Legal Lexikon

BORA

Begriff und rechtliche Einordnung der BORA

Die Abkürzung BORA steht für Berufsordnung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Dabei handelt es sich um ein bundeseinheitliches Regelwerk, das die berufliche Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Deutschland inhaltlich ausgestaltet. Die BORA konkretisiert gesetzliche Vorgaben und legt verbindlich fest, wie der Beruf ausgeübt werden soll, um Unabhängigkeit, Fairness, Verlässlichkeit und Mandantenschutz sicherzustellen. Sie ist kein staatliches Gesetz, sondern autonomes Satzungsrecht der Anwaltschaft, entfaltet jedoch für die Berufsangehörigen eine verbindliche Wirkung.

Geltungsbereich und Abgrenzung

Wen die BORA bindet

Adressaten sind grundsätzlich alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Sie gilt zudem für Berufsausübungsgesellschaften, in denen solche Personen tätig sind, sowie sinngemäß für angestellte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Unternehmen (Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte), soweit deren besondere Stellung dem nicht entgegensteht.

Räumlicher Anwendungsbereich

Die BORA entfaltet ihre Wirkung im Inland. Bei grenzüberschreitender Tätigkeit können zusätzlich ausländische Berufs- und Verhaltensregeln sowie internationale Standesrichtlinien zu beachten sein. In solchen Konstellationen kommt es auf ein abgestimmtes Zusammenspiel der einschlägigen Regelwerke an.

Abgrenzung zu anderen Regelwerken

Die BORA steht neben gesetzlichen Grundlagen des Anwaltsberufs und ergänzt sie. Weitere einschlägige Bereiche sind unter anderem Vergütungsrecht, Datenschutz, Marktkommunikation, Geldwäscheprävention, Berufs- und Gesellschaftsrecht. Wo gesetzliche Vorgaben bestehen, werden diese durch die BORA nicht ersetzt, sondern konkretisiert.

Zentrale Inhalte der BORA

Unabhängigkeit und freie Mandatsausübung

Die BORA verlangt eine eigenverantwortliche und unabhängige Berufsausübung. Entscheidungen im Mandat dürfen nicht durch sachfremde Einflüsse Dritter gesteuert werden. Dies dient dem Vertrauensschutz der Mandantschaft und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

Verschwiegenheit und Umgang mit Informationen

Die Verschwiegenheit über alle anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen Informationen zählt zu den Kernelementen. Die Pflicht umfasst interne Abläufe, die Einbindung von Personal sowie den Einsatz externer Dienstleister. Auch bei digitaler Kommunikation, cloudbasierten Anwendungen und mobiler Arbeit sind angemessene organisatorische und technische Vorkehrungen zu treffen, um Vertraulichkeit zu sichern.

Interessenkollision

Die BORA untersagt die Tätigkeit, wenn widerstreitende Interessen betroffen sind. Das gilt insbesondere bei gleichzeitiger oder aufeinanderfolgender Vertretung mehrerer Beteiligter in derselben Angelegenheit oder in inhaltlich verbundenen Vorgängen. Interne Prüfmechanismen zur Konflikterkennung sowie transparente Mandatsklarheit sind hierfür wesentlich.

Mandatsannahme, -durchführung und -beendigung

Die BORA legt Wert auf klare Absprachen über den Umfang des Auftrags, sorgfältige Information der Mandantschaft und eine strukturierte Bearbeitung. Bei Beendigung des Mandats sind die berechtigten Interessen der Mandantschaft zu wahren, etwa im Umgang mit Unterlagen und Informationen. Aufbewahrung, Herausgabe und Dokumentation richten sich nach den einschlägigen berufsrechtlichen Grundsätzen.

Werbung, Information und Außenauftritt

Berufliche Kommunikation ist zulässig, muss jedoch sachlich, wahr und nicht irreführend sein. Unzumutbare Belästigungen sind zu vermeiden. Vorgaben betreffen insbesondere Internetauftritte, soziale Medien, Informationsmaterialien, Kanzleibezeichnungen sowie die Darstellung von Kooperationen oder Qualifikationen.

Zusammenarbeit und Organisationsformen

Die BORA regelt die berufliche Zusammenarbeit, etwa in Sozietäten, Partnerschaften oder anderen Gesellschaftsformen. Zulässig sind auch interprofessionelle Kooperationen mit Angehörigen anderer Berufe, sofern Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Konfliktfreiheit gewahrt bleiben. Für Zweigstellen, Vertretungen, Nutzung gemeinsamer Infrastruktur und die Führung von Namen bestehen Anforderungen an Transparenz und Klarheit.

Umgang mit Fremdgeldern

Wer treuhänderisch Gelder der Mandantschaft entgegennimmt, unterliegt besonderen Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten. Hierzu zählen getrennte Verwahrung, Dokumentation der Zahlungsflüsse und jederzeitige Auskunfts- und Herausgabefähigkeit. Ziel ist der Schutz der Vermögensinteressen der Mandantschaft.

Vertretung und Unterbevollmächtigung

Die Weitergabe von Aufgaben an Vertreterinnen und Vertreter oder Unterbevollmächtigte ist mit Verantwortung für Auswahl, Anleitung und Kontrolle verbunden. Die Mandatsbearbeitung muss auch in Vertretung den berufsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

Rechtsnatur, Rang und Zusammenspiel mit staatlichem Recht

Satzungsrecht mit Bindungswirkung

Die BORA ist autonomes Satzungsrecht der Anwaltschaft. Sie entfaltet für Berufsangehörige verbindliche Wirkung und konkretisiert gesetzliche Leitplanken. Ihre Regeln sind Ausdruck anerkannter beruflicher Standards.

Vorrangordnung und Konfliktlösung

In der Normenhierarchie dürfen berufsrechtliche Vorgaben staatliche Gesetze nicht unterlaufen. Bei Spannungen gilt: Höherrangige gesetzliche Regelungen gehen vor; die BORA ist so auszulegen, dass sie den gesetzlichen Rahmen sinnvoll ausfüllt.

Entstehung, Änderung und Bekanntmachung

Normsetzungsverfahren der Anwaltschaft

Die BORA wird auf Bundesebene durch die Satzungsversammlung der anwaltlichen Selbstverwaltung beschlossen und fortentwickelt. Dieses Gremium setzt die inhaltlichen Maßstäbe für die Berufsausübung, reagiert auf Entwicklungen in Recht, Markt und Technik und passt die Regeln an.

Veröffentlichung und Geltung

Beschlossene Änderungen werden offiziell bekannt gemacht und treten zu festgelegten Zeitpunkten in Kraft. So ist für Berufsangehörige nachvollziehbar, welche Fassung gilt.

Durchsetzung und Folgen von Verstößen

Berufsrechtliche Aufsicht

Die Beachtung der BORA unterliegt einer berufsrechtlichen Aufsicht. Bei Zweifeln oder Beanstandungen kommen Prüfungen und berufsrechtliche Verfahren in Betracht, um die Einhaltung sicherzustellen.

Maßnahmen bei Pflichtverstößen

Bei Verstößen reichen die möglichen Folgen von belehrenden Maßnahmen und Rügen über Geldsanktionen bis hin zu strengen berufsrechtlichen Konsequenzen in gravierenden Fällen. Ziel ist keine Bestrafung um ihrer selbst willen, sondern der Schutz der Mandantschaft und die Sicherung eines ordnungsgemäßen Berufsbildes.

Auswirkungen außerhalb des Berufsrechts

Die Nichtbeachtung berufsrechtlicher Pflichten kann auch zivilrechtliche Haftungsfragen sowie Konstellationen in Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht berühren. Zudem können berufsrechtliche Verstöße die Verwertbarkeit von Informationen oder die Beweisführung in Verfahren beeinflussen.

BORA im digitalen und internationalen Kontext

Digitale Kommunikation und technische Entwicklungen

Elektronische Kommunikation, Plattformarbeit, cloudbasierte Anwendungen und der Einsatz von KI-Tools müssen mit Verschwiegenheit, Datensicherheit und Transparenz vereinbar sein. Die BORA verlangt, technologische Werkzeuge so zu nutzen, dass die Grundpflichten gewahrt bleiben.

Grenzüberschreitende Tätigkeit

Bei internationaler Tätigkeit können neben der BORA europäische und ausländische Standesregeln Anwendung finden. Berührungspunkte bestehen insbesondere hinsichtlich Konflikten, Werbung, Zusammenarbeit und Verschwiegenheit. Maßgeblich ist eine konsistente Anwendung aller einschlägigen Regeln.

Sonderfragen zur Anwendung

Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte

Für im Unternehmen angestellte Berufsangehörige gelten die berufsrechtlichen Grundpflichten sinngemäß. Soweit die besondere Rolle im Unternehmen besondere Rahmenbedingungen setzt, sind diese bei der Auslegung zu berücksichtigen.

Berufsausübungsgesellschaften

Gesellschaftsrechtliche Strukturen entbinden nicht von persönlichen Pflichten. Die BORA verlangt organisatorische Vorkehrungen, damit Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Konfliktfreiheit auch im arbeitsteiligen Umfeld gewährleistet sind.

Praktische Bedeutung

Transparenz und Vertrauensschutz

Die BORA schafft verlässliche Standards für Mandatsführung, Kommunikation, Zusammenarbeit und Organisation. Dadurch fördert sie Vertrauen, Vorhersehbarkeit und Qualität in der Rechtsberatung.

Fortentwicklung und Anpassungsfähigkeit

Auf neue gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen reagiert die BORA durch regelmäßige Überprüfung und Anpassung. So bleibt das Berufsrecht anschlussfähig und praxisnah.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Die folgenden Fragen und Antworten beleuchten den Begriff BORA aus rechtlicher Perspektive in Form eines kompakten Nachschlagewerks.

Was ist die BORA und wozu dient sie?

Die BORA ist die Berufsordnung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland. Sie präzisiert berufliche Pflichten, legt Standards für Mandatsbearbeitung, Kommunikation und Organisation fest und schützt damit Mandantinnen und Mandanten sowie die Integrität des Berufs.

Für wen gilt die BORA?

Sie gilt für alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie für Berufsausübungsgesellschaften. Für Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte gilt sie sinngemäß, soweit deren besondere Stellung dies zulässt.

Wie verhält sich die BORA zu staatlichen Gesetzen?

Die BORA ist autonomes Satzungsrecht und konkretisiert gesetzliche Vorgaben. Sie ersetzt keine Gesetze und darf ihnen nicht widersprechen. Bei Spannungen gilt der Vorrang höherrangiger gesetzlicher Regelungen.

Welche Themen deckt die BORA ab?

Zentrale Bereiche sind Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Interessenkollisionen, Mandatsführung, Werbung und Außenauftritt, Zusammenarbeit und Organisationsformen, Umgang mit Fremdgeldern sowie Vertretung und Unterbevollmächtigung.

Welche Folgen kann ein Verstoß gegen die BORA haben?

Mögliche Konsequenzen reichen von belehrenden Maßnahmen und Rügen bis zu Geldsanktionen und in gravierenden Fällen weitergehenden berufsrechtlichen Folgen. Daneben können haftungs- oder strafrechtliche Aspekte berührt sein.

Gilt die BORA auch bei internationaler Tätigkeit?

Ja, im Inland gilt die BORA auch für grenzüberschreitende Mandate. Zusätzlich können ausländische oder europäische Standesregeln relevant sein. Es kommt auf ein abgestimmtes Zusammenspiel der einschlägigen Regelwerke an.

Regelt die BORA auch digitale Kommunikation und neue Technologien?

Die BORA enthält Grundpflichten, die auch im Digitalen gelten. Bei elektronischer Kommunikation, Nutzung von Plattformen oder technischen Tools müssen Vertraulichkeit, Datensicherheit, Transparenz und Unabhängigkeit gewahrt bleiben.