Legal Lexikon

Bilanz


Begriff und rechtliche Bedeutung der Bilanz

Die Bilanz ist ein zentrales Element des Rechnungswesens und der Rechnungslegung von Unternehmen und stellt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital (Aktiva und Passiva) dar. Ihre Erstellung und Veröffentlichung sind durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen detailliert geregelt und nehmen im wirtschaftlichen wie auch rechtlichen Kontext eine Schlüsselrolle ein. Die Bilanz ist sowohl für unternehmensinterne Entscheidungen als auch für das externe Berichtswesen und die Beurteilung der Unternehmenslage durch Dritte von hoher Bedeutung.


Gesetzliche Grundlagen der Bilanz

Handelsrechtliche Vorschriften

Das Grundgerüst der Bilanzierung in Deutschland bildet das Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere die Vorschriften der §§ 242 ff. HGB. Nach § 242 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahrs eine Bilanz aufzustellen, die das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden ersichtlich macht.

Bilanzierungspflicht

Die sich aus dem HGB ergebende Bilanzierungspflicht betrifft insbesondere Handelsgesellschaften wie die GmbH, AG, OHG und KG, aber auch Einzelkaufleute, sofern bestimmte Schwellenwerte überschritten werden (§ 241a HGB).

Begriffsdefinition gemäß HGB

Nach § 266 HGB ist die Bilanz in eine Aktiva- und eine Passiva-Seite zu gliedern. Diese Gliederungsvorschriften gewährleisten die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und dienen dem Gläubigerschutz.


Steuerrechtliche Vorschriften

Neben den handelsrechtlichen Vorgaben enthält auch das Steuerrecht umfangreiche Regelungen zur Bilanz. Das wichtigste Regelwerk ist hier das Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere §§ 4 und 5 EStG in Verbindung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 238 HGB).

Maßgeblichkeitsgrundsatz

Der sogenannte „Maßgeblichkeitsgrundsatz“ (§ 5 Abs. 1 EStG) besagt, dass die handelsrechtlichen Wertansätze grundsätzlich auch für die steuerliche Bilanz maßgeblich sind, sofern keine steuerlichen Vorschriften eine Abweichung fordern.

Sonderregelungen im Steuerrecht

Das Steuerrecht kennt zahlreiche abweichende Bewertungsvorschriften, beispielsweise Sonderabschreibungen oder steuerrechtliche Rücklagen. Diese führen dazu, dass die Handelsbilanz und die Steuerbilanz inhaltlich voneinander abweichen können.


Inhalt und Aufbau der Bilanz

Gliederung nach § 266 HGB

Die handelsrechtliche Bilanz besteht aus zwei Seiten:

  • Aktiva: Anlagevermögen, Umlaufvermögen, aktive Rechnungsabgrenzungsposten, ggf. aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung
  • Passiva: Eigenkapital, Rückstellungen, Verbindlichkeiten, passive Rechnungsabgrenzungsposten

Die exakte Struktur richtet sich nach der Unternehmensform und kann für Kreditinstitute und Versicherungen abweichend geregelt sein.

Bilanzauswertung und -funktionen

Durch die Bilanz werden u. a. Aussagen über die Liquidität, die Eigenkapitalausstattung und die Verschuldungsstruktur eines Unternehmens ermöglicht. Damit ist sie Grundlage für betriebswirtschaftliche Analysen und Prüfungen.


Veröffentlichungspflichten und Offenlegung

Vorschriften zur Offenlegung

Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften unterliegen der Pflicht zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses, zu dem die Bilanz als wesentlicher Bestandteil gehört. Grundlage sind insbesondere § 325 HGB und das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG).

Sanktionen bei Verstößen

Bei Nichtveröffentlichung oder unvollständiger Offenlegung können Bußgelder verhängt werden. Zudem kann das Bundesamt für Justiz Zwangsgelder anordnen.


Bilanzarten

Handelsbilanz

Serviert der Information und Rechenschaftslegung nach HGB.

Steuerbilanz

Dient der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach EStG und ist häufig Gegenstand von Betriebsprüfungen.

Sonderbilanzen

Ergänzend existieren verschiedene Sonderformen, beispielsweise bei Unternehmensumwandlungen oder bei Überschuldungsprüfungen im Insolvenzrecht.


Besondere Regelungen und Ausnahmen

Kleine und mittelgroße Unternehmen

Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§§ 267-267a HGB) existieren Erleichterungen bei Gliederung und Veröffentlichungspflichten der Bilanz.

Bilanz im internationalen Kontext

Internationale Vorgaben wie die International Financial Reporting Standards (IFRS) können für kapitalmarktorientierte Unternehmen maßgeblich sein und zu abweichenden Darstellungen führen.


Bilanzrechtliche Prinzipien

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

Die Erstellung der Bilanz richtet sich nach den GoB, darunter das Prinzip der Bilanzwahrheit, Bilanzklarheit, Bilanzkontinuität sowie das Vorsichts- und Imparitätsprinzip.

Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden

Es sind verschiedene Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zulässig, etwa Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die unter bestimmten Bedingungen variieren können. Maßgebend sind die gesetzlichen Wertansätze.


Bilanzierung im Insolvenz- und Strafrecht

Bilanz in der Unternehmenskrise

Im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Prüfung (z. B. Überschuldung nach § 19 InsO) ist die Bilanz ein zentrales Instrument zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens.

Bilanzstrafrecht

Das Bilanzstrafrecht (§§ 331 ff. HGB, § 283b StGB) ahndet Verstöße gegen Bilanzvorschriften, etwa durch unrichtige Darstellung der Vermögenslage oder Verschleierung von Positionen (Bilanzfälschung).


Archivierung und Aufbewahrungspflichten

Aufbewahrungsfristen

Nach § 257 HGB in Verbindung mit § 147 AO sind Bilanzen für zehn Jahre aufzubewahren. Diese Fristen dienen der Beweis- und Nachvollziehbarkeit für steuerliche und handelsrechtliche Zwecke.


Zusammenfassung: Rechtliche Einordnung der Bilanz

Die Bilanz ist mehr als ein betriebswirtschaftliches Instrument – sie steht im Mittelpunkt zahlreicher gesetzlicher Regelungen und erfüllt vielfältige rechtliche Anforderungen. Von der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Bilanzierungspflicht über die Pflichten zur Offenlegung bis hin zu spezialgesetzlichen Ausgestaltungen und strafrechtlichen Sanktionen ist die Bilanz ein zentrales Element der Unternehmensrechtsordnung. Ihre sachgerechte und vorschriftsmäßige Erstellung ist unabdingbare Voraussetzung für die rechtssichere Führung und Bewertung eines Unternehmens.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht nach deutschem Recht die Pflicht zur Erstellung einer Bilanz?

Nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) besteht für Kaufleute nach § 238 Abs. 1 HGB grundsätzlich die Verpflichtung, Bücher zu führen und zu jedem Geschäftsjahr einen Abschluss, bestehend aus einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung, aufzustellen. Diese Pflicht gilt für Einzelkaufleute, wenn ihre Umsatzerlöse mehr als 600.000 Euro und ihr Jahresüberschuss mehr als 60.000 Euro beträgt (§ 241a HGB), sowie ausnahmslos für Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG (§ 264 Abs. 1 HGB). Auch für Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person eine unbeschränkte Haftung trägt (etwa GmbH & Co. KG), ist die Bilanzerstellung nach den §§ 264a, 242 HGB verpflichtend. Für Nicht-Kaufleute wie Kleingewerbetreibende und Freiberufler besteht diese Pflicht jedoch grundsätzlich nicht, sie dürfen die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) verwenden. Aus steuerlicher Sicht kann sich zudem nach § 140 AO die Bilanzierungspflicht aus anderen Gesetzen ergeben oder nach § 141 AO aus der Überschreitung bestimmter Umsatz- oder Gewinnschwellen.

Welche rechtlichen Vorschriften sind bei der Gliederung der Bilanz zu beachten?

Für die Gliederung der Bilanz gelten strenge rechtliche Vorgaben, die insbesondere für Kapitalgesellschaften im Handelsrecht detailliert geregelt sind. Die §§ 266 und 275 HGB geben ein verbindliches Bilanzgliederungsschema vor: Es ist eine strikte Unterscheidung zwischen Aktiva und Passiva einzuhalten sowie eine vorgegebene Staffelform zu verwenden. Die Positionen sind in der vorgegebenen Reihenfolge und Gliederungsschema aufzuführen, wobei keine willkürliche Zusammenfassung oder neue Gliederung erlaubt ist (§ 265 Abs. 5 HGB). Ausnahmen gelten nur in genau definierten Fällen, zum Beispiel, wenn bestimmte Posten für das jeweilige Unternehmen nicht bestehen. Außerdem sind Zusatzangaben beim Vorliegen besonderer Sachverhalte, wie etwa bei eigenem Grundbesitz oder nicht geführten Immateriellen Vermögensgegenständen, zu machen. Kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 HGB können bestimmte Erleichterungen in der Bilanzgliederung nutzen.

Innerhalb welcher Frist muss die Bilanz rechtlich aufgestellt und veröffentlicht werden?

Gemäß § 243 Abs. 3 HGB ist die Bilanz unverzüglich nach Ablauf des Geschäftsjahres, in der Regel binnen drei Monaten aufzustellen. Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften verlängert sich diese Frist auf bis zu sechs Monate (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Die Offenlegung bzw. Veröffentlichung der Bilanz und des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger muss nach § 325 HGB spätestens zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag erfolgen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, drohen Ordnungsgelder durch das Bundesamt für Justiz (§ 335 HGB).

Wer ist rechtlich verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bilanz?

Die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bilanz liegt nach § 243 Abs. 2 HGB grundsätzlich beim gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, im Falle der GmbH bei den Geschäftsführern und bei der AG beim Vorstand. Diese Vertreter haben die Bilanz nach bestem Wissen aufzustellen und zu unterzeichnen. Im Falle von Personengesellschaften ohne natürliche vollhaftende Person obliegt diese Pflicht den geschäftsführenden Gesellschaftern (§ 161 HGB in Verbindung mit § 125 HGB). Eine Verletzung dieser Pflicht kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen, insbesondere im Falle von Bilanzfälschung gemäß § 331 HGB oder § 283b StGB (Bilanzdelikte), nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Vorgaben bestehen für die Bewertung der Bilanzposten?

Die Bewertung der Bilanzposten ist nach §§ 252 ff. HGB den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und bestimmten Einzelbewertungsvorschriften unterworfen. Prinzipien wie Vorsichts-, Realisations-, und Imparitätsprinzip müssen beachtet werden. Für Vermögensgegenstände und Schulden gelten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Bewertungsbasis, wobei außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen keine willkürlichen Wertansätze erfolgen dürfen. Ferner existieren spezielle Vorschriften für Wertberichtigungen, Rückstellungen und Abschreibungen, die zwingend einzuhalten sind. Steuerlich können sich nach dem Einkommensteuergesetz (insbesondere §§ 5, 6 EStG) abweichende oder ergänzende Bewertungspflichten ergeben. Grundsätzlich ist die Einhaltung dieser Vorschriften verpflichtend und kann bei Verstoß zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen.

Welche Prüfpflichten gibt es im Hinblick auf die Bilanz?

Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften unterliegen nach §§ 316 ff. HGB der Pflicht, ihre Bilanz und den Jahresabschluss durch einen unabhängigen Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Die Prüfung hat sich insbesondere auf die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, die ordnungsgemäße Buchführung, die Klarheit des Abschlusses sowie auf die Übereinstimmung mit den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmens zu erstrecken. Kleine Kapitalgesellschaften können von der Prüfungspflicht ausgenommen sein (§ 316 Abs. 1 HGB). Der Abschlussprüfer hat seine Feststellungen in einem Prüfungsbericht und einer Bestätigungsvermerk festzuhalten. Falsche Bilanzierung oder Mängel können zivil- oder strafrechtliche Schritte nach sich ziehen.

Wie lange muss die Bilanz rechtlich aufbewahrt werden?

Die rechtlichen Aufbewahrungsfristen für Bilanzen ergeben sich aus § 257 HGB und § 147 AO. Nach diesen Vorschriften sind die Bilanz sowie Buchungsbelege für einen Zeitraum von zehn Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung in die Bücher gemacht wurde oder die Bilanz aufgestellt wurde. Bei Verstoß gegen diese Aufbewahrungspflicht drohen Bußgelder oder steuerliche Nachschätzungen, da die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht mehr gewährleistet werden kann.