Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»M&A»Conglomerate

Conglomerate


Definition und rechtlicher Überblick von Konglomeraten

Ein Konglomerat ist ein Unternehmensverbund, der aus mehreren rechtlich selbstständigen, wirtschaftlich aber durch ein gemeinsames Mutterunternehmen verbundenen Unternehmen unterschiedlicher Branchen besteht. Die Konzerngesellschaften stehen in keinem unmittelbaren, meist nur mittelbaren, wirtschaftlichen Sachzusammenhang. Charakteristisch für Konglomerate ist, dass keine branchenspezifische Fokussierung, sondern eine Diversifikation auf unterschiedliche Geschäftsfelder vorliegt. Im rechtlichen Sinne handelt es sich bei einem Konglomerat um eine Ausprägung der Unternehmenskonzentration, die verschiedene nationale und internationale Rechtsordnungen betrifft.


Entstehungsformen und Struktur

Verschiedene Entstehungsformen

Konglomerate können durch verschiedene Prozesse entstehen, darunter:

  • Fusionen: Zusammenschluss bestehender Unternehmen verschiedener Branchen zu einem neuen größeren Unternehmen.
  • Akquisitionen: Erwerb von Unternehmen durch einen bestehenden Konzern aus einem Sektor, wobei das übernommene Unternehmen typischerweise weiterhin tätig bleibt.
  • Neugründungen: Aufbau neuer Gesellschaften durch ein bestehendes Unternehmen, häufig in neuen Märkten oder Bereichen.

Organisationsstruktur

Strukturell bestehen Konglomerate aus einem Mutterunternehmen (Holdinggesellschaft) und mehreren Tochtergesellschaften. Die Holding übernimmt häufig strategische Steuerungs- und Kontrollfunktionen, während die operativen Geschäfte in den Tochtergesellschaften angesiedelt sind. Diese rechtliche Verselbstständigung führt zu komplexen, mitunter grenzüberschreitenden Strukturen.


Gesellschaftsrechtliche Aspekte

Rechtsform des Mutterunternehmens (Holding)

Das Mutterunternehmen eines Konglomerats ist häufig in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert. Die Wahl der Rechtsform richtet sich nach ökonomischen Überlegungen sowie nach gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes.

Beteiligungsverhältnisse und Beherrschungsvertrag

Ein Konglomerat wird typischerweise durch Mehrheitsbeteiligungen des Mutterunternehmens an den Tochtergesellschaften gebildet. Die konzernrechtlichen Vorschriften, insbesondere im deutschen Recht nach den §§ 15 ff. AktG, regeln das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Mitunter werden Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsverträge (§ 291 AktG) geschlossen, die eine weitgehende Kontrolle des Mutterunternehmens über die Tochtergesellschaften ermöglichen.

Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte

Im Zusammenhang mit nationalen Mitbestimmungsregelungen, wie dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) oder dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), können Konglomerate dazu verpflichtet sein, Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat des Mutterunternehmens bzw. der Tochtergesellschaften zu entsenden. Dies hat Auswirkungen auf die Corporate Governance und die Kontrolle der Konzernleitung.


Wettbewerbs- und Kartellrecht

Fusionskontrolle

Konglomerate unterliegen wie andere Unternehmenszusammenschlüsse der nationalen und europäischen Fusionskontrolle. In Deutschland regelt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Anmeldung und Prüfung von Zusammenschlüssen, wobei der relevante Marktbegriff für konglomerate Zusammenschlüsse erweitert vorgeht, da verschiedene Märkte betroffen sein können. Die Europäische Kommission prüft solche Zusammenschlüsse nach der Fusionskontrollverordnung (FKVO).

Konglomerateffekte im Kartellrecht

Konglomerate Fusionen bergen das Risiko, dass marktübergreifende Machtstellungen entstehen oder verstärkt werden. Dies kann insbesondere bei Portfoliounternehmen der Fall sein, die durch die Bündelung unterschiedlicher Produkte oder Dienstleistungen Marktzutrittsschranken für Wettbewerber erhöhen. Die kartellrechtliche Beurteilung richtet besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen derartiger Portfoliokonstellationen.


Steuer- und Bilanzierungsrecht

Steuerliche Behandlung

Konglomerate nutzen in der Regel strukturierte Steuerplanungsmodelle, um steuerliche Vorteile zu generieren, beispielsweise durch nationale und internationale Gewinnverlagerungen. In Deutschland bestehen verschiedene Regelungen, die sogenannte „steuerliche Organschaft“ ermöglichen (§§ 14 ff. KStG), um eine weitgehende ertragsteuerliche Konsolidierung zu erzielen.

Konzernabschluss und Konsolidierung

Nach den Grundsätzen der internationalen Rechnungslegung (IFRS) sowie nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) in Deutschland sind Konglomerate verpflichtet, einen Konzernabschluss zu erstellen. Die Pflicht zur Vollkonsolidierung besteht unabhängig von der Branchenzugehörigkeit der Tochterunternehmen und erstreckt sich aufgrund der Diversifizierung über verschiedene Sektoren und Märkte.


Compliance und Transparenzpflichten

Offenlegungspflichten

Konglomerate unterliegen weitreichenden Offenlegungspflichten. Dazu zählen Publizitätspflichten in Bezug auf die Eigentümerstruktur, die Berichtspflichten über die Ergebnisse und Entwicklungen in den Tochterunternehmen sowie die Veröffentlichung von Jahresabschlüssen und Lageberichten auf Konzernebene.

Corporate Governance

Die zahlreichen unterschiedlichen Geschäftsfelder innerhalb eines Konglomerats stellen hohe Anforderungen an die interne Governance. Die Umsetzung und Kontrolle von rechtskonformen Geschäftsabläufen, die Einhaltung von branchenspezifischen Regelungen und die konzernweite Risikosteuerung sind zentrale Managementaufgaben.


Internationales Recht und grenzüberschreitende Aspekte

Europäisches Gesellschafts- und Wettbewerbsrecht

Konglomerate mit Sitz oder Tätigkeit in mehreren EU-Ländern unterliegen dem Europäischen Gesellschaftsrecht (insb. SE-Verordnung) und dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union. Dies umfasst spezifische Vorschriften zur Fusionskontrolle, zur Marktmacht und zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen.

Ausländische Beteiligungen und Investitionskontrolle

In immer mehr Ländern, darunter auch Deutschland, gelten Investitionskontrollregelungen, die den Erwerb von Tochtergesellschaften durch ausländische Muttergesellschaften bestimmten Meldepflichten und Genehmigungsvorbehalten unterstellen, sofern sicherheitskritische Bereiche betroffen sind.


Haftungsfragen und Risikoaspekte

Haftung auf Ebene des Mutter- und Tochterunternehmens

Im Regelfall bleibt trotz der wirtschaftlichen Verbindung die rechtliche Eigenständigkeit der Konzernunternehmen gewahrt. Das Mutterunternehmen haftet grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften, es sei denn, es wurden ausdrückliche Garantien übernommen oder es liegt eine Durchgriffshaftung (insbesondere in Ausnahmefällen des existenzvernichtenden Eingriffs) vor.

Compliance-Verstöße und Konzernverantwortung

Verstößt ein Tochterunternehmen gegen gesetzliche Vorschriften (z. B. Umweltrecht, Anti-Korruptionsrecht), kann dies unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einer Haftung des Mutterunternehmens führen, etwa wenn die Verletzung auf konzernweit geltende Weisungen zurückzuführen ist. Ebenso können Sorgfaltspflichten im Rahmen der Lieferkettenregulierung relevant werden.


Bedeutung und Bewertung

Konglomerate spielen im internationalen Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle, da sie durch Diversifikation Risiken verteilen und strategische Marktpositionen stärken können. Rechtlich stellen Konglomerate jedoch komplexe Gebilde dar, die einer Vielzahl von Vorschriften aus Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsrecht, Steuerrecht, Bilanzierungsrecht sowie aus dem internationalen Recht unterliegen. Eine sorgfältige rechtliche Analyse und kontinuierliche Überwachung sind unabdingbar, um Risiken zu steuern und die umfassenden Pflichten zu erfüllen.


Siehe auch:

  • Konzern
  • Holdinggesellschaft
  • Fusionskontrolle
  • Unternehmenszusammenschluss
  • Wettbewerbsrecht

Literaturhinweise:

  • Baums, Theodor / Hopt, Klaus J.: Handelsgesetzbuch (HGB) Großkommentar, Konzernrecht
  • Immenga/Mestmäcker: Wettbewerbsrecht, Kommentar zum GWB und zum europäischen Kartellrecht
  • Lutter, Marcus (Hrsg.): Rechte und Pflichten im Konzern

Weblinks:

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorschriften sind bei der Gründung eines Konglomerats zu beachten?

Bei der Gründung eines Konglomerats müssen verschiedene rechtliche Vorschriften beachtet werden, die sich sowohl aus dem Gesellschaftsrecht als auch aus dem Kartellrecht und weiteren spezialgesetzlichen Regelungen ergeben. Im Gesellschaftsrecht sind die jeweiligen nationalen Regelungen hinsichtlich der Gründung und Beteiligung von Unternehmen zu beachten, dazu zählen insbesondere das Handelsgesetzbuch (HGB) und das Aktiengesetz (AktG) in Deutschland. Darüber hinaus spielen fusionskontrollrechtliche Vorschriften der EU und des deutschen Wettbewerbsrechts (insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB) eine zentrale Rolle, wenn Unternehmensverschmelzungen oder -übernahmen stattfinden, welche marktbeherrschende Stellungen oder den Wettbewerb beeinträchtigen könnten. Zusätzlich können branchenspezifische Regelungen zum Tragen kommen, etwa im Banken- oder Energiesektor. Bei internationalen Konglomeraten ist zudem die Beachtung ausländischer Gesetzgebungen und gegebenenfalls Investitionskontrollgesetze notwendig.

Welche kartellrechtlichen Risiken bestehen für Konglomerate?

Konglomerate unterliegen, unabhängig davon, ob die einzelnen Unternehmen in unterschiedlichen Branchen tätig sind, strengen kartellrechtlichen Überprüfungen. Die wichtigsten Risiken bestehen darin, dass durch die Bildung eines Konglomerats Wettbewerbsbeschränkungen entstehen könnten, insbesondere wenn dadurch Marktbeherrschungspositionen entstehen oder verstärkt werden. Relevant ist hier vor allem die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach nationalem und europäischem Recht. Die Europäische Kommission sowie das Bundeskartellamt überprüfen, ob durch die Verbindung von Unternehmen wettbewerbswidrige Strukturen entstehen, auch wenn diese nicht unmittelbar im selben Marktsegment aktiv sind. Konglomerate können auch durch Kopplungsgeschäfte oder Bündelungsstrategien die Marktzutrittsschranken für Wettbewerber erhöhen, was als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gewertet werden kann. Die Nichteinhaltung dieser Regeln kann zu erheblichen Geldbußen und zur Rückabwicklung von Zusammenschlüssen führen.

Wie ist die Haftung innerhalb eines Konglomerats strukturiert?

Rechtlich betrachtet agieren die einzelnen Gesellschaften innerhalb eines Konglomerats grundsätzlich eigenständig, was bedeutet, dass sie jeweils mit ihrem eigenen Vermögen für ihre Verbindlichkeiten haften. Eine Durchgriffshaftung auf die Muttergesellschaft oder andere Konzernunternehmen besteht nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei existenzvernichtendem Eingriff, schuldhaftem Verhalten oder bei einer sogenannten faktischen Konzernierung. Ausnahmen können auch bei vertraglicher oder wirtschaftlicher Gesamthaftung, etwa bei Patronatserklärungen, auftreten. Im Rahmen von Liefer- und Leistungsbeziehungen innerhalb des Konglomerats sind zudem die allgemeinen Grundsätze des Konzernrechts (v.a. §§ 291 ff. AktG) zu beachten. Im Falle einer Insolvenz einer Tochtergesellschaft bleibt daher grundsätzlich das Vermögen der Muttergesellschaft und anderer Unternehmen im Konglomerat geschützt, es sei denn, es liegen die genannten Ausnahmetatbestände vor.

Welche Melde- und Offenlegungspflichten treffen ein Konglomerat?

Konglomerate unterliegen einer Vielzahl von Melde- und Offenlegungspflichten. So sind beim Erwerb oder bei der Veräußerung von Beteiligungen oftmals melderechtliche Pflichten gegenüber den zuständigen Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden einzuhalten, etwa nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder gemäß §§ 39 ff. GWB im Rahmen der Fusionskontrolle. Darüber hinaus sind konglomerierte Unternehmen verpflichtet, einen konsolidierten Konzernabschluss nach handelsrechtlichen oder internationalen Rechnungslegungsvorschriften (z. B. IFRS) zu veröffentlichen. Diese Abschlüsse müssen Informationen über sämtliche einbezogenen Unternehmen und deren Geschäftsbeziehungen transparent machen. Zudem besteht eine Offenlegungspflicht für sogenannte verbundene Unternehmen, und – abhängig von der Branche – können zusätzliche Informations- und Prüfpflichten beispielsweise durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hinzukommen.

Gibt es besondere Regelungen zur Unternehmensführung in Konglomeraten?

Für Konglomerate gelten die allgemeinen organisatorischen und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, ergänzt um besondere Compliance-Anforderungen vor allem im Hinblick auf die Steuerung und Überwachung risikobehafteter Aktivitäten innerhalb der verschiedenen Tochtergesellschaften. Der Vorstand oder die Geschäftsführung der Muttergesellschaft muss Kontroll- und Steuerungsmechanismen implementieren, etwa im Rahmen eines funktionierenden Risikomanagementsystems und der Konzernüberwachung gemäß § 91 Abs. 2 AktG. Bei Mehrheitsbeteiligungen sind weiterhin die Rechte und Pflichten der Gesellschafter bzw. Aktionäre zu beachten, etwa hinsichtlich des Weisungsrechts und der Ergebnisabführung. Besondere Aufmerksamkeit ist darauf zu richten, Interessenkonflikte zwischen einzelnen Unternehmen zu identifizieren und zu vermeiden, was regelmäßig durch Corporate-Governance-Richtlinien geregelt wird.

Wie wirkt sich das Konzernrecht auf interne Transaktionen innerhalb eines Konglomerats aus?

Nach deutschem Konzernrecht sind insbesondere die Vorschriften des AktG über verbundene Unternehmen (§§ 291 ff. AktG) zu beachten, die Transaktionen innerhalb eines Konglomerats betreffen. Wenn beispielsweise Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge geschlossen werden, sind diese zum Schutz der Minderheitsaktionäre notariell zu beurkunden, im Handelsregister einzutragen und unterliegen besonderen Zustimmungserfordernissen. Zudem regelt das Konzernrecht die Ausgleichs- und Abfindungsansprüche für außenstehende Aktionäre und stellt strenge Anforderungen an die Transparenz bei der Geschäftsführung und Kontrolle innerhalb des Konzerns. Alle Verträge und Transaktionen müssen zu marktüblichen Bedingungen erfolgen, um verdeckte Gewinnverlagerungen oder den Missbrauch von Konzernstrukturen zu verhindern. Bei Verletzung dieser Vorgaben drohen zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen.