Begriff und rechtliche Einordnung des Bondholders
Der Begriff Bondholder bezeichnet im rechtlichen Kontext die Inhaberin oder den Inhaber einer Schuldverschreibung („Bond“). Ein Bondholder ist somit eine natürliche oder juristische Person, die gegen den Emittenten eines Bonds Ansprüche und Rechte aus dem jeweiligen Wertpapier geltend machen kann. Die Bondholderstellung ist eine zentrale Komponente im Anleihe- und Kapitalmarktrecht.
Rechte und Pflichten eines Bondholders
Rechtliche Grundlage der Bondholderstellung
Die Grundlage der Rechte des Bondholders finden sich im jeweiligen Anleihebedingungen, dem jeweiligen Wertpapierprospekt, dem deutschen Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) sowie – je nach Rechtsordnung – ergänzenden Regelungen nationaler oder internationaler Herkunft. Bonds werden meist nach Maßgabe nationalen Zivilrechts oder – bei grenzüberschreitenden Emissionen – nach dem Recht eines bestimmten Staates (Governing Law) begeben.
Gläubigerstellung und Forderungsrechte
Rechtlich wird der Bondholder durch Erwerb des Wertpapiers zum Gläubiger des Emittenten. Die wichtigsten Forderungsansprüche umfassen:
- Zahlung von Zinsen (Kupons): Anspruch auf regelmäßige (meist jährliche oder halbjährliche) Auszahlungen gemäß den vertraglichen Vereinbarungen im Bond.
- Rückzahlung des Nennbetrags: Unbedingtes Recht auf Rückzahlung des ursprünglich investierten Kapitals („Nennwert“) zum Fälligkeitstermin.
- Anteil an Sonderforderungen: Je nach Anleihebedingungen können weitere Rechte wie vorzeitige Rückzahlung (z. B. im Rahmen eines „Change of Control“) bestehen.
Informations-, Mitwirkungs- und Kontrollrechte
Bondholder genießen in der Regel Informationsrechte. Dazu zählt die verpflichtende Bereitstellung von Emissions- und Finanzinformationen durch den Emittenten. Mitwirkungsrechte werden über die sogenannte Bondholder-Versammlung realisiert, deren Befugnisse im SchVG und in den Emissionsbedingungen geregelt sind. Diese Versammlungen entscheiden u.a. über Änderungen der Anleihebedingungen oder über Restrukturierungsmaßnahmen.
Haftung und Risikoprofil des Bondholders
Rechtsstellung im Insolvenzfall (Konkursrang)
Im Fall der Insolvenz des Emittenten ist der Bondholder typischerweise nicht bevorzugter, sondern nachrangiger Gläubiger („unbesichert und nicht nachrangig“, sofern im Anleiheprospekt nicht anders geregelt). In internationalen Kontexten können Bonds durch Covenants, Sicherheiten oder Rangvereinbarungen unterschiedlich ausgestaltet sein. Besicherte Bondholder können auf Sicherheiten zugreifen, während unbesicherte Bondholder sich am freien Vermögen des Schuldners anteilig beteiligen.
Haftungsausschlüsse und Risiken
Bondholder haften grundsätzlich nicht für die Verpflichtungen des Emittenten; das eingegangene Risiko ist auf das investierte Kapital und die zu erwartenden Zinsen begrenzt. Währungs- und Emittentenrisiko, aber auch die jeweilige Strukturierung der Anleihebedingungen, bestimmen das konkrete Ausfallrisiko.
Rechtewahrnehmung und kollektive Gläubigerrechte
Einzelrechte und kollektive Gläubigervertretung
Neben individuellen Klagerechten nach nationalem Zivilprozessrecht besteht bei vielen Bonds das Instrument der kollektiven Gläubigervertretung, etwa durch einen gemeinsamen Vertreter („Common Representative“). Nach § 7 SchVG kann die Bondholder-Versammlung einen solchen bestellen.
Bondholder-Versammlung und Mehrheitsentscheidungen
Kollektive Entscheidungen bezüglich wesentlicher Änderungen an den Anleihebedingungen oder der Restrukturierung werden durch Mehrheitsbeschlüsse in der Bondholder-Versammlung gefällt. Dies sind sog. „Collective Action Clauses“ (CAC). Die Bindungswirkung solcher Beschlüsse für sämtliche Inhaberinnen und Inhaber der betreffenden Anleihe ist rechtlich anerkannt.
Übertragbarkeit und Registerführung
Eigentumsübertragung und Depotführung
Bonds lauten entweder auf den Inhaber oder auf den Namen. Die Übertragbarkeit wird durch Übergabe und Indossament (bei Orderpapieren) oder durch Buchung bei Depotbanken (bei Globalurkunden oder Girosammelverwahrung) realisiert. Das rechtliche Eigentum und die damit verbundenen Rechte werden durch Eintragung in das Wertpapierdepot dokumentiert.
Bedeutung des Wertpapierprospekts für den Bondholder
Der Wertpapierprospekt (Prospektpflicht gemäß EU-Prospektverordnung und WpPG) ist das zentrale Dokument, aus dem die Rechte und Pflichten des Bondholders hervorgehen. Er bildet die maßgebliche Rechtsgrundlage für Ansprüche der Bondholder gegenüber dem Emittenten, da hierin sowohl die Anleihebedingungen als auch Risikoangaben und Sicherheiten geregelt sind.
Internationale Aspekte und grenzüberschreitende Bonds
Anwendbares Recht und Streitbeilegung
Bei grenzüberschreitenden Emissionen ist das anwendbare Recht oft ausdrücklich im Prospekt oder den Anleihebedingungen bestimmt. Typische Rechtsordnungen sind deutsches oder englisches Recht. Fragen der Streitbeilegung werden häufig durch Gerichtsstandsvereinbarungen oder Schiedsgerichtsklauseln geregelt.
Besonderheiten bei Staatenanleihen
Bondholder von Staatsanleihen unterliegen besonderen Regelungen, insbesondere bei Umschuldungen. Staatliche Bondholder-Versammlungen, Souveränitätsaspekte und der eingeschränkte Zugang zu staatlichen Vermögenswerten sind hier zu berücksichtigen.
Steuerliche und aufsichtsrechtliche Aspekte
Steuerliche Behandlung
Die Erträge eines Bondholders aus Zinszahlungen und Veräußerungsgewinnen sind regelmäßig steuerpflichtig. Die konkrete steuerliche Behandlung hängt von der jeweiligen nationalen Rechtsordnung und dem Wohnsitz des Bondholders ab.
Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen
Die Emission und der Vertrieb von Bonds unterliegen den Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), der Prospektverordnung sowie den Prüfungen und Genehmigungen durch nationale Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Zusammenfassung:
Der Bondholder nimmt als Inhaber einer Schuldverschreibung eine zentrale Stellung im Anleihe- und Kapitalmarktrecht ein. Seine Rechte und Pflichten werden durch den Anleihevertrag, die Anleihebedingungen, das Wertpapierprospekt und nationale wie internationale Gesetze geregelt. Im Rahmen von Insolvenzen, Restrukturierungen und kollektiven Gläubigerentscheidungen nimmt der Bondholder sowohl Einzel- als auch Mitwirkungsrechte wahr. Die genaue rechtliche Ausgestaltung der Stellung des Bondholders ist stets abhängig von der Art der Anleihe, den anwendbaren Rechtsvorschriften sowie dem jeweiligen Emissionsrahmen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Ansprüche hat ein Bondholder gegenüber dem Emittenten bei Zahlungsverzug?
Ein Bondholder hat im Falle eines Zahlungsverzugs durch den Emittenten verschiedene rechtliche Ansprüche, die sich primär aus dem Anleihevertrag, aber auch aus den gesetzlichen Regelungen ergeben. Im deutschen Recht handelt es sich bei einer Anleihe (Schuldverschreibung) grundsätzlich um ein Schuldverhältnis gemäß §§ 488 ff. BGB, sodass der Bondholder als Gläubiger grundsätzlich einen zivilrechtlichen Anspruch auf die vereinbarte Zins- und Rückzahlung gegenüber dem Emittenten hat. Gerät der Emittent in Verzug, hat der Bondholder das Recht, die fällige Zahlung einzufordern und ggf. auf Zahlung zu klagen. Nach § 286 BGB kann hier zudem grundsätzlich Verzugszinsen gefordert werden. In vielen Anleihebedingungen sind darüber hinaus Kündigungsrechte des Bondholders sowie spezielle Verfahren bezüglich der Geltendmachung von Ansprüchen geregelt, etwa die Möglichkeit, die Anleihe bei Zahlungsverzug vorzeitig fällig zu stellen. Bei Unternehmensanleihen wird oft ein Treuhänder oder gemeinsame Vertreterregelung eingesetzt, um die Interessen der Bondholder zu koordinieren, was Auswirkungen auf die individuelle Rechtsdurchsetzung haben kann. In bestimmten Fällen kann zudem ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten eröffnet werden, in dem die Bondholder ihre Forderungen als Insolvenzgläubiger nach den Regeln der Insolvenzordnung anmelden müssen.
Welche Rechte besitzen Bondholder im Insolvenzfall des Emittenten?
Im Insolvenzfall des Emittenten haben Bondholder als Gläubiger grundsätzlich das Recht, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 174 InsO). Sie werden entsprechend ihrer Position als Fremdkapitalgeber in der Insolvenz behandelt, das heißt nachrangige oder nach besonderen Bedingungen ausgestattete Anleihen werden gemäß den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen behandelt (z. B. Nachrangabrede nach § 39 InsO). Die Bondholder bilden mit allen übrigen ungesicherten Gläubigern eine Gläubigergruppe und werden im Regelfall nach der Insolvenzquote, die auf die jeweiligen Forderungen entfällt, berücksichtigt. Besonders zu beachten sind etwaige Sicherheiten, die bestimmten Anleiheformen zugrunde liegen (z. B. besicherte Anleihen), die im Insolvenzfall ggf. zu einer bevorrechtigten Befriedigung führen können. Bondholder haben im Insolvenzverfahren weitergehende Rechte, etwa die Teilnahme an der Gläubigerversammlung und die Mitwirkung bei Sanierungsentscheidungen oder Abstimmungen zu Insolvenzplänen (§§ 74 ff. InsO).
Welche Pflichten treffen Bondholder gegenüber dem Emittenten?
Rechtlich gesehen treffen Bondholder im klassischen Verständnis als Gläubiger einer Anleihe nur sehr eingeschränkt Pflichten gegenüber dem Emittenten, da das Schuldverhältnis im Wesentlichen auf die Leistungspflicht des Emittenten ausgerichtet ist. In der Regel sind Bondholder nur zur Leistung des vereinbarten Ausgabepreises (Zeichnungsbetrag) bei Erwerb der Anleihe verpflichtet. Nach Erwerb bestehen keine weiteren typischen Verhaltenspflichten, es sei denn, der Anleihevertrag enthält besondere Nebenabreden (wie Geheimhaltungspflichten oder Zustimmungserfordernisse bei bestimmten Maßnahmen). Komplexere Regelwerke, etwa im Rahmen von nachrangigen Anleihen oder Wandelanleihen, können vertragliche Mitwirkungspflichten, z. B. bei Umwandlungsvorgängen oder Maßnahmen nach Schuldverschreibungsgesetz (SchVG), vorsehen.
Inwieweit können Bondholder an Gläubigerversammlungen teilnehmen und dort Einfluss nehmen?
Das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) sieht vor, dass bei Emissionen von Schuldverschreibungen unter deutschem Recht Gläubigerversammlungen gebildet werden können, in denen Bondholder bestimmte kollektive Rechte ausüben. Bondholder können dort insbesondere über Änderungen der Anleihebedingungen, Restrukturierungsmaßnahmen oder die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters beschließen (§§ 5 ff. SchVG). Jedes durch die Anleihe vertretene Wertpapier gewährt in der Regel eine Stimme. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung sind für alle Bondholder verbindlich, soweit gesetzliche Quoren und Mehrheiten erreicht werden. Auf diese Weise können Bondholder einen entscheidenden Einfluss auf die Durchsetzung ihrer Rechte und auf die Ausgestaltung des Schuldverhältnisses nehmen. Besondere Bedeutung kommt diesem Gremium in Restrukturierungs- oder Insolvenzfällen zu.
Welche Rolle spielt der gemeinsame Vertreter beim Schutz der Bondholder-Interessen?
Der gemeinsame Vertreter, wie ihn das Schuldverschreibungsgesetz (§ 7 SchVG) vorsieht, wird von der Gläubigerversammlung bestellt und vertritt die Rechte und Interessen aller Bondholder gegenüber dem Emittenten und Dritten. Er ist insbesondere für die Durchsetzung kollektiver Rechte zuständig, kann Klagen erheben, Maßnahmen zur Sicherung der Rechte der Bondholder einleiten und Einzelansprüche koordinieren. Dies dient der Vereinfachung und Bündelung der Gläubigerinteressen, insbesondere bei umfangreichen Anleiheemissionen mit vielen Bondholdern. Der gemeinsame Vertreter unterliegt eigenen rechtlichen Verpflichtungen, untersteht der Kontrolle der Gläubigerversammlung und muss die Bondholder regelmäßig informieren.
Welche rechtlichen Beschränkungen gelten für die Übertragbarkeit von Bonds durch Bondholder?
Die Übertragbarkeit von Bonds wird durch das jeweilige Wertpapier- sowie Vertragsrecht geregelt. In der Regel sind Anleihen als Inhaberschuldverschreibungen konzipiert (§ 793 BGB), sodass sie formlos durch Einigung und Übergabe übertragen werden können. Allerdings können im Emissionsprospekt oder in den Anleihebedingungen Übertragungsbeschränkungen festgelegt sein, etwa Zustimmungserfordernisse oder Verkaufsverbote, zum Beispiel bei Privatplatzierungen oder im Rahmen bestimmter aufsichtsrechtlicher Vorgaben. Ferner können börsenrechtliche und kapitalmarktrechtliche Vorschriften, wie das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Falle einer Weiterveräußerung relevanter Stückmengen Meldepflichten auslösen.
In welchen Fällen können Bondholder eine vorzeitige Rückzahlung (Kündigung) verlangen?
Das Recht auf vorzeitige Rückzahlung durch Kündigung ist häufig vertraglich geregelt und ergibt sich aus den sogenannten „Covenants“ oder Schutzklauseln in den Anleihebedingungen. Typische Kündigungsgründe („events of default“) sind insbesondere Zahlungsunfähigkeit, Insolvenz, wesentliche Verstöße gegen die Bedingungen der Anleihe oder Nicht-Einhaltung von bestimmten Finanzkennzahlen. Das Schuldverschreibungsgesetz (§ 13 SchVG) sieht vor, dass Bondholder bei einem solchen Ereignis durch Erklärung gegenüber dem Emittenten oder dem gemeinsamen Vertreter die sofortige Rückzahlung ihrer Forderungen verlangen können. Die rechtlichen Modalitäten hierzu (z. B. Fristen und Formvorschriften) sind in den individuellen Anleihebedingungen detailliert geregelt und im Streitfall gerichtlich durchsetzbar. Bei öffentlichen Anleihen findet in Deutschland häufig das kollektive Kündigungsrecht über die Gläubigerversammlung Anwendung.