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Cybergrooming


Begriff und rechtlicher Rahmen von Cybergrooming

Cybergrooming bezeichnet die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte zu minderjährigen Personen über elektronische Kommunikationsmittel mit dem Ziel, sexuelle Handlungen vorzubereiten oder zu ermöglichen. Der Begriff setzt sich zusammen aus „Cyber“ (für den virtuellen Raum) und „grooming“ (englisch für Anbahnung oder Vorbereitung einer Beziehung zu missbräuchlichen Zwecken). Im Fokus des rechtlichen Diskurses steht Cybergrooming insbesondere im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung im digitalen Raum.

Definition des Cybergroomings

Cybergrooming umfasst sämtliche Handlungen, bei denen erwachsene Personen mithilfe des Internets oder anderer elektronischer Kommunikation versuchen, das Vertrauen von Minderjährigen zu erschleichen. Ziel der Handlungen kann sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung sexueller Übergriffe sein. Typische Kommunikationskanäle sind Messenger-Dienste, soziale Netzwerke, Chatrooms und Online-Spiele-Plattformen.

Geschichtliche Entwicklung und Rechtssetzung

Infolge der fortschreitenden Digitalisierung und des umfassenden Internetzugangs Minderjähriger wurde Cybergrooming zunehmend als eigenständiges kriminelles Phänomen erkannt. Die strafrechtliche Normierung erfolgte in Deutschland mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern (BGBl. I S. 212) sowie durch nachfolgende Anpassungen im Strafgesetzbuch (StGB).

Gesetzliche Regelungen in Deutschland

§ 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB – Anbahnung sexueller Kontakte

Im deutschen Strafrecht ist Cybergrooming im Wesentlichen durch § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern) geregelt. Dort wird unter Strafe gestellt, wenn eine erwachsene Person mit einem Kind im Internet in Kontakt tritt, um eine sexuelle Handlung vorzubereiten. Voraussetzung ist, dass die Kommunikation mit der Absicht erfolgt, das Kind zu einer sexuellen Handlung zu bestimmen. Es genügt bereits das einvernehmliche Chatgespräch, sofern die Straftatabsicht nachweisbar ist; eine tatsächliche Ausführung der sexuellen Handlung ist für die Strafbarkeit nicht erforderlich.

Tatbestandsmerkmale

  • Kontaktaufnahme: Die Kontaktanbahnung muss elektronisch erfolgen (z. B. per E-Mail, Messenger, Chat).
  • Zielrichtung: Die Handlung muss darauf ausgerichtet sein, bei dem Kind eine sexuelle Handlung herbeizuführen.
  • Alter der Zielperson: Das Opfer muss zum Tatzeitpunkt unter 14 Jahre alt sein.
  • Vorsatz: Es ist erforderlich, dass der Täter mit der notwendigen Absicht handelt.

Versuch und Vorbereitungshandlungen

Anders als bei vielen anderen Straftatbeständen ist im Bereich des Cybergroomings bereits der Versuch strafbar (§ 176 Abs. 6 StGB). Damit stellt der Gesetzgeber besonders auf die Gefährdung durch solche Kontakte ab und schützt Minderjährige bereits im Ansatz der Kontaktaufnahme.

„Scheinminderjährige“ und Verdeckte Ermittlung

Nach rechtlicher Entwicklung ist auch die Kontaktaufnahme zu „Scheinminderjährigen“ (etwa verdeckte Ermittler oder Erwachsene, die sich als Kind ausgeben) von der Strafnorm erfasst (§ 176 Abs. 5 StGB). Damit ist strafbares Verhalten auch gegeben, wenn kein reales Kind gefährdet wird, sondern der Täter lediglich glaubt, mit einem Kind zu kommunizieren.

Strafzumessung und Rechtsfolgen

Die Strafdrohung für Cybergrooming liegt bei Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Unter bestimmten Voraussetzungen (etwa bei gewerbsmäßiger Begehung oder wiederholter Täterhandlung) können höhere Strafrahmen greifen. Möglichkeiten zu Bewährungsstrafen, Täter-Opfer-Ausgleich oder Therapieauflagen bestehen im Rahmen allgemeiner Strafzumessungsgrundsätze.

Nebenstrafen und Eintragungen

Bei einer Verurteilung wegen Cybergrooming erfolgt regelmäßig die Eintragung im erweiterten Führungszeugnis. Zudem kann das Gericht berufsbezogene Tätigkeitsverbote (§ 70 StGB) oder Annäherungsverbote aussprechen.

Cybergrooming im internationalen Kontext

Übereinkommen des Europarats

Die Bekämpfung des Cybergroomings ist auch im internationalen Recht verankert, insbesondere im Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention, 2007). Dieses völkerrechtliche Abkommen schreibt den Vertragsstaaten unter anderem vor, die „Voranbahnung sexueller Kontakte“ unter Strafe zu stellen.

EU-Rechtsakte

Auch auf europäischer Ebene gibt es verschiedene Richtlinien und Beschlüsse, die die Verpflichtung zur strafrechtlichen Sanktionierung solcher Handlungen betonen. Die Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie dient als Grundlage für die nationalen Strafnormen im Bereich Cybergrooming.

Präventionsmaßnahmen und Opferschutz

Technische Maßnahmen

Zur Prävention und Bekämpfung von Cybergrooming sind Anbieter digitaler Dienste zur Umsetzung technischer Schutzmaßnahmen verpflichtet – etwa durch Meldefunktionen, Altersüberprüfungen oder Filtermechanismen.

Rolle staatlicher Behörden

Polizeiliche Spezialeinheiten und staatsanwaltschaftliche Schwerpunktstellen befassen sich gezielt mit der Aufklärung und Verfolgung dieser Straftat. Darüber hinaus werden Kooperationen mit Schulen sowie Informationskampagnen durchgeführt, um das Bewusstsein für Gefahren des Cybergroomings zu schärfen.

Schutz und Unterstützung der Opfer

Für betroffene Kinder und deren Angehörige existieren zahlreiche Hilfsangebote, darunter psychosoziale Beratungsstellen, anonyme Hotlines sowie rechtliche Vertretung zur Durchsetzung von Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüchen.

Zivilrechtliche Implikationen

Neben den strafrechtlichen Sanktionen eröffnet Cybergrooming auch Ansprüche im Zivilrecht, insbesondere auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 823 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eltern können für ihre minderjährigen Kinder Ansprüche geltend machen; zudem greifen Regelungen zum Unterlassungsanspruch, um weitere Kontaktaufnahmen strafbewehrt zu unterbinden.

Literaturhinweise und weiterführende Rechtsquellen

  • Deutsches Strafgesetzbuch (StGB) – §§ 176 ff.
  • Lanzarote-Konvention (Europarat, 2007)
  • Richtlinie 2011/93/EU
  • Bundeskriminalamt: Jahresberichte zur polizeilichen Kriminalstatistik

Dieser Beitrag bietet eine umfassende rechtliche Einordnung und Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Begriffs Cybergrooming im deutschen und internationalen Kontext, ergänzt um relevante nationale und supranationale Gesetzgebung sowie Hinweise auf Präventions- und Opferschutzmaßnahmen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Schritte können bei Verdacht auf Cybergrooming eingeleitet werden?

Bei Verdacht auf Cybergrooming stehen betroffenen Personen und deren Angehörigen mehrere rechtliche Möglichkeiten offen. Zunächst ist es essenziell, Beweise wie Chatverläufe, E-Mails oder andere Kommunikationsmittel zu sichern, möglichst vor einer direkten Konfrontation mit dem mutmaßlichen Täter. Diese Beweismittel sollten nicht selbst bearbeitet oder verändert werden, um ihre Beweiskraft im späteren Verfahren nicht zu beeinträchtigen.
Im Anschluss ist die Erstattung einer Strafanzeige bei der Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft empfehlenswert. Die Ermittlungsbehörden sind dann verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen und gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen § 176 Abs. 4 StGB („Einwirkung auf ein Kind durch sexuelle Handlung mittels Telekommunikation“) oder § 176a Abs. 4 StGB einzuleiten. In gravierenden Fällen, insbesondere bei wiederholtem oder besonders schwerwiegendem Cybergrooming, kommen weitere Delikte wie Verbreitung kinderpornographischer Schriften oder Nötigung in Betracht.
Zusätzlich können Betroffene im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) Unterstützungsleistungen beantragen. Wichtig ist außerdem die Möglichkeit, Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken, beispielsweise Kontakt- oder Annäherungsverbote. Begleitend zur strafrechtlichen Aufarbeitung ist die Konsultation eines Anwalts für Strafrecht oder eines Opferanwalts ratsam, um die eigenen Rechte optimal wahrzunehmen und etwaige Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zivilrechtlich durchzusetzen.


Welche Strafen drohen einem Täter bei Cybergrooming nach deutschem Recht?

Beim Cybergrooming richtet sich die Strafbarkeit hauptsächlich nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB. Demnach wird bestraft, wer mittels Telekommunikation auf ein Kind einwirkt, um dieses zu sexuellen Handlungen zu bestimmen. Die Sanktion hierfür beträgt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Erfolgt die Kontaktaufnahme mit dem Ziel, ein persönliches Treffen herbeizuführen und dabei eine schwere Straftat vorzubereiten – wie etwa sexuellen Missbrauch (§ 176 Abs. 1 StGB) – so wird dies mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet (§ 176a StGB).
Die Strafhöhe variiert je nach Schweregrad der Tat, Vorstrafen des Täters und individuellen Umständen. Besondere Schärfe erfährt das Strafmaß, wenn der Täter kinder- oder jugendpornographisches Material verbreitet (§ 184b StGB), Nötigung oder Erpressung ausübt oder wenn das Opfer erheblichen seelischen Schaden erleidet. Bereits der Versuch ist strafbar und kann entsprechend verfolgt werden.


Welche Rolle spielt die Einwilligung des Kindes in strafrechtlicher Hinsicht?

Im Rahmen des Cybergroomings ist die Einwilligung eines Kindes nicht beachtlich. Nach deutschem Strafrecht (§ 176 StGB) ist jedes Kind unter 14 Jahren generell als nicht einwilligungsfähig in sexuelle Handlungen anzusehen, unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung oder Motivation des Kindes. Das Gesetz geht ausdrücklich vom Schutzbedürfnis Minderjähriger aus, weshalb auch eine tatsächliche, vermeintliche oder durch den Täter erschlichene „Zustimmung“ am tatbestandlichen Unrecht nichts ändert. Versuchen Täter mithilfe manipulativer oder überredender Kommunikationsstrategien das Kind zu einer Einwilligung zu bewegen, bleibt dieser Umstand straf- und haftungsrechtlich unbeachtlich.


Welche Bedeutung hat die Strafverfolgung von Cybergrooming bei Auslandstatbeständen?

Cybergrooming ist häufig von grenzüberschreitenden Sachverhalten betroffen. Nach § 5 Nr. 8 StGB gilt das sogenannte Weltrechtsprinzip: Der deutsche Staat beansprucht Strafgewalt, sofern das Opfer deutscher Staatsangehöriger ist oder sich die Tat gegen ein in Deutschland lebendes Kind richtet, auch wenn der Täter sich im Ausland aufhält oder die Tat im Ausland begeht. Zudem sind viele Cybergrooming-Straftaten sogenannte Offizialdelikte, die von Amts wegen verfolgt werden. Durch internationale Abkommen und Kooperationen – etwa über Europol, Interpol oder bilaterale Rechtshilfeabkommen – ist eine grenzüberschreitende Strafverfolgung möglich, wenn auch in der Praxis mitunter langwierig.


Welche besonderen Ermittlungsmaßnahmen stehen den Strafverfolgungsbehörden bei Cybergrooming zur Verfügung?

Bei Cybergrooming können die Ermittlungsbehörden auf eine Vielzahl besonderer Maßnahmen zurückgreifen. Dazu zählen die Sicherstellung und Auswertung elektronischer Geräte (§§ 98, 110 StPO), Online-Durchsuchungen, Überwachung der Telekommunikation (§§ 100a, 100b StPO) sowie die Einholung von Bestands- und Verkehrsdaten von Telekommunikationsanbietern (§ 113 TKG). Insbesondere in Fällen, in denen eine Gefahr für das Kindeswohl besteht, können Ermittlungsmaßnahmen zügig und auch ohne vorherige richterliche Anordnung erfolgen (§ 81a Abs. 2 StPO). Viele Polizeibehörden arbeiten außerdem mit verdeckten Ermittlern, die sich in einschlägigen Chatforen oder Plattformen als Minderjährige ausgeben (sogenannte „Cybercops“), um potentielle Täter zu überführen. Die gewonnenen Beweise müssen so erhoben werden, dass sie im Strafverfahren verwertbar bleiben.


Kann ein Plattformanbieter für Cybergrooming auf dessen Dienst haftbar gemacht werden?

Plattformanbieter (wie soziale Netzwerke, Messenger-Dienste etc.) können grundsätzlich nicht strafrechtlich für Cybergrooming-Taten ihrer Nutzer belangt werden, solange sie keine Kenntnis von den Straftaten haben und ihre Prüf- und Löschungspflichten erfüllen. Zivilrechtlich jedoch kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung ausgelöst werden, etwa wenn eindeutige Hinweise auf Cybergrooming oder sexualisierte Gewalt wissentlich ignoriert werden oder der Anbieter trotz Meldung nicht tätig wird. Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) müssen Diensteanbieter strafbare Inhalte innerhalb einer bestimmten Frist nach Kenntnisnahme löschen oder sperren, andernfalls drohen Bußgelder bis zu mehreren Millionen Euro. Eine verschärfte Haftung besteht zudem beim Einsatz von Moderationsteams und bei der Löschung gemeldeter Inhalte mit Bezug zu sexuellem Missbrauch Minderjähriger.


Gibt es Verjährungsfristen bei Cybergrooming und wie sind diese geregelt?

Die Verjährungsfristen bei Cybergrooming richten sich nach der jeweiligen Strafandrohung (§ 78 StGB). In der Regel beginnt die Verjährung erst, wenn das Opfer das 30. Lebensjahr vollendet hat (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB), um der besonderen Schutzbedürftigkeit Minderjähriger Rechnung zu tragen. Die konkrete Verjährungsfrist beträgt bei Straftaten nach § 176 StGB mindestens zehn Jahre, bei besonders schweren Fällen nach § 176a StGB sogar zwanzig Jahre. Diese Fristen sind bewusst großzügig bemessen, da viele Betroffene psychisch erst Jahre nach der Tat zu einer Anzeige bereit sind. Bei wiederholten oder andauernden Handlungen tritt die Frist ab der letzten Tat ein. Eine Unterbrechung der Verjährungsfrist ist insbesondere durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder Erhebung der öffentlichen Klage möglich.