Legal Lexikon

CISG


Das CISG – Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf

Das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf“ (englisch: United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, abgekürzt CISG) ist eines der bedeutendsten Instrumente des internationalen Handelsrechts. Es regelt den grenzüberschreitenden Warenkauf zwischen Unternehmen und fördert die Rechtssicherheit im internationalen Handel. Nachfolgend werden Entstehung, Anwendungsbereich, rechtlicher Inhalt und praktische Bedeutung des CISG detailliert dargestellt.


Entstehung und Zielsetzung des CISG

Historischer Kontext

Das CISG wurde am 11. April 1980 im Rahmen einer Konferenz der Vereinten Nationen in Wien verabschiedet und ist daher auch als „Wiener Übereinkommen über den internationalen Warenkauf“ bekannt. Es trat am 1. Januar 1988 in Kraft. Ziel war es, ein einheitliches, weltweit akzeptiertes Regelwerk für internationale Warenkaufverträge zu schaffen, um Handelshemmnisse und rechtliche Unsicherheiten durch nationale Unterschiede im Kaufrecht abzubauen.

Zielsetzung

Das CISG verfolgt die Zielsetzung, den internationalen Warenverkehr durch einheitliche Rechtsregeln zu erleichtern und dadurch Planungssicherheit für grenzüberschreitende Geschäfte zu schaffen. Es bezieht sich ausschließlich auf den Warenkauf zwischen Parteien mit Niederlassungen in verschiedenen Vertragsstaaten.


Anwendungsbereich des CISG

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Das CISG gilt für Verträge über den Warenverkauf zwischen Parteien, deren Niederlassungen in verschiedenen Vertragsstaaten liegen (Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG). Es kann auch zur Anwendung gelangen, wenn die Regeln des Internationalen Privatrechts auf das Recht eines Vertragsstaates verweisen (Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG).

Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind insbesondere:

  • Käufe zum privaten Gebrauch (Verbrauchsgüterkäufe)
  • Versteigerungen
  • Wertpapier- und Geldkäufe
  • Kauf von Schiffen, Luftfahrzeugen sowie Elektrizität (Art. 2 CISG)

Das CISG findet zudem keine Anwendung auf Fragen der Haftung für den Tod oder für Körperverletzungen, die durch die verkaufte Ware verursacht werden (Art. 5 CISG).

Territorialer Anwendungsbereich

Das CISG ist derzeit von über 90 Staaten ratifiziert worden, darunter nahezu alle bedeutenden Handelsnationen. Es findet Anwendung, wenn beide Vertragsparteien in Vertragsstaaten ansässig sind oder das auf den Vertrag anwendbare Recht das Recht eines Vertragsstaats ist.


Struktur und Regelungsinhalte des CISG

Aufbau des CISG

Das CISG ist in vier Teile gegliedert:

  • Teil I: Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen (Art. 1-13 CISG)
  • Teil II: Vertragsschluss (Art. 14-24 CISG)
  • Teil III: Rechte und Pflichten der Parteien (Art. 25-88 CISG)
  • Teil IV: Schlussbestimmungen (Art. 89-101 CISG)

Vertragsschluss und Formerfordernisse

Angebot und Annahme

Das CISG folgt dem sogenannten Konsensualprinzip: Kaufverträge können formlos, insbesondere auch mündlich geschlossen werden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben (Art. 11 CISG). Ein Angebot (Art. 14 CISG) ist bindend, sobald es dem Empfänger zugeht (Art. 15 CISG), und kann durch eine Annahmeerklärung angenommen werden (Art. 18 CISG).

Abweichungen und Modifikationen

Nach dem „modifizierten Spiegelbildprinzip“ (Art. 19 CISG) gilt ein unter Änderungen angenommenes Angebot als neues Angebot. Es sei denn, die Änderungen sind unwesentlich.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Pflichten des Verkäufers

Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Ware zu liefern, das Eigentum zu verschaffen und ggf. die dazugehörigen Dokumente zu übergeben (Art. 30 CISG). Die Ware muss sowohl quantitativ, qualitativ als auch hinsichtlich der Verpackung vertragsgemäß sein (Art. 35 CISG).

Pflichten des Käufers

Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen und die Ware abzunehmen (Art. 53 CISG). Das CISG enthält detaillierte Regelungen zu Zahlungsmodalitäten und -zeitpunkten.

Vertragswidrigkeit (Mängel) und Rechtsbehelfe

Vertragswidrigkeit und Rechtsfolgen

Die Vertragswidrigkeit ist ein zentraler Begriff des CISG. Sie ist gegeben, wenn die gelieferte Ware nicht dem Vertrag entspricht (Art. 35 CISG). Bei Vertragsverletzungen stehen den Parteien die Rechtsbehelfe zu, die das CISG vorsieht:

  • Lieferung von Ersatzware oder Nachbesserung (Art. 46 CISG)
  • Minderung des Kaufpreises (Art. 50 CISG)
  • Schadensersatz (Art. 74 ff. CISG)
  • Rücktritt vom Vertrag (Art. 49, Art. 64 CISG)
Voraussetzungen für die Ausübung der Rechtsbehelfe

Insbesondere für den Rücktritt vom Vertrag muss eine wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25 CISG) vorliegen. Die Mängelrügepflicht (Art. 39 CISG) verpflichtet den Käufer, Vertragswidrigkeiten innerhalb angemessener Frist anzuzeigen; andernfalls kann er sich nicht mehr auf die Vertragswidrigkeit berufen.

Schadensersatz

Das CISG gewährt umfassenden Schadensersatz, einschließlich entgangenen Gewinns (Art. 74 CISG), soweit dies vom Schädiger bei Vertragsabschluss vorhersehbar war. Die Haftung ist verschuldensunabhängig, sofern keine vertraglichen Ausnahmen bestehen. Der Schuldner kann sich auf höhere Gewalt (force majeure, Art. 79 CISG) berufen.


Verhältnis zu nationalem Recht und Abbedingung („Opt-out“)

Vorrang des CISG

Das CISG ist Teil des jeweiligen nationalen Rechts, sofern es ratifiziert wurde, und geht daher nationalen Regelungen zum internationalen Warenkauf grundsätzlich vor, soweit keine abweichende Parteivereinbarung getroffen wurde.

Ausschluss („Opt-out“)

Die Parteien eines Vertrages können durch eine ausdrückliche Vereinbarung die Anwendung des CISG ganz oder teilweise ausschließen (Art. 6 CISG). Ohne expliziten Ausschluss findet das CISG Anwendung, sofern die Voraussetzungen vorliegen.


Auslegungsgrundsätze und Lückenfüllung

Einheitsrechtliche Auslegung

Art. 7 Abs. 1 CISG verpflichtet zu einer autonom-internationalen, einheitlichen Auslegung des Übereinkommens, unter Berücksichtigung seiner internationalen Herkunft und des Ziels der Rechtsvereinheitlichung.

Lückenfüllung

Bei offen gelassenen Punkten (sogenannten inneren Lücken) ist das CISG unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Übereinkommens auszulegen (Art. 7 Abs. 2 CISG). Fehlen solche Grundsätze, ist auf das anwendbare nationale Recht zurückzugreifen.


Bedeutung und Kritik

Wirtschaftliche und praktische Relevanz

Das CISG vereinfacht durch die Schaffung eines einheitlichen Regelwerks die Gestaltung und Durchsetzung internationaler Kaufverträge erheblich. Mehr als 90 Staaten, darunter die großen Wirtschaftsnationen, haben das CISG ratifiziert und setzen es damit praktisch zur Grundlage eines Großteils des internationalen Warenverkehrs.

Kritik und Grenzen

Kritisch gesehen wird bisweilen, dass das CISG bestimmte klauselartige Regelungen der Parteien sowie handelsübliche Gepflogenheiten (incoterms) nur nachrangig berücksichtigt. Weiter bestehen Unterschiede zu den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, etwa beim Umgang mit dem Formerfordernis oder gewissen Mängelansprüchen.


Zusammenfassung

Das CISG ist der weltweit anerkannte internationale Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Warenkaufverträge zwischen Unternehmen. Durch weitgehende Harmonisierung des Kaufrechts fördert es den internationalen Handel, indem es Unsicherheiten durch divergierende nationale Regelungen minimiert. Zugleich ermöglicht das Übereinkommen durch die „Opt-out“-Regel die freie Gestaltung der Vertragsbedingungen durch die Vertragsparteien selbst. Seine Anwendungspraxis sowie die fortlaufende Auslegung und Entwicklung durch Rechtsprechung und Wissenschaft prägen das moderne internationale Kaufrecht nachhaltig.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist das CISG auf einen internationalen Kaufvertrag anwendbar?

Das CISG (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf) findet Anwendung auf grenzüberschreitende Verträge über den Kauf beweglicher Sachen zwischen Parteien, deren Niederlassungen sich in verschiedenen Vertragsstaaten befinden (Art. 1 CISG). Eine Anwendungspflicht besteht zunächst, wenn beide Parteien in Vertragsstaaten ansässig sind. Darüber hinaus kann das CISG auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Internationale Privatrecht eines Staates, der Vertragsstaat ist, auf das Recht eines Vertragsstaates verweist, selbst wenn eine Vertragspartei nicht in einem Vertragsstaat ansässig ist (Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG, sogenannte „Auffangklausel“). Dabei muss der Kaufvertrag Gewerbliches betreffen, also nicht den Erwerb zum privaten Gebrauch, und typische Dienstleistungs- oder Werkverträge sind grundsätzlich ausgenommen (Art. 2, Art. 3 CISG).

Kann das CISG durch Parteivereinbarung ausgeschlossen oder abgeändert werden?

Das CISG ist dispositives Recht, das heißt, seine Anwendbarkeit kann von den Vertragsparteien ganz oder teilweise ausgeschlossen werden (Art. 6 CISG). Dies kann ausdrücklich, etwa durch eine „Opt-out“-Klausel wie „Das CISG findet keine Anwendung“, oder auch konkludent erfolgen. Darüber hinaus können Parteien einzelne Bestimmungen des CISG ändern oder ergänzen, sodass der Vertrag nach den vereinbarten Modifikationen auszulegen ist. Es ist jedoch zu beachten, dass der Ausschluss klar und eindeutig erfolgen sollte, um Rechtsunsicherheit und spätere Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden. Fehlt eine eindeutige Regelung, bleibt das CISG – sofern anwendbar – maßgeblich.

Welche Formerfordernisse gelten nach dem CISG für den Abschluss eines Kaufvertrags?

Das CISG setzt grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse für den Abschluss eines Kaufvertrags voraus. Gemäß Art. 11 CISG kann der Vertrag formlos, also mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Handeln abgeschlossen werden. Auch für Änderungen oder die Beendigung des Vertrages besteht keine Formpflicht. Gleichwohl kann ein Staat im Rahmen eines Vorbehalts gemäß Art. 96 CISG eine Formvorschrift (zum Beispiel Schriftform) erheben, was die Parteien in ihren internationalen Verträgen berücksichtigen sollten. In der Praxis ist daher stets zu prüfen, ob ein solcher Vorbehalt für eine der Parteien Geltung beansprucht.

Inwiefern unterscheidet sich das CISG von nationalen Kaufrechtsordnungen?

Das CISG verfolgt eine eigenständige, international ausgerichtete Systematik, die sich von nationalen Kaufrechtsordnungen, etwa dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder dem österreichischen ABGB, in mehreren Punkten unterscheidet. Besonders hervorzuheben ist die Flexibilität hinsichtlich Form, Angebot und Annahme, der Schadensersatzregelungen sowie der Rechtsfolgen bei Vertragsverletzungen. Anders als viele nationale Ordnungen kennt das CISG z. B. keinen Rücktritt von Gesetzes wegen bei Verzug, sondern verlangt stets eine Nachfristsetzung, es sei denn, ein wesentlicher Vertragsbruch liegt vor (Art. 49, Art. 64 CISG). Zudem ist das CISG stark auf die Vertragspraxis ausgerichtet und weicht in der Terminologie und Systematik von gewohnten nationalen Konzepten ab.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Verkäufer nach dem CISG?

Nach dem CISG ist der Verkäufer verpflichtet, die verkaufte Ware in vereinbarter Quantität, Qualität und in der vertraglich vorgesehenen Verpackung oder Beförderung an den Käufer zu liefern (Art. 30 ff. CISG). Ein zentrales Element ist die Pflicht, eine mangelfreie und konforme Ware zu liefern, wobei an die Konformität der Ware hohe Anforderungen gestellt werden: Die Ware muss nicht nur vertraglich vereinbarte Eigenschaften besitzen, sondern auch handelsübliche und vom Käufer vorausgesetzte Zwecke erfüllen können (Art. 35 CISG). Zu den Pflichten des Verkäufers gehört des Weiteren die rechtzeitige Lieferung sowie die Übergabe aller notwendigen Dokumente. Kommt der Verkäufer diesen Verpflichtungen nicht nach, stehen dem Käufer verschiedene Rechtsbehelfe zu, darunter Nacherfüllung, Preisminderung, Rücktritt oder Schadensersatz.

Wie ist das CISG in Bezug auf Mängelansprüche und deren Geltendmachung ausgestaltet?

Für Mängel der gelieferten Ware gewährt das CISG dem Käufer ein Bündel an Rechten – darunter Schadensersatz, Nacherfüllung, Preisminderung und Rücktritt (Art. 45 ff. CISG). Die Ausübung dieses Anspruchs ist allerdings an eine Prüf- und Rügeobliegenheit des Käufers gekoppelt. Nach Art. 38 CISG muss der Käufer die Ware innerhalb angemessener Frist nach Lieferung untersuchen und gemäß Art. 39 jeden erkannten Mangel „binnen angemessener Frist“ anzeigen. Versäumt er dies, verliert er im Regelfall seine Rechte aus der Mängelhaftung. Diese Regelung unterscheidet sich in Differenzierung und Fristläufen oft deutlich von nationalen Vorschriften. Diese Mechanismen haben erheblichen Einfluss auf die Rechtssicherheit und die vertragliche Abwicklung im internationalen Handel.

Welche Verjährungsfristen gelten unter dem CISG?

Das CISG selbst enthält keine eigenständigen Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen. Allerdings existiert ein separates Übereinkommen über Verjährungsfristen beim internationalen Warenkauf (UN- Verjährungsübereinkommen von 1974, geändert 1980). Sofern dieses Übereinkommen Anwendung findet, beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich vier Jahre ab dem Tag, an dem der Anspruch entstanden ist. Ist das UN- Verjährungsübereinkommen nicht anwendbar, sind die nationalen Vorschriften des jeweiligen Rechts maßgeblich. Parteien sollten deshalb im Vertrag ausdrücklich regeln, welche Fristen gelten sollen, um Unsicherheiten zu vermeiden.

Gibt es Besonderheiten bei der Vertragsauslegung und der Berücksichtigung von Handelsbräuchen im CISG?

Ja, das CISG legt einen besonderen Fokus auf die Wahrung der internationalen Einheitlichkeit und berücksichtigt ausdrücklich internationale Handelsbräuche und Gepflogenheiten (Art. 8 und 9 CISG). Die Auslegung von Willenserklärungen und des Vertrages erfolgt vorrangig nach dem wirklichen Parteiwillen und nach Treu und Glauben. Handelsbräuche, die Parteien kannten oder kennen mussten, binden sie automatisch, sofern diese Bräuche in ihrem Geschäftsverkehr regelmäßig beachtet werden. Nationale Auslegungstraditionen treten insoweit zurück, um die Einheitlichkeit und Praktikabilität des internationalen Handelsrechts sicherzustellen.