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Crowdinvesting

Begriff und Grundprinzip des Crowdinvestings

Crowdinvesting ist eine Finanzierungsform, bei der viele natürliche oder juristische Personen als Anleger kleine bis mittlere Beträge in ein Unternehmen oder Projekt investieren. Im Gegenzug erhalten sie vertragliche Ansprüche, etwa auf Zinsen, gewinnabhängige Zahlungen oder eine Beteiligung am Unternehmenswert. Die Kapitalaufnahme erfolgt in der Regel digital über spezialisierte Plattformen, die Angebot, Information, Zeichnung und Zahlungsabwicklung bündeln. Rechtlich steht im Mittelpunkt, dass eine Vielzahl von Kleinanlegern mit professionellen oder semiprofessionellen Investoren gleichlaufende oder abgestufte Beteiligungen zeichnet und hierfür ein geregelter Informations- und Anlegerschutzrahmen gilt.

Abgrenzungen

Crowdinvesting vs. Crowdlending

Beim Crowdlending handelt es sich überwiegend um klassisches Kreditgeschäft mit festen Zinsen und Rückzahlung, bei dem die Anleger Gläubiger eines Darlehens werden. Crowdinvesting umfasst häufig auch eigenkapitalnahe oder erfolgsabhängige Modelle, bei denen Zahlungen von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen und Verlustrisiken eigenkapitalähnlich sein können.

Crowdinvesting vs. spenden- und gegenleistungsbasiertes Crowdfunding

Spenden- oder gegenleistungsbasiertes Crowdfunding (z. B. Vorverkauf von Produkten) begründet keine laufenden Renditeansprüche. Crowdinvesting zielt demgegenüber auf Kapitalanlage mit Renditechance und unterliegt daher besonderen Informations- und Schutzanforderungen.

Crowdinvesting vs. klassische Wertpapieremission

Bei klassischen Emissionen werden häufig standardisierte Wertpapiere über Banken oder Wertpapierfirmen platziert. Crowdinvesting nutzt meist Plattformen und kann sowohl wertpapierbasierte als auch nicht verbriefte Beteiligungen umfassen. Je nach Struktur gelten unterschiedliche Informations- und Zulassungspflichten.

Beteiligte und Rollen

Plattform

Die Plattform vermittelt Anlageangebote digital, stellt Informationsunterlagen bereit, führt Anlegerprüfungen durch und koordiniert den Abschluss der Verträge. Je nach Geschäftsmodell benötigt sie eine aufsichtsrechtliche Zulassung oder Registrierung und hat umfassende Organisations-, Compliance- und Transparenzpflichten.

Projektträger/Emittent

Der Projektträger (Emittent) gibt die Anlage aus, definiert die Konditionen und ist für richtige, klare und nicht irreführende Informationen verantwortlich. Er trägt die Pflicht, laufend wesentliche Entwicklungen mitzuteilen, die für die Anlageentscheidung oder die Werthaltigkeit relevant sind.

Anleger

Anleger sind Privatpersonen oder Unternehmen, die Beteiligungen zeichnen. Für Privatpersonen gelten besondere Schutzmechanismen wie Risikohinweise, Kenntnis- und Erfahrungstests und gegebenenfalls Begrenzungen oder Warnhinweise bei hohen Investitionsbeträgen.

Dienstleister

Weitere Akteure sind insbesondere Zahlungsdienstleister für die treuhänderische Abwicklung, gegebenenfalls Verwahrer oder Registerführer bei digitalisierten oder tokenisierten Ausgestaltungen sowie Treuhänder, die Rechte gebündelt gegenüber dem Emittenten ausüben.

Rechtliche Ausgestaltung der Beteiligungen

Typische Vertragsformen

Verbreitet sind partiarische Darlehen (gewinnabhängige Vergütung), Nachrangdarlehen, Genussrechte, stille Beteiligungen sowie schuldrechtliche Ansprüche auf wertabhängige Zahlungen. Teilweise werden auch Wertpapiere oder übertragbare Instrumente ausgegeben. Die konkrete Ausgestaltung bestimmt die rechtlichen Informationspflichten und den Anlegerschutzrahmen.

Nachrangigkeit und Rangrücktritt

Viele Modelle sehen Nachrang- oder Rangrücktrittsklauseln vor. Dadurch werden Ansprüche der Anleger im Insolvenz- oder Krisenfall gegenüber anderen Gläubigern nachgeordnet. Dies kann zur vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung von Zins- und Rückzahlungsansprüchen führen und das Totalverlustrisiko erhöhen.

Laufzeit, Kündigung, Informations- und Mitwirkungsrechte

Verträge enthalten Laufzeitregelungen, ordentliche und außerordentliche Kündigungsrechte, Informationsrechte sowie Regelungen zur Gewinnermittlung. Entscheidend sind die Definitionen von Ausschüttungsbedingungen, Schwellenwerten, Ereignissen einer Pflichtverletzung und Mechanismen zur Streitbeilegung.

Sekundärmarkt und Übertragbarkeit

Die Übertragbarkeit kann vertraglich beschränkt sein. Sekundärmärkte sind teilweise vorhanden, aber häufig illiquide. Bei Register- oder Tokenlösungen gelten zusätzlich Anforderungen an die Eintragung und Übertragung, einschließlich Identitätsprüfung.

Regulatorischer Rahmen

Zulassung und Aufsicht der Plattform

Plattformen benötigen je nach Geschäftsmodell eine Zulassung oder Registrierung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde. Der europäische Rechtsrahmen ermöglicht eine grenzüberschreitende Tätigkeit nach einheitlichen Anforderungen, etwa durch ein Pass-System. Es gelten fortlaufende Pflichten zu Governance, Risikomanagement, Interessenkonflikten, Aufzeichnung und Berichterstattung.

Informations- und Werbevorgaben

Anlagen dürfen nur mit klaren, vollständigen und ausgewogenen Informationen beworben werden. Es sind standardisierte Kurzinformationsblätter vorgesehen, die Risiken, Kosten, Konditionen, Verwässerungs- und Ausfallrisiken sowie Interessenkonflikte verständlich darstellen. Werbeaussagen müssen mit den offiziellen Unterlagen übereinstimmen.

Anlegerkategorisierung und Tests

Plattformen unterscheiden regelmäßig zwischen professionellen und nicht professionellen Anlegern. Für private Anleger sind Kenntnisse- und Erfahrungstests sowie Simulations- oder Belastungsrechnungen verbreitet, die auf die Tragfähigkeit eines potenziellen Verlustes hinweisen. Teilweise besteht eine kurze Bedenkzeit vor endgültiger Zeichnung.

Zahlungsabwicklung und Kundengelder

Die Abwicklung von Zahlungen erfolgt in der Regel über lizenzierte Zahlungsdienstleister. Kundengelder sind getrennt zu führen, und es gelten Anforderungen an Sicherheit, Identifizierung und Transaktionsüberwachung.

Geldwäscheprävention und Datenschutz

Plattformen und beteiligte Finanzdienstleister unterliegen Pflichten zur Identifizierung, Risikoanalyse, Überwachung und Meldung verdächtiger Sachverhalte. Zusätzlich gelten datenschutzrechtliche Vorgaben zu Transparenz, Zweckbindung, Datensicherheit, Speicherdauer und Betroffenenrechten.

Grenzüberschreitende Angebote

Grenzüberschreitende Angebote sind zulässig, sofern die Plattform und die Emission die jeweils einschlägigen europäischen und nationalen Anforderungen erfüllen. Maßgeblich sind auch Sprache, Streitbeilegungsmechanismen, zuständige Behörden und anwendbares Recht.

Anlegerschutzinstrumente

Basisinformationsblatt und Schlüsselangaben

Vor Zeichnung erhalten Anleger ein standardisiertes Dokument mit wesentlichen Informationen zu Emittent, Geschäftsmodell, Struktur der Anlage, Risiken, Kosten, Auszahlungsbedingungen und Szenarien. Es muss klar und nicht irreführend sein und regelmäßig aktualisiert werden.

Risikoaufklärung

Deutlich hervorzuheben sind Ausfall-, Insolvenz- und Totalverlustrisiko, Nachrangigkeit, Illiquidität, Verwässerung, Projekt- und Managementrisiken sowie rechtliche und regulatorische Risiken. Bei wertabhängigen Modellen sind Berechnungsmechanismen und Einflussfaktoren zu erläutern.

Bedenkzeit und Beschwerdemanagement

Für Privatpersonen besteht regelmäßig eine kurze Bedenkzeit ab Zeichnung, in der der Auftrag ohne Begründung zurückgenommen werden kann. Plattformen halten zudem Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden bereit und dokumentieren Entscheidungen nachvollziehbar.

Interessenkonflikte

Plattformen identifizieren und steuern Interessenkonflikte, etwa bei Eigengeschäften, Vergütungsanreizen, Auswahl von Projekten oder verbundenen Unternehmen. Offenlegung und organisatorische Trennung dienen der Minimierung von Beeinflussungen.

Risiko- und Haftungsfragen

Emittentenrisiko und Totalverlustrisiko

Die wirtschaftliche Entwicklung des Emittenten beeinflusst Zins-, Gewinn- oder Rückzahlungsansprüche. Fehlende Sicherheiten, Nachrang und erfolgsabhängige Vergütung können zu teilweisen oder vollständigen Verlusten führen.

Plattformhaftung

Plattformen haften grundsätzlich für die Einhaltung ihrer regulatorischen Pflichten und für eigene Angaben. Für Inhalte des Emittenten gelten gesonderte Zurechnungsregeln; maßgeblich ist, wer die Information verantwortet und wie sie geprüft wurde.

Haftung für Informationsunterlagen

Unrichtige, unvollständige oder irreführende Informationen in zentralen Unterlagen können zu Ersatzansprüchen führen. Umfang und Voraussetzungen hängen von der Art des Dokuments, der Rollenverteilung sowie dem Einzelfall ab.

Insolvenzszenarien

Im Insolvenzfall des Emittenten wirken Nachrang- und Rangrücktrittsklauseln. Auszahlungen können ausgesetzt oder dauerhaft entfallen. Treuhand- oder Pooling-Modelle bündeln Anlegerrechte, ändern jedoch regelmäßig nicht die Nachrangstellung der Forderungen.

Steuerliche Einordnung in Grundzügen

Erträge aus Crowdinvesting, wie Zinsen, gewinnabhängige Zahlungen oder Veräußerungsgewinne, unterliegen regelmäßig der Besteuerung nach den allgemeinen Regeln für Kapitaleinkünfte. Die konkrete Behandlung hängt von der Vertragsform, Ansässigkeit der Beteiligten und der Art der Auszahlung ab. Plattformen und Emittenten informieren häufig über die vertraglich relevante Ertragsart; eine individuelle steuerliche Würdigung richtet sich nach den allgemeinen Vorgaben.

Digitale und tokenisierte Ausgestaltungen

Einige Angebote nutzen digitale Register oder tokenbasierte Ausgestaltungen. Rechtlich entscheidend sind dabei die vertraglichen Rechte, die der Token verkörpert, die Übertragungsmechanik, die Identifizierung der Inhaber, der Schutz vor unbefugter Verfügung sowie die Anerkennung im jeweiligen Rechtsraum. Die aufsichtsrechtliche Einordnung richtet sich nach den wirtschaftlichen Funktionen und der Übertragbarkeit.

Fazit

Crowdinvesting verbindet digitale Kapitalaufnahme mit standardisierten Informations- und Schutzmechanismen. Rechtlich prägend sind die genaue Vertragsstruktur, die Einordnung im Aufsichtsrahmen, klare und vollständige Informationen sowie die Behandlung von Interessenkonflikten, Risiken und Insolvenzsituationen. Für das Verständnis entscheidend sind Nachrang, Erfolgsabhängigkeit, Übertragbarkeit und der Status der Plattform im Aufsichtsgefüge.

Häufig gestellte Fragen

Worin unterscheidet sich Crowdinvesting rechtlich von Crowdlending?

Crowdlending begründet typischerweise feste Rückzahlungs- und Zinsansprüche aus einem Kredit. Crowdinvesting umfasst häufig eigenkapitalnahe oder gewinnabhängige Strukturen, bei denen Zahlungen von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen und Nachrangklauseln das Risiko erhöhen können. Daraus folgen unterschiedliche Informations-, Eignungs- und Risikohinweise.

Welche Informationsunterlagen müssen Anleger vor der Zeichnung erhalten?

Vorgesehen ist ein standardisiertes Kurzinformationsdokument mit klaren Angaben zu Emittent, Anlageprodukt, Risiken, Kosten, Auszahlungsmechanismen und Interessenkonflikten. Ergänzend werden weiterführende Unterlagen bereitgestellt, etwa Geschäftspläne, Finanzinformationen und Vertragsmuster.

Welche Bedeutung haben Nachrang- und Rangrücktrittsklauseln?

Sie ordnen Anlegerforderungen im Krisen- oder Insolvenzfall hinter andere Gläubiger ein. Dies kann zur Aussetzung oder zum Ausfall von Zins- und Rückzahlungen führen. Bei erfolgsabhängigen Modellen verstärken solche Klauseln das Totalverlustrisiko.

Welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen gelten für Plattformen?

Plattformen benötigen je nach Tätigkeit eine Zulassung oder Registrierung und unterliegen organisatorischen, Compliance- und Transparenzpflichten. Dazu zählen unter anderem Governance, Interessenkonfliktmanagement, Aufzeichnung, Beschwerdeverfahren und Vorgaben zur Werbung und Information.

Gibt es ein Recht auf Bedenkzeit für Privatpersonen?

Für Privatpersonen ist regelmäßig eine kurze Bedenkzeit vorgesehen, in der eine Zeichnung ohne Angabe von Gründen zurückgenommen werden kann. Die Frist beginnt typischerweise mit der Abgabe der Zeichnungserklärung.

Wie wirkt sich eine Insolvenz des Emittenten auf Zahlungen aus?

Im Insolvenzfall können Zahlungen ausgesetzt oder dauerhaft entfallen. Nachrang- und Rangrücktrittsklauseln bewirken, dass Anleger erst nach vorrangigen Gläubigern berücksichtigt werden. Sicherheiten sind bei typischen Crowdinvesting-Strukturen häufig nicht vorgesehen.

Dürfen Beteiligungen frei weiterverkauft werden?

Die Übertragbarkeit hängt von der vertraglichen und technischen Ausgestaltung ab. Häufig bestehen Übertragungsbeschränkungen oder es fehlt an liquiden Sekundärmärkten. Bei register- oder tokenbasierten Strukturen gelten zusätzliche Anforderungen an Eintragung und Identifizierung.

Welche Rolle spielen Geldwäsche- und Identitätsprüfungen?

Plattformen und Zahlungsdienstleister führen Identitätsprüfungen durch und überwachen Transaktionen. Dies dient der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und ist Voraussetzung für die Abwicklung von Zahlungen und die Zuteilung von Beteiligungen.