Legal Lexikon

Churning


Begriffsbestimmung: Churning im rechtlichen Kontext

Der Begriff Churning bezeichnet im rechtlichen Kontext die missbräuchliche Durchführung zahlreicher Wertpapiertransaktionen im Depot eines Kunden durch ein Finanzinstitut oder eine Wertpapierfirma ohne legitimen Anlagegrund, allein zu dem Zweck, Provisionen oder Gebühren zu vereinnahmen. Churning wird als Form einer unerlaubten Geschäftspraktik und als Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Pflichten eingestuft. Das Verbot von Churning dient dem Schutz der Kunden vor anlegerfeindlichen Tätigkeiten in der Vermögensverwaltung und Kontenführung.


Typische Erscheinungsformen und Beispiele

Exzessive Transaktionshäufigkeit

Beim Churning werden Wertpapiere, etwa Aktien oder Fondsanteile, überdurchschnittlich oft gekauft und verkauft, wobei häufig eine klare Anlagestrategie fehlt. Ziel ist es, möglichst viele Abschlussgebühren oder Transaktionsprovisionen zu generieren. Die hohe Handelsfrequenz liegt regelmäßig deutlich über dem, was unter Berücksichtigung der Kundenziele und Anlagementalität wirtschaftlich notwendig oder sinnvoll wäre.

Fiktive oder nicht abgestimmte Umschichtungen

Oft erfolgen Umschichtungen ohne Information oder gegen den Willen des Kontoinhabers. Dies kann durch Vollmachten im Rahmen der Vermögensverwaltung begünstigt werden.


Rechtliche Grundlagen und Vorschriften

Gesetzliche Regelungen im Wertpapierhandelsrecht

Churning ist durch verschiedene Gesetze und Verordnungen, insbesondere im Bereich des deutschen und europäischen Finanzmarktaufsichtsrechts, verboten. Einschlägig sind die folgenden Regelungen:

Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)

Gemäß dem WpHG besteht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Pflicht zur anlegergerechten Beratung und Durchführung von Geschäften (siehe §§ 63 ff. WpHG). Churning verstößt gegen diese Pflicht, da die Interessen des Kunden nicht gewahrt werden.

EU-Recht: MiFID II und MAR

Die europäische Richtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) sowie die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) verpflichten Finanzdienstleistungsunternehmen, im Interesse ihrer Kunden zu handeln und sogenannte Interessenkonflikte zu vermeiden. Zu den Verbotstatbeständen gehört explizit, Transaktionen ohne wirtschaftliches Bedürfnis im Interesse des Handelnden vorzunehmen.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags kommen zudem zivilrechtliche Vorschriften zur Anwendung, insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 675 BGB) und das Verbot eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).


Aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Rechtsfolgen

Sanktionen und Bußgelder

Verstöße gegen das Verbot des Churning können sowohl aufsichtsrechtlich durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder andere nationale Aufsichtsbehörden als auch zivilrechtlich verfolgt und geahndet werden. Die Sanktionen umfassen:

  • Bußgelder gegen das Unternehmen und ggf. einzelne Mitarbeitende
  • Entzug der Zulassung für Wertpapierdienstleistungen oder Handelsgeschäfte
  • Öffentliche Verwarnungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance-Strukturen

Schadensersatzansprüche

Betroffene Anleger haben einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 BGB oder auf Basis spezifischer normierter Haftungstatbestände im Wertpapierhandelsrecht, sofern sie durch Churning finanziellen Schaden erleiden. Zudem kann der Kunde die Rückabwicklung unzulässiger oder nicht genehmigter Transaktionen verlangen.


Rolle der Aufsichtsbehörden und Überwachung

Die Kontrolle zur Verhinderung von Churning erfolgt primär durch die BaFin auf Bundesebene sowie durch die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA). Verdachtsmomente werden u.a. durch automatisierte Überwachungsmechanismen, interne und externe Audits sowie die Auswertung von Beschwerdedaten erkannt. Unternehmen sind außerdem verpflichtet, interne Kontrollsysteme zu etablieren und Mitarbeitende entsprechend zu schulen.


Prävention und Compliance-Maßnahmen

Zur Vermeidung von Churning müssen Wertpapierfirmen wirksame Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen implementieren. Dazu zählen:

  • Erstellung schriftlicher Anlagerichtlinien
  • Dokumentation aller Transaktionen und der jeweiligen Gründe
  • Durchführung von Plausibilitätsprüfungen und Stichproben durch Compliance-Abteilungen
  • Regelmäßige Mitarbeiterschulungen zur Sensibilisierung für die Problematik und die Einhaltung geltender Vorschriften

Internationale Perspektiven

USA

In den Vereinigten Staaten ist Churning ausdrücklich durch das Securities Exchange Act of 1934 und die Aufsicht der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) untersagt. Die Definition orientiert sich regelmäßig an sämtlichen Kontoaktivitäten, die zum alleinigen Vorteil der Bank oder des Vermittlers erfolgen.

Europäische Union

Die Regulierung folgt vorrangig den Vorgaben der MiFID II, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde. Verstöße werden unionsweit streng verfolgt.


Fazit und rechtliche Bewertung

Churning stellt eine unzulässige Geschäftspraktik im Finanzdienstleistungssektor dar, die mit erheblichen zivil- und aufsichtsrechtlichen Risiken für Wertpapierunternehmen verbunden ist. Die gesetzlichen Vorschriften dienen dem Schutz des Anlegers vor missbräuchlicher Vermögensverwaltung und schaffen klare Haftungsgrundlagen für den Schadensfall. Unternehmen sind verpflichtet, präventive und überwachende Maßnahmen zum Schutz der Kundeninteressen zu implementieren und Verstöße konsequent zu unterbinden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei festgestelltem Churning für Finanzdienstleister?

Im Falle eines nachgewiesenen Churnings drohen Finanzdienstleistern gravierende rechtliche Konsequenzen. Zum einen können Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Verfahren gegen das Unternehmen einleiten. Dies kann mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, der Auferlegung von Bußgeldern oder in besonders schweren Fällen bis hin zum Entzug der Lizenz zur Erbringung von Finanzdienstleistungen führen. Zivilrechtlich besteht zudem für betroffene Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Voraussetzung hierfür ist der Nachweis eines Vermögensschadens, der unmittelbar auf das churningbasierte Verhalten des Dienstleisters zurückzuführen ist. In schwerwiegenden Fällen können auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder wegen Untreue (§ 266 StGB) eingeleitet werden, sofern ein vorsätzliches und zum Nachteil des Kunden gerichtetes Verhalten nachgewiesen werden kann.

Wie ist die Beweislast im Falle eines Churning-Verdachts verteilt?

Im rechtlichen Kontext liegt die Beweislast für das Vorliegen von Churning grundsätzlich beim Anspruchsteller, also in der Regel beim betroffenen Kunden. Der Kunde muss darlegen und beweisen, dass eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Transaktionen vorlag, die nicht im Einklang mit seinem Anlageprofil stand und offensichtlich dazu diente, Provisionen oder Gebühren zu generieren. Liegt jedoch ein Anfangsverdacht vor oder werden durch Prüfungen der Aufsichtsbehörden systematische Missstände entdeckt, kann sich die Beweislast im Rahmen eines zivilrechtlichen Prozesses teilweise umkehren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Finanzdienstleister eine Verletzung von Dokumentations- oder Beratungspflichten gemäß § 63 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) nachgewiesen werden kann. Eine lückenhafte oder manipulative Dokumentation spricht regelmäßig zulasten des Finanzdienstleisters.

Welche regulatorischen Pflichten müssen Finanzdienstleister erfüllen, um Churning zu vermeiden?

Finanzdienstleister sind verpflichtet, eine Vielzahl von regulatorischen Anforderungen einzuhalten, um Churning vorzubeugen. Hierzu zählen insbesondere die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln nach §§ 63 ff. WpHG sowie die Verpflichtung zur Durchführung einer Geeignetheitsprüfung. Dabei muss vor jeder Transaktion sichergestellt werden, dass diese im besten Interesse des Kunden erfolgt und mit dessen Anlagezielen und Risikoprofil übereinstimmt. Zudem sind sämtliche Beratungsgespräche sowie die daraus resultierenden Handlungen detailliert zu dokumentieren. Die Aufsicht verlangt ferner die Implementierung interner Kontrollsysteme zur Erkennung und Verhinderung missbräuchlicher Geschäftspraktiken wie Churning. Bei Verstößen können die Behörden empfindliche Sanktionen verhängen und zur Nachbesserung der Prozesse anhalten.

Welche Möglichkeiten haben Kunden, sich gegen Churning rechtlich zur Wehr zu setzen?

Betroffene Kunden können sich in mehreren Stufen gegen Churning zur Wehr setzen. Im ersten Schritt empfiehlt sich eine außergerichtliche Einigung mit dem Finanzdienstleister, beispielsweise durch eine Beschwerde oder ein Schlichtungsverfahren bei der zuständigen Ombudsstelle der Finanzdienstleister. Scheitert dies, ist der Gang zum Zivilgericht möglich, um Schadensersatz und ggf. die Rückabwicklung der betroffenen Geschäfte zu fordern. Zentrale Rechtsgrundlagen sind hier § 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung) in Verbindung mit § 63 WpHG. Ist der Verdacht einer vorsätzlichen Straftat gegeben, kann darüber hinaus Strafanzeige gestellt werden. Die Rechtsverfolgung sollte idealerweise durch spezialisierte Anwälte begleitet werden, um der oftmals schwierigen Beweislage, insbesondere bezüglich des Nachweises von Vorsatz und Schaden, effektiv begegnen zu können.

Unterliegt Churning einer speziellen Meldepflicht gegenüber Aufsichtsbehörden?

Ja, soweit interne Kontrollen oder Hinweise von Kunden auf das Vorliegen von Churning deuten, besteht für Finanzdienstleister eine Meldepflicht gemäß § 25h KWG (Gesetz über das Kreditwesen) und durch aufsichtsspezifische Anforderungen wie der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement). Ersichtlich gewordene Verstöße sind unverzüglich an die BaFin zu melden. Zudem kann eine Meldepflicht auch aus den Vorgaben zur Geldwäscheprävention resultieren, sofern atypische Transaktionsmuster im Zusammenhang mit Churning darauf hindeuten, dass Gelder aus illegalen Quellen stammen oder in solche fließen könnten. Versäumt der Finanzdienstleister diese Meldepflichten, drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen und zum Teil empfindliche Bußgelder.

Gibt es eine Verjährung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Churning?

Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Churning unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach deutschem Recht gemäß § 195 BGB, wonach Ansprüche grundsätzlich nach drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers verjähren. Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Bei schwebenden Verhandlungen oder bei arglistigem Verschweigen der Tatsachen durch den Finanzdienstleister kann sich die Verjährungsfrist jedoch entsprechend verlängern (§ 203, § 199 BGB). Für strafrechtliche Verfolgung kann eine darüber hinausgehende Verjährungsfrist gemäß §§ 78 ff. StGB gelten.

Wie unterscheiden sich die rechtlichen Anforderungen an Banken und freie Finanzdienstleister im Umgang mit Churning?

Sowohl Banken als auch freie Finanzdienstleister unterliegen im Grundsatz denselben gesetzlichen Anforderungen, insbesondere den Vorschriften aus dem WpHG und dem KWG. Gleichwohl können die aufsichtsrechtlichen Kontrollen bei Banken aufgrund ihrer systemischen Relevanz strenger ausfallen. Banken sind zusätzlich verpflichtet, umfassende Compliance-Systeme zu implementieren und unterliegen häufig einer regelmäßigen Prüfung durch interne und externe Auditoren. Für freie Finanzdienstleister gelten die Grundpflichten zur Vermeidung von Churning ebenfalls, sie werden jedoch meist stichprobenartig und auf Basis von Verdachtsmeldungen von der BaFin kontrolliert. In beiden Fällen ist es für die rechtliche Prüfung ausschlaggebend, ob interne Kontrollmechanismen wirksam und lückenlos dokumentiert umgesetzt wurden.