Definition und Rechtsstellung des Christlichen Gewerkschaftsbundes
Der Christliche Gewerkschaftsbund bezeichnet ein Bündnis von Gewerkschaften, die sich auf der Grundlage christlicher Sozialethik konstituieren und deren Tätigkeit eine eigenständige Alternative zu überkonfessionellen oder staatlich beeinflussten Arbeitnehmervertretungen darstellen will. In Deutschland ist der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) die bekannteste Organisation dieser Art. Rechtsdogmatisch handelt es sich bei diesen Gewerkschaftsbünden um Arbeitnehmervereinigungen im Sinne des Grundgesetzes und des Tarifvertragsgesetzes.
Historische Entwicklung und Motivation
Ursprung und Entwicklung
Christliche Gewerkschaften entstanden Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf das Erstarken der sozialistisch und liberal orientierten Gewerkschaftsbewegung und auf Impulse christlicher Soziallehre. Der im Jahr 1959 gegründete CGB versteht sich als politisch und konfessionell unabhängiger Zusammenschluss, dessen Grundhaltung von den Prinzipien christlicher Sozialethik geprägt wird.
Abgrenzung zu weltlichen Gewerkschaften
Im Gegensatz zu DGB-Gewerkschaften verfolgen christliche Gewerkschaftsbünde einen dezidiert wertorientierten Ansatz. Sie beziehen sich in ihren Grundsatzprogrammen explizit auf Prinzipien wie Menschenwürde, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Anerkennung
Gewerkschaftsbegriff im deutschen Recht
Der rechtliche Rahmen für Gewerkschaften wird in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz sowie im Tarifvertragsgesetz (TVG) vorgezeichnet. Danach sind Gewerkschaften Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder. Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG), verlangt organisatorische Mindeststandards wie Unabhängigkeit, organisatorische Verfasstheit, Durchsetzungsfähigkeit auf dem Tarifsektor sowie Willensbildung nach demokratischen Grundsätzen.
Stellung des Christlichen Gewerkschaftsbundes als tariffähige Gewerkschaft
Auch christliche Gewerkschaftsbünde können nach gefestigter Rechtsauffassung tariffähig sein, sofern sie die oben genannten Anforderungen erfüllen. Die Tarifautonomie gemäß Grundgesetz umfasst das Recht, Tarifverträge abzuschließen (§ 2 I TVG), Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen und betriebliche Mitbestimmung wahrzunehmen. Der Status als Gewerkschaft ist an organisatorische und funktionale Kriterien, nicht an eine bestimmte ideologische Ausrichtung gebunden.
Die sogenannte „Tariffähigkeit“ von Einzelgewerkschaften innerhalb des Christlichen Gewerkschaftsbundes war mehrfach Gegenstand arbeitsgerichtlicher Verfahren, beispielsweise das Verfahren um die Tariffähigkeit der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP), das 2010 mit Aberkennung der Tariffähigkeit endete.
Internationale und europarechtliche Dimension
Christliche Gewerkschaftsbünde kooperieren oft in internationalen Netzwerken, etwa im Rahmen der Christlichen Europäischen Arbeitnehmerunion (CEAU), und sind damit auch in europäische Mitbestimmungsrechte eingebunden. Dies wirkt sich auf Mitwirkungsrechte auf europäischer Ebene (bspw. Europäischer Betriebsrat) und auf Repräsentation im sozialen Dialog aus.
Aufgaben, Rechte und Pflichten
Kernaufgaben
Zu den gesetzlichen Aufgaben eines Gewerkschaftsbundes gehört die kollektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer, insbesondere:
- Abschluss von Tarifverträgen
- Durchführung von Arbeitskämpfen (Streik, Aussperrung)
- Wahrnehmung betrieblicher Mitbestimmungsrechte
- Gewährung von Rechtsschutz für Mitglieder
Mitwirkungsrechte und Autonomie
Christliche Gewerkschaftsbünde und ihre Mitgliedsgewerkschaften sind Träger der Koalitionsfreiheit und genießen eigenständige tarifpolitische Handlungsmacht. Sie sind berechtigt, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, sofern sie die Voraussetzungen der Tariffähigkeit erfüllen. Ihre Tätigkeiten unterliegen grundsätzlich dem Schutz durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz, allerdings mit den im jeweiligen Kontext bestehenden Einschränkungen (etwa der Friedenspflicht im Tarifvertrag).
Sonderfragen der Repräsentativität und Minderheitsgewerkschaften
Die Repräsentativität einer Gewerkschaft, mithin ihre Durchsetzungsfähigkeit und Mitgliederstärke, ist im Streitfall gerichtlich zu klären. Minderheitsgewerkschaften geraten häufig in Abgrenzungs- und Abgrenzungsproblematiken; dies war und ist regelmäßig Streitpunkt zwischen den tarifpolitisch dominanten sowie den christlichen Gewerkschaften, besonders im Bereich Zeitarbeit und kirchennaher Sektoren.
Verhältnis zu den Kirchen und rechtliche Neutralität
Christliche Gewerkschaftsbünde weisen in ihren Programmen häufig auf die Wertebasis des Christentums hin, unterliegen jedoch keiner direkten kirchlichen Steuerung. Die Mitgliedschaft ist nicht auf bestimmte Konfessionen beschränkt, die Organisationen deklarieren politische und konfessionelle Unabhängigkeit als Leitprinzip. Rechtlich gelten sie damit als eigenständige, vom Kirchenrecht unabhängige Vereinigungen.
Tarifpolitik und Praxis
Tarifvertragsrechtliche Stellung
Sofern die Tariffähigkeit der Mitgliedsgewerkschaft eines Christlichen Gewerkschaftsbundes richterlich bestätigt oder nicht bestritten wird, umfassen deren Tarifverträge sämtliche Arbeits- und Einkommensbedingungen der jeweiligen Branche. Spektakuläre Tarifabschlüsse oder Arbeitskämpfe sind vergleichsweise selten, die Schwerpunktbereiche liegen häufig im öffentlichen Dienst, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Dienstleistungssektor.
Rechtsprechung zu den christlichen Gewerkschaften
Die Rechtsprechung beschäftigt sich regelmäßig mit Fragen der Tariffähigkeit und der Tarifzuständigkeit christlicher Gewerkschaftsbünde. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts präzisieren die Anforderungen an die tariffähige Organisation, insbesondere hinsichtlich Mitgliederzahl, Durchsetzungsstärke und Unabhängigkeit von Arbeitgeberinteressen.
Rechtliche Einordnung und Kritik
Kritiker merken regelmäßig an, dass einige christliche Gewerkschaften über geringe Mitgliederzahlen verfügen und tarifpolitisch wenig Einfluss haben. Im Fokus steht dabei das Risiko sogenannter „Gefälligkeitsgewerkschaften“, die mit ihrer Tarifpolitik vornehmlich arbeitgeberfreundliche Verträge ermöglichen. Rechtlich ist jedoch entscheidend, dass die Voraussetzungen der Tariffähigkeit und Unabhängigkeit erfüllt sind, andernfalls kann die Tariffähigkeit durch Gerichtsbeschluss aberkannt werden. Der rechtliche Rahmen ist dynamisch und unterliegt ständiger arbeitsgerichtlicher Überprüfung.
Zusammenfassung
Der Christliche Gewerkschaftsbund ist im deutschen Arbeitsrecht eine anerkannte Gewerkschaftsorganisation, die sich an den Grundwerten der christlichen Soziallehre orientiert. Rechtlich sind diese Organisationen Vereinigungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz und Tarifvertragsgesetz und damit grundsätzlich tariffähig, wenn sie die jeweils geltenden Anforderungen erfüllen. Die Tätigkeit und Rechtsstellung christlicher Gewerkschaftsbünde werden wesentlich durch die Begriffe Tariffähigkeit, Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit geprägt und sind regelmäßig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Überprüfung. Spezifische rechtliche Fragen betreffen vor allem die Tariffähigkeit, Unabhängigkeit und Repräsentativität im Rahmen der kollektiven Arbeitnehmervertretung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Gründung eines Christlichen Gewerkschaftsbundes in Deutschland erfüllt sein?
Für die Gründung eines Christlichen Gewerkschaftsbundes gelten die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gründung von Gewerkschaften gemäß Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG), dem Koalitionsrecht. Dieses garantiert die Freiheit, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden. Rechtlich relevant ist hierbei, dass die Gewerkschaft unabhängig vom Arbeitgeber agieren und eigenständig Arbeitsbedingungen aushandeln können muss. Die Gewerkschaft muss zudem eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit und eine auf eine gewisse Mitgliederzahl gestützte Verhandlungsfähigkeit besitzen, um als tariffähig zu gelten. Die inhaltliche christliche Ausrichtung ist verfassungsrechtlich geschützt, darf jedoch nicht dazu führen, dass die Zweckrichtung als Gewerkschaft verloren geht. Darüber hinaus ist eine Satzung erforderlich, in der Zweck, Organstruktur, Aufnahme- und Ausschlusskriterien sowie Entscheidungsprozesse geregelt sind. Eine formale Eintragung beim Registergericht ist für Gewerkschaften nicht erforderlich, im Gegensatz zu anderen Vereinsformen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Inwiefern unterliegt der Christliche Gewerkschaftsbund besonderen rechtlichen Beschränkungen bezüglich seiner Tarifautonomie?
Der Christliche Gewerkschaftsbund unterliegt grundsätzlich denselben gesetzlichen Regelungen wie andere Gewerkschaften hinsichtlich der Tarifautonomie, welche im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt ist. Es bestehen keine expliziten Sonderregelungen für christlich ausgerichtete Gewerkschaften. Entscheidend ist, dass der Gewerkschaftsbund unabhängig, auf überbetrieblichen Einfluss ausgelegt und tariffähig im Sinne des TVG ist. Die ausschließlich religiöse Motivation oder eine zu geringe Durchsetzungskraft könnten zur Aberkennung der Tariffähigkeit führen, wie u.a. das Bundesarbeitsgericht wiederholt festgestellt hat. Tarifverträge, die abgeschlossen werden, müssen nicht nur formal, sondern auch tatsächlich die Interessen der Arbeitnehmer wirkungsvoll vertreten und dürfen deren Rechte nicht aufgrund religiöser Überzeugungen beschränken.
Wer prüft die Tariffähigkeit eines Christlichen Gewerkschaftsbundes und nach welchen Kriterien?
Die Tariffähigkeit eines Christlichen Gewerkschaftsbundes wird in der Praxis durch das Arbeitsgericht im Rahmen eines sogenannten Feststellungsverfahrens (§ 2a Absatz 1 Nr. 4 Arbeitsgerichtsgesetz, ArbGG) geprüft. Kläger können andere Gewerkschaften, Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände bzw. arbeitsrechtliche Parteien sein, die die Tariffähigkeit anzweifeln. Maßgebliche Kriterien sind insbesondere die Unabhängigkeit der Organisation, eine hinreichende organisatorische Durchsetzungsfähigkeit, die überregionale und branchenübergreifende Ausrichtung sowie die tatsächliche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen. Die religiöse Ausrichtung spielt eine untergeordnete Rolle, solange die gewerkschaftlichen Zwecke im Vordergrund stehen.
In welchen Fällen kann einem Christlichen Gewerkschaftsbund die Tariffähigkeit gerichtlich aberkannt werden?
Eine Aberkennung der Tariffähigkeit erfolgt insbesondere dann, wenn ein Christlicher Gewerkschaftsbund nachweislich nicht die Interessen der Arbeitnehmer wirkungsvoll vertreten kann, sei es aufgrund zu geringer Mitgliederzahlen, fehlender Organisationsstruktur oder anhaltender Einflussnahme von Arbeitgeberseite. Zudem können Entscheidungen der Satzungsorgane, die die gewerkschaftliche Unabhängigkeit oder den kollektiven Zusammenschluss infrage stellen (z.B. einseitige Rücksichtnahme auf konfessionelle Grundsätze statt arbeitsrechtlicher Interessenvertretung), zur Aberkennung führen. Die Rechtsprechung, etwa die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Vereinigungen wie der Christlichen Gewerkschaft Metall, zeigt, dass allein eine christliche Ausrichtung nicht ausreicht, wenn objektiv keine Tariffähigkeit festzustellen ist.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich für Mitglieder, wenn ein Christlicher Gewerkschaftsbund seine Tariffähigkeit verliert?
Verliert ein Christlicher Gewerkschaftsbund seine Tariffähigkeit, so sind die von ihm abgeschlossenen Tarifverträge zukünftig unwirksam und können weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber binden. Auch die Mitglieder des Bundes können sodann keine tariflichen Regelungen (wie Lohnsteigerungen, Urlaubsansprüche, etc.) mehr aus diesen Verträgen ableiten. Rechtlich bleibt die Mitgliedschaft als solche im Verband jedoch unberührt; lediglich die gewerkschaftlichen Rechte, insbesondere das Tarifverhandlungsmandat, entfallen. Die Mitglieder können dann etwaig noch von bestehenden Tarifverträgen profitieren, solange diese vor der Aberkennung geschlossen wurden, sofern der Tarifvertrag bis zu seinem Ablauf gilt oder nicht gekündigt wird. Langfristig werden sich Arbeitnehmer vermutlich anders organisieren, um ihre Interessen wirksam vertreten zu können.
Welche juristischen Besonderheiten gelten für die Mitwirkung christlicher Gewerkschaften an Betriebsratswahlen?
Christliche Gewerkschaften sind nach § 17 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) berechtigt, Wahlvorschläge für die Wahl des Betriebsrats einzureichen, sofern sie im Betrieb vertreten sind. Die rechtliche Gleichstellung mit anderen Gewerkschaften ist gesichert, solange der Gewerkschaftsbund nicht durch Gerichtsbeschluss in seiner Tariffähigkeit beschränkt oder aberkannt wurde. Sind jedoch Zweifel an der eigenständigen gewerkschaftlichen Vertretung oder Einflussnahme von außen gegeben, kann die Wahlanfechtung durch andere Gewerkschaften oder Arbeitgeber erfolgen. Solange die Mitwirkung rechtlich besteht, haben christliche Gewerkschaften in Betriebsratsgremien die gleichen Beteiligungs-, Informations- und Mitbestimmungsrechte wie andere Gewerkschaften. Bei Aberkennung der Tariffähigkeit entfällt diese rechtliche Grundlage.
Wie gestaltet sich die rechtliche Haftung eines Christlichen Gewerkschaftsbundes insbesondere im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen?
Bei der Durchführung von Arbeitskämpfen (z.B. Streiks) haftet ein Christlicher Gewerkschaftsbund ähnlich wie alle anderen Gewerkschaften nach den zivilrechtlichen Vorschriften für rechtswidrige Streikmaßnahmen. Dies setzt voraus, dass die Arbeitskampfmaßnahme nicht von der jeweiligen Rechtsordnung (als nicht von Tarifverhandlungen gedeckt oder unverhältnismäßig) geschützt ist. Kommt es zu unerlaubten Maßnahmen, sind Schadensersatzforderungen von Arbeitgeberseite möglich. Zulässig sind Arbeitskämpfe grundsätzlich nur, wenn mit dem Streik ein tarifvertragliches Ziel verfolgt wird und die Maßnahme verhältnismäßig bleibt („ultima ratio“-Prinzip). Die rechtliche Beratung und Unterstützung der Mitglieder während solcher Maßnahmen gehört zu den satzungsgemäßen Aufgaben einer Gewerkschaft und ist durch das Koalitionsgrundrecht gedeckt. Besondere Haftungsbeschränkungen existieren für christliche Gewerkschaften nicht; auch hier gilt das allgemeine Arbeitskampfrecht.