Definition und Abgrenzung: Crowdlending
Crowdlending, auch als Kredit-basierte Schwarmfinanzierung bekannt, bezeichnet eine Form der alternativen Finanzierungsmodelle, bei der natürliche oder juristische Personen Kapitalbeträge über spezialisierte Online-Plattformen (sog. Crowdlending-Plattformen) als Darlehen an andere Privatpersonen oder Unternehmen vergeben. Im Gegensatz zu anderen Formen des Crowdfunding ist Crowdlending darauf ausgerichtet, gegen eine vertraglich vereinbarte Verzinsung das verliehene Kapital nach Ablauf der Kreditlaufzeit zurückzuerhalten.
Abgrenzung zu verwandten Konzepten
Crowdlending unterscheidet sich vom Crowdfunding im engeren Sinn (Donation-Based, Reward-Based) primär durch die rückzahlungs- und zinsbasierte Ausgestaltung (debt-based crowdfunding). Ebenfalls ist eine Abgrenzung zu klassischen Bankdarlehen und zum Crowdinvesting (Eigenkapitalvermittlung) geboten.
Rechtlicher Rahmen des Crowdlending in Deutschland
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtliche Gestaltung des Crowdlendings ist in Deutschland durch mehrere Regelungsbereiche geprägt:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 488 ff. zur Darlehensvergabe
- Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
- Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
- Kreditwesengesetz (KWG)
- Vermögensanlagengesetz (VermAnlG)
- Gewerbeordnung (GewO)
- Allgemeines Vertragsrecht
Die rechtlichen Anforderungen unterscheiden sich je nach konkreter Ausgestaltung der Plattform und der jeweiligen Kreditform (Verbraucherdarlehen, Unternehmensdarlehen, partiarische Darlehen etc.).
Erlaubnispflichten und Aufsicht
Die Tätigkeit einer Crowdlending-Plattform kann gegebenenfalls eine Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) auslösen, wenn die Plattform selbst Darlehen vergibt oder vermittlungsbezogene Finanzdienstleistungen erbringt. Viele Plattformen agieren deshalb lediglich als Vermittler von Kreditverträgen, um keine eigene Erlaubnispflicht auszulösen, oder arbeiten mit lizenzierten Bankpartnern zusammen.
Eine Beaufsichtigung kann auch nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (als Zahlungsinstitut) oder durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erfolgen, insbesondere sobald die Durchführung von Zahlungsdiensten oder das Betreiben erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte relevant wird.
Verbraucherschutz und Informationspflichten
Transparenz- und Informationspflichten
Für Crowdlending-Plattformen ergeben sich erhebliche Informationspflichten, insbesondere bei Verbraucherkrediten. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 491a BGB ff.) und der Preisangabenverordnung sind Kreditnehmer umfassend über Zinssätze, Gebühren, Rückzahlungsmodalitäten sowie Widerrufsrechte zu informieren. Ebenso greifen Vorgaben der EU-Verbraucherkreditrichtlinie, die in Deutschland umgesetzt wurden.
Widerrufsrechte
Bei Verbraucherdarlehen besteht regelmäßig ein gesetzliches Widerrufsrecht. Kreditverträge können binnen 14 Tagen nach Abschluss widerrufen werden, was für die Praxis von Crowdlending-Plattformen ein erhöhtes Risiko für die Abwicklung mit sich bringt.
Datenschutz
Die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Kreditvermittlung unterliegt der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Darlehensplattformen müssen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Daten von Kreditnehmern und Investoren umsetzen und die Einwilligung zur Datenverarbeitung eindeutig einholen.
Vertragsrechtliche Besonderheiten beim Crowdlending
Vertragsparteien und Vertragsgestaltung
Im Crowdlending existieren typischerweise zwei Hauptvertragsverhältnisse:
- Kreditverträge zwischen Anlegern (Kreditgebern) und Kreditnehmern (Privatpersonen, Unternehmen)
- Vermittlungsverträge zwischen Anlegern/Kreditnehmern und der Crowdlending-Plattform
Die Vertragsgestaltung kann unterschiedliche Modelle aufweisen: Vom direkten Vertragsschluss zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer bis zur Konstruktion über Drittkonto-Lösungen oder Treuhandmodelle.
Risiken und Haftung
Ein wesentliches rechtliches Thema betrifft die Haftung der Plattformen hinsichtlich Projektprüfung, Ausfallrisiko und Informationen. Grundsätzlich ist bei Verlusten, etwa durch Kreditausfälle, das Risiko vom Anleger zu tragen, sofern keine spezifischen Haftungsübernahmen oder Garantien vereinbart wurden.
Gewerbliche und steuerrechtliche Einordnung
Steuerliche Behandlung beim Anleger
Erträge aus vergebenen Privatdarlehen über Crowdlending-Plattformen gelten für Anleger grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) und unterliegen dementsprechend der Kapitalertragsteuer. Für Unternehmensdarlehen sind ggf. weitergehende steuerliche Regelungen zu beachten.
Gewerberechtliche Aspekte
Die gewerbliche Ausübung von Crowdlending als Vermittler setzt eine Erlaubnis nach § 34c GewO voraus, sofern das Betreiben der Plattform als gewerbliche Tätigkeit in Erscheinung tritt. Auch die gewerbliche Darlehensvergabe durch Anleger kann, in Abhängigkeit von Umfang und Organisation, eine Gewerbeanmeldung erfordern.
Internationale Perspektive
Europarechtliche Grundlagen
Mit der EU-Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister (ECSP-Verordnung, Verordnung (EU) 2020/1503) wurde ein einheitlicher Rechtsrahmen für Schwarmfinanzierungsdienstleister geschaffen, der seit November 2021 innerhalb der EU Anwendung findet. Die Verordnung bringt insbesondere neue Anforderungen an Zulassung, Organisation, Transparenz und Verbraucherschutz für Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen mit sich.
Cross-Border-Kreditvergabe
Die spezifische Aufsichtssituation und regulatorische Anforderungen können je nach Sitzstaat oder grenzüberschreitender Tätigkeit variieren. Die EU-Regelungen zielen dabei auf eine Harmonisierung der Mindeststandards im Binnenmarkt und auf erhöhte Rechts- und Anlagesicherheit.
Zusammenfassung und Ausblick
Crowdlending ist als kreditbasiertes Schwarmfinanzierungsmodell ein rechtsintensiver Bereich, dessen regulatorisches Umfeld steter Dynamik unterliegt. Neben den klassischen Aspekten des Darlehens-, Verbraucherschutz- und Datenschutzrechts gewinnen grenzüberschreitende, EU-weite Regelungen zunehmend an Bedeutung. Crowdlending-Plattformen, Kreditnehmer und Investoren müssen sich laufend auf neue rechtliche und aufsichtsrechtliche Entwicklungen einstellen, um rechtskonform und sicher am Markt zu agieren.
Häufig gestellte Fragen
Ist Crowdlending in Deutschland reguliert und unterliegt es einer behördlichen Aufsicht?
Crowdlending-Plattformen zählen rechtlich in Deutschland als Finanzdienstleistungsinstitute, wenn sie Darlehen vermitteln oder selbst Kredite vergeben. Sie unterliegen grundsätzlich der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sofern sie erlaubnispflichtige Geschäfte nach dem Kreditwesengesetz (KWG), Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder anderen einschlägigen Regelungen betreiben. Viele Plattformen arbeiten deshalb mit kooperierenden Banken zusammen, um eigene Erlaubnispflichten zu umgehen. Auch das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) kann einschlägig sein, insbesondere bei Projekten, die als sogenannte partiarische Darlehen oder Nachrangdarlehen strukturiert sind. Je nach Ausgestaltung des Geschäftskonzepts ist zudem das Kleinanlegerschutzgesetz relevant, das Informations- und Prospektpflichten vorsieht. Investoren sollten daher gezielt prüfen, ob für das angebotene Investment eine BaFin-Erlaubnis oder ein gebilligter Prospekt vorliegt.
Welche rechtlichen Risiken bestehen für Anleger beim Crowdlending?
Anleger beim Crowdlending tragen spezifische rechtliche Risiken: Zunächst besteht das Ausfallrisiko, dass Kreditnehmer das geliehene Kapital nicht zurückzahlen können und Investoren somit einen Totalverlust ihres Geldes erleiden. Anders als bei Spareinlagen handelt es sich bei Crowdlending nicht um ein reguliertes Finanzprodukt mit Sicherungseinrichtungen wie der Einlagensicherung. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Kreditnehmer ist häufig komplex, zumal viele Plattformen hierfür nur eingeschränkte Unterstützungsleistungen bieten. Zudem besteht ein Plattformrisiko: Gerät die Plattform selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Insolvenz, kann dies die Rückzahlung der ausstehenden Kredite gefährden, insbesondere wenn keine insolvenzfeste Treuhandlösung besteht. Abschließend sollte beachtet werden, dass die rechtliche und steuerliche Behandlung von Zinserträgen und Verlusten sorgfältig zu prüfen ist, um keine nachteiligen Überraschungen zu erleben.
Welche Vertragsverhältnisse entstehen beim Crowdlending und welchen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen sie?
Beim Crowdlending entstehen in der Regel mehrere Vertragsverhältnisse. Zwischen dem Anleger und der Plattform besteht ein Vermittlungsvertrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Abwicklung der Investition und die Verwaltung der Rückzahlungen regelt. Die kreditrechtliche Beziehung besteht direkt zwischen Anleger und Kreditnehmer (entweder als Darlehensvertrag gemäß §§ 488 ff. BGB oder als Nachrangdarlehen/partiarisches Darlehen je nach Modell). Diese Verträge unterliegen deutschem Zivilrecht und können individuellen oder von der Plattform zur Verfügung gestellten Standardbedingungen unterliegen. Plattformen müssen Anleger über die wesentlichen Vertragspflichten, Risiken, Kosten sowie Widerrufs- und Kündigungsrechte umfänglich aufklären. Zudem sind die Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche (Geldwäschegesetz, GwG) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu berücksichtigen, insbesondere bei der Abwicklung und Speicherung personenbezogener Daten.
Gelten für Crowdlending steuerrechtliche Besonderheiten?
Ja, aus steuerlicher Sicht sind beim Crowdlending erhaltene Zinsen grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG zu versteuern. Die Plattformen führen meist keine Abgeltungssteuer direkt ab, sodass der Anleger selbst für die ordnungsgemäße Versteuerung der Einnahmen im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung verantwortlich ist. Verluste aus ausgefallenen Krediten können unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend gemacht werden, allerdings sind die Details komplex: Seit 2020 (mit dem Jahressteuergesetz 2019) sind Verluste aus Kapitalforderungen nur noch bis zu bestimmten Höchstgrenzen mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar. Zudem sind ausländische Crowdlending-Plattformen aus steuerlicher Sicht besonders kritisch zu prüfen, da hier Meldepflichten nach dem Außensteuergesetz (AStG) sowie steuerliche Registrierungspflichten im Ausland greifen können.
Welche Informationspflichten haben Crowdlending-Plattformen gegenüber Anlegern?
Nach § 12 VermAnlG und § 32 WpHG sind Plattformen verpflichtet, potenzielle Anleger umfassend über Art, Risiken, Kosten und Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Investment zu informieren. Bei bestimmten Modellen ist ein wesentlicher Bestandteil das sogenannte Vermögensinformationsblatt (VIB), das Anlegern die wesentlichen Eigenschaften und Risiken der Anlage verständlich darlegen muss. Darüber hinaus bestehen je nach Ausgestaltung Prospektpflichten nach dem VermAnlG oder dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Plattformen, die Finanzanlagen vermitteln, müssen zudem ihre eigene Zulassung gemäß § 34f GewO offenlegen und die Anforderungen an die Beratung und Vermittlung erfüllen. Eine mangelnde oder fehlerhafte Information kann zu Schadensersatzansprüchen der Anleger führen.
Wer haftet im Insolvenzfall der Crowdlending-Plattform für offene Investments?
Im Falle einer Insolvenz der Plattform haftet grundsätzlich nicht die Plattform selbst für Rückzahlungen, sondern der jeweilige Kreditnehmer ist weiterhin verpflichtet, seine Raten zu bedienen. Allerdings können organisatorische und rechtliche Schwierigkeiten in der Abwicklung auftreten, etwa wenn Zahlungen nicht mehr über die Plattform weitergeleitet werden können. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass Plattformen insolvenzfeste Strukturen etabliert haben, z. B. durch Treuhandkonten oder die Bestellung eines unabhängigen Abwicklers. Ist dies nicht der Fall, riskieren Anleger, dass Rückflüsse aus ihren Investments im Insolvenzfall verloren gehen oder verspätet ausgezahlt werden. Der Zugang zu Unterlagen und Informationen kann durch die Insolvenzmasse blockiert werden, was die Durchsetzung von Ansprüchen weiter erschwert.
Welche Rolle spielt der Anlegerschutz beim Crowdlending aus rechtlicher Sicht?
Der rechtliche Anlegerschutz ist im Bereich Crowdlending bislang weniger stark ausgeprägt als etwa bei klassischen Bankprodukten oder börsengehandelten Wertpapieren. Zwar greifen durch das VermAnlG und das Kleinanlegerschutzgesetz bestimmte Transparenz- und Informationspflichten, allerdings gibt es keinen gesetzlichen Einlagenschutz oder Absicherung gegen Verluste. Streitigkeiten sind in der Regel zivilrechtlich vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, Schlichtungsverfahren wie bei Banken gibt es häufig nicht. Die Aufsicht durch die BaFin beschränkt sich zudem in vielen Fällen auf punktuelle Offenlegungspflichten und umfasst nicht sämtliche Geschäftsmodelle. Anleger sind deshalb gehalten, Angebote und Plattformen sorgfältig auf ihre rechtliche Seriosität zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die Bonität der Darlehensnehmer.