Begriff und Stellung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof ist das höchste Gericht der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Er entscheidet in Zivil- und Strafsachen als letzte Instanz über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und sorgt für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Bundesrechts. Sitz des Gerichts ist Karlsruhe; in Strafsachen tagt ein Teil der Senate in Leipzig. Der Bundesgerichtshof wurde 1950 eingerichtet und steht an der Spitze einer Gerichtshierarchie, die in den Ländern bei Amts- und Landgerichten beginnt und über Oberlandesgerichte zum Bundesgerichtshof führt.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Ordentliche Gerichtsbarkeit und Abgrenzung
Der Bundesgerichtshof ist ausschließlich für Zivil- und Strafsachen zuständig. Andere Materien wie Verwaltung, Arbeit, Finanzen und Soziales fallen in die Zuständigkeit jeweils eigener oberster Bundesgerichte. Verfassungsrechtliche Fragen werden nicht vom Bundesgerichtshof, sondern vom Bundesverfassungsgericht entschieden.
Arten von Verfahren vor dem Bundesgerichtshof
Regelmäßig befasst sich der Bundesgerichtshof mit Rechtsmitteln, insbesondere mit der Revision und der Rechtsbeschwerde. In diesen Verfahren überprüft das Gericht die Anwendung des Rechts durch die Vorinstanz; neue Tatsachen und Beweise werden grundsätzlich nicht erhoben. In bestimmten, gesetzlich definierten Fallgruppen kann der Bundesgerichtshof zudem über berufsrechtliche und notarspezifische Angelegenheiten entscheiden.
Wirkungen der Entscheidungen
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs schaffen Rechtsklarheit und wirken über den Einzelfall hinaus. Untere Gerichte orientieren sich daran, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Je nach Verfahren kann der Bundesgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufheben, ändern oder die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen.
Organisation und Aufbau
Senate und Besetzung
Der Bundesgerichtshof gliedert sich in Zivil- und Strafsenate. Jeder Senat ist mit einer oder einem Vorsitzenden und weiteren Richterinnen und Richtern besetzt, in der Regel entscheiden fünf Personen. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung gibt es für Zivil- und Strafsachen jeweils einen Großen Senat; für bereichsübergreifende Fragen können Vereinigte Große Senate zusammentreten.
Sitze in Karlsruhe und Leipzig
Der Bundesgerichtshof hat seinen Hauptsitz in Karlsruhe. Mehrere Strafsenate sind in Leipzig ansässig. Die Verteilung der Geschäfte auf die Senate wird regelmäßig überprüft und festgelegt, um eine ausgewogene Arbeitslast und Spezialisierung innerhalb der Senate zu erreichen.
Präsidium, Geschäftsverteilung und Verwaltung
Das Gericht wird von der Präsidentin oder dem Präsidenten geleitet. Das Präsidium beschließt jeweils für ein Geschäftsjahr den Geschäftsverteilungsplan, der festlegt, welcher Senat für welche Rechtsgebiete und Fallgruppen zuständig ist. Unterstützt wird die Rechtsprechung durch Geschäftsstellen, wissenschaftliche Dienste und Dokumentationseinheiten.
Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof
In Strafsachen tritt die Bundesanwaltschaft auf, geleitet von der Generalbundesanwältin oder dem Generalbundesanwalt. Sie vertritt die Anklage in Revisionsverfahren vor den Strafsenaten und nimmt Stellung zu Rechtsfragen, die für die Entscheidung maßgeblich sind.
Zugang zum Bundesgerichtshof
Vertretung in Zivil- und Strafsachen
In Zivilsachen besteht vor dem Bundesgerichtshof Anwaltszwang; die Vertretung ist an eine besondere Zulassung gebunden. In Strafsachen gilt eine solche Exklusivität nicht; es gelten die allgemeinen Regeln zur Verteidigung.
Zulassung von Rechtsmitteln
Der Zugang zum Bundesgerichtshof ist regelmäßig von der Zulassung eines Rechtsmittels abhängig. Maßgeblich sind unter anderem die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage, die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung oder bestimmte Verfahrenskonstellationen. Dadurch konzentriert sich die Tätigkeit des Gerichts auf Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung.
Ablauf und Entscheidungstypen
Verfahren vor dem Bundesgerichtshof werden überwiegend schriftlich geführt; in geeigneten Fällen findet eine mündliche Verhandlung statt. Der Bundesgerichtshof entscheidet durch Urteile oder Beschlüsse. Häufig werden Leitsätze veröffentlicht, die die Kernaussagen der Entscheidung verdichtet wiedergeben.
Verhältnis zu anderen Gerichten
Bundesverfassungsgericht
Der Bundesgerichtshof prüft die richtige Anwendung einfachen Rechts, während das Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit von Recht mit der Verfassung wacht. Kommen verfassungsrechtliche Zweifel auf, kann der Bundesgerichtshof ein Verfahren aussetzen und eine verfassungsrechtliche Klärung anregen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden alle staatlichen Stellen.
Europäische Gerichte
Bei Fragen zur Auslegung des Unionsrechts kann der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen. Außerdem berücksichtigt er die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wenn es um konventionsrechtliche Maßstäbe geht.
Geschichte und Entwicklung
Der Bundesgerichtshof nahm 1950 seine Arbeit auf. Sein Auftrag, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern, prägt seitdem die Entwicklung vieler Rechtsgebiete. Organisatorische Anpassungen, die Einrichtung von Senaten in Leipzig sowie die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitsabläufe kennzeichnen die institutionelle Weiterentwicklung.
Bedeutung für Rechtsanwendung und Rechtseinheit
Als höchstes Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit gewährleistet der Bundesgerichtshof die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung in Deutschland. Seine Entscheidungen strukturieren Rechtsgebiete, setzen Maßstäbe für die Praxis und tragen dazu bei, Wertungswidersprüche zu vermeiden.
Häufig gestellte Fragen zum Bundesgerichtshof
Was ist der Bundesgerichtshof und welche Stellung hat er?
Der Bundesgerichtshof ist das höchste Gericht für Zivil- und Strafsachen in Deutschland. Er steht an der Spitze der ordentlichen Gerichtsbarkeit und entscheidet als letzte Instanz über Rechtsfragen, um die einheitliche Anwendung des Bundesrechts zu sichern.
Wofür ist der Bundesgerichtshof zuständig?
Er entscheidet in Zivil- und Strafsachen, vor allem über Revisionen und Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte und Landgerichte. Andere Rechtsgebiete haben jeweils eigene oberste Bundesgerichte, verfassungsrechtliche Fragen fallen in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts.
Was bedeutet Revision vor dem Bundesgerichtshof?
Die Revision ist ein Rechtsmittel, mit dem die richtige Anwendung des Rechts durch die Vorinstanz überprüft wird. Der Sachverhalt wird grundsätzlich nicht neu festgestellt; es geht um Rechtsfehler, die das Ergebnis beeinflusst haben können.
Sind Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bindend?
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs binden die Beteiligten im konkreten Verfahren. Für andere Gerichte besteht keine formale Bindung, sie orientieren sich jedoch regelmäßig an der Rechtsprechung, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen.
Wie ist der Bundesgerichtshof organisiert?
Er ist in Zivil- und Strafsenate gegliedert, die jeweils mit mehreren Richterinnen und Richtern besetzt sind. Zur Sicherung der Einheitlichkeit gibt es Große Senate, zudem regelt ein Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeiten.
Welche Rolle hat die Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof?
In Strafsachen tritt die Bundesanwaltschaft auf und nimmt die Aufgaben der Strafverfolgung in Revisionsverfahren wahr. Sie beantragt Entscheidungen und gibt Stellungnahmen zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen ab.
Worin unterscheidet sich der Bundesgerichtshof vom Bundesverfassungsgericht?
Der Bundesgerichtshof prüft die Anwendung einfachen Rechts in Zivil- und Strafsachen, während das Bundesverfassungsgericht über die Einhaltung der Verfassung wacht. Beide Gerichte haben unterschiedliche Aufgaben und ergänzen sich im Rechtsschutzsystem.