Corona-Krise und Darlehensrecht: Überblick und rechtliche Einordnung
Die Corona-Krise markiert einen starken Einschnitt in zahlreiche Lebensbereiche, insbesondere im Wirtschaftsleben. Das Darlehensrecht wurde durch regulatorische Maßnahmen – vor allem im Zuge der COVID-19-Pandemie – erheblich beeinflusst. Dieser Artikel beleuchtet das Thema „Corona-Krise und Darlehensrecht“ aus rechtlicher Sicht. Er behandelt die Grundlagen des Darlehensrechts, die gesetzlichen Eingriffe während der Corona-Pandemie, wichtige Gesetzesänderungen sowie zentrale Urteile und deren Auswirkungen auf Darlehensverhältnisse.
Grundlagen des Darlehensrechts
Begriff und Rechtsquellen
Das Darlehensrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) primär ab § 488 BGB geregelt. Es betrifft die schuldrechtliche Überlassung von Geld oder vertretbaren Sachen gegen Rückerstattung. Die wichtigsten Vertragstypen sind das Gelddarlehen (§ 488 BGB) und das Sachdarlehen (§ 607 BGB).
Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag
Ein Darlehensvertrag verpflichtet den Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist zur ordnungsgemäßen Rückzahlung nebst vereinbarten Zinsen verpflichtet. Im Bereich des Verbraucherdarlehens gelten zusätzliche Schutzvorschriften, etwa Widerrufsrechte und Transparenzanforderungen.
Gesetzgeberische Eingriffe in der Corona-Krise
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
Mit dem am 1. April 2020 in Kraft getretenen „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ wurden zahlreiche Vorschriften modifiziert, um pandemiebedingte wirtschaftliche Härten für Verbraucher und Kleinstunternehmer abzufedern.
Wesentliche Neuregelungen für Verbraucherdarlehensverträge
Das Gesetz führte während der Pandemie erstmals ein Moratorium für Verbraucherdarlehensverträge ein (§ 3 EGBGB n.F. während der Geltungsdauer). Betroffen waren Darlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden.
Kernpunkte:
- Leistungsaufschub für Darlehensraten, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig wurden.
- Voraussetzung war, dass der Darlehensnehmer infolge der COVID-19-Pandemie Einnahmeausfälle verzeichnete, die die Leistungserbringung unmöglich oder unzumutbar machten.
- Verzugsfolgen, Kündigungen und Vollstreckungsmaßnahmen wurden in diesem Zeitraum ausgesetzt.
- Möglichkeit für individuelle Stundungs- und Anpassungsvereinbarungen.
Auswirkungen auf Immobiliardarlehen
Auch Immobiliardarlehen (z.B. für private Wohnzwecke) unterlagen den Stundungsregelungen, soweit sie als Verbraucherdarlehen qualifiziert waren. Gewerbliche Immobilienfinanzierungen hingegen wurden durch das Gesetz nicht direkt betroffen, es sei denn, sie waren als Kleinstunternehmen zu qualifizieren.
Schutzvorschriften für Kleinstunternehmer
Kleinstunternehmer im Sinne der EU-Empfehlung 2003/361/EU wurden den Verbrauchern teilweise gleichgestellt. Sie konnten sich auf die Stundungsregelungen berufen, sofern der Vertrag dem privaten oder betrieblichen Bereich zuzuordnen war.
Rechtliche Folgen und Rahmenbedingungen
Stundung, Vertragsverlängerung und Kündigungserschwernis
Die Stundung bewirkte, dass die Fälligkeit der Rückzahlungspflicht sowie von Zinsen und Tilgungen aufgeschoben wurde. Hierdurch wurde ein Zahlungsaufschub bis spätestens 30. Juni 2020 gewährt. Die Gesamtlaufzeit des Darlehens wurde entsprechend verlängert, sofern keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen wurden.
Eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs war während des Stundungszeitraums grundsätzlich ausgeschlossen, sofern die Pandemie ursächlich für die Nichtleistung war.
Verzug und Zinsregelungen
Während der aufgeschobenen Fälligkeitszeit entstand kein Verzug. Vertraglich vereinbarte Verzugszinsen konnten somit nicht geltend gemacht werden.
Vertragliche Anpassungsmöglichkeiten
Darüber hinaus bestand für beide Vertragsparteien ein Recht auf Verhandlungen zur Anpassung des Darlehensvertrages, falls eine Stundung oder Fortsetzung des Vertrages für eine Partei unzumutbar war. Das Gesetz verpflichtete zur Aufnahme ernsthafter Verhandlungen über eine einvernehmliche Lösung.
Auswirkungen auf die Rechtsprechung und Praxis
Verfassungsrechtliche Prüfung
Die zeitlich befristete Einschränkung der Vertragsfreiheit aufgrund gesetzlicher Stundung wurde verfassungsrechtlich als zulässig gewertet. Grundrechte wie Eigentumsrecht und Privatautonomie wurden im Lichte des Allgemeinwohls und des pandemiebedingten Ausnahmezustands gewichtet.
Gerichtsentscheidungen zur Stundung und ihren Grenzen
Erste gerichtliche Entscheidungen betrafen Streitigkeiten über die Anwendbarkeit des Stundungsrechts und die Frage, ob ein pandemiebedingter Einnahmeausfall substantiiert dargelegt war. Anforderungen an die Darlegungslast und Beweisführung sind teilweise unterschiedlich gehandhabt worden.
Praxisfolgen für Banken und Kreditinstitute
Für Banken und Kreditinstitute bedeutete das Gesetz einen erhöhten Aufwand an Informationspflichten und der Prüfung von Stundungsansprüchen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erließ dazu spezielle Hinweise zur Handhabung der neuen gesetzlichen Vorgaben.
Steuerliche und insolvenzrechtliche Aspekte
Steuerliche Behandlung gestundeter Darlehensforderungen
Das Aufschieben von Darlehensraten hatte keine unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen für die Vertragsparteien. Jedoch konnten Zinseinnahmen für Kreditinstitute verschoben werden, was sich auf die laufende Ertragsbesteuerung auswirken konnte.
Insolvenzrechtliche Folgen
Das Gesetz wirkte auch insolvenzrechtlich: Während der Stundungsphase konnten Zahlungen auf den Darlehensvertrag nicht zur Gläubigerbenachteiligung führen, da diese rechtlich nicht durchsetzbar waren.
Ausblick und Weiterentwicklungen
Mit Auslaufen der speziellen gesetzlichen Regelungen zum 30. Juni 2020 kehrten viele Darlehensverträge in den ordentlichen Regelungsrahmen des BGB zurück. Vereinzelt verlängerten Banken und Darlehensgeber auf freiwilliger Basis Stundungen oder passten Verträge individuell an, insbesondere bei andauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge der Pandemie.
Auch nach diesem Zeitraum bleibt die Möglichkeit einvernehmlicher Anpassungen bestehen, sofern unveränderte wirtschaftliche Verhältnisse dies nötig machen und keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen.
Zusammenfassung
Die Corona-Krise hat zu tiefgreifenden Eingriffen in das Darlehensrecht geführt. Für Verbraucher und Kleinstunternehmer wurde ein befristetes gesetzliches Stundungsrecht geschaffen, das Zahlungserleichterungen und Kündigungsschutz bot. Die hierdurch eingeführten Restriktionen und Anpassungsmöglichkeiten hatten erhebliche praktische und rechtliche Bedeutung für Kreditinstitute und Darlehensnehmer. Grundsätzlich bleibt jedoch nach Ablauf der Regelungen der allgemeine Rechtsrahmen des Darlehensrechts maßgeblich. Die Entwicklungen in diesem Zeitraum markieren dennoch ein wichtiges Kapitel in der Fortentwicklung des Schuld- und Verbraucherschutzrechts in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Darlehensnehmer zur Stundung ihrer Darlehensraten während der Corona-Krise?
Im Zuge der Corona-Krise wurden durch den Gesetzgeber besondere Schutzmechanismen für Darlehensnehmer geschaffen, insbesondere durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020. Hierdurch erhielten Verbraucher, die aufgrund der Pandemie Einkommensverluste erlitten haben, das Recht, Rückzahlungs-, Zins- oder Tilgungsleistungen aus Verbraucherdarlehensverträgen, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden, für den Zeitraum April bis Juni 2020 zu stunden. Diese Stundung bedeutete, dass der Darlehensnehmer vorübergehend keine Leistungen erbringen musste, ohne dass dies zu Verzug oder negativen Schufa-Einträgen führen durfte. Wesentlich war nachzuweisen, dass die Zahlungsunfähigkeit infolge der Corona-Pandemie bestand, etwa durch geänderte Arbeitsnachweise oder Nachweise über Kurzarbeit. Allerdings musste die Stundung ausdrücklich geltend gemacht werden. Im Anschluss waren individuelle Lösungen zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer zu verhandeln, insbesondere wie die aufgeschobenen Raten im weiteren Verlauf zu leisten sind. Für Unternehmerdarlehen galten eingeschränktere Regelungen, hier kam es im Wesentlichen auf die vertraglichen Absprachen und individuelle Kulanzregelungen der Banken an.
Unter welchen Voraussetzungen können Banken eine vorzeitige Kündigung des Darlehens aufgrund von Zahlungsrückständen aussprechen?
Auch während der Corona-Krise besteht grundsätzlich das vertragliche Recht der Bank, einen Darlehensvertrag vorzeitig zu kündigen, sofern der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten in Verzug gerät. Nach § 498 BGB ist eine Kündigung jedoch nur dann möglich, wenn der Verzug mindestens 10% des Nennbetrags (bei einer Laufzeit von mehr als drei Jahren: 5%) beträgt. Im Rahmen der COVID-19-Schutzmaßnahmen trat allerdings eine rechtliche Beschränkung in Kraft: Für gestundete Zahlungen und während des Stundungszeitraums durfte die Bank keine Kündigung aussprechen. Erst wenn die Stundung abgelaufen und keine Einigung über die Fortsetzung der Zahlung getroffen worden ist, griff wieder das ordentliche Kündigungsrecht der Bank. Zudem mussten Banken auch während der Pandemie das Gebot der Rücksichtnahme, insbesondere unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Krise, beachten und individuell prüfen, inwieweit eine Kündigung verhältnismäßig ist.
Welche Auswirkungen hatte die Stundung auf den Darlehensvertrag nach Ablauf des gesetzlichen Stundungszeitraums?
Nach Ablauf der gesetzlichen Stundung blieben die vertraglichen Verpflichtungen bestehen. Die ausgesetzten Raten waren nachzuzahlen, wobei der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen hatte, dass die Darlehensparteien eine einvernehmliche Regelung zur Rückführung der gestundeten Beträge treffen sollten, beispielsweise durch Anpassung des Tilgungsplans oder Verlängerung der Kreditlaufzeit. Kam eine solche Einigung nicht zustande, trat die gesetzliche Regelung ein, wonach die Fälligkeit der gestundeten Raten erst nach Ende der regulären Vertragslaufzeit eintrat. Zinsen auf gestundete Beträge durften weiterhin berechnet werden, jedoch nur in dem Maße, wie der ursprüngliche Vertrag dies vorsah. Negative Bonitätsauswirkungen oder Mahnmaßnahmen während der Stundung waren unzulässig. Unmittelbare Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Ende der Stundung mussten durch das Kreditinstitut unter Berücksichtigung der aktuellen Situation und etwaiger Anschlussregelungen abgewogen werden.
Konnten bereits gestundete Darlehen nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist nochmals gestundet werden?
Im rechtlichen Kontext der COVID-19-Pandemie waren die Stundungsregelungen zunächst befristet auf den Zeitraum April bis Juni 2020 für Verbraucherdarlehen. Darüberhinausgehende Stundungen bedurften stets der individuellen Absprache zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber; eine gesetzliche Verpflichtung zur Stundung bestand nach Ablauf des Schutzzeitraums nicht mehr. Dennoch war es Banken und Sparkassen im Rahmen der Vertragsfreiheit unbenommen, weitere Stundungen zu gewähren, zum Beispiel auf Basis einer erneuten Einkommensprüfung oder Kulanz. Dies konnte auch mit veränderten Zinsbedingungen oder Änderungen im Tilgungsplan einhergehen. Hierbei handelte es sich jedoch stets um Einzelfallentscheidungen, die rechtlich ausschließlich auf vertraglicher Grundlage und nicht mehr kraft Gesetzes erfolgen konnten.
Wie mussten Darlehensnehmer ihren Anspruch auf Stundung rechtssicher geltend machen?
Um eine Stundung rechtlich wirksam in Anspruch nehmen zu können, mussten Darlehensnehmer ihren Anspruch ausdrücklich und unter Angabe der pandemiebedingten Einkommenseinbußen gegenüber dem Darlehensgeber anmelden. Es war erforderlich, den Zusammenhang zwischen der eigenen wirtschaftlichen Notlage und der Corona-Krise nachzuweisen, etwa mittels Arbeitslosengeldbescheid, Nachweise über Kurzarbeit oder Krankheitsunterlagen. Die bloße Ankündigung oder Zahlungsunfähigkeit ohne Bezug zur Pandemie reichte nicht aus. Eine formlose Mitteilung genügte, doch wurde aus Beweisgründen die schriftliche Anzeige empfohlen. Der Darlehensgeber durfte keinen eigenständigen Nachweis verlangen, der die Rechte des Verbrauchers übermaß, war jedoch berechtigt, sachliche Belege zu erbitten. Mit Zugang der Mitteilung setzte die Stundung kraft Gesetzes ein, sofern die Voraussetzungen erfüllt waren.
Waren während der pandemiebedingten Stundung weiterhin Zinsen auf das Darlehen zu zahlen?
Ja, auch während einer gesetzlichen Stundung im Rahmen der Corona-Krise fielen grundsätzlich weiterhin vertraglich vereinbarte Zinsen an. Das Gesetz sah explizit lediglich eine Verschiebung der Fälligkeit der Tilgung sowie laufender Zinszahlungen vor, nicht jedoch deren Erlass. Die Zinsen wurden gestundet, mussten also zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden. Wichtig ist allerdings, dass keine zusätzlichen Verzugszinsen oder sonstigen Sanktionen während des Stundungszeitraums erhoben werden durften, solange die Voraussetzungen der Stundung vorlagen. Die Banken hatten daher nach der Stundung einen erhöhten Rückzahlungsbetrag geltend zu machen, der die aufgelaufenen Zinsen beinhaltete, sofern keine abweichende individuelle Vereinbarung getroffen wurde. Idealerweise sollte diese Thematik vertraglich im Rahmen der Stundungsvereinbarung geregelt werden.
Wie verhielt es sich rechtlich mit der Schufa-Meldung während pandemiebedingter Zahlungsstörungen?
Eine pandemiebedingte Stundung wirkte sich rechtlich nicht nachteilig auf die Bonität des Darlehensnehmers aus. Während des Stundungszeitraums durfte keine negative Meldung – also weder ein „Zahlungsverzug“ noch ein „Kreditkündigung“ – an Auskunfteien wie die Schufa erfolgen. Der Gesetzgeber stellte klar, dass Stundungen, die aufgrund von COVID-19-Regelungen gewährt wurden, nicht als ein Negativmerkmal zu werten waren. Erst wenn nach Ablauf der Stundung und trotz neuer Zahlungsaufforderung weiterhin keine Leistung erfolgte, konnte eine entsprechende Meldung unter Berücksichtigung der banküblichen Verfahren und Fristen erfolgen. Die Stundung selbst blieb neutral und hatte somit keine Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers.