das damnum emergens aus?

Ein Mitverschulden des Geschädigten kann gemäß § 254 BGB zu einer Kürzung des Ersatzanspruchs hinsichtlich des damnum emergens führen. Das Gericht muss in diesem Fall eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile beider Parteien vornehmen. Kommt es zu einer Feststellung der Mitverantwortung, wird der zu erstattende Betrag des tatsächlichen Schadens (damnum emergens) entsprechend gekürzt. Dies betrifft alle Positionen, die unter das damnum emergens fallen, wie etwa Reparaturkosten, Ersatzanschaffungen oder andere Ersatzleistungen, die der Geschädigte infolge des Schädigungsereignisses leisten musste.

Sind Positionen wie Anwalts- und Gutachterkosten Teil des damnum emergens?

Ja, Anwalts- und Gutachterkosten können als Teil des damnum emergens eine schadensersatzfähige Position darstellen, sofern sie durch das schadensauslösende Ereignis adäquat verursacht wurden und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dies gilt auch für Kosten zur Schadensfeststellung, etwa durch einen Sachverständigen, wenn deren Beauftragung aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Geschädigten erforderlich erscheint. Die Erstattungsfähigkeit ist jedoch nicht grenzenlos und wird regelmäßig im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit anhand des konkreten Einzelfalls geprüft.

Welche typischen Schadenspositionen fallen im deutschen Recht unter das damnum emergens?

Im deutschen Schadensrecht werden unterschiedliche Schadensfolgen rechtlich dem damnum emergens zugeordnet. Zu den relevanten Positionen zählen beispielsweise Kosten für die Wiederherstellung oder Reparatur beschädigter Sachen, Aufwendungen für Ersatzbeschaffungen, Transport- und Lagerkosten infolge des Schadens, Kosten für Interimslösungen (z.B. Anmietung von Ersatzgeräten), sowie – wie oben dargestellt – erforderliche Aufwendungen für Sachverständige und Rechtsberatung. Auch unmittelbare Vermögensverluste aufgrund des zerstörten Gegenstands selbst oder Auslagen zur Schadensminderung können unter damnum emergens subsumiert werden, sofern die Kausalität zum Schadensereignis gegeben ist.

Unterliegt das damnum emergens der Vorteilsausgleichung?

Ja, im Rahmen der Vorteilsausgleichung ist zu prüfen, ob und inwieweit sich durch das Schadensereignis für den Geschädigten Vorteile ergeben haben, die bei der Berechnung des damnum emergens anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind. Klassischer Anwendungsfall ist zum Beispiel eine erhaltene Versicherungsleistung oder eine Erstattung durch Dritte im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis. Die Vorteilsausgleichung dient der Vermeidung einer Überkompensation und der Herstellung des Grundsatzes des Ausgleichs zwischen tatsächlichem Schaden und erhaltenem Vorteil, wie es der schadensrechtliche Naturalrestitution verlangt.

Gibt es besondere Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen, die das damnum emergens betreffen?

Ansprüche auf Ersatz des damnum emergens unterliegen den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften, insbesondere den §§ 195, 199 BGB, wobei der Beginn der Verjährungsfrist in der Regel auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Schaden und Schädiger abstellt. Für bestimmte deliktische Handlungen sowie im Bereich der Produkthaftung bestehen Sonderverjährungen, etwa die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ab dem schädigenden Ereignis. Es ist darauf zu achten, dass einzelne Schadenspositionen oder Folgeschäden zeitlich nachgelagert auftreten können; die Verjährung beginnt in diesen Fällen erst mit deren Kenntnis. Die genaue Einordnung ist im Einzelfall anhand des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts vorzunehmen.