Legal Lexikon

Bundesprüfstelle


Bundesprüfstelle – Begriff, Rechtsgrundlagen und Aufgaben

Die Bundesprüfstelle nimmt in Deutschland im Zusammenhang mit dem Jugendmedienschutz und der öffentlichen Ordnung eine zentrale Stellung ein. Im rechtlichen Kontext wird der Begriff in erster Linie in Bezug auf die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) verwendet, deren Tätigkeit durch mehrere Gesetze und Verordnungen geregelt ist. Im Verlauf dieses Artikels werden sämtliche rechtliche Aspekte, Aufgaben, Verfahren und die Bedeutung der Bundesprüfstelle unter Einbeziehung aktueller Rechtslage umfassend dargestellt.


Rechtlicher Hintergrund und gesetzliche Grundlagen

Rechtsgrundlage der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien

Die gesetzliche Grundlage der Bundesprüfstelle bildet das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GJS/MMStV), das seit dem 1. April 2003 unter der Bezeichnung Jugendschutzgesetz (JuSchG) firmiert. Die Regelungen hinsichtlich Errichtung, Aufgabenbereich und Verfahren der Bundesprüfstelle finden sich insbesondere im §§ 18 bis 24 JuSchG.

Historische Entwicklung

Die Bundesprüfstelle wurde 1954 im Zuge der Nachkriegsregelungen zum Jugendschutz eingerichtet. Ziel war es zunächst, den Vertrieb schädlicher Schriften zu beschränken und damit Kinder und Jugendliche vor gewaltverherrlichenden, sexualisierten oder anderweitig entwicklungsgefährdenden Inhalten zu schützen. Mit der medialen Entwicklung wurde der Aufgabenbereich über Schriften hinaus auf audiovisuelle und elektronische Medien ausgedehnt.


Organisation und Struktur der Bundesprüfstelle

Organisatorischer Aufbau

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist eine selbstständige Bundesoberbehörde mit Sitz in Bonn. Sie untersteht unmittelbar dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die BPjM setzt sich in ihrer Organisation aus der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden, den ständigen und nichtständigen Beisitzenden sowie einer Geschäftsstelle zusammen.

Besetzung und Gremien

  • Die oder der Vorsitzende wird vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt.
  • Ständige Beisitzende werden auf Vorschlag der Länder bestellt.
  • Nichtständige Beisitzende werden von anerkannten freien Trägern der Jugendhilfe, den Kirchen, der Bundesärztekammer sowie weiteren gesellschaftlichen Gruppen vorgeschlagen.
  • Die Zusammensetzung ist pluralistisch ausgerichtet, um objektive und vielfältige Bewertungen sicherzustellen.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Hauptaufgabe: Indizierung jugendgefährdender Medien

Zentrale Aufgabe der Bundesprüfstelle ist die Prüfung und Indizierung von Medieninhalten, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen (§ 18 JuSchG). Ziel ist es, diese Medien vor der Verbreitung an Minderjährige besonders zu schützen.

Arten von Medien

Zur Bewertung durch die Bundesprüfstelle zählen:

  • Printmedien (Bücher, Zeitschriften, Comics)
  • Bild- und Tonträger (CDs, DVDs, Blu-rays)
  • Computer- und Videospiele
  • Internetinhalte (Webseiten, Streaming-Angebote)

Schutzgüter

Hauptsächlich werden Inhalte geprüft, die geeignet sind

  • zum Rassenhass anzuregen
  • Gewalt zu verherrlichen oder zu verharmlosen
  • Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden (z.B. durch Pornografie)
  • zu Straftaten anzuleiten

Verfahren der Indizierung

Antragsberechtigung

Ein Indizierungsverfahren kann von verschiedenen Seite angeregt werden, unter anderem von

  • Landesjugendbehörden
  • anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe
  • der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz
  • von einzelnen Bundesministerien

Prüfungsverfahren

Das Verfahren gliedert sich in mehrere Schritte:

  1. Einleitung des Prüfungsverfahrens – nach Antragstellung prüft die Bundesprüfstelle, ob ein Verfahren eröffnet wird.
  2. Anhörung der Beteiligten – insbesondere werden die Anbieter und ggf. Urheber des Mediums angehört.
  3. Entscheidung durch den Spruchausschuss – ein Gremium der BPjM entscheidet über die Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien.
  4. Begründung und Veröffentlichung – Die Entscheidung wird den Beteiligten zugestellt und in der Liste der jugendgefährdenden Medien veröffentlicht.

Rechtsfolgen einer Indizierung

Mit der Indizierung ergeben sich weitreichende Rechtsfolgen:

  • Öffentliches Bewerben, Ausstellen und Versand an Minderjährige ist untersagt
  • Verkaufsstellen unterliegen besonderen Sorgfaltspflichten
  • Indizierte Medien dürfen in den Medien nicht genannt und abgebildet werden (Vorzensur und Werbeverbot, sog. Bannmeile)

Weitere Aufgaben

Neben der Indizierung nimmt die Bundesprüfstelle auch die Bewertung von Werbe- und Informationsmaterialien, gibt Empfehlungen zur Auslegung des Jugendschutzgesetzes und ist beratend tätig.


Rechtsschutz und Kontrolle

Rechtsmittel

Gegen Entscheidungen der Bundesprüfstelle ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die betroffenen Anbieter oder Urheber können somit gegen Indizierungen Klage erheben.

Überprüfung und Listenführung

Die Indizierung wird im Regelfall nach 25 Jahren aufgehoben, es sei denn, eine Neubewertung ist angezeigt (§ 18 Abs. 7 JuSchG). Die Liste jugendgefährdender Medien wird kontinuierlich fortgeschrieben und steht ausschließlich entsprechenden Behörden und berechtigten Stellen zur Verfügung.


Verhältnis zu anderen Institutionen und rechtliche Einbindung

Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz

Die Bundesprüfstelle arbeitet mit weiteren Stellen wie der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz zusammen, welche ebenfalls Aufgaben hinsichtlich Prävention und Beratung im Jugendmedienschutz erfüllen.

Internationaler Kontext

Die Entscheidungen und Standards der Bundesprüfstelle können sich im Rahmen der europäischen und internationalen Jugendschutzsysteme bewegen und werden insbesondere beim grenzüberschreitenden Waren- und Medienverkehr berücksichtigt.


Kritik und Reformen

Die Arbeit der Bundesprüfstelle ist regelmäßig Gegenstand öffentlicher und fachlicher Debatten. Reformen betreffen insbesondere die Anpassung an die Herausforderungen der Digitalisierung, neue Medienformen und internationale Medienstrommärkte.


Zusammenfassung

Die Bundesprüfstelle erfüllt eine gesetzlich geregelte zentrale Schutzfunktion im Zusammenhang mit jugendgefährdenden Inhalten in Medien aller Art. Ihre Aufgaben, das Verfahren und die Rechtsfolgen einer Indizierung sind im Jugendschutzgesetz detailliert geregelt. Indizierungen sollen den Zugang zu entwicklungsbeeinträchtigenden und gefährdenden Inhalten für Minderjährige verhindern und sind mit weitreichenden Beschränkungen für Anbieter und den Handel solcher Inhalte verbunden. Rechtsmittel gegen Entscheidungen sichern die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze, während fortlaufende Weiterentwicklung und rechtliche Anpassung gewährleisten, dass die Bundesprüfstelle auch aktuellen medialen Entwicklungen Rechnung trägt.

Häufig gestellte Fragen

Wie läuft das Indizierungsverfahren der Bundesprüfstelle rechtlich ab?

Das Indizierungsverfahren durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ist in den §§ 18 ff. des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) geregelt. Das Verfahren wird entweder auf Antrag einer Behörde, eines übergeordneten Jugendverbandes oder von Amts wegen eingeleitet. Die BPjM prüft im Vorfeld, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Jugendgefährdung vorliegen. Vor einer möglichen Indizierung erhält der Hersteller oder Verlag des Mediums Gelegenheit zur Stellungnahme (Anhörungsverfahren, § 21 JuSchG). Die endgültige Entscheidung trifft in der Regel der 12-köpfige Spruchkörper der BPjM, wobei auch externe Experten, etwa aus Pädagogik oder Psychologie, hinzugezogen werden können. Die Entscheidung erfolgt schriftlich und ist zu begründen. Gegen die Indizierungsentscheidung können betroffene Unternehmen oder Personen binnen zwei Wochen Widerspruch einlegen und sodann gegebenenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Damit wird ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit und prozeduraler Fairness sichergestellt.

Unterliegt die Arbeit der Bundesprüfstelle gerichtlicher Kontrolle?

Ja, die Entscheidungen der BPjM unterliegen der vollen gerichtlichen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Betroffene können binnen eines Monats nach Zustellung der Indizierungsentscheidung gemäß § 68 ff. VwGO Widerspruch einlegen und nach erfolglosem Widerspruch Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Das Gericht prüft im Rahmen der Anfechtungsklage sowohl die Einhaltung formeller Vorschriften als auch die materiell-rechtliche Beurteilung der Jugendgefährdung. Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts, hat die Anforderungen an die Begründung und Beweiswürdigung der BPjM mehrfach präzisiert. Auch die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs sowie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips werden regelmäßig gerichtlich überprüft.

Welche Rechtsfolgen hat die Indizierung für Inhalte und Anbieter?

Nach erfolgter Indizierung gelten für das betroffene Medium weitreichende Werbe- und Vertriebsbeschränkungen (§ 15 JuSchG). Indizierte Medien dürfen Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden. Insbesondere ist Verkaufs- und Versandhandel nur an Erwachsene zulässig, auch Werbung, öffentliche Auslage oder Präsentation sind untersagt. Für Telemedien (insbesondere Websites, soziale Netzwerke etc.) gelten nach § 24 JuSchG besondere Pflichten bezüglich technischer Altersverifikation und Zugangsbeschränkung. Verstöße hiergegen werden als Ordnungswidrigkeit nach § 28 JuSchG geahndet und können empfindliche Bußgelder zur Folge haben. Die Indizierung wird in öffentlich einsehbare Listen eingetragen, was insbesondere für Anbieter eine erhebliche faktische Wirkung bezüglich Marktpräsenz und möglichen Kooperationspartnern haben kann.

Ist eine nachträgliche Streichung von der Liste möglich und wie ist dieser Prozess gestaltet?

Eine nachträgliche Streichung („Listenstreichung“) kann einerseits automatisch nach Ablauf der 25-jährigen Frist erfolgen, andererseits kann bereits vorher ein Antrag auf Streichung oder Änderung gem. § 18 Abs. 8 JuSchG gestellt werden, etwa wenn das Medium inhaltlich verändert wurde oder die ursprünglichen Indizierungsgründe entfallen sind. Nach Antragstellung prüft die BPjM erneut die rechtlichen Voraussetzungen und nimmt eine Bewertung unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Wertvorstellungen vor. Die betroffenen Parteien sind entsprechend zu beteiligen. Gegen eine abgelehnte Listenstreichung steht erneut der Verwaltungsrechtsweg offen.

Welche rechtlichen Maßstäbe legt die Bundesprüfstelle bei der Beurteilung jugendgefährdender Inhalte an?

Die rechtlichen Maßstäbe ergeben sich aus § 18 Abs. 1 und 2 JuSchG. Medien gelten als jugendgefährdend, wenn sie geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Besonders relevant sind dabei die Schutzbereiche „Gewaltverherrlichung,“ „verrohend wirkende Darstellungen,“ „unsittliche Inhalte,“ „Verherrlichung von Drogenmissbrauch“ oder „diskriminierende bzw. volksverhetzende Inhalte.“ Die BPjM ist dabei grundsätzlich an die Grundrechte, insbesondere Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit, gebunden, muss aber im Einzelfall eine sorgfältige Abwägung zwischen Jugendschutz und den betroffenen Grundrechten vornehmen (Verhältnismäßigkeitsprüfung).

Welche Rolle spielt das Interesse der Öffentlichkeit und Dritter im Indizierungsverfahren?

Im Rahmen des rechtlichen Verfahrens werden nicht nur die Interessen der Anbieter, sondern auch etwaige Einwände von Verbänden, Elterninitiativen oder anderen gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt. Durch ihre Zusammensetzung aus Vertretern von Bund und Ländern sowie externen Sachverständigen trägt die BPjM dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Jugendmedienschutz Rechnung. Öffentlichkeit im engeren Sinne ist im Verfahren jedoch nicht vorgesehen; alle Beratungen sowie die Entscheidungsfindung erfolgen nicht öffentlich, um Anreize zur weiteren Verbreitung des indizierten Inhalts („Streisand-Effekt“) zu minimieren.

Gibt es Besonderheiten beim Indizierungsverfahren für Telemedien und digitale Inhalte?

Für Telemedien gelten zusätzliche Besonderheiten: Vor allem die Altersverifikationspflichten sind hier besonders streng ausgestaltet, wie aus § 24 JuSchG hervorgeht. Die BPjM arbeitet bei der Beurteilung eng mit Landesmedienanstalten zusammen, die teilweise auch primär zuständig sein können, wenn es um die Einhaltung technischer Schutzmaßnahmen geht. Erschwert wird die Rechtsdurchsetzung oft durch die Internationalität digitaler Inhalte, weshalb internationale Kooperationen (u.a. INHOPE) und die Möglichkeit zur Netzsperre (§ 24 Abs. 5 JuSchG) eine zunehmende Rolle spielen. Im Ergebnis stehen aber die gleichen jugendschutzrechtlichen Ziele wie bei traditionellen Medien im Vordergrund.

Wie unterscheidet sich das Verfahren der Bundesprüfstelle von allgemein-strafrechtlichen Beschlagnahmungen?

Das Indizierungsverfahren ist ein verwaltungsrechtliches Verfahren und hat präventiv-jugendschützende Zielsetzung. Strafrechtliche Beschlagnahmungsverfahren richten sich direkt gegen strafbare Inhalte und werden von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten durchgeführt. Während indizierte Medien weiterhin von Erwachsenen bezogen werden dürfen, sind beschlagnahmte Medien generell aus dem Verkehr zu ziehen. Beide Verfahren können sich überschneiden, führen aber zu unterschiedlichen Rechtsfolgen und werden auf eigenständiger rechtlicher Basis durchgeführt.