Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Gesellschaftsrecht»Betriebsüberlassungsvertrag

Betriebsüberlassungsvertrag


Betriebsüberlassungsvertrag

Begriff und Definition

Ein Betriebsüberlassungsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag, der den zeitlich befristeten oder unbefristeten Gebrauch eines gesamten Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile durch einen Dritten regelt. Im deutschen Recht bezieht sich der Begriff insbesondere auf die Konstellation, in der ein Unternehmen, der sogenannte Überlasser, einem anderen Unternehmen, dem Übernehmer, seinen Betrieb oder einen Teil davon zur eigenverantwortlichen Führung überlässt, ohne dass eine Änderung der rechtlichen Eigentumsverhältnisse stattfindet. Ziel eines Betriebsüberlassungsvertrages ist es, dem Übernehmer die wirtschaftliche Nutzung des Betriebes mit allen zugehörigen wirtschaftlichen Chancen und Risiken zu ermöglichen.

Abgrenzung zu verwandten Vertragsformen

Betriebsüberlassung versus Arbeitnehmerüberlassung

Der Betriebsüberlassungsvertrag unterscheidet sich erheblich von der Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Während bei der Arbeitnehmerüberlassung Arbeitnehmer einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden, bleibt beim Betriebsüberlassungsvertrag die Organisationsgewalt über die Arbeitnehmer und den Betriebsablauf beim Überlasser oder wird vollständig auf den Übernehmer übertragen, ohne dass typische Arbeitsverhältnisse an den Übernehmer übergehen.

Betriebsüberlassung versus Pacht- und Mietvertrag

Im Unterschied zum klassischen Miet- oder Pachtvertrag nach §§ 581 ff. BGB erstreckt sich ein Betriebsüberlassungsvertrag nicht nur auf die Überlassung von Sachen (beispielsweise Maschinen, Gebäude), sondern regelmäßig auch auf Funktionsabläufe, Betriebsmittel, immaterielle Werte sowie häufig auf die Belegschaft des Betriebes. Je nach Ausgestaltung überschneidet sich der Betriebsüberlassungsvertrag jedoch in bestimmten Punkten mit dem Pachtvertrag, insbesondere hinsichtlich des Gebrauchsrechts an wirtschaftlichen Einheiten und der Verpflichtung zur Rückgabe nach Vertragsende.

Rechtliche Grundlagen und Regelungsinhalte

Vertragsparteien und Formerfordernisse

Vertragsparteien eines Betriebsüberlassungsvertrages sind regelmäßig zwei voneinander rechtlich unabhängige Unternehmen. Ein Formerfordernis besteht in der Regel nicht; aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch die Schriftform empfehlenswert.

Wesentliche Vertragsbestandteile

Ein Betriebsüberlassungsvertrag sollte die folgenden wesentlichen Inhalte regeln:

  • Gegenstand der Überlassung: Definition des Betriebes oder Betriebsteils, genaue Bezeichnung von Anlagen, Inventar, immateriellen Gütern und gegebenenfalls Belegschaft.
  • Überlassungsdauer: Beginn, Laufzeit und Möglichkeit der ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung.
  • Vergütung: Festlegung der Überlassungsgebühr, Zahlungsmodalitäten, Anpassungsklauseln.
  • Betriebsführung: Umfang der übertragenen unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse des Übernehmers.
  • Risiko- und Haftungsverteilung: Regelung über Instandhaltung, Versicherung, Haftung für Schäden.
  • Rechte und Pflichten gegenüber Dritten: Rechte an bestehenden Verträgen, Umgang mit Verbindlichkeiten und Forderungen, Umgang mit Arbeitsverhältnissen.
  • Rückgabepflichten: Wahrung des ursprünglichen Zustands, Regelungen zur Rückgabe nach Vertragsende.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Umgang mit Arbeitsverhältnissen

Ein zentrales Thema bei der Betriebsüberlassung betrifft den Status der Beschäftigten. Gehen im Rahmen der Überlassung auch Arbeitsverhältnisse über, ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613a BGB erfüllt sind. Wird lediglich die Leitung des Betriebes ausgegliedert, ohne dass ein echter Betriebsübergang stattfindet, verbleiben die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich beim Überlasser. Andernfalls werden die Beschäftigten gemäß § 613a BGB auf den Übernehmer mit allen Rechten und Pflichten übertragen.

Mitbestimmungsrechte und Betriebsrat

Die Betriebsüberlassung kann weitgehende Auswirkungen auf bestehende Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben. Insbesondere sind Informations-, Beratungs- und gegebenenfalls Zustimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten, beispielsweise gemäß §§ 111, 112 BetrVG bei Betriebsänderungen.

Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen

Ein Betriebsüberlassungsvertrag kann verschiedene steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise im Bereich der Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer. Die Nutzungsüberlassung kann umsatzsteuerbar sein, wenn eine entgeltliche Leistung vorliegt. Sozialversicherungsrechtlich stellt sich unter anderem die Frage, wer als Arbeitgeber im Sinne der Sozialversicherung gilt und wer für die Abführung der Beiträge verantwortlich ist.

Kartellrechtliche und genehmigungsrechtliche Aspekte

In bestimmten Branchen und bei gewissen Marktverhältnissen ist bei Abschluss eines Betriebsüberlassungsvertrages das Kartellrecht zu berücksichtigen, insbesondere die Fusionskontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Zudem können in einigen Sparten (z. B. Gesundheitswesen, Energie, Verkehr) behördliche Genehmigungspflichten bestehen.

Beendigung des Betriebsüberlassungsvertrages

Nach Vertragsbeendigung ist der Übernehmer verpflichtet, den Betrieb oder Betriebsteil im vertraglich vereinbarten Zustand zurückzugeben. Streitigkeiten können sich aus der Auslegung der Rückgabeverpflichtung, dem Umgang mit Investitionen und Veränderungen während der Überlassung sowie aus dem Zustand des Inventars ergeben. Etwaige getroffene Rückbau-, Ausgleichs- oder Entschädigungsregelungen werden im Vertrag üblicherweise detailliert festgelegt.

Zusammenfassung

Ein Betriebsüberlassungsvertrag ist ein komplexes Vertragsinstrument zur Überlassung eines Betriebes oder Teils davon zur eigenverantwortlichen Nutzung durch einen Dritten. Die sorgfältige Regelung der Rechte und Pflichten in den Bereichen Arbeitsrecht, Steuerrecht, Haftung sowie die Berücksichtigung kartell- und genehmigungsrechtlicher Vorschriften sind für den Erfolg der Überlassung von zentraler Bedeutung. Die Vertragsgestaltung muss individuell auf die beiden beteiligten Unternehmen und die konkreten Umstände des zu überlassenden Betriebes zugeschnitten werden, um wirtschaftliche Ziele und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist beim Betriebsüberlassungsvertrag rechtlich betrachtet der Arbeitgeber des überlassenen Arbeitnehmers?

Im Rahmen eines Betriebsüberlassungsvertrages – auch als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet – bleibt der rechtliche Arbeitgeber des überlassenen Arbeitnehmers grundsätzlich immer das verleihende Unternehmen, also der Verleiher. Zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer besteht das Arbeitsverhältnis weiterhin in vollem Umfang. Das entleihende Unternehmen (Entleiher) übt während des Überlassungszeitraumes zwar das Weisungs- und Direktionsrecht aus, übernimmt aber rechtlich weder die Arbeitgeberfunktionen hinsichtlich Lohnzahlung, Sozialversicherungspflichten noch im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes. Allerdings können im Rahmen der sogenannten „Arbeitnehmerüberlassung“ nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bestimmte Mitverantwortlichkeiten und Pflichten auf den Entleiher übergehen, beispielsweise im Bereich des Arbeitsschutzes oder bei der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit Stammbelegschaften (Equal Treatment und Equal Pay). Kommt es zu einem sogenannten „verdeckten Arbeitsverhältnis“ durch Rechtsmissbrauch oder eine nicht erlaubte Arbeitnehmerüberlassung (z.B. fehlende Erlaubnis des Verleihers), kann das Arbeitsverhältnis auch unmittelbar mit dem Entleiher zustande kommen (§ 10 AÜG).

Welche rechtlichen Anforderungen muss der Betriebsüberlassungsvertrag gemäß dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erfüllen?

Das AÜG bestimmt in § 12 klare formale und inhaltliche Anforderungen an den Betriebsüberlassungsvertrag. Zunächst muss der Vertrag schriftlich im Vorfeld der tatsächlichen Überlassung abgeschlossen werden; eine mündliche Vereinbarung genügt nicht und ist nichtig. Im Vertrag müssen zwingend die Identität des verliehenen Arbeitnehmers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt, die Überlassungsdauer sowie der konkrete Einsatzort genannt werden. Außerdem muss die Arbeitnehmerüberlassung explizit als solche im Vertrag bezeichnet werden (sogenanntes „Kennzeichnungsgebot“). Auch eine verdeckte oder irrtümliche Überlassung zieht weitreichende Rechtsfolgen nach sich. Der Vertrag hat sicherzustellen, dass die für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitsbedingungen während der Überlassung mindestens denen der Stammarbeitnehmer des Entleihers entsprechen (Equal Treatment/Equal Pay). Weiterhin ist darzulegen, dass eine gültige Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Verstöße gegen diese gesetzlichen Vorgaben können erhebliche bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Arbeitnehmer führen.

Welche Pflichten treffen den Verleiher und den Entleiher hinsichtlich des Arbeitsschutzes?

Sowohl der Verleiher als auch der Entleiher tragen eigenständige Pflichten im Bereich des Arbeitsschutzes, die in § 11 AÜG und weiteren Arbeitsschutzgesetzen geregelt sind. Der Verleiher bleibt für die arbeitsvertraglichen Schutzpflichten, insbesondere bei der Gestaltung und Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben, verantwortlich. Er muss sich zudem von der Eignung des Arbeitsplatzes im Entleiherbetrieb überzeugen. Der Entleiher ist während der Einsatzzeit für die Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen am konkreten Arbeitsplatz zuständig, einschließlich der Durchführung notwendiger Unterweisungen, Stellung von Arbeitsmitteln und Gewährleistung eines sicheren Arbeitsumfeldes. Darüber hinaus treffen ihn Meldepflichten gegenüber dem Verleiher bezüglich arbeitsbedingter Gefahren und etwaiger Unfälle. Die gesetzlich vorgesehene sogenannte „Doppelverantwortung“ verlangt somit enge Abstimmung beider Parteien, um die Sicherheit und Gesundheit der überlassenen Arbeitnehmer zu gewährleisten.

Welche gesetzlichen Grenzen gibt es für die Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern durch einen Betriebsüberlassungsvertrag?

Das AÜG sieht in § 1 Abs. 1b eine grundsätzliche maximale Überlassungsdauer eines Leiharbeitnehmers an denselben Entleiher von 18 aufeinanderfolgenden Monaten vor. Wird diese Höchstüberlassungsdauer überschritten, entsteht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, sofern der Arbeitnehmer dem nicht widerspricht. Ausnahmen können sich aus Tarifverträgen der Einsatzbranche ergeben, die längere Überlassungszeiten zulassen oder andere abweichende Regelungen treffen. Für den Leiharbeitnehmer kann die Geltendmachung dieses Arbeitsverhältnisses Vorteile etwa im Hinblick auf Kündigungsschutz und betriebliche Mitbestimmung bedeuten. Im Falle von Kettenüberlassungen (Wechsel des Verleihers unter Beibehaltung des Einsatzortes) sind Umgehungsgeschäfte unzulässig und werden ebenfalls dem Höchstüberlassungszeitraum zugerechnet.

Welche Haftungsregelungen gelten im Zusammenhang mit dem Betriebsüberlassungsvertrag?

Im Verhältnis zwischen Verleiher und Entleiher gilt allgemein, dass der Verleiher für die ordnungsgemäße Auswahl seiner Arbeitnehmer, deren Qualifikation und Einsatzfähigkeit haftet (sog. Auswahlverschulden). Für Schäden, die ein Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers verursacht, haftet grundsätzlich der Entleiher, da er das Weisungsrecht innehat und somit als Arbeitgeber im haftungsrechtlichen Sinn gilt. Eine Rückgriffsmöglichkeit beim Verleiher besteht nur, wenn das Auswahlverschulden nachweisbar ist. Im Hinblick auf Sozialversicherungsbeiträge und Lohnzahlungen bleibt ausschließlich der Verleiher verantwortlich. Kommt es zu einem Einsatz ohne erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, greifen verschärfte Haftungsregelungen, die den Entleiher als faktischen Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht haften unter Umständen beide Unternehmen gesamtschuldnerisch für Verstöße gegen das AÜG.

Wie ist die Mitbestimmung durch den Betriebsrat bei Abschluss und Durchführung eines Betriebsüberlassungsvertrages geregelt?

Der Betriebsrat des entleihenden Unternehmens hat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern. Dies umfasst unter anderem die Zustimmung zur Einstellung, Versetzung und Eingruppierung. Zusätzlich bestehen Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat hinsichtlich der Anzahl, des Einsatzortes und der Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer. Im verleihenden Unternehmen ist der Betriebsrat bei der Auswahl der überzulassenden Arbeitnehmer und der Ausgestaltung der Beschäftigungsbedingungen zu beteiligen. Die Betriebsräte beider Unternehmen haben das Recht, die Einhaltung der Gleichbehandlungsgrundsätze (Equal Pay/Equal Treatment) zu kontrollieren. Ebenso hat der Entleiher-Betriebsrat nach § 14 Abs. 3 AÜG ein besonderes Einsichtsrecht in die Vereinbarung zur Überlassung und kann im Rahmen des Entgeltvergleichs Informationen einfordern. Verstöße gegen diese Mitbestimmungsrechte können zur Unwirksamkeit der Maßnahmen und ggf. zu Unterlassungsansprüchen führen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung?

Verstöße gegen das AÜG, insbesondere bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, Missachtung der Offenlegungs- und Kennzeichnungspflicht, Überschreitung der Überlassungshöchstdauer oder Nichtgewährung von Equal Pay/Equal Treatment, sind bußgeldbewehrt und können mit erheblichen Geldbußen (bis zu 500.000 Euro) sanktioniert werden (§ 16 AÜG). Darüber hinaus kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung entzogen werden, was für den Verleiher existenzgefährdend ist. Bei unbefugter Überlassung kann das Gesetz ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher fingieren, was für den Entleiher weitreichende sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Konsequenzen hat. In gravierenden Fällen sind auch strafrechtliche Sanktionen (z.B. wegen Schwarzarbeit, Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen) möglich. Arbeitnehmern steht darüber hinaus ein Klagerecht auf Feststellung der Unwirksamkeit des Überlassungsvertrages und/oder auf Zahlung von Differenzvergütung zu.