Begriff und Definition des Blankett
Der Begriff „Blankett“ (Plural: Blankette; abgeleitet vom französischen „blanchette“, zu deutsch „kleiner Zettel“, „Formular“ von „blanc“ = „weiß“, „leer“) bezeichnet im Recht einen Text, ein Gesetz, eine Urkunde oder eine Erklärung, die notwendige Angaben oder inhaltliche Ausführungen vorsieht, aber zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erstellung noch nicht ausformuliert oder ausgefüllt sind. Der Blankett wird somit später erst durch Ausfüllung oder Ergänzung mit den erforderlichen konkreten Angaben vollendet und erhält dadurch seine praktische oder rechtliche Wirksamkeit.
Diese grundsätzliche Offenheit bei der ersten Ausstellung oder Formulierung unterscheidet einen Blankett von vollständig fertigen Rechtsdokumenten oder Normen. Im deutschen Recht findet der Begriff vielseitig Anwendung; seine genaue Bedeutung variiert je nach rechtlichem Kontext, beispielsweise im Gesetzgebungsprozess, im Strafrecht, im Vertragsrecht oder auch in der Verwaltung.
Blankett im Gesetzgebungsverfahren
Blankettgesetz
Ein klassischer Anwendungsfall ist das sogenannte „Blankettgesetz“. Hierunter versteht man eine aus sich heraus nicht oder nur eingeschränkt anwendbare Gesetzesvorschrift, bei der die materiellen Regelungen oder tatbestandsmäßigen Voraussetzungen ganz oder teilweise fehlen und erst durch nachgeordnete Rechtsnormen oder Ausführungsbestimmungen ausgefüllt werden.
Blankettgesetze werden häufig erlassen, um flexibel auf zukünftige Gegebenheiten reagieren zu können oder um Details einer Norm auf untergesetzlicher Ebene (z.B. durch Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften) nachträglich festzulegen. Der eigentliche Regelungsgehalt ergibt sich dann erst durch diese ergänzenden Vorschriften.
Beispiel: Das Arzneimittelgesetz (§ 6 AMG) enthält zahlreiche Verweisungen auf Verordnungen, sodass die Einzelheiten erst in Rechtsverordnungen geregelt werden und der Gesetzeswortlaut in Teilen eine Blankettstruktur aufweist.
Verfassungsrechtliche Anforderungen
Blankettgesetze und Blankettvorschriften unterliegen gewissen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und dem sogenannten Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) muss ein Gesetz die für die Rechtsanwendung wesentlichen inhaltlichen Vorgaben soweit wie möglich selbst treffen („Wesentlichkeitstheorie“). Der Gesetzgeber darf die wesentlichen Entscheidungen nicht vollständig auf die Verwaltung oder die Exekutive auslagern. Rein offene Blankettvorschriften ohne substantiellen eigenen Inhalt sind daher regelmäßig unzulässig.
Blankett im Strafrecht
Blankettstraftatbestand
Im Strafrecht bezeichnet man als „Blankettstraftatbestand“ einen Tatbestand, der in der Strafnorm selbst nur rudimentär oder generell umschrieben ist und der zur vollständigen Erfassung der Strafbarkeit auf außerhalb der Norm stehende Regelungen verweist. Erst durch die Kombination mit den genannten Außenvorschriften wird der Straftatbestand konkretisiert und abschließend definiert.
Ein klassisches Beispiel findet sich in § 323a Abs. 1 StGB („Vollrausch“): Die Strafnorm verweist auf andere Vorschriften, die wie Blanketten eingefügt werden müssen, um den Tatbestand auszufüllen.
Arten des Blankettstraftatbestands:
- Unbenannter Blankettstraftatbestand: Verweist pauschal auf eine andere Vorschrift (z.B. „wer eine Handlung begeht, die… verboten ist“).
- Benannter Blankettstraftatbestand: Verweist auf eine konkret bestimmbare, meist im selben Gesetz genannte Vorschrift.
Blankettstraftatbestände dienen dazu, eine Vielzahl möglicher Handlungen zu erfassen, indem sie den Strafbarkeitsrahmen weit fassen. Sie erfordern aber ein hohes Maß an Klarheit, um dem Bestimmtheitsgebot des § 1 StGB und Art. 103 Abs. 2 GG (nulla poena sine lege) zu genügen.
Systematische Bedeutung und Kritik
Blankettstraftatbestände ermöglichen ein flexibles, normübergreifendes Sanktionensystem, stehen jedoch häufig in der Kritik, da sie für den Bürger schwer durchschaubar sind und zwischen verschiedenen Normebenen vermittelt wird. Kritiker sehen darin eine Gefährdung des Vertrauensgrundsatzes und des Grundsatzes der Normenklarheit.
Blankett im Vertragsrecht
Blankett als Vertragsurkunde
Im Vertragswesen steht ein Blankett für ein grundsätzlich bereits vorbereitetes, aber noch in Einzelfragen offenes Vertragsformular. Die wesentlichen Vertragsbedingungen oder personellen Angaben werden erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgefüllt, etwa bei Darlehensverträgen, Mietverträgen oder Bürgschaftserklärungen. Das Blankett bildet hierbei das Grundmuster, das individuell angepasst wird.
Rechtswirkungen:
Ein ausgefülltes und unterschriebenes Blankett wird, sofern keine Schriftformmängel oder unzulässige Änderungen bestehen, zu einer verbindlichen Willenserklärung bzw. einem rechtlich wirksamen Vertrag. Die Verwendung blankettartiger Vertragsdokumente erleichtert die Vertragsabwicklung, birgt aber Risiken, falls sensible Stellen (z.B. Betrag, Vertragslaufzeit) offen gelassen oder nachträglich missbräuchlich ausgefüllt werden.
Blankett in der Verwaltung
Auch im Verwaltungshandeln werden Blankettverfahren benutzt, insbesondere im Zusammenhang mit Formularen und behördlichen Vordrucken, die erst individuell ausgefüllt amtliche Wirkung entfalten. Hierbei bezeichnet der Begriff Blankett häufig vorbereitete Vordrucke, die durch die Eintragung persönlicher oder sachlicher Daten mit einer bestimmten Rechtsfolge versehen werden, z.B. bei Anträgen oder Bewilligungen.
Blankett im Urkundenrecht
Im Urkundenrecht, etwa bei Bankschecks, Wechseln oder Überweisungsformularen, werden Blankette als Vordrucke betrachtet, die erst mit Unterschrift, Betrag und weiteren Angaben ihre vollständige rechtliche Bedeutung entfalten. Im Falle eines Missbrauchs fälschlicherweise ausgefüllter Blankette spricht man vom Blankettbetrug.
Abgrenzungen und verwandte Begriffe
Der Blankettbegriff ist von anderen, verwandten Rechtsphänomenen abzugrenzen:
- Formular: Ein Formular enthält oft wesentlich mehr Pflichtangaben und ist als Vordruck verbindlicher ausgefüllt.
- Rahmengesetz: Während das Rahmengesetz einen gewissen inhaltlichen Kern aufweist, ist das Blankett vollständig offen.
- Verweisung: Eine einfache Verweisung auf andere Vorschriften oder Vertragsteile unterscheidet sich durch den fehlenden Charakter einer offenen Stelle zur Ausfüllung.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Rechtsfigur des Blankett erlaubt es, Gesetze, Verträge oder Urkunden nicht abschließend festzulegen, sondern durch spätere Ausfüllung oder Konkretisierung einer Vielzahl von Einzelfällen gerecht zu werden. Zugleich werden durch den Blankettcharakter Flexibilität, Praktikabilität und Anpassungsfähigkeit im Recht erreicht. Die Anwendung und Gestaltung von Blanketten muss jedoch bestimmten inhaltlichen und formellen Voraussetzungen genügen, um den Prinzipien der Bestimmtheit, Normenklarheit und Rechtssicherheit nicht zu widersprechen.
Literatur:
- Dieter Medicus, Allgemeiner Teil des BGB. 11. Auflage, Vahlen 2016.
- Helmuth Schulze-Fielitz (Hrsg.), Blankett und Rahmengesetze, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 80 Rn. 1 ff.
- Heinrich Dörner (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Artikel: Blankett.
Häufig gestellte Fragen
Wann wird ein Blankett im deutschen Recht typischerweise verwendet?
Ein Blankett kommt im deutschen Recht vor allem im Zusammenhang mit Urkunden, insbesondere bei Wertpapieren wie Wechseln, Schecks oder Schuldscheinen, zur Anwendung. In diesen Fällen handelt es sich um ein Schriftstück, das über die wesentlichen Merkmale einer Urkunde verfügt, aber noch nicht vollständig ausgefüllt ist. Die rechtliche Besonderheit besteht darin, dass der Aussteller oder eine andere berechtigte Person das Recht hat, die fehlenden Angaben nachträglich einzutragen. Blankette werden oft genutzt, um flexibler auf zukünftige Entwicklungen zu reagieren oder administrative Prozesse zu vereinfachen. Die spätere Ausfüllung setzt voraus, dass eine Ausfüllungsermächtigung – ausdrücklich oder stillschweigend – vorliegt. Im Wechselrecht ist die Verwendung von Blanketts ausdrücklich geregelt, wobei die Blankounterschrift als wirksame Verpflichtung gilt, sobald die fehlenden Bestandteile in Übereinstimmung mit der getroffenen Vereinbarung ergänzt werden.
Was sind die rechtlichen Risiken bei der Verwendung von Blanketts?
Die Verwendung von Blanketts birgt erhebliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf das Ausfüllungsrisiko und die Möglichkeit missbräuchlicher Ergänzungen. Das zentrale Problem liegt darin, dass eine Person, die im Besitz eines Blanketts ist, dieses unter Umständen unbefugt vollständig ausfüllt und daraus Ansprüche ableitet. Im Schuldrecht und Wertpapierrecht gilt grundsätzlich: Wird ein Blankett entgegen der Ausfüllungsermächtigung ergänzt, ist die Urkunde zwar im Verhältnis zu gutgläubigen Dritten (wie dem Inhaber eines Wechsels) weiterhin wirksam; im Innenverhältnis zwischen Aussteller und Ausfüllungsberechtigtem kann dies jedoch Schadenersatzansprüche auslösen. Das Risiko, dass Dritte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer Urkunde vertrauen, liegt daher grundsätzlich beim Aussteller, sofern dieser das Blankett aus der Hand gibt.
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die wirksame Nutzung eines Blanketts erfüllt sein?
Für die rechtlich wirksame Nutzung eines Blanketts ist in erster Linie eine wirksame Ausfüllungsermächtigung erforderlich. Diese kann ausdrücklich, etwa in einem Vertrag, oder stillschweigend, etwa durch konkludentes Handeln, erteilt werden. Darüber hinaus muss das Blankett zumindest die wesentlichen Elemente enthalten, die für die jeweilige Urkunde oder das Wertpapier gesetzlich vorgeschrieben sind, beispielsweise die Unterschrift des Ausstellers. Werden Wertpapiere ausgegeben, müssen die formellen Anforderungen des jeweiligen Spezialgesetzes, wie z.B. das Wechselgesetz oder Scheckgesetz, erfüllt sein. Fehlt eine Ausfüllungsermächtigung oder erfolgt das Ausfüllen entgegen den Vereinbarungen, kann dies die zivilrechtliche Wirksamkeit der Urkunde beeinträchtigen und zu einer Haftung gegenüber dem geschädigten Aussteller führen.
Wie erfolgt die Beweisführung im Streitfall bei missbräuchlicher Ausfüllung eines Blanketts?
Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf den Missbrauch einer Blanketturkunde beruft – z.B. der ursprüngliche Aussteller -, die Beweislast dafür, dass das Dokument entgegen der vereinbarten Ausfüllungsermächtigung ergänzt wurde. Dies ist oft schwierig, da nach außen hin für Dritte das vollständig ausgefüllte Dokument gilt und die ursprünglichen Vereinbarungen und Absprachen im Hintergrund stehen. Gerichte greifen auf alle verfügbaren Beweismittel zurück, einschließlich Zeugen, privatschriftliche Verträge oder Indizien, um zu klären, ob eine Überschreitung der Ausfüllungsermächtigung vorliegt. Im Handels- und Wertpapierrecht gilt dabei der besondere Schutz des gutgläubigen Erwerbers.
Welche Rolle spielt die Ausfüllungsermächtigung im Zusammenhang mit dem Blankett?
Die Ausfüllungsermächtigung ist das zentrale Element bei der rechtlichen Behandlung von Blanketts. Sie regelt, welche Person welche Angaben mit welcher inhaltlichen Reichweite in das noch unvollständige Dokument eintragen darf. Die Ausfüllungsermächtigung kann individuell ausgestaltet werden – sowohl hinsichtlich Umfang als auch bezüglich des zeitlichen Rahmens und der einzutragenden Inhalte. Sie begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, das im Fall einer schuldhaften Überschreitung zu Schadensersatzansprüchen des Ausstellers oder Werthabers gegen den Ausfüllungsberechtigten führen kann. Ohne Ausfüllungsermächtigung wird das nachträglich ausgefüllte Dokument im Innenverhältnis regelmäßig als unwirksam betrachtet.
Wann ist die Nutzung eines Blanketts unzulässig oder nichtig?
Die Nutzung eines Blanketts ist dann unzulässig bzw. nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt oder die Formvorschriften für bestimmte Urkunden nicht eingehalten werden. Beispielsweise dürfen Blankette nicht zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr verwendet werden – bei nachgewiesenem Betrug ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig (§ 138 BGB). Ebenso ist die Herausgabe eines Blanketts ohne jegliche Absprache bezüglich der Ausfüllung problematisch und kann zur (Teil-)Nichtigkeit führen, wenn damit der Wille des Ausstellers grob verfälscht wird. Bestimmte Rechtsakte, wie etwa die notarielle Beurkundung, lassen das Blankettprinzip grundsätzlich nicht zu und verlangen stets eine abschließende Ausformulierung der Urkunde.