Begriffserklärung und Allgemeines
Das Bundesarchivgesetz (BArchG) ist die zentrale gesetzliche Grundlage für die Archivierung, Nutzung und den Schutz von Unterlagen des Bundes in Deutschland. Es regelt die Aufgaben des Bundesarchivs sowie das Verfahren zur Archivierung und Zugänglichmachung von amtlichen Unterlagen, die bei öffentlichen Stellen des Bundes entstanden sind. Darüber hinaus definiert das Gesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sicherung, Erhaltung, Zugänglichkeit und Nutzung von Archivgut des deutschen Bundes.
Das Bundesarchivgesetz trat erstmals 1988 in Kraft und wurde seither mehrfach überarbeitet, um den Erfordernissen des Datenschutzes, der Digitalisierung sowie der Informationsfreiheit Rechnung zu tragen. Die aktuell maßgebliche Fassung ist das Bundesarchivgesetz vom 6. Januar 1988 (BGBl. I S. 62), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436).
Geltungsbereich und Geltungsebene
Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Das Bundesarchivgesetz gilt für Unterlagen, welche bei öffentlichen Stellen des Bundes entstehen oder entstanden sind. Hierzu zählen insbesondere Behörden, Gerichte und sonstige Einrichtungen des Bundes sowie Organen der Gesetzgebung und der Bundesgerichtsbarkeit. Grundsätzlich nicht umfasst sind Archive der Länder oder Kommunen, für die eigene Archivgesetze gelten.
Des Weiteren erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auch auf privatrechtlich organisierte Unternehmen des Bundes, sofern diese unmittelbar öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Normenhierarchie und Verhältnis zu anderen Gesetzen
Das Bundesarchivgesetz steht in der Normenhierarchie auf Bundesebene und ist insoweit lex specialis gegenüber allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen wie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Es findet auch in Bezug auf Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Anwendung, wobei die jeweiligen Vorschriften miteinander verzahnt sind.
Ziele und Aufgaben des Bundesarchivgesetzes
Die wesentlichen Ziele des Bundesarchivgesetzes sind:
- Bewahrung des Archivguts als Teil des nationalen Kulturerbes
- Förderung und Sicherstellung der öffentlichen und wissenschaftlichen Nutzung von Archivgut
- Regelung der Übernahme und Bewertung von Unterlagen öffentlicher Stellen
- Datenschutz und Schutz von Persönlichkeitsrechten
- Erhaltung, Sicherung und Restaurierung von Archivmaterial
Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Bundesarchiv, welches als Bundesbehörde für die Aufbewahrung und Bereitstellung des Archivgutes verantwortlich zeichnet.
Archivierungsverfahren nach dem Bundesarchivgesetz
Übernahme („Anbietungspflicht“)
Öffentliche Stellen des Bundes sind nach § 5 BArchG verpflichtet, nicht mehr benötigte Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten, bevor sie vernichtet werden können. Diese Anbietungspflicht erstreckt sich auch auf digitale Unterlagen.
Bewertung und Auswahl
Das Bundesarchiv trifft gemäß § 6 BArchG die Entscheidung darüber, welche Unterlagen dauerhaft archivwürdig sind. Die Bewertung erfolgt nach den Kriterien der rechtlichen, historischen und wissenschaftlichen Bedeutung. Nicht archivwürdige Unterlagen können nach Freigabe vernichtet werden.
Übernahme, Erhaltung und Sicherung
Sobald das Bundesarchiv Unterlagen als archivwürdig anerkannt hat, übernimmt es diese und sorgt für deren dauerhafte Erhaltung und Sicherung. Dies schließt Maßnahmen der Konservierung, Restaurierung und Digitalisierung ein.
Nutzung und Zugänglichkeit von Archivgut
Grundsätze der Benutzung
Archivgut des Bundesarchivs ist grundsätzlich nach Ablauf von Sperrfristen öffentlich nutzbar (§ 10 BArchG). Die Nutzung erstreckt sich auf wissenschaftliche, heimatkundliche, genealogische und andere nicht-kommerzielle Zwecke. Für kommerzielle Nutzungen gelten unter Umständen gesonderte Regelungen.
Schutzfristen
Das Gesetz sieht regelmäßige Schutzfristen vor, innerhalb derer das Archivgut zwar erhalten, jedoch nicht zur öffentlichen Nutzung freigegeben wird. Die Schutzfristen betragen grundsätzlich 30 Jahre. Bei personenbezogenen Unterlagen verlängert sich die Schutzfrist auf 10 Jahre nach Tod oder 100 Jahre nach Geburt der betroffenen Person (§ 11 BArchG). Unter bestimmten Voraussetzungen können Schutzfristen im Einzelfall verkürzt oder verlängert werden.
Einschränkungen aus Datenschutz- und Persönlichkeitsrechten
Der Zugang zu Archivalien kann begrenzt werden, sofern der Schutz personenbezogener Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen dies erfordert.
Informationsfreiheit
Das Bundesarchivgesetz steht im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Die Akteneinsicht oder Nutzung von Archivgut kann auch nach Maßgabe des IFG erfolgen, jedoch haben Regelungen des BArchG Vorrang, sofern sie spezialgesetzliche Schutzinteressen normieren.
Datenschutz und Geheimhaltung
Das Bundesarchivgesetz enthält umfassende Regelungen zum Schutz sensibler Daten, insbesondere personenbezogener Informationen, Staatsgeheimnissen und weiterer vertraulicher Unterlagen. Bei Interessenkollisionen, etwa zwischen Forschungsfreiheit und Datenschutz, findet eine Einzelfallabwägung statt. Das Gesetz normiert hierzu Verfahrensvorschriften, nach denen z. B. Archivalien nur unter Auflagen benutzt oder personenbezogene Daten geschwärzt werden dürfen.
Digitale Archivierung
Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Verwaltungsabläufen hat das Bundesarchivgesetz besondere Vorschriften zur digitalen Archivierung eingeführt. § 2 und § 10a BArchG sehen explizit die Sicherung und Bereitstellung digitaler Unterlagen sowie deren langfristige Lesbarkeit durch geeignete Maßnahmen der Migration, Konvertierung und Emulation vor.
Rechtsschutz und Rechtsmittel
Rechtsbehelfe gegen Ablehnungen von Nutzungsanträgen oder gegen Entscheidungen des Bundesarchivs richten sich nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Internationale Bezüge und Kooperationen
Das Bundesarchivgesetz sieht die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Archiven anderer Staaten sowie mit internationalen Organisationen vor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Übernahme, Erhaltung und Nutzung von Archivgut mit Auslandsbezug.
Ordnungswidrigkeiten und Sanktionen
Verstöße gegen Vorschriften des Bundesarchivgesetzes, etwa das Nichtanbieten archivwürdiger Unterlagen oder die unerlaubte Vernichtung von Archivgut, können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden (§ 13 BArchG). Zuständige Behörde ist in der Regel das Bundesarchiv.
Bedeutung und aktuelle Entwicklung
Das Bundesarchivgesetz bildet das rechtliche Fundament für die Sicherung des historischen Gedächtnisses der Bundesrepublik Deutschland. Es trägt sowohl zur Transparenz staatlichen Handelns als auch zum Schutz sensibler Informationen bei und ist von erheblicher Bedeutung für Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Jüngere Gesetzesnovellen betonen zudem die Rolle der digitalen Transformation, den Ausbau von E-Government und die Vereinbarkeit mit Datenschutz und Informationsfreiheit.
Siehe auch:
- Bundesarchiv
- Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
- Archivrecht (Deutschland)
Quellenhinweis:
Gesetzestext Bundesarchivgesetz (BArchG) in der geltenden Fassung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Verpflichtungen ergeben sich für Behörden nach dem Bundesarchivgesetz hinsichtlich der Abgabe von Unterlagen?
Das Bundesarchivgesetz (BArchG) verpflichtet Bundesregierung, Behörden des Bundes und andere öffentliche Stellen des Bundes dazu, ihre bei der Dienstgeschäften angefallenen Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten, sofern diese Unterlagen von bleibendem Wert sind (§ 3 Abs. 1 BArchG). Die Behörde ist dabei gesetzlich gehalten, regelmäßig zu überprüfen, welche Unterlagen nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden, und diese dann dem Bundesarchiv zur Übernahme und Bewertung anzubieten. Die Entscheidung über die Archivwürdigkeit und damit Übernahme trifft grundsätzlich das Bundesarchiv. Die abgebenden Stellen dürfen Unterlagen grundsätzlich erst nach Zustimmung des Bundesarchivs vernichten oder löschen (§ 5 BArchG). Zudem besteht die Verpflichtung, die Übernahmemodalitäten in einem förmlichen Verfahren (Abgabeprotokoll, Übernahmevertrag) zu dokumentieren. Bei digitalen Unterlagen ist zudem sicherzustellen, dass Formate und Metadaten den archivischen Anforderungen entsprechen. Die Behörden haben auch angemessene Vorkehrungen zu treffen, dass schutzwürdige Belange – wie Geheimhaltungsinteressen oder Persönlichkeitsrechte – weiterhin berücksichtigt werden, auch nach der Abgabe ans Archiv.
Welche Datenschutzregelungen und Schutzfristen sind beim Zugang zu Archivgut nach dem Bundesarchivgesetz zu beachten?
Das Bundesarchivgesetz enthält detaillierte Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten im Archivgut. Nach § 11 BArchG gilt grundsätzlich eine Schutzfrist von 30 Jahren ab Entstehung der Unterlagen, in denen personenbezogene Daten enthalten sind. Für Unterlagen mit besonders schutzbedürftigen personenbezogenen Daten, etwa zu Gesundheit oder strafrechtlichen Ermittlungen, beträgt die Schutzfrist in der Regel 60 Jahre, bezogen auf das Todesjahr der betroffenen Person. Wenn das Todesjahr unbekannt ist, kann geschätzt oder die Frist ab Entstehung der Unterlagen berechnet werden. Während der Schutzfristen kann eine Einsichtnahme nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder nach besonderen gesetzlichen Ausnahmen gestattet werden, etwa für wissenschaftliche Forschung, sofern der Schutz der Interessen der Betroffenen gewahrt bleibt (§ 11 Abs. 2, 3 BArchG). Das Archiv ist verpflichtet, die Einhaltung des Datenschutzes sicherzustellen und bei Auskunftsersuchen eine Interessenabwägung vorzunehmen. Nach Ablauf der Schutzfristen wird das Archivgut grundsätzlich frei recherchierbar und benutzbar.
Wie ist das Verhältnis des Bundesarchivgesetzes zu anderen Gesetzen, insbesondere zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)?
Das Bundesarchivgesetz ist als spezialgesetzliche Regelung hinsichtlich der Archivierung, Nutzung und Herausgabe von Unterlagen des Bundes anzuwenden und geht in seinem Geltungsbereich allgemeinen Gesetzen wie dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) oder dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor (§ 1 Abs. 4 BArchG). Dies bedeutet, dass die Anforderungen, Schutzfristen und Einschränkungen des Bundesarchivgesetzes im Kontext archivischer Nutzung Vorrang genießen. Auch der Zugang zu Information nach dem IFG richtet sich bei archivwürdigen und archivierten Unterlagen nach den Vorschriften des BArchG. Für nicht archivwürdige und noch nicht archivierte Unterlagen bleibt das IFG bzw. das BDSG allerdings weiter anwendbar. Eine parallele Anwendung erfolgt, wenn z. B. Daten vielmehr den Charakter von Verwaltungsakten behalten oder auf Datenträgern mit unterschiedlichen Archivierungsstufen gelagert werden. Auch Spezialgesetze, wie das Gesetz über die Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes, können daneben Anwendung finden.
Welche Bedeutung kommt dem Begriff der Archivwürdigkeit im Bundesarchivgesetz zu und wie wird diese festgestellt?
Archivwürdigkeit ist der zentrale Maßstab für die Übernahme von Unterlagen durch das Bundesarchiv gemäß § 3 Abs. 1 BArchG. Sie beschreibt den bleibenden Wert von Unterlagen für Forschung, Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung oder das Verständnis historischer Entwicklungen. Die Bewertung erfolgt nach fachlichen Kriterien, die regelmäßig in Bewertungsmodellen oder Bewertungsrichtlinien festgelegt sind. Dazu zählen etwa die Einzigartigkeit der Überlieferung, Aussagekraft, rechtliche oder gesellschaftliche Relevanz sowie Zeugniswert für historische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen. Die Entscheidung über die Archivwürdigkeit wird vom Bundesarchiv als Fachbehörde getroffen, häufig in Abstimmung mit den abgebenden Stellen. Die Archivwürdigkeit ist ein Rechtsbegriff, der gerichtlicher Überprüfung zugänglich sein kann. Die Feststellung erfolgt in einem formalen Verfahren, dokumentiert durch Bewertungsprotokolle. Nicht archivwürdige Unterlagen sind nach Zustimmung des Bundesarchivs zu vernichten oder zu löschen.
Unter welchen Voraussetzungen ist die Nutzung von Bundesarchivgut gesetzlich geregelt und wie erfolgt die Benutzungsbewilligung?
Die Nutzung von Archivgut des Bundesarchivs ist im BArchG und der Benutzungsordnung geregelt. § 10 BArchG normiert, dass Archivgut grundsätzlich jeder Person für Forschung, Bildung und andere Zwecke offensteht, sofern keine Schutzfristen oder sonstige Rechtsvorschriften entgegenstehen. Die Benutzung bedarf regelmäßig eines schriftlichen Antrags mit Angaben zu Zweck und Art der Nutzung. Die Erlaubnis ist zu versagen oder einzuschränken, wenn z. B. Gründe des Datenschutzes, Geheimhaltung, Urheberrecht, Schutz von wichtigen öffentlichen Interessen oder konservatorische Belange dies erfordern. Das Bundesarchiv kann Auflagen und Bedingungen im Rahmen der Benutzungsbewilligung festlegen, etwa hinsichtlich der Verwendung von Reproduktionen oder der Namensnennung bei Veröffentlichungen (§ 10 Abs. 2). Für wissenschaftliche Nutzung nach Ablauf der Schutzfristen wird die Benutzung typischerweise ohne nennenswerte Einschränkungen gewährt.
Welche Haftungsregelungen gelten bezüglich Verlust oder Beschädigung von Archivgut nach dem Bundesarchivgesetz?
Das Bundesarchivgesetz legt keine spezifischen Haftungsregelungen fest, sondern verweist auf die allgemeinen zivilrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Haftungsgrundsätze. Wer Archivgut schuldhaft beschädigt, zerstört oder entwendet, macht sich gegenüber dem Bund schadenersatzpflichtig (§ 823 BGB) und begeht unter Umständen eine Straftat nach den einschlägigen Vorschriften, etwa wegen Sachbeschädigung oder Diebstahl. Für Mitarbeiter des Bundesarchivs gelten beamten- und haftungsrechtliche Vorschriften. Im Rahmen der Benutzung haften Benutzer für Schäden, die dem Archivgut durch unsachgemäßen Umgang entstehen, und können vom Benutzungsverhältnis ausgeschlossen werden; dies ist regelmäßig durch entsprechende Benutzungsordnungen konkretisiert. Die Versicherungsbedingungen und genaue Umgangsregelungen werden vor der Nutzung mitgeteilt und müssen schriftlich akzeptiert werden.