Begriffserläuterung und rechtliche Definition von „Carry“
Grundlegende Bedeutung des Begriffs Carry
Der Begriff „Carry“ (im deutschsprachigen Raum oft als Gewinnbeteiligung, Erfolgsbeteiligung oder auch Performance Fee bezeichnet) stammt ursprünglich aus dem englischsprachigen Finanz- und Wirtschaftsbereich. Im rechtlichen Kontext bezeichnet Carry primär die vertraglich geregelte Beteiligung bestimmter Parteien – regelmäßig Manager oder Initiatoren von Gesellschaften – am finanziellen Erfolg von Investitionen, Fonds oder anderen Vermögensanlagen. Hierbei steht Carry insbesondere für den prozentualen Anteil am erzielten Gewinn, der über eine anfängliche Basishürde hinausgeht.
Historische Entwicklung und rechtliche Einordnung
Der Begriff entstand im angelsächsischen Recht, insbesondere im Zusammenhang mit Private Equity- und Venture Capital-Fonds. In den deutschen und europäischen Rechtsordnungen wurde er in der Folge übernommen, wobei die rechtliche Ausgestaltung an die nationale Vertrags- und Gesellschaftspraxis angepasst wurde.
Ursprungsmodell: Private Equity und Venture Capital
Im Private Equity- und Venture Capital-Sektor bezeichnet Carry klassisch die Vergütung der Fondsmanager für eine erfolgreiche Verwaltung des Fondsvermögens. Rechtlich wird das Carry in Fondsdokumentationen wie Gesellschaftsverträgen (Limited Partnership Agreement, Kommanditgesellschaftsvertrag) oder Investmentrichtlinien verbindlich geregelt. Im Gegensatz zu einer reinen Verwaltungsgebühr richtet sich der Carry ausschließlich nach der Erfolgsbilanz des Fonds und wird erst nach Erreichen einer bestimmten Renditeschwelle („Hurdle Rate“) fällig.
Rechtliche Ausgestaltung und Vertragsgestaltung von Carry
Zivilrechtliche Grundlagen
Im deutschen Zivilrecht beruht die Zuweisung von Carry regelmäßig auf schuldrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Verträgen. Wesentliche Regelungspunkte sind:
- Höhe und Berechnungsgrundlage des Carry (meist ein fester Prozentsatz, z. B. 20 % des Mehrertrags)
- Eintrittsvoraussetzungen (üblicherweise nach Überschreiten der Hurdle Rate oder des „Preferred Return“)
- Modalitäten der Gewinnermittlung und -verteilung
- Zeitliche Komponente der Auszahlung (zwischenzeitliche Ausschüttungen, Verteilungszyklen)
- Rückforderungsrechte und Clawback-Klauseln zur Anpassung bei späteren Verlusten
Beispielhafte Klauseln im Gesellschaftsvertrag
Typische Regelungen finden sich in Fonds-KG-Gesellschaftsverträgen oder Gesellschaftervereinbarungen. Hier wird unter anderem definiert, welche Manager (z. B. General Partner, Komplementär) Anrecht auf Carry haben und zu welchen Bedingungen.
Steuerrechtliche Behandlung des Carry
Die steuerliche Behandlung des Carry ist ein komplexes Thema innerhalb der Gewinnverteilung von Gesellschaften und Fonds. Im deutschen Steuerrecht wird Carry grundsätzlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb klassifiziert. Entscheidende Fragen ergeben sich bezüglich der Abgrenzung zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder zu Einkünften aus Kapitalvermögen, insbesondere bei der Zuweisung an natürliche Personen oder Körperschaften.
Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
- Abgeltungssteuer versus Einkommensteuer
- Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko als steuerrechtliche Voraussetzungen für eine steuerbegünstigte Bemessung
- Gestaltung von Carried Interest Strukturen im internationalen Steuerrecht (BEPS, Doppelbesteuerungsabkommen)
Carry im Kontext verschiedener Gesellschaftsformen
Kommanditgesellschaft (KG) und Carry
In deutschen Private Equity- oder Venture Capital-Fonds werden häufig Kommanditgesellschaften (KG oder GmbH & Co. KG) als Fondshülle verwendet. Hier wird der Carry dem Komplementär oder bestimmten mitarbeitenden Kommanditisten zugewiesen. Die vertraglichen Grundlagen ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag und etwaigen Nebenabreden („Management Participation Agreements“).
Alternative Investmentfonds (AIF) und Investmentgesetzgebung
Im Rahmen regulierter Investmentvehikel wie dem Alternativen Investmentfonds (AIF) fällt das Carry unter die Vorgaben der europäischen AIFM-Richtlinie sowie unter nationale Investmentgesetze, etwa das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Diese Regelwerke schreiben Transparenz- und Offenlegungspflichten bezüglich der Vergütungssysteme einschließlich Carry vor und setzen Rahmenbedingungen hinsichtlich Interessenkonflikten und Investorenschutz.
Carry in weiteren rechtlichen Zusammenhängen
Arbeitsrechtliche Relevanz
In bestimmten Konstellationen kann Carry auch als variable Vergütungsbestandteil von Arbeitnehmern in Managementpositionen vereinbart werden. Hier ergeben sich Bezüge zum Arbeitsvertragsrecht sowie zur betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung, insbesondere hinsichtlich Transparenz, Anspruchsvoraussetzungen und Nachweispflichten.
Insolvenzrechtliche Aspekte
Im Insolvenzfall eines Fonds oder einer Fondsgesellschaft stellt sich die Frage nach der Behandlung bereits ausgeschütteter Carry-Beträge. Diese können unter Umständen als unentgeltliche Leistungen oder nachteilige Rechtshandlungen im Sinne der Insolvenzordnung (InsO) der Insolvenzanfechtung unterliegen.
Streitfragen, Rechtsprechung und Praxisprobleme
Abgrenzungsfragen
In der Rechtsanwendung sind insbesondere folgende Punkte umstritten:
- Die steuerliche Einstufung von Carry-Einkünften
- Auswirkungen von Zwischenentnahmen (Escrow- oder Reservekonten)
- Rückabwicklungsklauseln bei nachträglich realisierten Verlusten („Clawback“)
- Auswirkungen aufsichtsrechtlicher Anforderungen und Transparenzpflichten
Aktuelle Entwicklung und Rechtsprechung
Zahlreiche steuer- und gesellschaftsrechtliche Streitfälle werden regelmäßig durch Finanzgerichte und Zivilgerichte behandelt, insbesondere in Bezug auf die steuerliche Qualifizierung und die insolvenzrechtliche Behandlung von Carry. Entscheidungen auf europäischer Ebene betreffen darüber hinaus Regulierungsfragen der Vergütung in Investmentfonds.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Begriff Carry bezeichnet im Recht die erfolgsabhängige Vergütung, insbesondere in Investment- und Fondskonstellationen, und ist Gegenstand umfangreicher zivil- und steuerrechtlicher Regelungen. Die genaue rechtliche Ausgestaltung hängt von der individuellen Vertragsgestaltung, der gewählten Gesellschaftsstruktur sowie den einschlägigen regulatorischen und steuerlichen Vorgaben ab. Die Komplexität von Carry-Regelungen erfordert in der Praxis eine sorgfältige vertragliche Ausgestaltung und Beachtung der aktuellen Rechtsentwicklung, insbesondere in Bezug auf Transparenzanforderungen, Steuerpflichten und Haftungsfragen.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die steuerliche Behandlung von Carry bei Private-Equity-Fonds in Deutschland?
Die steuerliche Behandlung des „Carry“ (Carried Interest) im Zusammenhang mit Private-Equity-Fonds ist in Deutschland durch verschiedene Regelungen geprägt, die vor allem auf den jeweiligen Einzelfall und die genaue Ausgestaltung des Fonds, der Beteiligten und des Profit-Beteiligungsmodells abstellen. Grundsätzlich stellt der Carry eine erfolgsabhängige Vergütung für Fondsmanager dar, die über die eigentliche Kapitalbeteiligung hinausgeht. Steuerlich kann Carry sowohl der Einkunftsart aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) als auch – seltener – der sonstigen Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) oder den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) zugeordnet werden. Maßgeblich ist dabei, ob der Fonds als gewerblich oder vermögensverwaltend einzustufen ist und ob der Fondsmanager als Mitunternehmer anzusehen ist. Beim typischen deutschen Private-Equity-Fonds, meist als GmbH & Co. KG strukturiert, ist Carry regelmäßig den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen und unterliegt damit dem persönlichen Einkommensteuersatz sowie ggf. der Gewerbesteuer. Die Besteuerung erfolgt grundsätzlich bei Zufluss des Carrys („Zuflussprinzip“). Für alternative Konstellationen – etwa grenzüberschreitende Strukturen oder Manager ohne Mitunternehmerstellung – sind regelmäßig die besonderen Vorschriften des AStG sowie Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten. Die steuerliche Einordnung kann durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen oder Verwaltungserlasse Veränderungen unterliegen, weshalb eine fortlaufende Überprüfung ratsam ist.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmen die Anspruchsvoraussetzungen für einen Carry?
Der Anspruch auf den Carry ergibt sich in erster Linie aus den vertraglichen Regelungen, insbesondere dem Gesellschaftsvertrag (Limited Partnership Agreement, Kommanditgesellschaftsvertrag oder vergleichbare Fund Documents). Rechtlich betrachtet ist der Carry ein schuldrechtlich oder gesellschaftsrechtlich begründeter Anspruch auf Gewinnbeteiligung, der i.d.R. nach Rückzahlung des eingebrachten Kapitals sowie einer gegenüber den Investoren erzielten Mindestverzinsung (Hurdle Rate) fällig wird. Voraussetzung für den Erwerb eines Carry-Anspruchs ist regelmäßig die Erfüllung bestimmter Bedingungen, wie vollständige Rückzahlung der Investments und gegebenenfalls die Erreichung weiterer vertraglich definierter Schwellenwerte. Die exakte Ausgestaltung basiert typischerweise auf international anerkannten Marktstandards, ist jedoch individuell verhandelbar. In Deutschland sind ergänzend zwingende Vorschriften des Gesellschaftsrechts (insb. §§ 705 ff. BGB, § 161 HGB), arbeitsrechtliche Erwägungen bei angestellten Fondsmanagern sowie regulatorische Bestimmungen des Investmentgesetzes (Kapitalanlagegesetzbuch – KAGB) zu beachten. Je nach Konstruktion kann Carry auch insolvenzrechtlichen Restriktionen oder Rückforderungsklauseln („Clawback“) unterliegen.
Welche Rolle spielen regulatorische Vorgaben nach dem KAGB für Carry-Berechtigte?
Das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) enthält diverse Vorschriften, die direkte und indirekte Auswirkungen auf Carried Interest-Zahlungen haben. Für Manager alternativer Investmentfonds (AIFM) sieht das Gesetz Berichtspflichten, Vergütungstransparenz und Governance-Vorgaben vor, die auch für die Carried-Interest-Regelungen relevant sind. Insbesondere Kapitel 2 und 5 KAGB setzen Mindeststandards für Vergütungspolitiken, die darauf abzielen, Anreize zur übermäßigen Risikobereitschaft zu begrenzen und Interessenkonflikte zwischen Management und Investoren auszuschließen. Carried Interest muss dabei als variable Vergütung im Vergütungsbericht offengelegt und im Sinne der Regulierungsziele ausgestaltet werden. Für Carry-Empfänger sind zudem spezialgesetzliche Anforderungen zu Insiderhandel, Marktmissbrauch und ggf. Lizenzpflichten nach dem KAGB oder dem Kreditwesengesetz (KWG) zu prüfen, insbesondere wenn Carry-Zahlungen in Verbindung mit weiteren Bonifikationen stehen.
Wie sind Carried Interest-Vereinbarungen im Falle einer Insolvenz des Fonds rechtlich zu bewerten?
Im Insolvenzfall eines Private-Equity-Fonds sind Carried-Interest-Vereinbarungen grundsätzlich nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu behandeln. Dies bedeutet, dass noch nicht fällige oder noch nicht vollständig verdiente Carried Interest-Ansprüche als einfache Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) anzumelden sind. Wurden Carry-Zahlungen im Vorfeld der Insolvenz geleistet, prüft der Insolvenzverwalter deren Anfechtbarkeit gemäß §§ 129 ff. InsO, insbesondere im Hinblick auf etwaige unzulässige Benachteiligungen anderer Gläubiger oder unentgeltliche Leistungen. Rückzahlungspflichten (Clawback) bleiben auch in der Insolvenz grundsätzlich bestehen und können vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, sollten sich nachträglich verlustbringende Geschäfte oder Fehler in der Hurdle-Berechnung herausstellen. Zugang, Absicherung und rechtlicher Bestand von Carry-Ansprüchen hängen im Insolvenzfall maßgeblich von der vertraglichen Gestaltung (insbes. Bedingtheit, Rangrücktritt, Nachrangigkeit) ab.
Unterliegen Carry-Vereinbarungen einer arbeitsrechtlichen Mitbestimmung oder Zustimmungspflicht?
Ob und inwieweit Carry-Vereinbarungen einer Mitbestimmung durch Betriebsrat oder anderen Gremien unterliegen, hängt davon ab, ob die berechtigten Personen als Arbeitnehmer des Fonds bzw. Managementunternehmens gelten oder als gesellschaftsrechtlich beteiligte Partner. Bei klassischen Partnern-Gesellschaften (GmbH & Co. KG, LLP etc.) sind die Carry-Zahlungen nicht Gegenstand betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte, da sie gesellschaftsrechtlich ausgestaltet sind. Bei angestellten Fondsmanagern mit Carry-Berechtigung kann aber sehr wohl die Frage einer kollektivrechtlichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) oder einer individualrechtlichen Zustimmungspflicht z.B. nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (betriebliche Vergütung) entstehen. Abhängig vom Vergütungsmodell und dessen Transparenz können arbeitsrechtliche Ansprüche (Gleichbehandlungsgrundsatz, Kontrolle von Bonusregelungen, Einbindung in Gesamtvergütungskonzepte) ausgelöst werden.
Gibt es besondere Offenlegungs- oder Berichtspflichten im Zusammenhang mit Carry?
Ja, rechtlich sind diverse Offenlegungspflichten zu beachten, die sich sowohl aus dem nationalen Recht (z.B. Handelsgesetzbuch, Kapitalanlagegesetzbuch), aber auch aus internationalen Standards (wie AIFMD) ableiten. Fondsmanager müssen im Rahmen der Jahresabschlüsse und Anlegerinformationen die Struktur, Berechnungsweise und Auszahlungsmechanik des Carried Interest erläutern. Für Investoren ist insbesondere die Transparenz betreffend Gebühren, Kosten sowie erfolgsabhängige Komponenten verpflichtend. Bei Publikumsfonds oder vertriebsoffenen Alternativen Investmentfonds sind weitergehende Informationspflichten nach dem VermAnlG bzw. den Vorgaben der BaFin sowie den Europäischen Offenlegungsverordnungen (SFDR) zu beachten. Die Nichteinhaltung dieser Offenlegungsvorschriften kann aufsichtsrechtliche Sanktionen, Anlegeransprüche oder auch haftungsrechtliche Konsequenzen für das Management nach sich ziehen.
Inwiefern beeinflussen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Besteuerung von Carry?
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bestimmen maßgeblich, welcher Staat bei grenzüberschreitenden Investments und Carry-Zahlungen das Besteuerungsrecht hat. Im internationalen Private-Equity-Geschäft ist häufig ein Bezug zu mehreren Staaten gegeben – etwa Sitz des Fonds, Management, Investoren und Carry-Empfänger. DBAs sehen in der Regel vor, dass Einkünfte, die als Unternehmensgewinne oder als dienstleistungsbezogene Einkünfte klassifiziert werden, im Ansässigkeitsstaat des Leistungserbringers (i.d.R. der Carry-Empfänger) besteuert werden, können aber abweichende Regelungen für die Besteuerung an der Quelle (Fondsstaat) enthalten. Je nach Ausgestaltung ist insbesondere zu prüfen, ob der Carry als Arbeitslohn, selbstständige Tätigkeit oder Beteiligungseinkommen eingestuft wird. Die praktische Umsetzung hängt von den genauen Vereinbarungen des jeweiligen DBA, der deutschen Abkommensrechtsprechung sowie etwaigen Zertifizierungs- oder Dokumentationsanforderungen ab. Unstimmigkeiten oder Falschklassifizierungen können zu Doppelbesteuerungsrisiken oder gar zur Versagung von Entlastungsansprüchen führen.